Unnützes Handballwissen - Moritz Wollert - E-Book

Unnützes Handballwissen E-Book

Moritz Wollert

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  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Zerrungen? Fingerbrüche? Muskelfaserrisse? "Halt die normalen Sachen", so Handballlegende Stefan Kretzschmar. Auf jeden Fall keine Verletzungen, die ein Trainer akzeptieren würde. Und das macht deutlich, warum dieser Sport zu den härtesten und rasantesten der Welt zählt. Geprägt von echten Typen, die den Ball ansatzlos aus dem Handgelenk ins Kreuzeck jagen. Von beinharten Brocken in unüberwindbarer Verteidigung. Und wahrhaft magischen Spielgestaltern. Wussten Sie, dass der legendäre Torhüter »Hexer« Thiel heute als Anwalt tätig ist? Dass das Kieler Arbeitsamt Bundestrainer Gislason als »nicht vermittelbar« einstufte? Unnützes Handballwissen destilliert die besten Anekdoten aus den letzten 50 Jahren des geilsten Sports der Welt.

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Seitenzahl: 152

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FELIX GöTZ | MORITZ WOLLERT

UNNüTZES HANDBALL WISSEN

FELIX GöTZ | MORITZ WOLLERT

UNNüTZES HANDBALL WISSEN

DIE KURIOSESTEN FAKTEN RUND UM DEN GEILSTEN SPORT DER WELT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

2. Auflage 2024

© 2023 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: Dr. Ulrich Korn

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch

Umschlagabbildung: shutterstock.com/Lazyvector, onot

Satz: abavo GmbH, Buchloe

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-2393-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-2144-9

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-2145-6

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Bundesliga Von Aufnahmeritualen und folgenschweren Weihnachtsfeiern

Olympia Von schweren Schicksalen und Rekordtorschützen

EM Von Abwehrschlachten und einer Tracht Prügel

WM Von Pizza-Affären und schönen Haaren

International Von Höllenqualen und Balkan-Blues

Über die Autoren

Bundesliga

Von Aufnahmeritualen und folgenschweren Weihnachtsfeiern

Der FC Bayern des Handballs

Mit 22 Titeln ist der THW Kiel so etwas wie der FC Bayern des Handballs und damit deutscher Rekordmeister. Eine weitere Bestmarke sind die sechs Triumphe in Serie, die zwischen 2005 und 2010 an die »Zebras« gehen. Festhalten: Von den 22 zwischen 1994 und 2015 ausgespielten Meisterschaften gewinnt das Team von der Förde nur fünf nicht! Platz zwei gebührt im Gesamtranking dem VfL Gummersbach (zwölf Meisterschaften) vor Frisch Auf! Göppingen (neun). Erster vom DHB anerkannter deutscher Meister im Hallenhandball darf sich 1950 die SV Polizei Hamburg nennen. Insgesamt krönen sich übrigens nur 15 verschiedene Vereine zum Meister, als da wären: THW Kiel, VfL Gummersbach, Frisch Auf! Göppingen, TV Großwallstadt, SV Polizei Hamburg, Berliner SV 1892, TUSEM Essen, SG Flensburg-Handewitt, SG Wallau/Massenheim, TBV Lemgo, TSV Grün-Weiß Dankersen, Rhein-Neckar Löwen, SC Magdeburg, HSV Hamburg und SG Leutershausen. Den Titel DDR-Rekordchampion hat mit zehn Meisterschaften der SC Magdeburg inne.

Das torreichste Spiel der Bundesligageschichte

Als der SC Magdeburg am 20. Dezember 2005 nach Kiel zum THW fährt, rechnen sich die Bördeländer durchaus etwas aus, schließlich grüßen sie vom 4. Tabellenplatz. Und es fängt auch gar nicht so schlecht an, denn bis zum 12:13 durch Christian Sprenger liefern sich beide Teams eine ausgeglichene, umkämpfte Partie, in der alles offen zu sein scheint. Dann aber folgt eine quasi monumentale Offensivexplosion der »Zebras«, die letztlich auch in Kooperation mit den Gästen richtig historisch wird. Kiels 54:34-Erfolg geht als torreichstes Spiel aller Zeiten in die Annalen der Bundesligageschichte ein, und der THW avanciert zur allerersten Mannschaft, der im deutschen Oberhaus mehr als 50 Treffer in einer Partie gelingen. Den SCM wird das eher weniger trösten.

Ein Spiel der kleinen Orte

Die Handballbundesliga wird 1966 erstmals in zwei Staffeln eingeführt, und bis heute können sich 13 verschiedene Mannschaften als deutscher Meister feiern lassen. Addiert man die Einwohnerzahlen aller Meisterstädte, kommt man auf eine Zahl von rund 3,38 Millionen Menschen, was noch unter der aktuellen Einwohnerzahl von Berlin (3,64 Millionen) liegt. Nicht umsonst gilt Handball bei vielen sehr lange als ein Spiel »vom Dorf«; mit Leutershausen, Dankersen oder Großwallstadt sichern sich zahlreiche Orte mit gerade einmal vierstelligen Einwohnerzahlen Meistertitel. In der DDR verhält es sich ein wenig anders, da viele zentral geförderte Vereine mit Leistungszentren in größeren Städten wie Berlin, Magdeburg oder Leipzig operieren. Frankfurt an der Oder ist mit knapp 60 000 Einwohnern (Stand 2019) die »kleinste« Meisterschaftsstadt der Handball-DDR und feiert 1974, 1975 und 1989 mit dem Armeesportklub Vorwärts Frankfurt (Oder) jeweils den ostdeutschen Titel.

Hüttenberg und der Handkäse

Die große Handballtradition rührt beim TV Hüttenberg aus den Tagen des TV Hochelheim und TV Hörnsheim, die beide bereits kurz nach 1900 gegründet werden und die nach dem Zusammenschluss zur Gemeinde Hüttenberg in den 1960er-Jahren auch fortan unter eben jenem Stadtnamen auf Torejagd gehen. Mit dem runden Leder können die Mittelhessen ziemlich gut umgehen und mischen viele Jahre im obersten deutschen Handballgeschäft mit. Die Handfertigkeit wird in der Region aber seit jeher noch für etwas anderes genutzt: Handkäse, »Handkäs« oder auch »Handkääs«. Diese lokale Spezialität, der Name lässt es vermuten, wird mit den Händen geformt und kann pur, auf Brot oder auch »mit Musik« genossen werden. Vier von sechs mittelhessischen Handkäseproduzenten nennen das beschauliche Hüttenberg ihr Zuhause, und da ist eine Symbiose zum Sportverein natürlich naheliegend. So können Zuschauer nicht nur schon immer den Käse bei Heimspielen des TV verköstigen, ihnen heizt seit 2017 auch ein Maskottchen namens »Rollo« ein, seines Zeichens ein freundliches Stück Handkäse.

»Kretzsche« und das Aufnahmeritual in Gummersbach

Handballmannschaften ticken manchmal etwas eigenartig. Zumindest in den 1990er-Jahren gibt es beispielsweise beim VfL Gummersbach fragwürdige Aufnahmerituale. Stefan Kretzschmar, der 1993 von Blau-Weiß Spandau zu den Oberbergischen wechselt, kann davon ein Lied singen. »Wir wurden in eine Kneipe eingeschlossen und der Zapfhahn wurde mit einem Gummi befestigt, sodass das Bier ununterbrochen lief. Ältere Spieler hatten die Aufgabe, sich um jüngere zu kümmern, also sie abzufüllen«, erinnert sich der Sportvorstand der Füchse Berlin in einem Interview mit dem Sportportal Spox. Erst muss sich »Kretzsche« auf einen Stuhl stellen und zwei halbe Liter Bier in weniger als einer Minute trinken. Anschließend wird er dazu verdonnert, eine Rede zum Thema »Intimtätowierungen in der ostdeutschen Zone« zu halten. Welche Worte der gebürtige Leipziger wählt, ist nicht überliefert. Und das ist vielleicht auch besser so.

Die »Scholle« von Cuxhaven

»Scholle« ist einer der vielleicht bekanntesten Spitznamen in der Geschichte der Handballbundesliga, jeder verbindet ihn mit dem legendären Linksaußen Jochen Fraatz. Der gewinnt in seiner aktiven Zeit unter anderem Olympia-Silber, drei deutsche Meisterschaften mit TUSEM Essen und springt für seinen Verein auch mal in der Kiste ein, wenn bei diesem alle aktiven Torhüter ausfallen, so geschehen in der Saison 1986/87 gegen den VfL Gummersbach. Auch wenn er in jener Partie satte 58 Minuten das eigene Gehäuse hütet und sein Vater Fritz früher Feldhandball-Goalie war – auf das Tore werfen versteht sich der Flügelflitzer letztlich doch wesentlich besser. In seiner langen Bundesligakarriere schafft der Rechtshänder für Essen, Nordhorn und Lemgo 2683 Tore in 438 Partien. Er übernimmt in jungen Jahren auch den Dreher, die einstige Erfindung des sowjetischen Linksaußen Aljaksandr Karschakewitsch, und macht ihn in deutschen Handballhallen salonfähig. Dabei verbietet ihm Petre Ivănescu, sein Coach beim TUSEM Essen, die Aktion zunächst, lässt sich später aber von der hohen Erfolgsquote seines Schützlings überzeugen. Aber warum heißt der Jochen eigentlich »Scholle«? Den Beinamen bekommt Fraatz von Bundestrainer Horst »Hotti« Bredemeier aufgrund seines Geburtsortes Cuxhaven an der Nordsee.

Schröder und die jubelnden »Stoppelhopser«

»Klempel, Klempel, Klempel«, hallt es durch eine Auszeit des HSV Handball im letzten Saisonspiel 2009. Abwehrspezialist Matthias Flohr denkt an jemanden, mit dessen Namen seine verdutzten Mannschaftskollegen im ersten Moment wenig anfangen können. Gemeint ist der Pole Jerzy Klempel, seines Zeichens mit 19 Toren Inhaber eines 26 Jahre alten Rekordes für die meisten Treffer in einem Spiel der eingleisigen Bundesliga. Seit eben jenem 6. Juni 2009 ist er es allerdings nicht mehr, denn HSV-Rechtsaußen Stefan Schröder gelingen unglaubliche 21 Tore gegen den nur mit acht Feldspielern angereisten Stralsunder HV. Flohrs Insistieren trägt dabei Früchte, denn Schröders Mannschaft setzt ihn in den letzten Minuten immer wieder explizit in Szene und unterstützt ihn beim Rekord. Wahrscheinlich haben sie ihm hinterher auch bei der 12-Liter-Champagnerflasche geholfen, die Präsident Andreas Rudolph dem Nationalspieler für seine Leistung spendiert. Ein weiterer schöner Nebeneffekt: Schröder fungiert damals als Pate für den Elmshorner Kindergarten »Stoppelhopser«, der in jenem Jahr für jeden Saisontreffer des Linkshänders 20 Euro bekommt.

Der Beruf des Hallensprechers

Ein Mikro in die Hand nehmen, die Namen der Spieler auswendig lernen, ein bisschen Kamelle machen … Was gehört schon zum Beruf des Hallensprechers dazu? Wie sich herausstellt, eine ganze Menge mehr, erst recht in der heutigen Zeit und wenn sich derjenige auch noch um andere Teile der großen Show kümmert. Michael »Holzi« Holst zum Beispiel ist an Spieltagen der SG Flensburg-Handewitt einer der Ersten in der Flens-Arena, mit im Gepäck hat er ein dreiköpfiges Team sowie einen Transporter voller Licht- und Tontechnik: zwei Traversen, sechs Moving Heads, Vertikal-Nebelmaschine, LED-Bars, W-DMX-Digitalsteuerung, ein »ChamSys QuickQ 20«-Pult – alles will aufgebaut, verkabelt und getestet werden. Die ehemalige Torwartlegende des MTV Schwabstedt übernimmt neben der Pregame-Show mit Interviews auch alle Regieanweisungen über Funk und führt durch das gesamte Spiel. Besonders eng wird es zwölf Minuten vor Anpfiff, wenn Begrüßungen, Image-Film, der teameigene Trompeter und der Einlauf der Mannschaften sekundengenau durchgetaktet sind. Ach ja, ein Mikro hat »Holzi« natürlich auch am Start, um der »Hölle Nord« ordentlich einzuheizen.

Keiner übertrifft »Noka« Serdarušić

Seit der Einführung der Bundesliga zur Saison 1966/67 gibt es keinen erfolgreicheren Trainer als Zvonimir »Noka« Serdarušić. Der frühere Kreisläufer, der 1998 seine kroatische gegen die deutsche Staatsbürgerschaft tauscht, führt den THW Kiel während seiner Ära zwischen 1993 und 2008 zu elf deutschen Meisterschaften. Platz zwei geht an Alfreð Gíslason mit sieben Meisterschaften (eine mit dem SC Magdeburg, sechs mit Kiel), Rang drei teilen sich mit je drei Meisterschaften Klaus Zöll (TV Großwallstadt), Petre Ivănescu (zwei mit dem VfL Gummersbach, eine mit TUSEM Essen) und Heiner Brand (zwei mit Gummersbach, eine mit der SG Wallau/Massenheim). Nach seiner Zeit beim THW coacht Serdarušić die slowenische Nationalmannschaft, den slowenischen Klub RK Celje, Pays d’Aix UC aus Frankreich und zuletzt bis 2018 Paris Saint-Germain. Unvergessen auch die Turbulenzen um die Kieler Affäre, als Serdarušić vorgeworfen wird, an Spielmanipulationen durch Schiedsrichterbestechungen mitgewirkt zu haben. 2010 erhebt die Staatsanwaltschaft Kiel Anklage wegen des Vorwurfs gemeinschaftlich begangenen Betruges und Beihilfe zur Untreue. Zwei Jahre später wird Serdarušić in allen Anklagepunkten freigesprochen.

Der lange Lichtlein

Nationalspieler Carsten Lichtlein brilliert zeit seiner Karriere stets mit seiner langen Körpergröße von 2,02 Metern, mit denen der Torwart aus Unterfranken die Gegner unter anderem für Großwallstadt, Lemgo oder Gummersbach regelmäßig das Fürchten lehrt. Er tut es ziemlich lange und ziemlich oft, sogar öfter als jeder andere Spieler in der Geschichte der Handballbundesliga. Lichtlein überflügelt am 19. Dezember 2019 im Trikot des HC Erlangen mit seinem 626. Einsatz gegen die TSV Hannover-Burgdorf den bis dato arbeitsfreudigsten Jan Holpert und steht mittlerweile bei insgesamt 712 Ligaspielen. Auch die 547 parierten Siebenmeter während seiner 2022 beendeten Karriere sind Bestwert in der höchsten deutschen Handballklasse.

»Hexer« und »Grummel Griesgram«

Für viele Fans und Experten ist Andreas Thiel (528 Bundesliga- und 257 Länderspiele) die Persönlichkeit in der Geschichte des deutschen Handballs – und gleich mit zwei Spitznamen ausgestattet. Der frühere Torhüter wird »Hexer« genannt, weil er während seiner Profilaufbahn zwischen 1979 und 2000 unzählige Bälle pariert, die eigentlich nicht zu halten sind. Ein Winterabend in der Saison 1982/83 gilt dabei als Geburtsstunde des »Hexers«. Thiel spielt mit Gummersbach in Großwallstadt und entschärft beim Sieg mit einem Tor Differenz einen Ball nach dem anderen, darunter fünf Siebenmeter. Nach dieser fabelhaften Leistung ist sich Handball-Deutschland einig: Der würdige Nachfolger des eigentlichen »Hexers« Manfred Hofmann ist gefunden – und das in Hofmanns Heimatstadt. Warum Thiel auch den Spitznamen »Grummel Griesgram« trägt? »Den hat mir Heiner Brand verpasst. Das liegt daran, dass ich nicht immer als Mr. Superfreundlich durch die Welt laufe. Ich schlüpfe durchaus bewusst und kokettierend manchmal in die Rolle des Knurzkopfs, und zwar mit Leidenschaft«, sagt Thiel. Das teils griesgrämige Auftreten des eigentlich liebenswerten Torhüters erinnert den späteren Bundestrainer an eine Figur aus einer Hörspielkassette für Kinder, die Brand damals häufig zu hören bekommt. Seine Tochter mag Regina Regenbogen, weniger aber deren Widersacher »Grummel Griesgram«. Heute arbeitet Thiel übrigens als Anwalt.

»Asterix« verirrt sich nach Minden

Lange nachdem die Römer sich in Germanien breitgemacht und Krieg geführt haben, zieht es Mitte der 1990er-Jahre auch einen ihrer vermeintlich stärksten fiktiven Widersacher in die deutschen Gefilde – Asterix! Es handelt sich hier aber nicht um den legendären Zeichentrick-Gallier aus der Feder des französischen Zeichners Albert Uderzo, sondern um Stéphane Stoecklin, der 1996 beim Traditionsverein GWD Minden anheuert. Die Parallelen zu Obelix’ bestem Freund sind eindeutig: Französisches Blut fließt durch seine Adern, mit 1,85 Metern zählt er als Halbrechter eher zu den klein gewachsenen seiner Zunft, und die harten Würfe des Rückraumstars lassen manchmal durchaus den Einsatz eines Zaubertranks vermuten. Dieser besteht für den in Bourgoin-Jallieu geborenen Lebemann zwar eher in einem guten Glas Wein, die Bauernschläue von Asterix schreibt er sich dafür aber gerne auf die Fahnen. »Es ist besser, als Luft im Kopf zu haben«, zwinkert der Welthandballer 1997, der im Jahr darauf mit 207 Toren auch Torschützenkönig der Handballbundesliga wird. Sein Verein GWD Minden macht sich den Spitznamen seines Shooters ebenfalls zunutze. So gibt es in den beiden Jahren, in denen Stoecklin in Minden weilt, zu jeder Zeit einen Plüsch-Asterix im Fanshop zu kaufen.

Unterwegs in der Handballbundesliga

Das Herz des Handballs schlägt in der Bundesliga eigentlich überall, ganz egal ob Nord oder Süd, Ost oder West, entsprechend lang gestaltet sich so manche Auswärtsreise. In der Saison 2022/23 haben es die SG Flensburg-Handewitt und Frisch Auf! Göppingen bei ihrem gegenseitigen Gastspiel am weitesten, die beiden Spielstätten liegen satte 857 Kilometer und damit knapp zehn Autostunden voneinander entfernt. Die Göppinger finden allerdings auch die kürzeste Auswärtsreise auf ihrem Kalender, denn die gut 43 Kilometer zum fast unmittelbaren Nachbarn des TVB 1898 Stuttgart könnte man bei gutem Wetter und etwas Rückenwind durchaus mit dem Fahrrad zurücklegen. In der 2. Liga knackt eine Auswärtsfahrt im Jahr 2022/23 sogar fast die 1000-Kilometer-Marke. Wenn der HC Empor Rostock zur HSG Konstanz fährt oder umgekehrt, dann sind die Mannschaften jeweils 999,6 Kilometer unterwegs. Einem Fanbus wünscht man eigentlich nie Stau, dann aber wohl ganz besonders nicht.

Skandal in Göppingen

Handballfans sind normalerweise dafür bekannt, einen einigermaßen respektvollen Umgang mit Gegnern und deren Funktionären zu pflegen. Bei Frisch Auf! Göppingen kommt es diesbezüglich beim Spiel gegen Hamburg im November 2014 zu einer unrühmlichen Ausnahme. Eine Frisch-Auf-Fangruppierung beleidigt den damaligen HSV-Mäzen Andreas Rudolph – oder besser gesagt: die Spieler der Norddeutschen – auf unterirdische Art und Weise. Ein Transparent mit der Aufschrift »St. Paulis Huren mit mehr Ehre als Rudolphs Legionäre« wird gehisst. HSV-Geschäftsführer Christian Fitzek spricht anschließend vom »übelsten Plakat, das ich seit langer Zeit in einer Handballhalle gesehen habe«. Immerhin: Die Verantwortlichen der Göppinger und die meisten anderen Fans distanzieren sich von den Chaoten.

Der älteste Fanklub der Bundesliga

Der erste Fanklub der Bundesligageschichte wird 1979 in Kiel gegründet, unterstützt logischerweise den THW und existiert bis heute. Der schlichte Name: Schwarz-Weiß.

Legende Bernhard Kempa

Der Ball fliegt durch die Luft, unzählige Augenpaare verfolgen ihn. Die Überraschung steht in ihnen geschrieben, gesellt sich zur Erwartung des manchmal Unbegreiflichen. Dann fängt ein Spieler das runde Leder, für einen Bruchteil einer Sekunde steht das Spiel im Fluge still, dann folgt die Vollendung des Kempa. Der Trick, bei dem ein Spieler einen hohen Pass direkt im Sprung fängt und abschließt, geht zurück auf einen Mann, in dessen Adern weit mehr Magie fließt, als es der erste missglückte Versuch des selbst erfundenen Manövers vermuten lässt. Denn schließlich gelingt er ihm doch am 24. Februar 1954 in Karlsruhe bei einem Ländervergleich gegen Schweden, es folgt große Begeisterung, in der sich schon ein Hauch von Ewigkeit versteckt. Kempa wird fortan Namensgeber für die vielleicht spektakulärste Aktion im Handballsport, jedenfalls für jene, die einem Mann für immer ein athletisches Denkmal setzt, das er sich eigentlich mit seinen Leistungen selbst formt. Zweimal wird er Feldhandballweltmeister, gewinnt mit Frisch Auf! Göppingen als Aktiver und Trainer sechs nationale Titel und streckt 1960 auch noch den Europapokal der Landesmeister in die Höhe. Aus all jenen großen Taten wäre fast nichts geworden, denn als Kind muss sich der begabte Sportler aus dem eigenen Zuhause schleichen, um seiner von den Eltern missbilligten Leidenschaft nachzugehen. Zum Glück kennt er gute Schlupfwinkel, denn sonst wären nicht nur seine handballerischen Verdienste ein Wunschtraum geblieben, sondern auch die drei württembergischen Basketballmeisterschaften, besondere Auftritte auf dem Fußballfeld oder drei Senioren-Weltmeistertitel im Tennis-Doppel, mit denen Bernhard Kempa seine Anhänger über Jahre und Jahrzehnte verzückt. Und dazu natürlich auch noch mit dem einen Trick.

Der berühmte Wechsel von Herbert Lübking

Ein Weltklassespieler, der wegen seines Berufs von der Bundesliga in die Kreisliga wechselt? Heute wäre es unvorstellbar, in den 1970er-Jahren ist es allerdings in Form des großen Herbert Lübking Realität. An seinem 18. Geburtstag läuft der begabte Mittelmann erstmals für die Erste Mannschaft seines Heimatvereins Grün-Weiß Dankersen auf und soll in der Folgezeit die ganz große Handballzeit im Städtchen an der Weser begründen, zweimal gewinnt er die deutsche Feldhandballmeisterschaft und feiert drei Europapokalsiege im Mühlenkreis. Dementsprechend groß ist der Aufschrei, als im August 1970 sein Wechsel zum unterklassigen Lokalrivalen TUS Nettelstedt bekannt wird. Sein Legendenstatus schützt Lübking nicht vor Morddrohungen und kann die eintägige Entführung seines Sohnes André nicht verhindern. Letztlich hat er aber ganz pragmatische, bodenständige Gründe für seinen Wechsel in einer Zeit, in der man vom Handballspielen allein nur schwer leben kann. Horst Bentz, GWD-Präsident und der Chef des Kaffeefilterriesen Melitta, will Lübking damals nach eigenen Angaben nichts Schriftliches über seine versprochene Zukunft im Unternehmen geben, die Textilfirma Hucke allerdings schon, und sie war nun mal mit den Nettelstedtern verbandelt. Mit seinem Wechsel bekommt auch seine Nationalmannschaftskarriere einen Knick, beruflich aber soll er 32 Jahre bei Hucke einen sicheren Hafen haben. Und die Zeit heilt für den Ehrenbürger Mindens schließlich auch die schweren Wunden, die der Wechsel einst aufgerissen hat.

Der große »Nick«