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Ein Jugendlicher im Jahr 2016 kann es sich bei Gott nicht wirklich vorstellen, wie unsere westliche Welt vor der letzten Kultur-Revolution ausgesehen hat. Nach der Aufklärung, nicht zuletzt auch durch Immanuel Kant zum Ende des 18. Jahrhunderts hin, kommt es vor nahezu 50 Jahren wiederum zu einer Revolution. Es kommt zur ersten Krise, die Wirtschaft stagniert und zum ersten Mal gehen so manche Leute nicht zur Arbeit sondern zum Arbeitsamt. Es gibt Stempelgeld. Die Studenten rebellieren auf den Straßen. Was aber alle in Erregung bringt, was definitiv nicht mehr aufzuhalten ist, das ist die sexuelle Revolution. Es kommt in extenso zu einer sittlichen Umformung in allen nur denkbaren Schichten der Gesellschaft. Wenn es um Sex geht kann sich außer den unschuldigen Kindern niemand heraushalten. Was hier unglaublich klingen mag, die Antibabypille gibt es erst seit 5 Jahren und die Skepsis der Frauen ist groß, welch ein gefährliches Risiko gehe ich ein, insofern ich die Pille überhaupt verschrieben bekomme. Innerhalb einer gefühlt kurzen Zeitspanne wird die Welt buchstäblich aus ihren Angeln gehoben. Was vor zwei oder drei Jahren an der unerbittlichen Zensur hängen blieb, dafür gibt es 67 nur mehr ein müdes Lächeln. Die moralisch ablehnenden Aufschreie sind erstickt. Würde ich über jedes meiner Lebensjahre solch ein Buch schreiben, in dieser Akkuratesse, dann kämen fast 70 Bücher auf den Markt. Das aber wird nicht passieren, so viel Zeit wird mir der liebe Gott nicht mehr zugestehen. Eines der intensivsten Jahre ist 1967, es ist dies ein Jahr, über welches sich die Leserin oder der Leser, hoffentlich mit schmunzelnder Miene, hier ein ausgeprägtes Bild machen kann. Wir rauchen zwar kein Cannabis und distanzieren uns von Marihuana und dergleichen, und doch ist es eine definitiv spannende Ära. Und es geht auch gleich zu Beginn des Buches in die Vollen, die Polizei ist mir auf den Fersen, ich bin de facto ein Gejagter. Vorausgegangen war eine Schlägerei in einem Gasthaus. Infolgedessen kommt es zu einer abenteuerlich wilden Verfolgungsjagd durch die Straßen der Stadt. Überdies kommt auch der Liebe wieder mal eine exklusive Bedeutung zu, in mehreren Arten. Es steht die Frage im Raum, wird es uns gelingen, dem Tyrann der Carl Gustav Jungstraße die Stirne zu bieten? Kann ich seine Strahlkraft mindern? Energie wird auf Bemühungen stoßen! Ungeachtet dessen kommt es zu einem heißen Sommer und ein geheimnisvoller 8. September steht an, neue Dimensionen werden angebrochen.
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Seitenzahl: 906
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Es ist seit Urzeiten darauf hingewiesen worden, dass moralische Normen ursprünglich theologisch begründet waren und dass sie vor einem theologischen Hintergrund auch einen vernünftigen Sinn ergeben. Es ist dann Gottes Wille, der hinter den moralischen Normen steht, und Gottes Willen soll auch unbedingt erfüllt werden. Freilich gilt diese Vorstellung nur für die Gläubigen, für die Ungläubigen ist sie bei Gott nicht nachvollziehbar und je größer der allgemeine Glaubensschwund mit der Zeit wurde, desto mehr begannen die unbedingten moralischen Forderungen in der Luft zu hängen. Trotzdem ließ man sie nicht fallen sondern im Gegenteil, sie wurden globalisiert, sodass sie jetzt auch gegenüber Menschen erhoben werden, die nie an einen christlichen Gott geglaubt haben. Besonders deutlich zeigt sich das am Beispiel der Menschenrechte, die als allgemein geltende Normen angesehen werden, die überall auf der ganzen Welt unbedingt einzuhalten sind oder seien. Diese Überzeugung ist so stark, dass die Verletzung dieser Rechte sogar als Kriegsgrund akzeptiert wird, soweit aber bin ich nicht geneigt zu denken. Aber, nicht nur bei den Menschenrechten, auch bei den neuen Ethikkommissionen, die wie Pilze aus dem Boden schießen, zeigt sich der Glaube und die Legitimität an unbedingte Normen. Die Kommissionen sind gedacht, um die ethischen Probleme der neuen Technologien, vor allem in der Medizin und in der Biologie zu bewältigen, aber mittlerweile sind auch in fast allen Arten des Sports ethische Kommissionen an der Tagesordnung, überall dort, wo ein Klärungsbedarf gesehen wird, weil man der Meinung ist, dass ethische Normen nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft seien die sie bedingten, sondern unbedingt gölten und daher auf jeden angewendet werden dürften oder sollten. Von einer angewandten Ethik als selbständiger, allgemeiner Disziplin zu sprechen, hat doch nur dann einen Sinn, wenn es auch eine allgemein gültige Ethik gibt. Insofern das nicht der Fall ist, kann man wohl nur von angewandter utilitaristischer Ethik oder einer angewandter Werteethik und ähnlichem reden. Die Naivität, mit der unter dem normal arbeitenden Volk vorgegangen wird, kann nur dazu führen, dass die Leute entweder aneinander vorbeireden oder eine irrelevante Stammtischethik betreiben. Die bedrückende Hilflosigkeit in ethischen Fragen kommt gar recht zum Ausdruck, wenn gegen die Eugenik in einer Fernsehdiskussion das Argument vorgebracht wird oder wurde, die Erbkrankheiten dürften nicht ausgerottet werden; sie seien nötig, weil sonst das Mitleid unter den Menschen weiter sinke. Wohlgemerkt, es handelte sich nicht um eine Kabarettsendung, sondern um ein hochseriöses Diskussionsforum des österreichischen Fernsehens, welche ich in Urlaub mich befindend ganz nebenbei mitbekam. Der Argumentationsnotstand ist so groß, dass der Betreffende nicht merkte, dass er das Verhältnis des Mittels zum Zweck in absurder Weise auf den Kopf stellte. Das Mitleid, das eigentlich das Mitleid ist, um das Leid zu lindern, wird zum Zweck, um dessentwillen Leid geschaffen werden muss.
Soweit wollte ich es eigentlich nicht kommen lassen, nur die Eugenik interessierte mich. Erbschädigende Einflüsse sind es, die mich in meinem Leben immer wieder motivierten, nicht dieselben Fehler wie die Alten zu machen, gleichwohl von ihnen Gutes kommt, was ich anhand der Ethik schon angesprochen habe. Des Weiteren gehe ich in all meinen Werken jeweils auch auf die Philosophie ein, die immer wieder mit der Theologie tangierte, auch hier wurde ausführlich die Moral großgeschrieben. Die Philosophie ist ein Gespräch mit einer dreitausendjährigen Geschichte. Genauer gesagt besteht sie aus vielen Gesprächen, die selbst heute noch überall auf unserem Globus geführt werden. Und etwas amüsiert denke ich an einen bestimmten französischen Philosophen, welcher sagte, das Leben macht uns alle irgendwann mal zu Philosophen. Hier wie dort ist stets schon die Ethik und die Moral gepriesen worden und ich möchte sie auch nie missen. Aber es braucht halt alles seine Zeit, wie auch das Schreiben. Der Schreibende merkt es nicht so sehr wie die an seiner Seite lebenden Personen, die sich mehr vom Partner wünschen, mehr Zeit und mehr Anerkennung im Alltag. Umso mehr spreche ich hiermit meinen tiefsinnigen Dank aus, für keinen anderen mehr wie für dich liebe Agathe, danke liebe Agathe, danke für deine Nachsicht und Toleranz, danke für deine Duldsamkeit und dein Verständnis.
Herausragend bedanken will ich mich auch bei meinen Computer-Experten, zum einen bei meinem Schwiegersohn Malte, auf dessen Erscheinen zu Weihnachten hin ich mich im Voraus schon immer riesig freue, zum anderen bei Hector Endres, der mir über das ganze Jahr zur Verfügung und zur Seite steht, sobald sich ein kleines oder größeres Problem abzeichnet und zu guter Letzt gilt mein tiefgründiger Dank auch meinem Enkel Sandro Heros, er ist stets dann zur Stelle, wenn ich so weit bin mit meinem neuesten Werk, welches dann per PDF zu dem von mir auserwählten Verlag geschickt wird, es ist dies immer wieder der mir liebgewonnene Verlag aus Norderstedt, nicht weit von jener Stelle entfernt, wo einst meine Tochter für etliche Monate wohnte. Dank sei allen um mich herum, ein Dankeschön zunächst für Stephan von Richthofen, ein weiteres Dankeschön den lieben Nachbarn und all denen, die mir auf angenehme Weise das Leben lebenswerter machen, wie zum Beispiel Almera Heros und die Enkelkinder Lena Alisa und Finn, sowie auch ein Dankeschön an den Lebensgefährten Almeras.
Es mag vielleicht kurios klingen, aber dennoch bedanke ich mich bei all denen die meinen Weg kreuzten und noch viel mehr bei jenen, die einen Teil meines Lebensweges an meiner Seite verbrachten, teilweise sind sie schon verstorben, denn ohne ihr Dazutun hätte ich heute weiß Gott keinen Stoff, um diese Biographie zu schreiben. Und gemäß meines Glaubens ein herzliches Dankeschön an den Allmächtigen im Himmel, Dank deiner Güte bin ich noch in der Verfassung, um weiterhin schreiben zu können.
Kapitel : In schwierigen Lagen soll man keine Sündenböcke suchen, sondern einen Ausweg. Der von der Polizei Gejagte; alle Geschehnisse der Flucht
Kapitel: Es liegt in der Natur des Menschen, vernünftig zu denken und unvernünftig zu handeln Die Fortsetzung der Lovestory; die Fortsetzung der Hajo-Freundschaft; das gemeinschaftliche Gedenken an Cosimo; der starke Auftritt in der Carl-Gustav-Jungstraße. Die Popanz-Gestalt verliert sein Gesicht.
Kapitel: Wer zu hoch hinaus will, stößt gewöhnlich oben an.
Der Start im Sprudelwerk, wohin der Dicke folgte; der heiße Sommer im Jahre 67; der Exzess im Hause Paal; das Pathos der Lohnauszahlung; die Erlebnisse in der Kreisstadt sowie im Nachbarort; eine etwas skurrile Abfahrt von der Albhochfläche
Kapitel: Wer liebt und geliebt wird, hat die Sonne von beiden Seiten. Die Sonne des achten September
Alle Geschehnisse des achten September 67. Das Zuvor und das Danach und das erste Tangieren mit dem Gasthaus ``Zur Neuen Stadt´´.
Kapitel: Mit den Aufgaben wachsen die Kräfte Der Abschied vom Sprudelwerk
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Wieder mal: ein neuer Arbeitsplatz; Ist der Dicke ein Schwarzfahrer?
Bei der Musterung; Weihnachten 67, zunächst bei den Lupos und anschließend bei Räuschles; und zum Jahreswechsel findet die Verlobung statt
Kapitel: Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist Der kuriose Eignungstest bei der Bundeswehr
Kapitel: Unglück schärft die Augen - oder - Ein fester Standpunkt hindert so manchen am Voranschreiten
Gila findet Wertschätzung bei Berna und Mia. Auf die Verlobung erfolgt die absolute, aber ebenso auch erzwungene, Askese. Der habjährige Verzicht auf den geliebten Fußball und der einhergehende Verzicht auf jegliche Art von Alkohol; sieht so der Ethik-Kompass aus?
O wie schön die Welt doch sein kann, so empfindet es der frisch verliebte Mensch. Noch immer ließ sie das Letzte bewusst nicht geschehen, gleichwohl wir schon fünf Wochen miteinander gingen. Vielleicht ja gerade deshalb war nahezu jedes Berühren ein Elektrisieren, ein amüsantes Fest unserer Herzen, ein herrlich schön anmutendes Kribbeln und unser Wunsch war jener, dass sich dieser Zustand niemals ändern möge. Wir wussten es wird anders kommen und doch wollten wir das Glück möglichst lange festhalten, es wird nie etwas Schöneres geben, als diese von Gottes Hand komponierten Zustände. Wir teilten Geheimnisse, unternahmen Streifzüge und Erkundungsfahrten in die erogenen Zonen des anderen, selbst dort in den Schoß, wo der Quell der Liebe zu wohnen scheint, der normalerweise allzeit bereit ist, seine Auferstehung frenetisch zu feiern, allein Gila drehte den Riegel des Schlosses nicht auf.
Wir konnten uns viel zu selten sehen, denn unter der Woche verhielt sich der alte Eugen wie ein bockbeiniger Esel, hätte er es gekonnt, so hätte er eine drehbare Bockwindmühle vor das Gartentürchen gestellt und seine Töchter eingesperrt. Er hielt die Leine sehr kurz und doch war unsere Liebe gewachsen, ein unglaublich starkes Fundament hatte sich gefühlsmäßig bereits gebildet, ein eng verwobenes Netz war angefertigt worden und gefühlsmäßig bildeten wir eine Einheit. Dabei glaubte ich zunächst, dass es diese Liebe nur einmal geben kann und dieses eine Mal lag schon zweieinhalb Jahre zurück. Als ich die Beziehung mit dem Wiener Mädel Brigitte beendete, da glaubte ich nicht daran, dass ich noch einmal diesen unaussprechbaren Zauber der Liebe erleben könnte. Umso schöner, umso appetitlicher vermittelten es die eigenen Gedanken. Da war sie also wieder, die übermächtige und wundervolle Liebe, die unüberwindliche Regentschaft und die Macht der Hingezogenheit. Es ist ein entzückendes Wohlwollen, o wie schön und gleichsam präzise durchdringend sind des Amors süße Pfeile. Wer nur von des Gottes Schäflein hat sie nicht schon irgendwann gespürt? Es ist ein mitreißender Strom der Wonne, der süß über das Herz hinweg flutet. Ich bin bereit dem Herrn zu danken, danke täglich tausende Male, dass er mich schwelgen und weich gebettet fühlen lässt in der himmlischen Schönheit und in dem ungeahnten Glück, selbst ebenso ein Geliebter zu sein.
Zuweilen glaubte ich auf einer komfortablen Wolke zu schweben, weit entfernt der Erde und von einer expressiven Intuition umgeben. Ein vollkommen anderes Anschauungsvermögen war just in mir entstanden. Wenn wir beieinander waren dachten wir möglichst wenig an den sich immer wieder querstellenden Eugen. Nicht mal ein monströses Ungeheuer würde uns aufhalten können. Erst auf dem Nachhauseweg kommt, beziehungsweise kam es wieder zurück, das uns Traurig-Machende, aber selbst dagegen waren wir seelisch gestärkt, weil eben gerade der jeweilige Abschied das edelste und intensivste Küssen in sich stets birgt. Auf dem Nachhauseweg dann, nachdem ich Gila zu Hause sicher abgeliefert hatte, dachte ich ab und zu an das Joch des nächsten Tages. Doch dieses Denken konnte sich nicht behaupten, denn selbst der alleinige Nachhauseweg war kein natürliches Gehen, da hüpfte ich zuweilen im Takt des Herzens, im Takt der zärtlich reinen Liebe. Dabei achtete ich nicht auf meine Umwelt, es war mir einerlei ob es verwunderte Zeugen gab, die Glut der Liebe, welche Gila in mir entzündet hatte, war über alles erhaben, da kann dann der eine oder andere Passant der Straße verwundert sein Haupt schütteln, es schmerzt nicht, das Glück der Liebe lässt keinen Schmerz mehr zu. Das wahre Glück ist gleich dem Ruhm eines Olympiasiegers, beides ist Triumpf, und doch ist es die Liebe, deren Wert größer ist als alle anderen Freuden dieser Erde.
Es war also eine neue Liebe entstanden und der Konvergenzpunkt, der Ort wo die Liebe ihr Entfalten erlebte, dieser Ort war die Kampf-Bier-Stube. Aber, als ich Gila das erste Mal sah, auch das möchte ich ganz kurz erwähnen, das war zur Kinderfestzeit an den Boxautos in Altenstadt, als ich zwei Burschen niederschlug, die zuvor meinen Freund Edwin Eitel massiv bedroht hatten. Da rächte sich das junge Mädchen indem sie mir, nachdem ihre Begleiter sichtbar geschlagen waren, eine Ohrfeige verpasste. Dieser Auftritt beeindruckte mich, ja ich lobte sie ihres Mutes gar, doch dieser Tag war nicht vom Gefühl irgendeiner später auftauchenden Liebe geprägt. Es war dies im Sommer fünfundsechzig, danach sah ich sie über lange Monate nicht mehr, was weiter auch nicht schlimm war, weil wie gesagt, die Gefühlswelt noch beiderseits in Ordnung war.
Einige Monate später dann, im Frühsommer 66 traf ich sie im Freibad und ich hatte dabei riesiges Glück, denn es war das einzige Mal überhaupt, dass sie sich dort aufhielt. Sie schämte sich ihres verbundenen Beines wegen, was ich freilich nicht wissen konnte. Auch hier redeten wir miteinander, diesmal unter besseren Vorzeichen, ich wurde nicht mehr geohrfeigt. Um mit ihr besser ins Gespräch zu kommen spielte ich ihr ein Interesse vor, ich tat so als würde mich der Ärzteroman interessieren, den sie gerade am Lesen war. Dass sie daraufhin so freigiebig sich präsentierte und mir aus der Hand raus den Roman zum Mitnehmen anbot, das freilich wertete ich als ein gutes Omen.
Wieder war Funkstille! Ich wusste weder ihren Namen noch wusste ich ihren Wohnsitz, das alles rührte sie herzlich wenig und doch behauptete sie im Freibad sich noch befindend, wir werden uns noch oft genug sehen und ich staunte nicht schlecht, es kam mir vor als befände ich mich an einer antiken griechischen Stätte, so wie zum Beispiel in der Landschaft Phokis, beim Orakel von Delphi.
Im Frühsommer hatte es sich herumgesprochen, dass es unweit vom Geislinger Hauptbahnhof eine neue Wirtschaft gäbe. Das erste Mal suchte ich dieses Gasthaus mit meinem Bruder Adam zusammen auf und das Urteil, welches wir beide uns zu machen erlaubten, war überraschend positiv. Hier könne man sich, so waren wir uns einig, weitere Male sehen lassen. Nach dem packenden Fußball-Endspiel im Wembley-Stadion, das Deutschland auf recht unglückliche Weise verloren hatte, die ganze Fußballwelt weiß dies, wurde diese Kneipe mehr und mehr unser Stammlokal, was, wenn ich unser Stammlokal sage, freilich nicht für meinen Bruder Adam galt, nein es war dies der Dicke, also Petko Huspler, der mich immer wieder begleitete und nach kurzer Zeit schon waren wir die engsten Vertrauten der Wirtin Alana und des Wirtes Areus. Es entstand ein konstantes Bündnis, ein selten solidarischer Pakt. Da der Wirt immer öfter in Schwierigkeiten geriet, weil auch hier, wie könnte es auch anders sein in diesen Jahren, die simplen Badschüler aus Bad Überkingen ihrem schlechten Ruf ihre Ehre erwiesen und sie wiederholt für Unruhe sorgten, waren wir wiederholt zum Aufpassen aufgerufen und je nachdem, was sich gegenwärtig in der Gaststube abspielte und welche Schäden eventuell zu befürchten sind oder waren, machte uns der Wirt zu diskreten Aufsichtshütern, das mir persönlich etwas hässlich vorkommende Wort Rausschmeißer anzuwenden wäre hier vielleicht doch etwas überzogen dargestellt. Wir fühlten uns ansehnlich gewürdigt, fühlten uns sozusagen als V-Männer des Wirtsehepaars, da wir uns demzufolge die Tische unter die Lupe nahmen, alles beiläufig und unscheinbar, während unseres jeweiligen Aufenthalts in der erst vor kurzem auserkorenen Lieblingskneipe. Es waren in der Zwischenzeit enge, ja fast schon brüderliche Strukturen geschaffen und da ich gleichzeitig auch aus der Fußballjugend kommend als ein aufstrebender Star unter den Altenstädter Spielern angesehen war und die allumfassende Volksgunst und das neu errungene Renommee Sonntag für Sonntag durch effiziente, starke Leistungen wachsen ließ, was auch meinem großmütigem Freund Petko gefiel, feierten wir unsere eigene Blütezeit.
Die Geislinger Gewerbeschule war keine 200 Meter entfernt und auch andere Schulen der Oberstufe lagen nur unfern des Lokals, womit ein Grundeinkommen für das Pächterpaar schon mal gesichert war. Überdies ist nichts auf der Welt so alt und vor allem so nützlich wie die ``Mund-zu-Mund-Propaganda´´ und demgemäß war innerhalb kürzester Zeit auch der Aufschwung perfekt und da des Weiteren die besten Songs in der Jukebox permanent hier zu finden waren, war die Kampf-Bier-Stube unter allen Geislinger Möglichkeiten urplötzlich die Nummer eins, zumindest für das junge Publikum, für Leute zwischen 14 und 30 Jahren. Die Jüngsten selbstverständlich waren nur tagsüber da, zumeist in der Mittagspause oder am Abend bevor ihr Bus oder ihr Zug sie zum Herkunftsort brachte, den Hinweis auf die naheliegenden Schulen, da sie unterrichtet wurden, den habe ich schon getätigt. Apropos Songs und apropos Musik, so manches Mal lud uns der Wirt Areus noch nach seinem Dienst in seine Wohnung im Obergeschoss des Hauses ein, er war, was keiner von uns ahnen konnte, ein ausgezeichneter Pianist und entsprechend unserer Wünsche spielte er klassische Musik von Tschaikowski, Musik aus den Opern wie Schwanensee oder der Nussknacker.
Im Herbst kam es zu einem Fußball-Benefizspiel zwischen der Kampf-Bier-Stube und der Bier-Bar. Ich wurde erkoren zum Manager, zum Organisator und letztendlich auch zum Spielführer. Wir besiegten die Bierbar mit 3:1, auf dem städtischen Sportplatz, welcher sich dort befand wo heute das weithin bekannte und beliebte Nel-Mezzo untergebracht ist. Als Gewinner durften wir uns über ein Fass Bier freuen, es war eine Riesengaudi, da war die sonst so hochgepriesene Jukebox überflüssig, die Fußballlieder nämlich wurden ausgepackt und es wurde gesungen was das Zeug hielt. Dabei tanzte ich selbstbewusst auf dem Tisch und trank Bier aus meinem Kickschuh und nur ein Gast störte sich daran, wieder mal war es die vom Namen her noch immer unbekannte Rebellin des Kinderfestplatzes anno 1965. Und dennoch, ihre lange und blonde Mähne sah ich gern. Ich war geradezu hoch erfreut sie endlich wieder gefunden zu haben, ja sie behielt recht als sie damals voraussagte, wir werden uns noch sehr oft sehen.
Freuen durfte sich auch die gerade an ihrem Anfang stehende Lebenshilfe, ein soziales Netzwerk für behinderte Kinder. Es wurden rund herum um den steinigen Sportplatz über 600 Mark gesammelt, gewiss viel Geld, insofern man es vergleicht mit Spielen der unteren Fußballklassen und gemessen an den Einnahmen, die beispielsweise ein Amateurverein bei einem Heimspiel seinerzeit vorweisen konnte.
Es war ein goldenes Zeitalter, nirgendwo zuvor fühlten wir uns besser aufgehoben als im Kampfeck, wie die Kneipe oft auch liebevoll genannt wurde. Einen halben Gockel aß ich bisweilen zur Gaudi mitsamt den Knochen, gewann auf diese Weise mehrere Wetten, hauptsächlich dann im Frühjahr 67, als ich ganz plötzlich und weiß Gott überraschend arbeitslos wurde. Auch mein bester Freund Petko, der Dicke wie er immer genannt wurde, war arbeitslos, demzufolge waren wir mehr im Kampfeck als zu Hause. Für unsere Aufsicht floss so manches Bier durch unsere Kehlen, was für beide Seiten zufriedenstellend war, denn es kam höchst selten noch vor, dass wir Störenfriede zur Einsicht zwingen mussten.
Als dann Alana und Areus uns was zu sagen hatten, ganz vertraut am Stammtisch, da wurde die Stimmung melancholisch, ja der Abschied kam näher. Wir wollten es nicht wirklich wahrhaben und dennoch war es unabänderlich, das hochgeschätzte und von allen Seiten enthusiastisch gefeierte und beliebte Wirtsehepaar wird uns verlassen, es standen der Wirtin die Tränen nahe, als sie die bittere Wahrheit ans Licht beförderte. Die Stammgäste indessen, der Lage sich bewusst fühlend, auch wenn sie die Wahrheit als weiß Gott jammerschade empfanden, sie fühlten förmlich, dass diese Entscheidung unumstößlich ist und demnach respektierten und tolerierten sie die gegebene Sachlage. Aber die größere Anzahl der zum Stamm gehörenden Gäste wollten ebenso einen Dank entgegenbringen, einen Dank für eine grenzenlos schöne Zeit! Es wird äußerst diffizil sein, einen adäquaten Ersatz für die beiden zu finden, was aber nicht die Sorge der Gäste sein sollte, insofern man das Suchen und das Finden meint. Nein dafür gab es ja einen Geschäftsführer in der Hinterhand. Zurück also zu den Stammgästen. Mit einem anspruchslos und lebensfremden ``Adieu-Sagen´´ wollte sich keiner zufrieden geben. Areus und Alana glaubten dies, sie wussten was sie an uns hatten und demgemäß offerierten sie uns, ihr werdet uns eine riesige Freude machen, wenn ihr uns in unserer neuen Heimat besuchen würdet. Okay, so einigten sich alle Dasitzenden, auch die Trantüten der A-Jugend, wir werden am achten April in Dagersheim auftauchen, ihr könnt euch definitiv darauf verlassen.
Natürlich war ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr arbeitslos. Nein ich wollte der Mutter nicht unnötig zur Last fallen, da aber die Bundesrepublik von ihrer ersten Nachkriegskrise geschüttelt war, nahm ich eine Arbeit an, die ich selbst nur als eine Übergangslösung sah. Wenn ich heute diese Zeit an mir vorbeifließen lasse, so kann ich es fast selbst nicht glauben, jedoch es ist nichts als die Wahrheit, ich war bedienstet bei der Firma Johann Seidelmann in den Neuauen Geislingens, hatte also eine Arbeit bei den Dachdeckern gefunden. Und seit zwei oder drei Wochen turnte ich auf den Dächern der MAG umher, heute nur noch bekannt unter dem Namen Heidelberger Druckmaschinen. Dies ging so weit alles ganz flott, gar manchmal fühlte ich mich pudelwohl auf den Dächern, es ist eine komplett andere Welt. Das Thema aber hatte einen Haken. Der Montag fiel mir zuweilen doch recht schwer. Ich spielte in der ersten Mannschaft des SVA und wer mich kennt oder kannte der kann sich denken auf was ich anspiele. Am Sonntag nach dem jeweiligen Spiel, da wurde unsere Kameradschaft euphorisch gepflegt, es war stets heiter und lustig bis ausgelassen und der Alkoholpegel stieg im Laufe des Abends rasant und kontinuierlich an. Zwar war da die neue Eroberung Gila, die andauernde Verliebtheit mit all seinem Glanz und ich nahm auch Rücksicht auf sie, trank ihr zuliebe ein Bierchen weniger und begleitete sie auch nach Hause und noch immer stockte mir der Atem bei ihren verlangenden Küssen, aber danach, weil sie musste sich dem diktatorischen Willen des alten und kompromisslosen Eugen beugen und spätestens um 21 Uhr zu Hause sein, danach also, da sollte zumeist das feierliche Beisammensein erst seinem Höhepunkt entgegengehen. Ja und dann am Montag, da fand ich das Klettern und das Tanzen auf den Dächern der MAG weniger lustig und dementsprechend hielt ich mich fest an meiner Grundrichtung, es kann dieser Job nur eine vorübergehende Maßnahme sein.
Zwischenzeitlich hatte sich in den letzten Tagen ein neues Wirtsehepaar im Kampfeck eingelebt, doch um in die Fußstapfen von Alana und Areus zu steigen – na ich weiß nicht – das wird wohl für jedes folgende Paar schwierig sein. Anstelle von Areus gab es nun einen Kurt Eckart und für Alana sprang eine Asiatin ein, Tabora war ihr Name. Tabora kam aus dem alten Formosa, das freilich zu diesem Zeitpunkt im Jahre siebenundsechzig längst schon Taiwan hieß und auch die Hauptstadt des Inselstaates trug bereits, den jetzt noch immer aktuellen Namen Taipeh. Die alte Atmosphäre schien vorerst dahin zu sein, aber ich bin kein Freund von übereilten Vorurteilen, wir sollten uns erst mal eine Zeitlang bedienen lassen, danach sieht man weiter. Es wäre sehr schade, würden wir diese in unglaublicher Kürze zur Kultstätte sich gemauserte Unterhaltungsader wieder verlieren. Weshalb wir in der Woche vom ersten bis zum achten April, etwas häufiger als sonst unter der Woche das Kampfeck und somit auch die Taiwanerin Tabora und ihren deutschen Begleiter Kurt Eckart mehrfach begrüßten.
Der achte April war mittlerweile angebrochen und ich hatte ein Auto unter dem Hintern. Es war das Auto meines Bruders Adam. Noch immer fiel es mir schwer, dieses Faktum so zu akzeptieren, noch immer war ich traurig dies so auch anzuerkennen, denn wie Adam zu dem Auto kam, das war doch mehr als ungewöhnlich. Dieser recht schöne Opel Rekord gehörte zuvor dem verstorbenen Cosimo, schon seit 62, als Adam gerade mal sechzehn Lenze zählte. Cosimo bezahlte seine Raten dem Kaufvertrag entsprechend regelmäßig, da gab es nichts zu deuteln. Vorletztes Jahr im Sommer, also anno 64, als Adam auch schon im Besitz einer Fahrerlaubnis war, hatten zuerst Cosimo und exakt eine Woche später Adam einen Verkehrsunfall mit diesem Fahrzeug und danach stand das Auto unverrichteter Dinge vor dem Haus und keiner kümmerte sich darum. Cosimo war stets die ganze Woche seiner Arbeit wegen im Bayrischen, konnte zumindest unter der Woche nichts regeln und Adam fiel es auch nicht ein, irgendwas ohne eine Abmachung mit Cosimo zu unternehmen. Die Mutter störte sich an dem unschönen Bild vor dem Haus und sprach einen für mich nicht nachvollziehbaren und seltsamen Richterspruch aus, indem sie sagte: jener der sich um das Fahrzeug kümmert, der es repariert oder reparieren lässt, dem soll von nun an das Auto auch gehören. Der im Bayrischen arbeitende Cosimo war klar benachteiligt, denn in Abwesenheit sich befindend konnte er natürlich keine Werkstatt kontaktieren und am Wochenende danach, da war der Markt schon gelaufen. Adam hatte reagiert, war schneller als Cosimo und auch schneller als ich, denn auch ich hatte mir so meine Gedanken und auch Hoffnungen gemacht und wollte die Reparatur selbst ausführen, um das Gefährt dann an Cosimo zurückzugeben, zumindest bis zu meinem Achtzehnten, danach würde es bestimmt zu einer Einigung kommen.
Es war also recht suspekt wie Adam sich das Fahrzeug unter den Nagel riss. Irgendwie war es für mich gedanklich immer noch so, dass er sich den Opel von Mutter unrechtmäßig ergaunerte und Cosimo, im Nachhinein gesehen, jahrelang für nichts und wieder nichts Raten beglichen hatte. Inzwischen war Cosimo mit seinem zweiten Auto, einem VW-Käfer, tödlich verunglückt. Auch ich befand mich seinerzeit in dem Unfallauto, überlebte den Crash mit schweren Verletzungen, hatte ein bisschen mehr Glück als der geliebte Bruder.
Solch arglistige Gedanken fielen mir nicht ein, nachdem ich als Achtzehnjähriger die Führerscheinprüfung abgelegt hatte. Nie im Leben wäre ich auf den abstrusen Gedanken gekommen, mir das Auto des eigenen Bruders aneignen zu wollen. Ich kaufte mir eine alte Schrottlaube, welche von einem guten Freund, von Wenzel Grosse um es konkret zu sagen, tatsächlich zu Schrott gefahren wurde. Da eine große Schuldenlast auf mir lag, die ich mir infolge einer Schlägerei einhandelte, kaufte ich mir vorerst kein Auto mehr und was ich nicht für möglich hielt traf tatsächlich ein, ab und an bekam ich den feurigen Elias, so nämlich taufte Cosimo einst seinen schönen Opel Rekord, so auch an diesem Wochenende. Nun also zurück zum achten April 67, zurück zu dem Vorhaben, unser altes Wirtshausehepaar in Dagersheim aufzusuchen. Es waren gleich mehrere Autos unterwegs dorthin, ja es glich fast einer Invasion, friedlicher Art natürlich, die beiden Wirtsleute waren äußerst beliebt.
Die Freude war riesengroß. Besonders Alana nahm uns strahlend und vergnüglich auf. Aber der Unterschied war nicht allzu groß, nein auch Areus war ermuntert und amüsiert und freute sich unbändig. Und umso mehr Zeit verging, desto größer war schließlich der Andrang des Volkes und schon bald waren alle Sitzplätze von den anströmenden Jugendlichen eingenommen, ja die meisten kamen aus der Landeshauptstadt herüber. Für uns wäre es schöner gewesen, wenn Alana und Areus sich mehr Zeit für uns hätten herausnehmen können, das Geschehen jedoch war nicht vorauszusehen. Aber auch so war es ein wunderschönes Erlebnis, es war mal ganz was anderes. Wir versuchten es auch aus ihrer Sicht zu sehen, ja schön doch, wenn sie vor den Toren Stuttgarts einen solch tollen Start verzeichnen können. Es wurden noch Lieder gesungen und Adressen ausgetauscht worden, dann aber war es endgültig so weit, der Abschied nahte.
Der Abschied wurde richtig feierlich. Selbst bei Gila wurden entzückende Lebensgeister geweckt, ich konnte ein nur flüchtig übers Gesicht huschendes Lächeln erkennen, ach wäre sie doch nur immer so frohgelaunt. Ein demutvolles Pathos wurde uns überraschender Weise präsentiert, wobei die Gäste aus dem Filstal ebenso wie auch jene aus Böblingen, aus Sindelfingen oder aus kleineren Dörfern rings um Dagersheim gekommen waren, ebenso wie auch etliche aus dem naheliegenden Stuttgart. Hier waren sie nun alle beieinander, um daran teilzunehmen, um diesen Abschied zu einem rührenden Fest werden zu lassen. Die ganze Szenerie war so ergreifend und feierlich, dass ich mich beim Rückwärtsfahren aus Versehen um einen Zentimeter verschätzte und gegen die Eingangstreppe stieß. Lediglich das rechte hintere Blinker-Glas ging in Brüche, ansonsten nichts, nicht einen einzigen Kratzer am Lack.
Alana und Areus, sowie die Freunde aus den verschiedensten Lagern bildeten einen halbrunden Spalierbogen. Welch ein fürstlicher und friedlicher Abschied, es hatte was Prunkvolles und ich konnte es kaum glauben, da war es nochmal, das so seltene Lächeln, als links und rechts von uns die Freunde am Winken waren. Ganz der Szene angepasst, ganz langsam passierten wir diese explizit für uns inszenierte Festivität, dieses einmalige Bildnis der Freundschaft.
Zunächst fuhren wir los, was heißen soll Gila und ich, während auf der Hinfahrt noch der Dicke uns begleitet hatte. Sie würden gleich folgen, so sagten die Chauffeure der anderen Fahrzeuge, allerhöchstens würden sie noch eine Viertelstunde bleiben, bis alle ihre Getränke leergetrunken und ihre Zeche bezahlt hätten. Wir aber mussten unbedingt starten, denn der inhuman und rücksichtslose Eugen duldete keinen Einspruch und kein Danebenbenehmen. Immerhin war Gila noch immer sechzehn, in gut drei Monaten wird sie siebzehn sein, was natürlich nichts Gravierendes ändern wird, erst mit achtzehn wird sie voll deliktfähig sein und bis Mitternacht ausgehen dürfen, so man das Gesetz als Grundlage des Handelns nimmt. Laut Gesetz dürfte sie aber, sobald sie sechzehn ist, also in dreieinhalb Monaten schon, bis 22 Uhr Ausgang haben, das aber störte den apodiktisch regierenden Eugen nicht, der machte seine eigenen Hausgesetze, ich werde noch dagegen ankämpfen, sobald die Zeit dafür gekommen sein mag.
Planmäßig waren wir in Geislingen angekommen, gut zehn Minuten vor Ablauf der Ausgangszeit Gilas, was ebenfalls akkurat so eingeplant war, um eine Kussorgie noch feierlich vorzunehmen. Nach dem innigen Küssen, welches noch immer so atemberaubend schön war wie am Anfang vor fünf Wochen, nahm Gila Abschied und ich war bereit um loszufahren, auch dies war abgesprochen, mit Gila einerseits und mit den anderen Freunden andererseits. Ich kann nicht mit, hatte sie noch leise gesagt, leider, aber du kannst zweifelsohne noch hingehen, vielleicht sind deine anderen Kameraden schon da. Spätestens am Montag, während der Mittagspause der Gewerbeschule, werde ich auch wieder dort sein. Hoffentlich sind Tabora und Kurt Eckart genauso cool wie Areus und Alana. Nun also fahr, wir sehen uns morgen gegen vierzehn Uhr wieder, dies waren ihre letzten Worte gewesen.
Und tatsächlich, der Dicke war da. Ich sah ihn schon hundert Meter vor mir, direkt vor der Kampf-Bier-Stube, aber wie?!?! Zuschlagend wie ein Western-Held, wie ein John Wayne und auch die anderen, ein Teil derer welche ebenfalls in Dagersheim waren, schienen in diese Schlägerei verwickelt zu sein. Meine Waschlappen der einstigen A-Jugend-Mannschaft natürlich nicht, sie waren, um keine unnötigen Missverständnisse entstehen zu lassen, nur Zuschauer, aus sicherer Entfernung wohlgemerkt. Es schien ein heilloses Durcheinander zu sein und der Dicke stand gleich zwei Gegnern gegenüber, dies konnte ich eindeutig erkennen, als ich mich dem Geschehen näherte und das Sich-Nähern ging rasant vonstatten. Ich brauste heran und legte eine Vollbremsung hin. Die Visagen waren mir nicht unbekannt, ja es waren wieder mal die Bad-Schüler aus Bad Überkingen am Werk. Plötzlich hatte der Dicke nur noch einen Gegner, der andere war in das Lokal gesprintet und da ich hinter seinem Verhalten nichts Gutes erahnte war ich hinterher gespurtet. Aber welch ein desolates Bild sah ich vor mir? Aber hallo miteinander, wie sieht es hier denn aus?
Da ist doch tatsächlich Beträchtliches zunichte gemacht worden. Wie es sich später herausstellen sollte, hat einer der Bösewichte oder eventuell die ganze Bande was gegen die Taiwanerin gehabt, dieser Junge jedenfalls hat ein volles Bierglas nach ihr geworfen, das in der Glasvitrine landete. Und was mir ebenfalls gleich auffiel, es hatte sich einer der Rüpel am Telefon zu schaffen gemacht und keine fünf Sekunden später stand ich neben ihm und höre gerade noch, dass anscheinend eine Taxe bestellt wurde. Ganz offensichtlich war jetzt die Angst der wichtigste Beweggrund für ihr Tun, sie wollten mit der Taxe türmen. Jedoch ich stellte mich dem zuvor noch Telefonierenden in den Weg, er konnte die Engstelle vom Telefon weg nicht so spielerisch locker verlassen, ich stellte den Weg zu. War es am Ende die Verzweiflung oder der letzte in ihm wohnende Mut der ihn dazu veranlasste, die Hand zu erheben und nach mir zu schlagen, doch das weite Ausholen war ein gravierender Fehler. Ehe er sich versah hatte er bereits eine rechte Gerade einstecken müssen und ging zu Boden. Er war aber nicht k. o. gegangen, nein flink wie ein Wiesel war er dem Boden entlang mir entkommen und ich ärgerte mich, da es ein klassischer Knockout werden sollte. In diesem Augenblick war zu wenig Dampf in meiner Faust. Der Saukerl raste nun schon zum Ausgang und eilend ging ich hinterher. Aber auch andere Gäste oder Beteiligte rasten zum gleichen Zeitpunkt zur Tür, alles schien in Panik versetzt zu sein. Um einen gezielten Schlag anwenden zu können war kaum mehr eine Chance gegeben, weil einfach zu viele Menschen im Wege standen, aus welchen Gründen auch immer. Es wurde geschubst, gehalten, gezogen und wieder geschubst, es fehlte der Überblick. Und schon kam vom Bahnhof her das bestellte Taxi und wuselig flott waren die insgesamt fünf Bad-Schüler im Taxe verschwunden und ihr Chauffeur gab mächtig Gas, so als ginge es um sein eigenes Leben. Sie entfernten sich in Richtung Hauptbahnhof.
Schon als die letzten Delinquenten ins Taxi drängten wurde ich andererseits stürmisch darum gebeten, diese Schlawiner zu verfolgen und da der feurige Elias, wie Cosimo sein Auto einst taufte, ebenfalls direkt vor dem Eingang des Gasthauses stand, mit der Schnauze gar mustergültig in die gewünschte Richtung, da gab es kein Halten mehr. Im Nu war auch der "Feurige Elias" mehr als voll, besetzt mit insgesamt fünf oder sechs Personen, hinten hatten sich vier Beschützer der etwas geknickten Taiwanerin hinein gequetscht und vorne, direkt neben mir, hatte sich der Dicke breit gemacht. Und schon begann er auch zu reden: „Jean, gut dass du noch rechtzeitig gekommen bist. Diese Flegel haben da drinnen eine Schlägerei inszeniert, grundlos kann ich dir sagen, denn außer dem Wirtsehepaar war kaum ein Gast in der Kneipe. Wir kamen gerade noch zur rechten Zeit um die Chinesin oder was immer sie sein mag zu schützen. Für ein dermaßen perverses Zerstören muss eine Strafe auf dem Fuße folgen. Auf Jean, nimm die Verfolgung auf! Unglaublich, das ist unglaublich, nur weil die Wirtin eine Asiatin ist!“
Auch im Nachhinein konnte noch festgestellt werden, dass die Dagersheim-Rückkehrer gerade noch zur rechten Zeit eintrafen. Kurze Zeit zuvor nämlich hatten die Kriminellen damit begonnen, die wenigen Gäste zu tyrannisieren und sie in Schach zu halten, um dann gezielt rücksichtlos und bestialisch gegen die Taiwanerin vorzugehen. Es war dies das erste Mal, dass ich es aus nächster Nähe mitbekommen habe, was man unter Fremdenhass versteht. Mitten hinein in die Zerstörungswut kamen dann die gewissenhaften Heimkehrer aus Dagersheim, dem Himmel sei Dank.
Zunächst war die Taxe lediglich zum Bahnhofsvorplatz gefahren, aber als die Insassen es bemerkt hatten, dass wir bereits ebenfalls dort eingebogen und ihnen somit schon fast auf den Pelz gerückt waren, setzte der Taxifahrer, noch ehe wir an das Aussteigen denken konnten, sofort wieder sein Auto in Bewegung und es blieb für immer das Rätsel zurück, was die anormalen Schurken am Bahnhof beabsichtigt hatten. Mit einer schwindelerregenden Schnelligkeit folgte kreuz und quer durch die Stadt eine Verfolgungsjagd, selbst an der Polizeiwache vorbeirasend nahm keiner den Fuß vom Pedal, nicht die Stadt runter und auch nicht bei der Fahrt wieder hinauf. Ein letztes Mal wurde geradeaus der Wilhelmsplatz überquert, hinein in die Gärtnerstraße, wie die Bundesstraße zehn hier heißt, direkt auf die MAG zu, wo mein derzeitiger Arbeitsplatz, hoch oben auf den Dächern der Firma, sich befand. Nun aber wurde es so richtig spannend, denn das Tempo wurde nochmals gesteigert, weil bald auch das Ende der Stadt erreicht sein wird. Zunächst aber musste, akkurat an der MAG, eine langgezogene Biegung nach rechts gemeistert werden, ein letztes kleines Hindernis sozusagen bevor es dann zum Ende der Stadt hinausgeht, eine partout tückische Stelle, eine Stelle die leicht überschätzt werden konnte, erst recht und hinzukommend noch durch die Tatsache, dass exakt an diesem Punkt wegen einer Straßen-Baustelle die Fahrbahn stark eingeengt war, nur eine Fahrbahn war quasi frei, weshalb ohnehin der Chauffeur eines jeden Autos stets Acht geben musste, denn jedes entgegenkommende Fahrzeug führte zu ungeahnten Problemen.
Aus diesem Grunde wurde der Mercedes des Taxichauffeurs weit nach links an den Rand des Gehweg getragen und er hatte quasi das doppelte Glück gepachtet, zum einen, dass er nicht noch weiter nach links auf den Gehweg und nicht auf die anschließend folgende Häuserfront getragen wurde und zum anderen, dass kein Fahrzeug ihm entgegenkam. Mein oder unser Glück war bei weitem bescheidener. Von Glück konnte kaum mehr die Rede sein. Die gute Nachricht des Abends lautete, dass keiner der Insassen verletzt wurde, die negative Nachricht aber war die, dass ich die Kurve in diesem hohen Tempo nicht meistern konnte. Es trug mich noch weiter aus der Kurve hinaus, um Vieles weiter noch als den Mercedes und ich war und bin mit meiner Einschätzung nicht allein, dass nämlich der Mercedes doch über eine bessere Straßenlage verfügt. Auf den ersten Blick sah die oval förmige und langgezogene Rechtskurve harmlos, ja unverfänglich risikolos aus, doch wer wenn nicht ich sollte diese Tücke kennen, wer wenn nicht ich sollte diese Krümmung besser einschätzen können wie ich, da ich die Straßenführung in den letzten vier oder fünf Wochen täglich bemustern konnte, ja aus der Vogelperspektive sogar.
Jedenfalls stand Fortuna mit ihrer Güte dem vor mir Fahrenden huldreich zur Seite, während es mir, respektive uns ein bisschen anders erging. Auch unser fahrbarer Untersatz wurde weit aus der Kurve hinausgetragen, etwas zu weit und mehr noch als der Mercedes, vis a vis von dem modernen Verwaltungsgebäude der MAG, wo vor einer Metzgerei, insofern ich mich nicht täusche, ein tragbares Verkehrszeichen aufgestellt war. Ich spreche hier also nicht von einem fest installiertem Verkehrszeichen, wie es sie tausende Male gibt in unserer Republik, nein es war ein Verkehrsschild das lediglich notdürftig dort angebracht wird respektive wurde, wo es vorübergehend gebraucht wird bzw. wurde. Es war dies ein sogenanntes Hinweisschild, das, wie in diesem hier geschilderten Falle, die Verkehrsteilnehmer darauf aufmerksam machen sollte, dass prägnant hier momentan eine Baustelle und somit ein hinzukommender Gefahrenherd sich befindet. Und da es kein fest in der Erde verankertes Verkehrsschild, sondern ein Schild das entsprechend der Realität dort aufgestellt worden war, weil eine beträchtliche Baustelle die Fahrbahn drastisch einschränkte und dementsprechend auch auf den Gegenverkehr geachtet werden musste, war es auch bewegbar. Dieses Schild nun wurde, durch den nicht mehr zu verhindernden Aufprall, auf unvermeidbare Art und Weise zum Spielball des lauen Aprilabend deklariert. Durch die Wucht wurde es in die von uns vorgegebene Fahrtrichtung mitgerissen und hochgeschleudert und wie es wieder herunter gesegelt kam, glaubten wir alle vor dem unabdingbaren Ende unserer fest vorgegebenen Lebenszeit uns zu befinden, für einen klitzekleinen Augenblick jedenfalls, denn es sah so aus, als würde das Schild wie ein Fallbeil durch die Windschutzscheibe krachen und unsere Köpfe würden demgemäß wie durch eine Sense wegrasiert werden. Dem Geschehen getreu, was freilich alles in einer winzigen Zeitspanne, in Zehntelsekunden oder in Fragmenten einer Zehntelsekunde geschah, zogen wir alle mechanisch oder wie auf einen Knopfdruck unsere Köpfe ein, duckten uns verzweifelt und aus Leibeskräften sowie aus Todesängsten, um ja nicht von dem Schild geköpft zu werden. Und in dieses "Sich-Schützen-Wollen" hinein, so als fände eine zeitliche Assoziierung statt, war dann plötzlich ein höllischer Schlag zu vernehmen, bei keinem Gewitter oder Unwetter gab es je solch einen laut donnernden Knall, jedenfalls nahmen meine Ohren niemals zuvor einen solch lauten Knall in Empfang. Die Windschutzscheibe war in tausende Teile zersplittert, zum Glück aber fand das Schild nicht den Weg ins Innere des Fahrzeugs, es wurde nicht zum teuflischen Schwert des Fürsten aus der Finsternis, nein es muss, Dank sei Gott, knapp über der Frontscheibe aufgeschlagen sein. Auch wenn es uns allen auch bewusst war, alle wussten und insbesondere ich, einen großen Materialschaden zumindest verursacht zu haben, vordergründig ich als Fahrer natürlich, so konnten wir zunächst mal unserem Schöpfer in Hülle und Fülle dankbar sein, denn alle Fahrgäste lebten und nicht ein Haar wurde irgendeinem dadurch gekrümmt, weder den vorne noch den hinten Sitzenden.
Etwa vierzig oder fünfzig Meter danach kamen wir schlussendlich zum Stehen. Fassungslos und perplex schauten nach dem Ausstiegen all die Augenpaare auf das beschädigte Auto, den "Feurigen Elias", dahin waren die eben noch unaufschiebbaren Gedanken, dahin das unbedingt sich vorgenommene und anstehende Rache-Nehmen an den Ganoven aus Bad Überkingen, aller Groll und aller Gegensatz, alle Ressentiments und Verbitterungen, alle Feindseligkeiten und jeder Widerwille all dies war auf einen Schlag, blitzartig bin ich geneigt zu sagen, unversehens unwichtig geworden. Die Badschüler hatten unvorhergesehen und blitzartig an Bedeutung verloren, blasswangig, um nicht sagen zu müssen totenbleich, betrachteten die partout erschütternden Passagiere den Schaden am Auto. Jeder von uns schien in den Augen des Nächsten oder des Gegenüberstehenden Hilfe zu suchen. Und nur zu gut wusste ich, dass allen Ernstes keiner dieser Kumpels mit mir tauschen wollte. Meinen Platz wollte sich in diesem Augenblick keiner eintauschen. Das Entsetzen und die daher schwebende Sichel des Todes konfluierten ineinander, ja es war jedem von uns, jedem Einzelnen war es bewusst, wir sind dem Teufel gerade nochmal von der Schippe gesprungen.
Das Taxi und die Halunken geisterten in keinen Köpfen mehr, nur eines, nur das Überleben war wichtig, wenigstens für kurze Zeit. Von allen Seiten wurde ich angestarrt, ja es wurde abgewartet was ich, was der Fahrer von sich geben werde, welch einen Kommentar ich loslassen werde. Spezifisch der Lage entsprechend kam ich zu dem dezidierten, dem unbedingt geltenden Entschluss, da ganz offensichtlich kein Fremdschaden vorliegt, so versuchte ich das vor mir Liegende zu argumentieren, außer dem Verkehrsschild natürlich, werden wir unser Glück versuchen, um mitsamt den defekten Rädern die Siedlung zu erreichen. Das Verkehrsschild hat noch Zeit bis Montag, es ist ein Eigentum der Baufirma Rapp aus Altenstadt, ich werde es melden, jetzt aber lasst uns einsteigen, wir werden dieses Vehikel nun hinausschaffen, hinaus zur Siedlung, exakt dorthin wo sein Stellplatz sich befindet.
So nach und nach bestiegen die Freunde den feurigen Elias, alles paletti, auf geht’s Junge, mach keine Schwierigkeiten Elias und spring an. Und wie er ansprang, auf Anhieb lief der Motor. Das Übel war ein anderes, es ließ sich der Wagen kaum mehr steuern. Mehrmals musste ich vor und zurückstoßen, um wieder und wieder in die richtige Fahrspur zu finden, jedoch es funktionierte, nach etwa zehn Minuten waren wir wieder zurück am Willhelmsplatz, zu Fuß wäre jeder einzelne schneller gewesen. Die Schnelligkeit aber spielte hier keine Rolle, nur das Ankommen war uns wichtig. Auch wenn ich nicht volltrunken war, da fehlte noch einiges, aber trotzdem wollte ich nicht wegen Alkohol am Steuer den Führerschein verlieren. Meine so gefasste Intention schien aufzugehen, Meter für Meter kämpften wir uns bergab, hatten das WMF-Tor an der Fabrikstraße schon passiert und freuten uns auf das nächste Stück, entlang des Millionenbaus der WMF, wo weit und breit keine Wohnhäuser stehen, nur die scheintote Fabrik zur Rechten und zur Linken der steile Hang, der, würde man ihn überwinden, zur Wilhelmshöhe führen würde. Wir hatten uns schon an das Geratter der blanken Felgen auf dem Asphalt gewöhnt und freuten uns schon, die Hälfte der Strecke bewältigt zu haben, als von hinten plötzlich ein Martinshorn zu hören und ein Blaulicht zu sehen war. O du heilige Mutter Gottes nein, nein um des Himmels willen nein, muss das jetzt auch noch sein.
Sicherlich war es kein Zufall, dass die Polizeistreife so zielorientiert die Fabrikstraße hinab fuhr. Von irgendwoher hatten sie einen sachdienlichen Hinweis erhalten, nicht umsonst befanden sich gleich drei Beamten im Dienstwagen. Normalerweise, das weiß jedes Kind, fahren immer nur zwei Polizisten auf ihre Streife, doch darüber ausführlich grübeln zu wollen würde im Augenblick nicht lohnen und zudem auch nichts einbringen. Und einer der Beamten war für uns alle bekannt, sie nannten ihn früher mal den Siedlungsschnüffler, ja es war der in früheren Zeiten in Altenstadt seinen Dienst machende Wachtmeister Hodensee. Alle drei Amtsträger waren inzwischen ausgestiegen und ihrem Beispiel folgend, verließen nun auch wir wieder das Fahrzeuginnere des stark demolierten Elias. Und buchstabengetreu war es der eben erwähnte Beamte Hodensee, welcher als erster das Wort ergriff: „Sind sie gefahren Herr Lupo?“
Ja natürlich, hatte ich geantwortet, sie haben es doch gesehen wer durch die Fahrertür eben ausgestiegen ist, welch eine dämliche Frage Herr Wachtmeister Hodensee, so ungefähr hatte ich daraufhin meine Antwort formuliert.
Er wollte wissen wer der Fahrzeugbesitzer ist und ein anderer Gesetzeshüter stellte fest, dass es nach diesem Crash ziemlich egal sein wird, wem es gehört hat, es wäre ein Totalschaden und keiner mehr wird je mit dieser Karre fahren.
Es wurde noch viel disputiert und debattiert, woran ich nicht wirklich teilnahm, nur im Schatten meiner selbst, weil ich tief in mich gekehrt war, denn wenn die Wirklichkeit so aussieht und der glorreiche Elias von einem Totalschaden heimgesucht wurde, dann, so stellte ich in mich verschlossen fest, dann ist an diesem Abend nochmal ein Stückchen Cosimo verstorben. Das bis dahin voll durch meine Blutbahnen jagende Adrenalin senkte sich zusehends und doch war ich wissbegierig, wollte möglichst scharf umrissen darüber Bescheid wissen, wie das komische Theaterstück nun weitergehen soll. Sie hatten schon Einzelgespräche geführt, um sich über das Abgespielte ein Bild zu machen, verkündeten dann jedoch, was nicht jeder von uns in dieser Weise nachvollziehen konnte, wer von uns mit zur Wache müsse. Überraschenderweise hatten sie entschieden, dass außer mir noch weitere zwei Passanten mit zur Dienststelle müssten, doch nicht etwa der beim Unfall neben mir Sitzende, nicht mein bester Freund, nicht der Dicke war gefragt, nein das Kuriosum war, dass zwei derer, die auf der Rückbank den Unfall erlebten, ihre Zeugenaussagen auf der Wache zu Protokoll bringen müssten. Diese Entscheidung wollte der Dicke natürlich überhaupt nicht akzeptieren, wild protestierend geriet er mehr und mehr in Rage.
Nach welch sonderbaren Kriterien die Ordnungshüter bei ihren Überlegungen vorgegangen waren blieb wahrscheinlich für alle Zeiten ihr Geheimnis, Fakt ist, so argumentierten sie ihr Vorhaben, dass der und jener mitzugehen hätten, zwei wie gesagt, welche während des Unfalls auf der Rückbank saßen und natürlich hatte auch der Unfallverursacher, also der Fahrer des "Feurigen Elias", die Uniformierten zu begleiten. Der Dicke konnte nicht oft genug betonen, dass nur er dazu prädestiniert sei, nur er und gleichermaßen auch der Fahrer des Unfallautos könnten die dezidierten Fingerzeige liefern, keinem anderen sei dies in dieser Form möglich, um definitive Einzelheiten akkurat dem Geschehen nach auf den Punkt zu bringen. Selbst wenn die hinten Sitzenden sich Mühe geben würden, was keiner und auch der Dicke niemals anzweifelte, unstrittig aber sei die unwiderlegbare Tatsache, dass eben die Vorderen zur Zeit des Unfalls die weitaus bessere Perspektive gehabt hatten.
Dessen ungeachtet jedoch, wurde der bereits angekündigte Plan der Ordnungshüter umgesetzt. Sie ließen sich natürlich nicht belehren, doch weiß der Teufel warum sie dem Dicken unbedingt ein Schnippchen schlagen wollten. Der nunmehr agieren wollende Fahrer des grünen Beamtenfahrzeugs saß schon am Steuer, während der Beifahrer seine Tür geöffnet hielt und die zwei Zeugen nach und nach in den hinteren Bereich des Fahrzeugs einstiegen. Nun also noch der Unfallverursacher, ja ich stieg als absolut Letzter in den hinteren Bereich des Autos. Der umgeklappte Beifahrersitz wurde wieder auf die Normalstellung revidiert und schon stieg auch der zweite Wachmann ein. Gleichzeitig bedeutete diese Vorgehensweise aber eben auch, dass drei meiner Mitfahrer und ein Polizist zurückblieben. Mehr als insgesamt fünf Insassen dürfen nicht in den Fünfsitzer der Polizei hinein, auch wenn es ein bisschen absurd klingen mag, das Gesetz ist ein deutsches Gesetz und somit ein ziemlich pedantisches.
Auf der schmalen Straße, wo wie schon erwähnt ein Fahrverbot seine Gültigkeit hatte, wurde das Polizeiauto gewendet und von meinem Sitz aus konnte ich deutlich, ja illustrativ erkennen, wie der vor Wut kochende Dicke den Wachtmeister Hodensee am Kragen packte und ihn immer wiederkehrend mit Wucht gegen den Maschendrahtzaun der WMF schleuderte. Der zurückfedernde Zaun spielte den Polizisten wieder in die fangbereiten Hände des Dicken, ja dass ein Polizist zu einem Pingpongball umfunktioniert worden war, ja das hatten wir auch noch nicht erlebt. Das Spiel ging aber weiter. Und während der Wachtmeister vor Angst Blut und Wasser schwitzte, er kam zu keiner Ruhe, denn der Dicke spürte es förmlich, es war von den andern beiden Beamten ein possenhaftes Spiel und der Dicke war das prominenteste Opfer und natürlich war ihm das klar. Und wenn er schon als Opfer herhalten muss, so überlegte mein bester Freund in diesen Tagen, dann werde ich allein nicht das einzige Opfer sein, mit dir fahr ich jetzt die lustige Petersburger Schlittenfahrt, so wütete er gegen den Beamten Hodensee und packte erneut mit eisernem Griff nach der Dienstjacke des schon etwas älteren Hodensee und mit mordsmäßigen Karacho wurde er erneut in den Maschendrahtzaun hinein gewuchtet, er war in der Tat nicht mehr als nur ein Spielball. Und die Worte des Dicken waren sehr laut, sie waren selbst im Wageninnern des Dienstwagen gut zu hören: „Warum nicht ich? Warum nicht ich? Du Drecksack, du bist ein Drecksack Hodensee, warum nicht ich? Mensch ich bringe dich um du Schwein!“
Noch immer schaute ich zurück, schaute nun durch die Heckscheibe des Polizeiautos, ja keine Sekunde wollte ich von der skurrilen Darbietung versäumen. Es konnte ja eh nur noch Sekunden andauern, bis die Zurückgebliebenen aus dem Blickfeld verschwunden sein werden. Von vorne hörte ich nun den Beifahrer reden, der nach meinem Dafürhalten der Boss der Truppe war, wobei ich heute nicht mehr fähig bin, um den genauen Wortlaut von damals korrekt retournieren zu können. Doch den ungefähren Ablauf und den offenkundigen Sachverhalt werde ich nie vergessen. Es ist nicht zwingend notwendig, das Gespräch, welches er mit der Zentrale der Polizeiwache führte, deckungsgleich hier anzeigen zu können, es reicht die sinngemäße Konstellation. Nachdem er mit dem am Mikrophon sitzenden Beamten der Dienststelle Kontakt geknüpft hatte, befahl er zunächst, dass ein Streifenwagen mit Verstärkung sofort zur Fabrikstraße müsse, dort nämlich sei der Wachtmeister Hodensee ganz allein dem stadtbekannten Huspler Petko ausgeliefert. Der aktuellen Lage gemäß sei diese Durchsage sehr ernstzunehmend, die Zeit dränge. Die anderen beiden, welche zuvor auch, im feurigen Elias saßen, die erwähnte er gar nicht mehr.
Also hatten auch sie die Lage erkannt und ich fragte mich, warum nur ließen sie ihn jetzt allein? Warum wurde nicht zuvor schon eine Verstärkung angefordert, bevor er in diese verzwickte Lage geriet. Jedoch mir blieb nicht die Zeit um weiter zu sinnieren, da das Befehle-Erteilen weiter ging. Des Weiteren, so hörte ich meinen Vordermann sprechen, schickt sofort einen Streifenwagen hinauf in die Stadt in die Gärtner, beziehungsweise in die Schillerstraße. Dort am Unfallort, kurz vor oder kurz nach der Metzgerei Bachner, dort nämlich hat der Unfallverursacher mit seinem Auto einen Zigarettenautomaten halb oder ganz aus der Wand gerissen und überall liegen die Münzen verstreut auf der Straße und auf dem Gehweg herum. Auch da muss unverzüglich nach dem Rechten geschaut und Ordnung hergestellt werden!
Ich war von den Socken. Wie war das eben? Habe ich da richtig gehört? Ja es gab keinen Zweifel, denn auch die beiden neben mir waren höchst erstaunt. Gab oder gibt es eine Erklärung dafür. Es bleibt mir nicht die Zeit um mich in eine lang anhaltende kontemplative Versenkung fallen zu lassen. Der Weg von der Fabrikstraße zur Polizeiwache ist ein äußert kurzer nur. Und doch musste ich die geringe Zeit nutzen, um nochmal tief in meinem Inneren zu wühlen, um ein letztes Mal den exakten Ablauf zu rekonstruieren, das präzise Handlungsgerüst zu erstellen um begreifen zu können, was da eben behauptet wurde. Ich muss den ganzen Hergang Schritt für Schritt an mir vorüberziehen lassen, muss mir das Gewesene nochmal vor Augen führen, um anschließend entscheiden zu können, was in dieser diffizilen Situation für mich die beste Option sein wird.
Also in dem Moment als das mobile Verkehrszeichen (Achtung Baustelle) in die Lüfte geschleudert wurde um hernach auf dem Dach zu landen, als wir alle aus Todesangst die Köpfe so tief es geht vergruben, da gab es diesen Riesenknall!!! Waren es vielleicht doch zwei im Gleichtakt sich verbindende Knalleffekte? Die aus verschiedenen Richtungen kamen und uns im Glauben ließ, dass der Knall einzig nur durch das Verkehrsschild erzeugt wurde? War die Karambolage mit dem landenden Schild, dieser extrem laute Donnerschlag, war die wie eine Explosion sich anhörende Kollision eine akustische Irreführung? War der an unsere Ohren herangetragene Knalleffekt ein zweiteiliger? Als das Schild auf das Dach flog nämlich, könnte theoretisch gesehen, gleichzeitig auch der Zigarettenautomat von der Hauswand weggerissen worden sein, es war dann ein sich verbindender Knalleffekt der trügerisch uns irreführte. Selbst wenn es so gewesen wäre, dann wundert es mich im Nachhinein keineswegs, dass wir nur die Kollision mit dem Schild wahrnahmen, weil das heranfliegende Schild bedrohte nachhaltig unser aller Leben, wir zollten den drohend auf uns zukommenden Sensenmann unsere gesamte Aufmerksamkeit. Für einen winzigen Moment sah ich nochmal das Auto vor meinen Augen, ließ alle Deformierungen und Abnormitäten des Wracks in meinem Geiste noch einmal Revue passieren!
War da nicht die linke Dachstrebe, also dieser stabile Holm zwischen der Windschutzscheibe und dem Fenster der Fahrertür beschädigt? Ja doch, dieser Holm hat ziemlich was abgekriegt, das kann nicht von dem Schild allein herrühren. Ja ich hab’s, es kann nicht anders gewesen sein, alle anderen Möglichkeiten die man eventuell noch anführen könnte sind fehl am Platze, sie würden keinen Sinn ergeben. Es kamen diese Knalleffekte sowohl von oben durch das auf dem Dach aufschlagende Verkehrsschild einerseits und ebenso in demselben Maße und im selben Augenblick auch von links, durch den heftigen Aufprall des Holmen gegen den an der Wand sich befindenden Zigarettenautomaten und beide Geräusche wurden auf ausgefallen weltfremde Weise, in ein und derselben Zehntelsekunde ausgelöst. Die Geräusche flossen in sich und vereinten sich. Es war, so grotesk es klingen mag, ein zweiseitiges Knallen, ein Knallen in Stereo, welches uns alle täuschte, denn nicht ein einziger Insasse kam auf die Idee, dort am Unfallort nachzuschauen, zu gucken ob die Hauswand oder ein dort an der Hauswand angebrachter Automat beschädigt sei. Für alle Insassen war die Thematik gleich, eine Beschädigung am Haus, so glaubte zunächst jeder, kann nicht vorliegen.
O, Gott, o Gott, bis eben noch lebte ich in der Annahme, dass diese Verkehrsaffäre ein unbedeutender Quark nur sei, weiß Gott eine Kleinigkeit, ein Kinkerlitzchen, womit ich freilich nicht den Schaden am Auto meinte, der war mehr oder weniger erheblich, doch so richtig wird der Schaden erst bei Tage festzustellen sein. Nein von einer unbedeutenden Sache ging ich deshalb aus, weil ich vordergründig die Paragraphen des Gesetzes in mir wachrief, besser gesagt das einst mit Eifer Erlernte in den Theoriestunden der Fahrschule, wo diese oder solche Angelegenheiten alle gepaukt wurden. Es war aus meiner Sicht nur ein geringfügiger Vorgang, nur ein kleiner Hauch von Problematik lag vor , es war nicht mehr wie eine Lappalie die ich am Montag aus der Welt schaffen wollte. Am Montag, so hatte ich es mir schon am Unfallort vorgenommen, werde ich mich zur Firma Rapp nach Altenstadt hinbewegen und wir würden uns über den Wert des Schildes oder über die Höhe des zu bezahlenden Schadens einigen können. Aber jetzt, jetzt nach der eben gehörten Aussage des Polizeibeamten, Jean was jetzt?
Jetzt aber, da dieser defekte Zigarettenautomat die weit größere Sache ist und zur weit größeren Thematik sich aufschwingen wird, jetzt, da sich was ereignet haben soll das ich überhaupt nicht auf meiner Liste hatte, was definitiv keiner der Insassen wahrgenommen hat, sehe ich mich notwendigerweise gezwungen meinen Denkapparat hochzufahren. Es liegt demnach unwiderruflich ein Fremdschaden vor und vor dieser, für mich, neu gestalteten Kulisse, die sich so komplett anders darstellte als das Zuvor, muss ich ebenso gründlich wie auch schnell umdisponieren. Es ist nicht wie zuvor angenommen, nur ein kleiner Lapsus, o nein, die Lage hat sich grundlegend und irreversibel verändert. Es schien, als sei sie hier im Streifenwagen der Polizei umgewälzt worden, seit wenigen Sekunden nur hat dieses Missgeschick ein völlig neues Gesicht bekommen. Und da nun unwiederbringlich ein Fremdschaden vorliegt und ich als Fahrer des Wagens mich von der Unfallstelle entfernte, bedeutet dies konkret und ohne Beschönigung, dir wird eine Unfallflucht angehängt. Da wird es für mich kein Entrinnen mehr geben. Leistungsunfähig sitze ich hier quasi in der Falle, komme mir annähernd so vor wie der griechische Wegelagerer Prokrustes in seinem weithin bekanntem Prokrustesbett, war hineingezwungen in eine Situation die überhaupt nicht zu mir passte. Und wenn ich in der Wache sein werde, dann werde ich entsprechend zurechtgestutzt, so lange gestreckt und gestrafft bis das Protokoll den Ansprüchen der Polizei gemäß geschrieben ist und ich in dieses griechische Bett der Mythologie schlussendlich hineinpasse. Es war ein kräftiges Rumoren in mir zu spüren, ein Glosten und ein Sieden. Meine Emotionen kochten gewaltig in mir hoch, denn über eines war ich mir vollkommen im Klaren, arg viel Zeit zum Überlegen wird mir nicht mehr bleiben.
Wenn die Herren in Grün dich jetzt in die Wache hineinführen, dann wird sozusagen die Tatsache auf dem Tische liegen, dass du wegen viel zu hoher Geschwindigkeit zuvorderst einen Unfall verursacht hast, zudem wird erschwerend noch aufgeführt werden, dass du auf Biegen und Brechen mit einem absolut fahruntüchtigen Kraftfahrzeug abgehauen bist, dass du dich also auf unverantwortliche Weise schuldig gemacht hast. Und es war kein Flüchten wegen einer Bedeutungslosigkeit, es war nicht nur ein Klacks, von dem ich ausgegangen war, o nein die Realität sah auf einmal ganz anders aus, aus dem gedachten Kleinkram ist ein übles Manko geworden. Das Schlimmste von allem erschien mir die Zeit zu sein, es blieben wenige Sekunden nur noch, denn von der Stelle des Gefasst-Werdens in der Fabrikstraße bis zur Polizeiwache würde ein gesunder Mensch zu Fuß nur wenige Minuten benötigen. Die Zeit drängt Jean, was wirst du tun? Wie wird dein persönliches Drama jetzt weitergestrickt? Welche Maßnahme wird die nächste sein? Sie werden demnach eine Alkoholprobe veranlassen oder durchführen lassen. Wie die exakten Paragraphen aussehen das weiß ich so genau nicht. Was dürfen die Grünen und was dürfen sie nicht mit dir machen? Aber es ist nicht wichtig was die Beamten dürfen und was nicht, so oder so wird mein Weg in die Schuldigkeit hineinführen, ein harmloses Entgleiten, ein stubenreines Ausrutschen auf dem Paragraphenparkett des Bürgerrechts war dies nicht mehr, um diesen Fleck aus der Weste zu bekommen da braucht’s etwas mehr als nur eine Schmierseife und einen Eimer Wasser.
O nein meine Herrschaften in Grün! Das würde euch so passen, da aber, werde ich unter keinen Umständen mitspielen. Ihr habt mir jetzt so Einiges nachweisen können, einen Schaden von dem weder meine Freunde als auch ich was ahnten. Nicht das Geringste hatten wir davon bemerkt, wer jetzt das Gegenteil behauptet der lügt, sonst wären wir oder zumindest einer zu dieser Metzgerei hingelaufen und ich selbst natürlich auch. Hätte auch nur einer was davon geahnt, so hätten wir uns dazu entschieden, dorthin zurück zu laufen und uns zu überzeugen. Nun kann ich es nicht mehr ändern, die Unfallflucht hängt mir wie ein vermaledeiter Lorbeerkranz am Hals und damit soll‘s nun auch genug sein. Es wird garantiert kein weiteres Delikt dazukommen. Es wird auch von mir kein Lamentieren wegen dem ach so harten Schicksal geben und kein Klagen gegen meinen Schöpfer, nein ich werde ein dickes Ausrufezeichen in die Welt setzen, eines wie es nur einem gewissen Jean Lupo zusteht und die Bullen werden sich verwundert die Augen wund reiben. Wie schon angedeutet blieb mir nicht viel Zeit um eine Entscheidung zu finden, mein Denkapparat war auf Hochtouren und wenige Sekunden noch blieben, denn schon bog die Grüne Minna nach links in den Hof der Wache ein. Der Gruppenleiter oder was immer er auch sein möge machte die Beifahrertür auf und stieg aus. Einladend klappte er folglich den Beifahrersitz nach vorne, ging einen kleinen Schritt zurück und machte eine auffordernde, ja eine aufreizende Geste, so als wolle er zum Tanze bitten, eine Geste die es mir unzweideutig anzeigen sollte, meine Herrn ihr könnt nun aussteigen. Der Sitzordnung zufolge war natürlich ich als erster an der Reihe und demgemäß kam dann auch die etwas arrogante Tonart zum Tragen: „So hochverehrter Herr Lupo, darf ich Sie bitten!“
Diese ungebührlich und selbstgefällige Aufforderung ließ mein Gemüt noch etwas heißer werden, doch ich war mir sicher, der wird gleich so was von verblüfft sein und dazuhin aus all seinen aufgeplusterten Wolken fallen, wie nie zuvor in seinem Leben. Es war zwar dieser, in eine Höflichkeitsformel eingebettete Spott nicht der ausschlaggebende Punkt für den folgenden Werdegang, aber er bestärkte, er untermauerte sozusagen meine in den letzten Minuten gefasste Grundausrichtung. Und wie ich mich anschickte, um aus meiner sitzenden Position so nach und nach herauszukommen, da dachte ich noch, wie sagte mein alter und guter griechischer Freund Epikur noch, es lebe die Willensfreiheit. Der Mensch allein ist Herr seines Lebens und kann es in Freiheit gestalten, wie es ihm beliebt. Auch und besonders den Maßlosen versuchte er dadurch eine Aussicht auf eine herrlich schöne Glückseligkeit zu vermitteln. Zum einen stand seine Formel: Vermehre die Lust und vermeide Unlust und zum anderen hieß das berühmte Motto der epikureischen Lehre: Lebe im Verborgenen! Und genau dies ist oder war in jenem Augenblick das hüpfende Komma, lebe im Verborgenen!