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Leseempfehlung für Drachenfans: Die Schule der magischen Wesen von Lucia Ashta - Seht gerne rein! Der vierte Band von Amels Abenteuer! Wir befinden uns im Krieg, und wir sind dabei ihn verlieren. Der Krieg um das Dominion befindet sich in vollem Gange. Doch wenn Amel und ihre Freunde den Krieg eine Chance haben wollen, dann müssen sie viele verschiedene Aufgaben gleichzeitig bewältigen. Und das bedeutet: Sie müssen sich aufteilen. Amel selbst muss in ein fernes Land reisen, um neue Verbündete zu finden. Doch das erweist sich als viel schwieriger, als erhofft.
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Seitenzahl: 289
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DIE DRACHENSCHULE
BUCH 4
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Als Kind hatte ich es geliebt, Löwenzahnblumen in der Luft zu schwenken und die Samen fliegen zu sehen. Wenn es windig war, wirbelten sie durch die Luft und flogen weit in die Welt hinaus.
Wir flogen - Hunderte von Drachen und Reitern - genau wie diese Löwenzahnsamen. Wir hatten kein klares Ziel - keine Gewissheit, wohin unser Weg führen würde. Wir nahmen vor dem Schrecken der Ifrits Reißaus und ließen in unserer verzweifelten Flucht alles stehen und liegen. Jeder Sinn außer dem Klopfen unserer Herzen verschwamm in einem von Angst getriebenen geistigen Durcheinander. Manchmal stieß eine Gruppe von Drachen, die in Formation flogen, mit einer anderen zusammen, und entweder entbrannte dann ein Kampf, oder die beiden Gruppen schlossen sich zusammen. Unsere eigene Formation hatte etwa ein Dutzend Überlebende aufgenommen. Jenanta Fire war eine von ihnen, aber die anderen waren mir unbekannt - sie waren Bekannte von Leng oder Hubric aus früheren Zeiten. Im Moment schien es uns egal zu sein, wer sich uns anschloss, solange die Neuankömmlinge bereit waren, mit und nicht gegen uns zu kämpfen. Zweimal hatten uns die Ifrits eingeholt, Drachen vom Himmel geholt und sie an den Felsen unter uns zerschmettert. Raolcan keuchte vor Anstrengung, weil er so lange in Höchsttempo flog. Meine eigenen Hände und Beine waren taub vom ständigen Festhalten. Sogar meine Gedanken waren schwer zu fassen. Sie huschten durch meinen Kopf wie ein Wassertropfen über eine heiße Pfanne, ein kurzer Anflug von Angst, der von einer dumpfen Sorge abgelöst wurde, und hie und da blitzte ein Funken Optimismus auf.
Als die Sonne im Zenit stand, sah ich in der Ferne Dunst - darunter eine riesige Wasserfläche oder womöglich nur eine Fata Morgana.
Es ist der östliche Ozean.
Raolcan keuchte so sehr, dass ihm die Zunge aus dem Mund hing. Kyrowat und Ahlskibi hatten sich zurückfallen lassen, um ihm die Führung zu überlassen.
Sie sind älter als ich. Sie werden schneller müde.
Wir ließen Rasipaer in der Mitte der Gruppe, um der Auserwählten und dem Dominar zusätzlichen Schutz zu bieten. Wir mussten bald landen. Irgendwo, wo es Wasser gab.
Nicht im Ozean.
Nein, irgendwo, wo es Trinkwasser gab. Ein Fluss vielleicht.
Hier gibt es keine Flüsse.
Oder ein See.
Auch keine Seen.
Ein Bach?
Vielleicht.
Es dauerte länger als eine Stunde, bis wir auf den grauen Ozean am Horizont zusteuerten.
Nicht auf den Ozean. Auf einen Bach, der in den Ozean mündet.
Nach einem Moment des Suchens konnte ich den Bach ausmachen - ein graues Band im hohen Gras unter uns. Wir kreisten über dem Bach und landeten schließlich an seinem rechten Ufer. Raolcan landete direkt im Wasser und wartete nicht einmal ab, ob noch jemand folgte, bevor er seinen Kopf bis zu den Augen in das kühle Nass steckte.
Himmel und Sterne, ich war noch nie so durstig.
Wenn alle Menschen, die ich je gekannt habe, gleichzeitig Suppe geschlürft hätten, wären sie nicht in der Lage gewesen, das Geräusch wiederzugeben, das er von sich gab.
Entschuldige, dass ich durstig bin, nachdem ich mir fast die Flügel ausgerissen habe, um uns hierher zu bringen.
Er würde bei besserer Laune sein, wenn sein Bauch erst einmal voll mit Wasser war. Ahlskibi landete neben uns. Sein ganzer Körper war angespannt, während er trank. Wir waren noch alle zusammen, wir waren alle noch am Leben, und wir hatten immer noch den eisernen Willen es dabei zu belassen. Ich humpelte bachaufwärts, um meinen Wasserbeutel aufzufüllen. Ein erschöpfter Shonan stolperte neben mich, um dasselbe zu tun.
„Savette?“, fragte ich ihn. Ich war zu müde für ganze Sätze.
„Gut“, sagte er. „Ruht sich aus.“ Ihm musste es so wie mir gehen.
Wir füllten schweigend unsere Beutel. Shonan wischte sich den Schweiß von der Stirn, bevor er sein Gesicht in das Wasser tauchte. Es ließ ihn so zufrieden aussehen, dass ich es auch probierte.
„Ho!“, machte dann plötzlich jemand.
Ich drehte mich, um zu sehen, wie etwa zwei Dutzend rote Drachenreiter stromabwärts von unserer Gruppe landeten. Es war zu spät, um uns zu wehren, sofern sie vorhatten, uns anzugreifen. Und zu spät, um zu fliehen.
„Ich bin Leng Shardson von den Violetten“, sagte Leng herausfordernd. „Wenn ihr Ärger wollt, fliegt weiter.“
Er klang kühn. Und energischer, als Shonan und ich es waren. Wir stolperten durch das hohe Gras und erreichten schließlich unsere Drachen.
„Wir wollen keine Schwierigkeiten. Ich bin Grangor Humming von den Roten. Wir kamen zum Tor der Morgenröte, um Haz’drazen die Treue zu schwören, und waren auf dem Rückweg zu unserem Posten, als wir von diesen Kreaturen angegriffen wurden ... schrecklichen Monstern der Erde ... und hierher flohen. Wir haben Hunderte Drachen am Himmel gesehen, aber keiner hielt an, als wir versuchten, sie zu rufen. Habt ihr eine Ahnung, was passiert ist?“
Ich atmete erleichtert auf. Sie hatten also nicht auf Seiten Astarias gekämpft. Sie waren nur in den Angriff der Ifrits verwickelt worden. Doch wie viele andere waren in die Hölle geraten, die Astaria in ihrer Wut entfesselt hatte? Wir brauchten Verbündete. Wir mussten kämpfen. Wir konnten nicht für immer fliehen.
Genau mein Gedanke.
„Astaria Atrelan hat sie auf uns alle losgelassen, als sie von der Drachenkönigin zurückgewiesen wurde“, sagte Leng laut. Ich musterte ihn am Bachufer, wie er auf Ahlskibis Rücken stand, die Arme selbstbewusst vor der Brust verschränkt. Das war sein Element. Er war dazu geboren, auf Drachen zu reiten und furchtlos im Angesicht von Gefahren zu sprechen. „Die Königin hat einer anderen Kandidatin die Zustimmung der Drachen zugesprochen.“
Der Rote nickte. „Meine Männer und ich stehen auf Haz’drazens Seite. In diesen unruhigen Zeiten ist sie eine Stimme der Weisheit. Wen auch immer sie ausgewählt hat, hat unsere Loyalität. Wisst ihr, wer es ist?“
Savette warf die Kapuze ihres Umhangs zurück und enthüllte ihre hellen Augen und das Mal auf ihrem Gesicht.
„Savette Leedris - Haz’drazens Auserwählte - fliegt mit uns“, sagte Leng schlicht. „Und wir werden jeden vernichten, der sie bedroht.“
Grangor sprang von seinem Drachen, salutierte zackig, und hinter ihm taten es ihm die anderen Roten gleich. „Wir stehen auf deiner Seite, Violetter. Wie lauten eure Befehle?“
Befehle?
So sind die Roten nun mal. Entweder sie geben die Befehle, oder du tust es, aber jeder steht in einer Befehlskette. Seine Ergebenheit ist allerdings rührend.
„Wir sind fast am Meer, aber hier können wir nicht bleiben“, erklärte Savette selbstbewusst. Die Ifrits werden uns folgen, und obwohl das Wasser einen gewissen Schutz bietet, können wir ihnen nicht ewig ausweichen. Wir können auch nicht hier bleiben und darauf warten zu kämpfen. Wir können uns nirgendwo richtig gegen sie zur Wehr setzen. Wir sind gezwungen, nach Norden zu gehen und einen Ort zu finden, an dem wir uns besser verteidigen können.“
„Ein guter Plan“, sagte Grangor.
„Aber nicht für alle von uns.“ Während Savette sprach, landeten andere Drachen in Paaren und einzeln um uns herum - auch sie flüchteten vor den Ifrits und suchten nach einem sicheren Hafen inmitten dieses Sturms. Hatte Savette vor einige von ihnen wegzuschicken? Sie drehte sich zu mir und Hubric um und betrachtete uns beide.
„Wir sind schon zu lange auf der Flucht und unserem Feind dabei kaum einen Schritt voraus. Aber wie ein Hirsch, der von Hunden gehetzt wird, schwächt auch uns die Flucht. Die Zeit ist gekommen, umzukehren und uns dem Kampf zu stellen. Aber dazu müssen wir uns aufteilen.“
Das hörte sich nicht gut an. Ein mulmiges Gefühl überkam mich. Sie wollte ihre Freunde wegschicken? Genau wie damals, als sie allein nach Kastell Leedris gehen wollte.
„Darum akzeptiere ich die Loyalität von Grangor Humming und seinen Roten.“ Ihr Lächeln war so breit wie das seine, als sie einander zunickten. „Und ich muss euch alle bitten, mir in dieser Stunde beizustehen.“
Hubrics Gesicht war so rot, wie vermutlich auch meines. „Wenn du vorschlägst, dass wir dich jetzt verlassen sollen, während die Ifrits uns jagen...“
Sie hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Ich habe in diesem Vulkan Dinge gesehen. Dinge, die ich nicht ganz erklären kann. Dinge, die ich nicht in Worte fassen kann - aber ich habe eines mit Sicherheit verstanden. Wenn wir in der Defensive bleiben, ist unsere Welt verloren. Nur wenn wir zum Angriff übergehen, haben wir eine Chance. Aber es gibt zu viele Aufgaben zu bewältigen. Wir müssen uns aufteilen. Denn jeder von uns hat seine eigene Rolle zu spielen.“
Bei diesen Worten wurde mir mulmig zumute und ich klammerte mich fester an Raolcans Sattel.
Keine Sorge, ich würde nie zulassen, dass sie uns trennt. Wir stecken da zusammen drin.
„Jeder von uns muss ein Stück zu diesem Mosaik beitragen.“ Savettes Haltung war plötzlich sehr bestimmend. „Hubric, du kennst die Lichtbringer. Du weißt, wie sie denken und wer sie sind. Ich brauche dich. Begib dich nach Norden in die Hauptstadt und suche die Lichtbringer heimlich auf. Versammle so viele, wie du kannst, und bereite sie für unsere Sache vor.“
Er nickte. „Amel, wir brechen...“
„Ich brauche Amel für etwas anderes.“
War mein Gesicht bisher rot angelaufen gewesen, musste es jetzt ganz weiß sein. Ich sollte ohne meinen Mentor reisen? Wie oft hatte er mich schon gerettet? Wie oft hatte ich ihn gebraucht? Dem Stirnrunzeln auf seinem Gesicht nach zu urteilen, war er genauso irritiert wie ich. Ich begegnete seinem Blick und versuchte, ihm meine Besorgnis zu signalisieren.
„Leng, ich möchte, dass du nach Norden fliegst. Überbringe meine Nachrichten an die Hohen Kastellane Woelran, Estabis, Tevish, Moran, Lamond, Dantriet, Obadis und Abarynth.“ Sie holte Botschaftszylinder aus ihrem Gürtel. Wann hatte sie die Zeit gefunden, die zu schreiben? Sie war uns allen einen Schritt voraus. „Wir brauchen dringend ihre Unterstützung. Lass mich nicht im Stich.“
Leng salutierte, während eine weitere Gruppe von zehn Drachen eintraf. „Alle, die bei mir bleiben, müssen einen Treueeid ablegen. Entscheidet heute, wem ihr dienen wollt“, sagte Savette zu den Neuankömmlingen. Ob sie sie als letzten Ausweg sahen oder ob sie wirklich an Savette glaubten, sie folgten ihr jetzt. „Shonan, Rasipaer möchte unbedingt zu seiner Reiterin zurückkehren, aber ich kann ihm diesen Gefallen noch nicht tun. Ich hatte keine Zeit mehr, mit Königin Haz zu verhandeln, bevor Astaria die Erde aufriss und ihre bösen Kreaturen an die Oberfläche schickte. Rasipaer wird dich zu einem der versteckten Portale führen - schau mich nicht so an, Rasipaer. Ich habe viele Dinge im Vulkan gesehen. Portale sind das Harmloseste davon - und ihr werdet in meinem Namen für das Dominion verhandeln. Habt ihr verstanden?“
Wir schnappten alle nach Luft bei ihren Worten. Den wahren Dominar auf eine gefährliche Reise zu schicken, ohne Schutz außer einem Drachen, der nicht der seine war? Shonan warf ihr einen langen, harten Blick zu, aber schließlich sprach er.
„Ein kluger Zug.“
Sie drehte sich zu mir um. „Amel. Inzwischen hat mein Mann seinen Auftrag entweder erfüllt oder er ist daran gescheitert. Ihn zu finden und über unsere Situation zu berichten, ist die gefährlichste Aufgabe, die uns bevorsteht - aber sie ist auch unumgänglich. Wir verfügen im Dominion nicht mehr über die nötigen Ressourcen, um diese Katastrophe umzukehren. Wir brauchen Hilfe von außen. Finde meinen Mann in Baojang und berichte ihm alles, was passiert ist, seit er uns verlassen hat. Wir brauchen ihn.“
Ich war sprachlos. Ich sollte in ein fremdes Land reisen, dessen Sprache ich nicht beherrschte, und Rakturan finden - bei dem ich mich noch nie sehr sicher gefühlt hatte - und ihn dazu bringen uns zu retten? Das Wort „unmöglich“ kam mir in den Sinn.
An der Seite eines Prinzen einen Prinzen suchen. Das wird interessant.
Ich deutete auf die roten Drachenreiter und fragte: „Und was willst du mit deiner neuen Armee machen?“
Savette richtete sich auf Rasipaers Rücken auf. Sie blickte sich in der versammelten Menge um, fast so, als würde sie sie zählen, bevor sie sagte: „Wir fliegen zu den Heilbögen nördlich von hier. Dort werden wir jedem Ifrit entgegentreten, der dumm genug ist, uns zu folgen, und ihn vollständig vernichten. Und das ist nur der Anfang.“
Leng war der Erste, der an mich herantrat, dicht gefolgt von Hubric. Er zog mich in eine feste Umarmung und küsste mich auf die Wange.
„Vergiss mein Versprechen nicht. Wenn du dich jemals mit mir in Verbindung setzen willst, schicke eine Botschaft an die Drachenhöhlen der Hauptstadt, adressiert an Hafnar Baumfell. Er bewahrt meine Botschaften für mich auf. Pass auf dich auf und vergiss nicht - wenn das alles vorbei ist, bauen wir unser Haus am Fluss mit Pferden und Klippen für die Drachen.“
Ich küsste ihn und sagte: „Vergiss nicht, dass ich dich liebe.“
„Ich dich auch.“ Er grinste schief, während er davonlief und dreimal zurückblickte, bevor er sich zu Shonan beugte.
Hubric räusperte sich. „Bist du fertig damit, ihm nachzusehen?“
Ich spürte, wie ich rot anlief. „Ich mag den Gedanken nicht, dass wir uns trennen.“
„Mir gefällt es auch nicht.“ Er hatte seine Augen zu schmalen Schlitzen verzogen. „Wir können zusammen nach Norden bis Hezba fliegen, aber danach müssen wir uns trennen.“
Ich nickte, aber mein Herz fühlte sich schwer an. Wir waren so wenige und hatten so viel zu tun. Es ergab Sinn, dass wir uns aufteilen sollten, aber ich wollte Gewissheit haben - Gewissheit, dass alle sicher und wohlauf sein würden.
„Er wird es schon schaffen“, sagte Hubric unwirsch, als Leng und Ahlskibi in die Luft stiegen. „Er hat viel Glück, dieser Kerl. Er stolpert über Chancen, wie andere über Wurzeln auf einem Waldweg.“
Shonan nickte uns knapp zu, als Rasipaer in die Luft stieg.
„Shonan kann nicht verleugnen, wer er ist, und gleichzeitig mit der Königin verhandeln. Sie wird es merken“, sagte Hubric.
Er beobachtete Savette mit Bewunderung, als wäre er mit ihrem Plan zufrieden. Hatte er sie zum „Verrat“ an Iskaris mit uns anderen überredet? Oder hatte sie nur, wie ich, erkannt, dass wir ohne Shonan keine Chance hatten?
„Und was geschieht dann?“
Er zuckte mit den Schultern. „Hoffen wir, dass wir dann alle noch am Leben sind, um weitere Pläne zu schmieden.“
Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken und ich schluckte. Das könnte das letzte Mal sein, dass wir alle zusammen waren.
„Zeit aufzusteigen“, sagte Hubric, aber es gab noch eine Person, mit der ich sprechen musste.
Ich humpelte zu Savette hinüber. Sie war bereits dabei Grangors Drachen zu besteigen. Wenn jemand für ihre Sicherheit sorgen konnte, dann doch wohl ein erfahrener roter Drachenreiter, oder? Aber warum war ich dann immer noch besorgt?
„Sag Rakturan, er soll sich beeilen“, sagte Savette zu mir. „Er wird nicht viel Zeit gehabt haben, seine Leute zu versammeln - er kommt wahrscheinlich erst jetzt dort an, aber du hast die gleiche Reise vor dir. Beschütze ihn und hilf ihm, so wie du mir geholfen hast, Amel. Du findest immer einen Ausweg aus Schwierigkeiten.“
Täuschte sie vor ihren neuen Mitstreitern Tapferkeit vor, oder hatte sie wirklich so viel Vertrauen in mich? Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, war es meistens Raolcan, der mich aus Gefahren rettete.
Sehr richtig.
Und mir gefiel der Gedanke nicht, dass sie ohne meinen Schutz wegfliegen würde.
Weil Grangor Humming und seine Reiter weniger in der Lage sind, sie zu beschützen, als ein junges Mädchen und ihr freundlicher Drachenkumpel? Du hängst definitiv schon zu lange mit Violetten herum.
„Ich weiß nicht, wie ich sagen soll...“, begann ich, aber Savette unterbrach mich.
„Alles wird gut. Und jetzt beeil dich. Grangors Patrouille hat Ifrits entdeckt, die auf dem Weg zu uns sind.“ Sie zeigte nach oben, wo ein roter Drache über uns kreiste und Wache hielt.
„Amel?“, sagte Savette. „Pass gut auf dich auf.“
„Du auch.“ Wir schenkten einander ein Lächeln, dann wandte sie sich wieder Grangor zu und ich humpelte zurück zu Raolcan. Meine Krücke fühlte sich schwerer an als sonst, als ich sie in den Sattel steckte, mein Bein fühlte sich schwerer an als sonst, als ich mich in den Sattel schwang, und es fiel mir schwerer, als sonst die Riemen zu finden. Ich war noch nicht bereit, allein zu gehen.
Du bist nicht allein. Du hast mich.
In einem Land, in dem ich noch nie war.
Habe ich dir erzählt, dass ich einmal dort war?
Ja? Ich hatte immer gedacht, es gäbe keine Drachen in Baojang.
Keiner geht freiwillig dorthin ... bis auf das eine Mal, als ich mich dort eingeschlichen habe.
Das war eine Geschichte, die ich hören musste. Wie schlich sich ein Drache irgendwo ein? Dafür schienen sie ein wenig zu groß zu sein.
Ich erzähle es dir später. Lass uns fliegen.
Er erhob sich in die Luft, dicht auf den Fersen von Kyrowat, der bereits auf den Himmel zuraste. Wir gewannen immer noch an Höhe, als unter uns auch die Roten wie eine Wolke aus Feuer in den Himmel schossen. Das war vielleicht das letzte Mal, das ich Savette sehen würde. Ich hoffte es nicht, aber ich war noch nie in Baojang oder auf dem dunklen Kontinent gewesen. Mir wurde schon bei dem Gedanken daran ganz flau im Magen.
Sie geben dort Safran in den Honig. Es ist ein seltsamer Geschmack, aber man gewöhnt sich daran.
Die anderen waren bald nur noch als winzige Punkte zu erkennen. Es dauerte nicht lange bis Hubric und Haskell auf Kyrowat und ich auf Raolcan über dem grauen Wasser des östlichen Ozeans alleine waren.
Ich fühlte mich unruhig. Als Rakturan nach Baojang aufgebrochen war, hatte er ein Schiff gehabt und gewusst, wohin er wollte. Ich hatte nichts von alledem. Wir konnten nicht einfach ohne Pause über den gesamten Ozean fliegen - das hatte Raolcan mir klargemacht - was bedeutete, dass wir ein Schiff brauchten, oder wir müssten eine sehr lange Reise weit in den Norden unternehmen - durch das vom Krieg zerrüttete Dominion - und von dort schließlich nach Osten nach Baojang umschwenken. Keine der beiden Lösungen erschien mir vielversprechend.
Als wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit an einem weißen Sandstrand landeten, kaute ich immer noch besorgt auf meiner Lippe herum.
Du solltest dir keine Sorgen zu machen. Sorgen rauben dir die Freude am Moment und bringen dir keine Sicherheit für die Zukunft.
Ich sattelte ihn eilig ab, damit er auf die Jagd gehen konnte. Da die Ifrits weit hinter uns waren, waren wir hier hoffentlich sicher genug. Hubric war bereits dabei, ein Feuer aus Holz zu entzünden, und Haskell sammelte in aller Ruhe Nahrung. Sie lächelte mich an, als ich zu ihr stolperte. Der verbeulte Kessel, den ich im Bauernhaus gefunden hatte, war bereits mit Wasser gefüllt und bereit Tee zu kochen.
„Im Norden, südlich von Hezba, gibt es einen Unterschlupf“, sagte Hubric ohne Umschweife. „Dort können wir uns mit Vorräten eindecken und dich für deine Reise vorbereiten.“
„Ich habe kein Geld“, sagte ich nervös.
„Dort wird es Geld geben.“
„Ich dachte, vielleicht ein Schiff ...“
„Nein.“ Seine hellen Augen funkelten unter dem Flackern des Lagerfeuers. „Der Ozean wird inzwischen voller Feinde sein. Rakturan konnte das Risiko eingehen - ein Prinz Baojangs auf einem Baojang-Schiff. Ein Schiff des Dominions wäre nicht so sicher.“
„Aber wenn ich den ganzen Weg nach Norden fliege und dann nach Osten abbiege, fliege ich mitten durch den Krieg. Außerdem wird es ewig dauern, bis ich dort ankomme. Bis dahin könnte es zu spät sein.“
„Besser spät als nie“, grunzte Hubric, aber er stocherte mit einem Gesichtsausdruck im Feuer herum, von dem ich wusste, dass er bedeutete, dass er intensiv nachdachte. Was heckte er aus?
„Hol unsere Decken. Wir haben kein Zelt mehr in den Rucksäcken, aber das Feuer hier am Strand sollte uns genug Wärme spenden.“
Als ich zurückkam, tranken wir Tee und aßen schweigend. Haskell begann, ihre Decke zurechtzulegen. Die Drachen kehrten mit vollen Bäuchen zurück, verteilten sich auf beiden Seiten von uns und schlossen sofort die Augen. Sie brauchten Ruhe.
Versuch mal, so viel zu fliegen. Das strengt selbst einen Drachen an!
„Es gibt eine Frau in Baojang, die ich kannte“, sagte Hubric plötzlich. „Jasmeer von den Duftinseln. Sie ist Safranhonighändlerin in der Stadt Abalang. Ich glaube, sie könnte dir helfen, Amel.“
„Wo liegt Abalang?“
„An der Südküste Baojangs.“
Ich starrte schweigend ins Feuer. Es wäre schön, eine Freundin an meiner Seite zu haben, aber die Südküste Baojangs war sehr weit entfernt.
Hubric gluckste. „Du solltest dein Gesicht sehen. Du bezweifelst, dass du so weit kommst, oder?“
Ich nickte.
„Darf ich dir eine Lösung vorschlagen?“
„Bitte.“ Warum tat er so geheimnisvoll?
„Wenn ich dabei gewesen wäre, als Rakturan wie ein Narr losgesegelt ist, hätte ich ihm dasselbe gesagt. Es gibt einen alten Weg direkt über den östlichen Ozean aus einer Zeit, als unsere Nationen noch befreundet waren - oder vielleicht waren sie sogar eine Nation, wer weiß. Jedenfalls gibt es einen Weg. Er ist Teil der Überlieferungen der Drachenreiter, auch wenn sie eher undeutlich sind und nicht jeder ihn kennt. Ich kann dir eine Karte zeichnen und mit dir die Hinweise teilen, die ich vor langer Zeit erhalten habe.“
„Was ist das für ein Weg, der über Wasser führt?“
Er kratzte sich an der Wange, während hinter ihm Haskell zu schnarchen anfing. Ich war so nervös bei dem Gedanken, mich allein auf den Weg zu machen, dass mir das Schnarchen nichts ausmachte. Haskell machte sich keine Sorgen darüber, wohin sie gehen würde. Das gab mir das Gefühl, dass ich mich auch ein bisschen beruhigen konnte.
„Der Weg führt über Inseln, Riffe und andere Orte, auf denen nur ein Drache sitzen und schlafen kann. Für ein Schiff ist dieser Weg zu gefährlich und für alle anderen nutzlos, aber wenn man dem Weg genau folgt, könnte ein Drache den Östlichen Ozean überfliegen. Und zwar ziemlich schnell.“
Von so etwas hatte ich noch nie gehört - aber es gab viele Dinge, die ich nicht wusste.
„Und werde ich damit schnell genug ankommen?“
Hubric zuckte mit den Schultern. „Es ist sicherer und schneller als ein Schiff oder die Nordroute. Schnell genug? Wer kann das schon sagen? Wir wissen nicht, wie die Dinge für Rakturan gelaufen sind. Vielleicht ist er erst vor ein paar Tagen dort angekommen, selbst wenn der Wind für ihn günstig stand.“
„Woher weißt du, dass es diesen Weg wirklich gibt?“, fragte ich. In diesem Augenblick erschien mir jede Lösung als schlecht. Die Wahrheit war, ich wollte nicht weg. Das Dominion befand sich im Krieg und ich wurde gebraucht um Savette zu verteidigen.
„Welche Wahl hast du denn, Amel?“ Und damit drehte Hubric sich um und ließ sich in seine Decken sinken.
Ich blieb noch einige Stunden länger wach, nervös bei dem Gedanken, eine Reise über den Ozean zu unternehmen. Aber, wie er gesagt hatte, welche andere Wahl hatte ich?
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich, als hätte ich gar nicht geschlafen. Eine Nacht, in der ich mich nur hin und her gewälzt hatte, war keine Nacht.
Mir persönlich gefällt die Idee eines geheimen Pfades. Das klingt nach Abenteuer.
Vielleicht. Aber mir gefiel die ganze Sache immer noch nicht. Ich nahm die Landschaft kaum wahr, als wir auf unserem Flug nach Norden wieder über Land und nicht über Wasser flogen. Als wir am nächsten Abend in Hubrics Unterschlupf ankamen, war ich still, weil ich nach einem Tag, an dem ich gegen die Stimmen in meinem Kopf angekämpft hatte, nicht reden wollte. Diese Mission war ein Fehler.
„Wenn die Winde günstig stehen, wird es eine schnelle Reise werden“, sagte Hubric.
Schweigend wählte ich Vorräte aus dem Lagerraum des Unterschlupfes aus. Wasser und haltbare Lebensmittel, einen Topf, Decken, Kleidung und andere lebenswichtige Dinge.
„Am wichtigsten ist Trinkwasser“, warnte Hubric. „Ihr werdet entlang des Weges keines finden.“
Also füllten wir so viele Fässer und Trinkbeutel, bis Raolcan innerlich stöhnte.
Wie weit muss ich das alles tragen?
Ich wusste es nicht. Ich wusste gar nichts über dieses fremde Land, in das Savette mich schickte. Als die Nacht hereinbrach, schlief ich nicht in dem weichen Bett, das Haskell mir freundlicherweise zurechtgemacht hatte. Stattdessen kroch ich hinaus zu Raolcan und legte meine besorgte Wange an seine heiße Schulter.
Schlaf, Amel. Hör auf, dich von Sorgen treiben zu lassen. Ich werde dich beschützen.
Hubric hielt die Karte so fest in der Hand, dass ich sie nicht nehmen konnte, obwohl er sie mir reichte.
Er will dich nicht gehen lassen.
„Behalte die Dinge um dich herum im Auge“, warnte Hubric. „Nimm alles wahr. Achte auf deine Wasservorräte, wenn du den Ozean überquerst, und denke daran, dass die Kultur von Baojang anders ist als die, an die du gewöhnt bist. Sei wachsam und verhalte dich so unauffällig wie möglich.“
„Hubric“, sagte Haskell sanft.
„Mmm?“ Er sah zu ihr hinüber, wo sie auf dem Rücken von Kyrowat saß und auf ihn wartete. „Du sagtest, sie würde den ganzen Tag brauchen, um den ersten Wegpunkt zu finden. Vielleicht wäre es am besten, wenn sie früh aufbrechen würde.“ Haskells Tonfall war freundlich. Sie waren ein seltsames Paar - sie jung und er alt, sie freundlich und er schroff.
Er nickte, ließ endlich die Karte los und wandte sich ab.
„Hubric!“ Meine Stimme klang panisch.
Er blickte zurück, ein tapferes Lächeln auf dem Gesicht. „Dir wird nichts passieren.“
„Und wenn ich Rakturan nicht finden kann?“
„Das wirst du.“
„Und wenn ich die Wegpunkte nicht finde?“
„Das wirst du.“ Er bestieg Kyrowat.
Ich leckte mir über die Lippen. Ich war noch nicht bereit, für so eine Reise.
Hubric blickte mir tief in die Augen. „Amel, du bist eine treue und loyale Schülerin. Du wirst einen Weg finden. Das weiß ich. Sei stark und vergiss nicht, deine Prophezeiungen zu lesen und Karten zu spielen, so oft du kannst.“
Ich ließ instinktiv meine Finger über das Kartenspiel wandern, das er mir gegeben hatte. „Das werde ich.“
„Wir werden dich vermissen.“
Haskell räusperte sich, und Hubric nickte, salutierte und rief einen Abschiedsgruß, während Kyrowat sich in die Lüfte erhob. Ich unterdrückte ein Schluchzen und blickte über die wogenden Felder unterhalb der Klippe, auf der wir uns verabschiedet hatten. Er flog landeinwärts in Richtung der Hauptstadt. Wir flogen in Richtung Nordosten, an der Stadt vorbei und zum ersten Wegpunkt. Was, wenn wir ihn nicht finden würden? Was, wenn wir uns auf dem Weg verirrten? Ich war es nicht mehr gewöhnt allein zu reisen.
Du hast immer noch mich. Ich habe das Gefühl, du weißt nicht zu schätzen, was für ein Glück du hast.
Ich hätte bei Savette bleiben und gegen die Ifrits kämpfen sollen.
Sie wäre verärgert gewesen, dass du ihre Botschaft nicht überbringst. Und habe ich schon erwähnt, dass du mich noch hast?
Ich hätte mit Hubric gehen sollen.
Im Ernst, reiß dich zusammen. Wir kommen schon zurecht.
Mit einem tiefen Atemzug und einem letzten Schniefen überprüfte ich Raolcans Gurte, stieg auf und schnallte mich fest. Bis heute Abend mussten wir eine auf der Karte eingezeichnete Insel erreichen. Raolcan schwor, dass dieser erste Wegpunkt leicht zu finden sein würde.
Es ist eine Insel. Ob du es glaubst oder nicht, Inseln heben sich vom Meer ab.
Wir flogen so weit östlich von Hezba, dass ich nur die fernen Silhouetten von Gebäuden im Dunst der Sonne sah. Ich studierte die Karte und las die Notizen wieder und wieder. Ich konnte es mir nicht leisten, einen Fehler zu machen. In Hubrics Anweisungen stand:
Es gibt eine kleine Insel östlich der Drachenkopfinseln. Diese Insel ist von Riffen umgeben, was sie für Seeleute zu einer schlechten Wahl macht, aber für Drachen ist sie ein sicherer und abgeschiedener Rastplatz. Wenn du den Kurs beibehältst, kommt sie in Sicht, wenn du den Drachenkopf erblickst.“
Das klang einfach genug.
Ehrlich, ich könnte diese Insel im Schlaf finden.
Ich begann mich ein wenig zu entspannen und genoss sogar den salzigen Geruch der Brise über dem Meer und die bauschigen Wolken, die sich am Himmel bildeten. Erst weit nach Mittag begann ich mir Gedanken darüber zu machen, wann wir Gelegenheit für eine Pause haben würden.
Wohl länger nicht. Das ist für den Reiter genauso anstrengend wie für den Drachen. Trink nicht zu viel, sonst haben wir ein ernstes Problem.
Ich versuchte, nicht daran zu denken. Das würde alles nur noch schlimmer machen.
Ich mache mir mehr Sorgen darüber, wer uns folgt.
Wer folgte uns? Ich drehte mich in meinem Sitz und schaute hinter uns, aber ich konnte nirgendwo einen Drachen erkennen.
Meine Augen sind schärfer als deine. Er ist weit hinter uns, aber wenn wir anhalten, um zu rasten, hat er genug Zeit, uns einzuholen.
Wie lange dauert es, bis wir anhalten können?
Noch viele Stunden.
Uff. Das war an der Grenze des Erträglichen.
Wenigstens ist der Wind stark. Ich lasse mich von ihm treiben. Wir kommen sehr schnell voran.
Jetzt musste ich mir um zwei Dinge Sorgen machen - einen mysteriösen Verfolger, und ob ich meine Blase bis zu dieser Insel unter Kontrolle halten könnte.
Meine Blase bereitete mir am Ende größere Sorgen als unser Verfolger.
Raolcan rutschte in seiner Eile über den losen Kies, und ich hatte es eilig, einen einsamen Busch zu finden und mich zu erleichtern.
Fertig?
„Ja. Alles in Ordnung?“
Ich glaube, ich möchte, dass du mein Gepäck ablädst, aber wir sollten trotzdem ein Auge offen halten. Wer auch immer uns folgt, wird uns finden. Auf diesem flachen Felsen kann man sich nicht verstecken.
Ich beeilte mich, das Gepäck abzuladen und an der Seite zu verstauen, aber es war so viel und ich war so langsam, dass es länger dauerte, als mir lieb war.
Er kreist über uns. Ich glaube, er hofft, irgendwo anders landen zu können, aber außer dieser kleinen Felsspitze gibt es keine andere Möglichkeit.
Raolcan übertrieb nicht. Die Insel war maximal viermal so groß wie Raolcan. Ein paar dürre Sträucher und ein paar Felsbrocken, das war’s. Es gab nicht einmal etwas Treibholz, um ein Feuer machen zu können.
Er wird schon runterkommen. Weck mich, wenn er kommt.“
„Dich wecken?“
Ich bin derjenige, der den ganzen Tag geflogen ist. Du übernimmst die erste Wache.
Raolcan kauerte sich auf den Boden und schloss die Augen. Ich lehnte mich an ihn und genoss seine Wärme. Wenn ich schon Wache halten musste, konnte ich es auch bequem dabei haben. Ich merkte kaum, wie mir die Augen zufielen.
Jemand räusperte sich, ich setzte mich auf, und hätte ich es gekonnt, wäre ich auf die Beine gesprungen. Stattdessen versuchte ich, ruhig und kühl zu wirken, als ein Drachenreiter in schwarzem Leder und mit einer Menge goldener Tücher und feiner Ketten über mir stand. Er war groß für einen Drachenreiter - ich hatte festgestellt, dass die meisten klein und drahtig waren - und seine Arme waren vor der Brust verschränkt.
„Du scheinst es wirklich eilig gehabt zu haben, diesen Felsen zu erreichen, Violette.“
Ich entschied mich für eine unverfängliche Antwort. „Ich habe Botschaften zu überbringen.“
Er würde nicht wissen, dass ich eine Schülerin war - nicht in diesen schwarzen Lederklamotten.
„Hier draußen gibt es niemanden, dem du sie überbringen kannst, außer Walen und Schiffen. Hast du eine Nachricht für ein Schiff?“ Er klang freundlich, aber seine braunen Augen beobachteten mich aufmerksam. Er war vielleicht dreißig Jahre alt, sein Gesicht war unrasiert und seine Lederkleidung abgenutzt.
„Hast du irgendwo eines gesehen?“, konterte ich. Wahrscheinlich war es besser, wenn niemand von meiner Aufgabe wusste. „Warum folgst du mir?“
Er lachte kurz auf, aber dann wurden sein Blick ernst. Alles andere in seiner Miene war schwer zu entziffern, trotz der hellen Sterne am Himmel über uns. „Da war ein Violetter in meinem Jahrgang in der Drachenschule. Wir waren befreundet. Er erwähnte etwas von einem verborgenen Pfad zu den Ländern von Baojang. Ich habe wochenlang danach gesucht, und dann fliegt eine Violette vorbei, die in die sonderbarste Richtung fliegt. Mir kam der Gedanke... könnte sie wissen, wo dieser Weg ist? Könnte sie eine Botschaft an Baojang übermitteln? Also folge ich ihr. Und dann landet sie auf einem schwarzen Felsen im dunklen Meer - als hätte sie sich verirrt, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Und ich denke, vielleicht kann mir diese seltsame Reisende den Weg weisen?“
Er hatte eine seltsame Art zu sprechen. Ich legte den Kopf schief, während er sprach, und versuchte, ihm zu folgen.
Die Leute aus dem Nordwesten des Dominions sprechen so. Er kommt wahrscheinlich von dort. Siehst du, wie stark sein Haar gelockt ist? Das ist ein Merkmal, das man oft im Nordwesten sieht.
War Raolcan böse, dass ich eingeschlafen war?
Ich will wieder schlafen. Du entscheidest, was wir mit diesem goldenen Reiter machen.
Sollte ich ihn uns begleiten lassen? Ich kannte ihn nicht. Vielleicht sollte ich ihm nicht trauen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass er dir so oder so folgen wird.
„Was ist mit deinem Freund?“, fragte ich. „Warum hat er dir diesen 'Weg' nicht gezeigt, wenn er ihn doch kennt?“
„Gestorben. Bei der Plünderung Casabans.“
Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog. Sie hatten dort Violette zusammengetrieben, um sie dem Dämmerungspakt zu übergeben. Es war denkbar, dass sein Freund auf dem Berg gestorben war, wo ich die Magier bekämpft und Leng vor ihnen gerettet hatte. Die anderen hatten wir alle verloren. Ich biss mir auf die Lippe, als ich daran dachte. Was, wenn ich es war, die Leng auf diese Weise verloren hätte und nun Hilfe suchte? Aber andererseits konnte er mich auch anlügen. Seit den Ereignissen am Tor zum Drachenland konnte ein Drachenreiter einem anderen Drachenreiter nicht mehr einfach so trauen.
„Warum willst du nach Baojang?“, fragte ich.
„Warum willst du dorthin?“, antwortete er augenblicklich.
Ich war nicht bereit, meine Geheimnisse zu teilen, genauso wenig wie er bereit war, seine zu teilen.
Er lachte über mein Schweigen. „Ich bin Ran Woelran von den Goldenen.“
Woelran. Ich hatte diesen Namen schon einmal gehört ... in der Drachenschule.
Der Arrogante, den alle Mädchen mochten. Jael Woelran, nicht wahr? Er ist bei der Ausbildung gestorben.
Ich schluckte. Was würde Ran denken, wenn er das wüsste?
Ich würde es an deiner Stelle nicht erwähnen.
„Ich bin Amel Leaf, Violett - offensichtlich.“ Wahrscheinlich war es das Beste, bei meinem Namen zu bleiben. „Auf dieser Insel ist nicht viel Platz, also sollten wir wohl lieber Freunde sein.“
„Heißt das, du zeigst mir den Weg nach Baojang?“, drängte er.
Ich zuckte mit den Schultern. „Frag mich morgen früh nochmal.“