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Der verrückteste Reiseführer Deutschlands geht in eine neue Runde! Diesmal werden die beeindruckendsten und obskursten Lost Places des Landes vorgestellt. Ob verwunschene Orte wie der Parkfriedhof in Ohlsdorf, mystische Ruinen wie Schloss Dwasieden auf Rügen oder die Grevenburg in Rheinland-Pfalz, die inzwischen von der Natur zurückerobert wurden, oder verfallene Gebäude, deren ursprünglichen Nutzen man nur noch erahnen kann, wie die Flugsicherungsradarstation auf dem Teufelsberg in Berlin – in diesem wahrlich verblüffenden Reiseführer werden alle Neugierigen und Fans von Lost Places fündig, begeben sich auf eine höchst individuelle Entdeckungstour durch Deutschland und lernen es von einer ganz neuen und mysteriösen Seite kennen. Zeit lässt sich nicht einfangen – aber es gibt Orte, an denen sie weitaus eindrücklicher und greifbarer ist als anderswo.
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Seitenzahl: 127
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Geheimnisvolle und vergessene Lost Places
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
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Wichtiger Hinweis
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Originalausgabe
3. Auflage 2024
© 2023 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
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80799 München
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Redaktion: Selina Hartmann
Umschlaggestaltung: Karina Braun
Umschlagabbildung: Shutterstock.com/Borja Andreu; Grischa Georgiew; hanohiki; konradkerker; Mark Rademaker; Bernd Schmidt; Tish11
Layout: Manuela Amode
Satz: reinsatz. Roman Heinemann
eBook: ePUBoo.com
ISBN Print 978-3-7423-2431-3
ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-2195-1
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-2196-8
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Vorwort
SCHLESWIG-HOLSTEIN
MECKLENBURG-VORPOMMERN
HAMBURG
BREMEN
NIEDERSACHSEN
BERLIN
BRANDENBURG
SACHSEN-ANHALT
NORDRHEIN-WESTFALEN
HESSEN
THURINGEN
SACHSEN
RHEINLAND-PFALZ
SAARLAND
BADEN-WURTTEMBERG
BAYERN
Bildnachweis
Über den Autor
Vergänglichkeit ist ein Umstand, der uns an jedem Tag in dieser Welt begegnet. Sie hat in sich etwas Tragisches, gleichweise Faszinierendes und in ihr steckt eine gewisse Energie. Außerdem begründet sie als Phänomen die immer größere Liebe nostalgischer Menschen zu vergessenen Orten – den sogenannten »Lost Places«.
Dieses Buch möchte eine ganze Reihe eben jener vorstellen und Anregungen für Reisen zu Deutschlands vergessenen Spots geben. Dem erfahrenen »Urban Explorer«, dem hobbymäßigen Jäger nach verlassenen Plätzen, wird auffallen, dass unsere Aufstellung auch so manchen Ort mit auflistet, der vielleicht nicht gerade ein klassischer Lost Place im Sinne einer verlassenen Villa im Wald oder einer stillgelegten Fabrik darstellt. Dies liegt daran, dass alle in diesem Buch vorgestellten Orte legal zu besuchen sein sollen. Viele sind frei zugänglich, andere kann man auf einer Foto-Tour oder im Rahmen einer offiziellen Führung erkunden. Dies ist erwähnenswert, weil etliche Lost Places von offizieller Seite eigentlich nicht zu betreten sind. Rechtlich gesehen macht man sich in vielen Fällen dem Tatbestand des Hausfriedensbruchs schuldig oder begibt sich oberndrein sogar in Lebensgefahr, wenn man einsturzgefährdete Gebäude auf eigene Faust betritt. Was natürlich manchmal vielleicht auch ein klein wenig den Nervenkitzel ausmacht.
Dieser und das gesamte Gefühl beim »Urban Exploring« sind traditionell an gewisse ungeschriebene Grundsätze gebunden. Man soll einen Lost Place immer so verlassen, wie man ihn vorgefunden hat, man darf außer Fotos und Erinnerungen nichts mitnehmen und nur die eigenen Fußabdrücke hinterlassen. In Bezug auf den Besuch eines Reiseziels empfiehlt sich vorab immer ein Check, wie der Status des Lost Place zum jeweiligen Zeitpunkt gerade ist. Manchmal ändern sich besonders bei historischen Orten die Rahmenbedingungen von einem Tag auf den anderen durch zum Beispiel einen Besitzerwechsel oder eine bauliche Notwendigkeit. Viele der in diesem Buch aufgelisteten Orte werden aber von freundlichen und engagierten Menschen betreut, die nur zu gern Rede und Antwort stehen.
Denn wie auch dem Besucher liegt ihnen etwas daran, Geschichte einzufangen und sie auf eine faszinierende Art und Weise für diese sowie nächste Generationen festzuhalten. Ganz einsperren lässt sich die Zeit nie, aber es gibt Orte, an denen sie weitaus eindrücklicher und greifbarer ist als anderswo. An ihnen wird die Vergänglichkeit des Lebens sowie dieser Welt ganz besonders deutlich. Und damit auch ihr letztendlicher Wert.
Besenhorster Sandberge
Geisterbahnhof Beimoor
Ölberg
Gut Lindenhof
Munitionsdepot Hohenlockstedt
Der »schlafende Schornstein«
Explosiver Fund inmitten malerischer Natur
Binnendünen sind an sich schon ein spektakuläres Schauspiel. Wie ihr Name schon sagt im Inland gelegen, lässt der Wind dabei über ewige Zeiten teilweise mächtige Sandhügel entstehen, die ihren Verwandten an der Küste in nur wenig nachstehen. Gerade das Zusammenspiel mit Heidelandschaften oder Wäldern sorgt für ein einmaliges Idyll der Natur, das man unter anderem in und um Hamburg zahlreich vorfindet. So auch auf den Besenhorster Sandbergen und Elbsandwiesen, die vor Jahrtausenden in der letzten Eiszeit ihren Ursprung haben.
Beim verträumten Wandern durch diese wunderschöne, abwechslungsreiche Landschaft macht man bald einen »explosiven« Fund. In den Wäldern sind nämlich zahlreiche Ruinen versteckt, die einst zur Pulverfabrik Düneberg gehören. Diese wird schon im Kaiserreich gegründet und von unterschiedlichen Pächtern genutzt, bis 1935 die Dynamit AG aus Troisdorf das Werk übernimmt und die Pulverproduktion vorantreibt. Jene erfährt mit dem folgenden Zweiten Weltkrieg eine immer größere Bedeutung. Die Anlagen sind dabei im bewaldeten Gebiet bestens getarnt, alle Dächer werden zusätzlich dicht bepflanzt. Trotzdem machen alliierte Flugzeuge die Anlagen gegen Ende des Kriegs aus und bombardieren die Fabrik im April 1945. Der Betrieb wird eingestellt und die restlichen Lager- und Produktionsräume werden gesprengt.
Es ist aber noch ein signifikanter Teil der Gebäude übergeblieben und man kann Werkstatthallen, Schützenbunker und Wohngebäude aus nächster Nähe erkunden. Dem Besucher steht dafür eine Vielzahl an Wanderwegen zur Verfügung, sodass man sich hier mit Sicherheit nicht im Sande verläuft.
Wer dennoch auf Nummer sicher gehen möchte, kann sich einer der Führungen anschließen, die etwa zweimal im Jahr stattfinden. Nähere Informationen und Termine sind auf der Homepage des Industriemuseums Geesthacht zu finden.
Besenhorster Sandberge, Geesthacht Besuch: öffentlich, Führungen
Es hält kein Zug im Nirgendwo
Die Pläne für Beimoor sind im Jahr 1914 groß. Man möchte in der Nähe die dritte psychiatrische Klinik Hamburgs bauen und dazu eine gewaltige Rüstungsfabrik im nahe gelegenen Wald mit angeschlossenem Güterbahnhof und Arbeitersiedlung errichten. Anwohner träumen schon von einer Anbindung zur Innenstadt mit der Walddörfer Linie, die bereits wie die heutige U1 bis Großhansdorf fährt. Dann aber kommt alles anders.
Denn der Versailler Vertrag verbietet es Deutschland, nach dem Ersten Weltkrieg jegliche Rüstungsanstrengungen zu unternehmen, und so lösen sich die Fabrik sowie alle anderen Pläne von einem Tag auf den anderen in Luft auf. Damals sind aber große Teile des Bahnhofs in Beimoor schon fertiggestellt, das Empfangsgebäude wartet auf die Fahrgäste und sogar das Stationsschild hängt schon.
Jenes kann man heute nicht mehr entdecken, dafür aber andere Fußabdrücke des einstigen Bahnhofs. Während die Gleise aus Materialmangel nach dem Krieg flugs wieder abgebaut werden, haben der Bahnsteig, das Gleisbett und die mittlerweile zugemauerte Unterführung bis heute überlebt. Still und leise liegen sie da, von grünem Moos und kleinen Pflanzen bedeckt. Einigen Fledermäusen dient der einstige Tunnel als Zuhause. Der Wanderweg in den Staatsforst Trittau läuft nun direkt hier vorbei, an einem Ort, der nicht mehr ist und irgendwie auch nie war.
Geisterbahnhof Beimoor, Großhansdorf Besuch: öffentlich
Treibstoff für die Kriegsmarine
Kiel ist nicht gerade die Region, die man sofort mit Bergen in Verbindung bringen würde, doch der sogenannte Ölberg ist nicht nur eine wahrhaftige Erhöhung in Mönkeberg, sondern auch ein Ort mit schauriger Vergangenheit.
1933 baut die Kriegsmarine hier im Kreis Plön gewaltige unterirdische Tanks, die mithilfe von Pipelines mit einem Pier an der Kieler Förde verbunden werden. Dort tankt fortan Hitlers Hochseeflotte, für die Kiel bis in den Zweiten Weltkrieg hinein einen wichtigen Hafen darstellt. Viele der zwölf gigantischen Becken werden 1945 zerbombt oder gesprengt, das unterirdische Netz aus Bunkern, Pipelines und geheimen Gängen wirft aber bis heute Rätsel auf. Manches Becken gibt es noch, tief versteckt im Wald, von Stacheldraht umzäunt und mittlerweile mit Wasser gefüllt.
Auch wenn Generationen von Kindern hier in zurückgekehrter Natur Abenteuer erleben, ist das Waldgebiet noch heute mit Vorsicht zu genießen, wie etliche Warnschilder verdeutlichen. Blindgänger oder einsturzgefährdete Bereiche können Lebensgefahr bedeuten, wie ein Fall aus dem Jahr 2022 belegt. Jugendliche filmen sich beim unerlaubten Stöbern an einem Höhleneingang. Als sie das Video anschauen, ertönen in der Aufnahme Hilferufe aus der Dunkelheit und sie alarmieren die Polizei. Trotz Großeinsatz bleibt die mehrtägige Suche der Hilfskräfte erfolglos – ein weiteres Geheimnis, was die Dunkelheit für sich behält. Das weit verzweigte Wegesystem lädt aber auch ohne Mutproben zum Flanieren ein: Es gibt einen wunderschönen Aussichtspunkt mit Blick auf die Kieler Förde und in der Nähe findet man am Strand Hasselfelde die Überreste des ehemaligen Piers.
Ölberg, Kiel Besuch: teilweise öffentlich
Das verlassene Gut
In Mönkeberg bei Kiel findet man in einem kleinen Waldstück ein paar einsame Gebäude, die verlassen und traurig zwischen den Bäumen stehen. Grafittis zieren die Wände, hier und da liegen noch einzelne Fundamente. Die frühere Pracht der Gebäude ist gewichen, heute herrscht trotz aller Beschaulichkeit der Wege am Tag gerade in dunklerer Stunde eher ein wenig Grusel.
Das Gut Lindenhof hat seinen Namen von eben jenen Bäumen, die zuhauf hier in der Umgebung wachsen. Der frühere Herrensitz Mönkeberger Hof, der später in Lindenhof umbenannt wird, wird um 1750 erbaut und wechselt mehrfach seine adligen Besitzer. 1877 übergibt die Familie Hensen ihrer frisch vermählten Tochter Auguste Karoline Mathilde den Hof, die dort fortan mit ihrem Mann Karl Rudolf Felix Stubenrauch wohnt. Dieser steigt in der preußischen Kriegsmarine zum Konteradmiral auf und verdingt sich später auch als Lokalpolitiker, der unter anderem minderbemittelte Kinder fördert. Nach seinem Tod besucht sogar der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg die Witwe des hochdekorierten Admirals.
Im Zweiten Weltkrieg werden Teile des Guts zerstört, Jahrzehnte später erwirbt die Gemeinde den Lindenhof.
Über seine Geschichte ist nicht viel bekannt, aber gerade darin liegt die Faszination des Ortes. Die kleine zu dem Hof gehörende Kapelle und das zugemauerte Gutshaus wirken trotz moderner Hinterlassenschaften von Sprayern gespenstisch und lassen die Gedanken in vergangene Zeiten schweifen.
Gut Lindenhof, Mönkeberg Besuch: öffentlich
Batman statt Bundeswehr
Der Wald bei Hohenlockstedt liegt heute friedlich da, Vögel zwitschern und lassen auf unberührte Natur schließen. Unberührt ist sie jedoch ganz und gar nicht, denn wie eine ganze Reihe von Bunkern verrät, hat dieser Ort eine geheimnisvolle Vergangenheit. Eine zeitweise sehr dunkle.
Einst ist das Areal des Lockstedter Lagers ein Truppenübungsplatz, der schon zur Zeit der Preußen im 19. Jahrhundert im heutigen Kreis Steinburg entsteht. Nach dem Ersten Weltkrieg finden ausgerechnet hier viele Demokratiefeinde und radikale Gruppierungen Zuflucht, unter anderem Teilnehmer des Kapp-Putsches von 1920. Schlussfolgernd gilt die Region als Wiege der Schleswig-Holsteiner SA und es entwickelt sich in der Folge aus dem Gutsbezirk die Landgemeinde Lockstedter Lager, in der die Wehrmacht Anfang der 1930er Jahre ein Munitionsdepot, ein sogenanntes Muna, baut. Nach dem Krieg übernimmt die Bundeswehr große Bereiche, unter anderem den ehemaligen Heeresflugplatz Itzehoe/Hungriger Wolf. Nach Abzug der Truppen im Jahr 2002 ist der Weg vermeintlich frei für eine alternative Nutzung, doch es dauert weitere 15 Jahre, bis 2017 schließlich über 2 Kilometer Sperrzaun entfernt werden und große Teile des Areals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Spuren früherer militärischer Nutzung sind unverkennbar, was vor allem Batman und seine kleinen fliegenden Freunde freut, die in etlichen der ehemaligen Bauten Unterschlupf gefunden haben.
Munitionsdepot Hohenlockstedt Besuch: öffentlich
Der »schlafende Schornstein«
Ist das ein großer Baum, was dort drüben wie gefällt auf dem Waldboden liegt? Das ist wohl der ursprüngliche Gedanke vieler Menschen, wenn sie zum ersten Mal durch die Parkanlage »Langes Tannen« in Uetersen nördlich von Hamburg schlendern. Dann aber kommt die Überraschung: Es ist kein entwurzelter Riese des Waldes, viel mehr menschliches Zeugnis vergangener Industriekultur. Denn seelig schlummernd liegt dort ein Schornstein.
Der »schlafende Schornstein«, so wird der Schlot vom Virtuellen Museum der Toten Orte der Bundesstiftung Baukultur getauft, gehört früher zur Dampfmühle des Lange’schen Mühlenbetriebs, dem ganzen Stolz und der wichtigsten Maschine des Familienunternehmens. Sie verbinden den von der dänischen Krone abgesegneten Schorn über einen 150 Meter langen Kanal mit der nahe gelegenen Mühle und begründen damit einen der ersten Betriebe dieser Art in ganz Schleswig-Holstein. Im Zweiten Weltkrieg wird der 28 Meter hohe Schornstein schließlich »gefällt«, damit er feindlichen Fliegern nicht zur Orientierung dienen kann.
Heute ist er ein beliebtes und in gewisser Weise geheimnisvolles Überbleibsel aus der Vergangenheit. Näheres zu seiner Geschichte erfährt man auch im benachbarten Museum »Langes Tannen«, dessen denkmalgeschütztes Gebäudeensemble die Familie der Stadt einst vererbt.
Uetersen Besuch: öffentlich
Schloss Dwasieden
Landesirrenanstalt Domjüch
Heeresversuchsanstalt Peenemünde
Elbbrücke Dömitz
Wanzkaer Wassermühle
Entmagnetisierungsstation Greifswalder Bodden
Gespensterwald Nienhagen
NVA-Bunker
Die Perle an der Steilküste
Der Name der Schlossallee, die von der Straße zwischen Sassnitz und Mukran abzweigt, ist ein erster Hinweis darauf, was den Besucher im nahe liegenden Waldstück hinter dichtem Bewuchs und unebenem Geläuf erwartet. Er deutet dabei kaum darauf hin, was von der Vergangenheit noch geblieben ist, doch er erzählt von einem Mythos, dessen letzte physische Monumente die Jahre überdauert haben.
Als es zwischen 1883 und 1887 an der Sassnitzer Steilküste auf Rügen errichtet wird, ist das Schloss Dwasieden aus vielerlei Gründen ein Unikum. Von Friedrich Hitzig entworfen, ist es das einzige Gebäude in Norddeutschland, dessen Fassaden komplett aus Sandstein, Granit und echtem Marmor gefertigt werden. Dementsprechend hell leuchtet das weiße Schloss in der Sonne, glitzert förmlich in besonderen Stunden und bietet seinem Besitzer Adolph von Hansemann ein prunkvolles wie repräsentatives Sommerdomizil. Der schwerreiche Inhaber der Disconto-Gesellschaft, der größten Privatbank im deutschen Kaiserreich, empfängt auf Dwasieden die große Prominenz des Landes und schlendert mit ihr unter anderem durch einen der prächtigsten norddeutschen Schlossparks der damaligen Zeit. Selbst Kaiser Wilhelm II. gibt sich hier einst die Ehre.
Ein Enkel Hansemanns verkauft das sagenumwobene Schloss in den 1930er Jahren an die Stadt Sassnitz und bald nutzt es die Kriegsmarine zu Schulungszwecken. Die Rote Armee sprengt die Anlage schließlich nach Kriegsende und beendet damit den architektonischen Traum an der Wasserkante. Es zeugen aber heute noch Ruinen von jener Zeit, von denen die Front des früheren Marstalls und ein Teil des südlichen Pavillons am besten erhalten sind.
Informationen zu Terminen und Anmeldung zu den regelmäßig stattfindenden Führungen erhält man auf der Homepage des Schlosses.
Schloss Dwasieden, Insel Rügen Besuch: Führung
Die verlassene Anstalt
Das Ensemble von alten Gebäuden liegt einsam in der Morgensonne, still und friedlich blicken sie auf den Domjüchsee hinaus. Sie sind alt, einsam und doch beieinander. Es scheint fast so, als ob ihre teilweise kaputten oder verrammelten Fenster mit ihrem ruhenden Blick in die Vergangenheit schauen, jene, in der ihre Heimat viel Bewegendes erlebt.
Früher steht auf dem Gelände der Landesirrenanstalt Domjüch einmal ein Schloss, später ein Gefängnis. Nach Jahren stetiger Überlastung und gleichzeitiger Unterbringung zahlreicher Geisteskranker wächst die Idee einer Irrenanstalt. Jenes Label beschreibt damals nicht nur psychisches Leiden, sondern auch vermeintlich alltägliche Makel wie Lasterhaftigkeit, die aber in der damaligen Gesellschaft nicht der akzeptierten Norm entsprechen. Dr. med. Carl Serger, der damalige Anstaltsleiter, überzeugt die Landesregierung nach langem Insistieren von der Notwendigkeit eines Neubaus. In jenen ziehen am 22. August 1902 insgesamt 70 Frauen und 60 Männer ein, die fortan vom innovativen, ergotherapeutischen Ansatz Sergers und seiner Kollegen profitieren. Der geschätzte Mediziner nimmt sich, wohl aufgrund privater Episoden, tragischerweise 1913 selbst das Leben, kurz darauf folgt ihm auch eine Oberpflegerin.
Das Grauen soll Jahrzehnte später wiederkehren, nach zwischenzeitlich unterschiedlicher Nutzung der Anstalt, die unter anderem zeitweise als Säuglingsheim fungiert. In der NS-Zeit wird Domjüch für viele totgeweihte Leben zum Zwischenstopp bei der »Aktion T4«, einem systematischen Massenmord von Menschen mit Behinderung im Rahmen des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms, bevor sie ihre letzte Reise in die Gaskammern der Tötungsanstalt Bernburg antreten. Später dient die Anlage der Roten Armee als Kaserne.