Der Vertraute - John Grisham - E-Book

Der Vertraute E-Book

John Grisham

3,9
1,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Gerechtigkeit um jeden Preis – ein Anwalt, der vor nichts zurückschreckt

Sebastian Rudd ist kein gewöhnlicher Anwalt. Aus seiner Überzeugung heraus, dass jeder Mensch einen gerechten Prozess verdient, verteidigt er auch jene Delinquenten, um die jeder andere Anwalt einen großen Bogen machen würde. Ein riskantes Unterfangen, das er ohne Unterstützung nicht meistern könnte. Hier kommt Partner ins Spiel, Sebastian Rudds schweigsamer Assistent, Fahrer und Bodyguard - bekannt aus John Grishams Roman "Der Gerechte" -, der Rudd schon einige Male das Leben gerettet hat. In dieser Kurzgeschichte erfährt der Leser die Vorgeschichte von Partner, und warum er in unbedingter Loyalität zu seinem Chef steht. Die Geschichte "Der Vertraute" entspricht 67 Manuskriptseiten.

Die Kurzgeschichte "Der Vertraute" erscheint exklusiv als eBook Only.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 227

Bewertungen
3,9 (18 Bewertungen)
6
6
4
2
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Zum Buch

Sebastian Rudd ist kein gewöhnlicher Anwalt. Aus seiner Überzeugung heraus, dass jeder Mensch einen gerechten Prozess verdient, verteidigt er auch jene Delinquenten, um die jeder andere Anwalt einen großen Bogen machen würde. Ein riskantes Unterfangen, das er ohne Unterstützung nicht meistern könnte. Hier kommt Partner ins Spiel, Sebastian Rudds schweigsamer Assistent, Fahrer und Bodyguard, der Rudd schon einige Male das Leben gerettet hat. In dieser 57-seitigen Kurzgeschichte erfährt der Leser die Vorgeschichte von Partner und warum er in unbedingter Loyalität zu seinem Chef steht.

Zum Autor

John Grisham hat 28 Romane, ein Sachbuch, einen Erzählband und fünf Jugendbücher veröffentlicht. Seine Bücher wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Er lebt in Virginia.

JOHN GRISHAM

DER VERTRAUTE

Kurzgeschichte

Aus dem Amerikanischen

von Bea Reiter

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Partners bei Doubleday, New York

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte dieses E-Book Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses E-Books verweisen.

Copyright © 2016 by Belfry Holdings, Inc.

Copyright © 2016 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Oliver Neumann

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN 978-3-641-20574-4V001

www.heyne.de

1

Tee Ray und sein Sohn wohnten auf der hinteren Veranda eines schmalen, einstöckigen Hauses, das Teil einer langen Reihe vollkommen gleich aussehender Gebäude war und sich in »Little Angola« befand, wie man diesen heruntergekommenen Teil der Stadt liebevoll und verächtlich zugleich nannte. Das Haus gehörte einem Schlägertypen namens Thick – er bevorzugte »Mr. Thick« –, der eigentlich niemanden auf seiner Veranda haben wollte, trotz der Miete, die sie bezahlten. Auch die Räume im Haus hatte er für ein paar lächerliche Dollar vermietet, und zwar an Leute, die so arm waren, dass Ray und Jameel manchmal froh waren, nicht drinnen zu wohnen. Doch der Winter nahte, und Tee Ray war klar, dass sie nicht bleiben konnten. Schon seit zwei Monaten hausten sie auf Mr. Thicks durchhängenden Holzdielen und schworen sich jeden Tag, eine neue Bleibe zu finden.

Doch Tee Ray hatte keine Arbeit. Er hatte Fisch und Meeresfrüchte an Luxusrestaurants in den Vororten ausgeliefert, war aber entlassen worden. Aus einer anderen Stelle, die er in Aussicht gehabt hatte, war nichts geworden. In Little Angola gab es nicht viele Jobs. Tee Ray war dreiunddreißig, und in der Zeitung stand, dass die Hälfte der Schwarzen in seinem Alter oder jünger arbeitslos waren. Irgendwann begannen die meisten, mit Drogen zu handeln. Und von da an war es nicht mehr weit bis ins Gefängnis oder auf den Friedhof. Tee Ray war fest entschlossen, beides zu umgehen. Sein Leben drehte sich um Jameel, der gerade vierzehn geworden war und in ein Leben auf der Straße abzurutschen drohte. Nein, falsch – sie lebten ja schon auf der Straße, und wenn sich ihre Wohnsituation nicht bald besserte, würde der Junge keine Chance haben. Jameels Mutter hatte ihn vor Jahren verlassen, was jedoch keine Rolle spielte. Sie und Tee Ray hatten sich nicht die Mühe gemacht, ihre Beziehung auf irgendeine Art registrieren zu lassen, und als Jameel vier war, verschwand sie einfach.

Über einen Freund machte Tee Ray die Bekanntschaft eines Crack-Kuriers namens Tox. Die richtigen Namen wurden nicht benutzt, nur Spitznamen und Pseudonyme, die sich manchmal im Wochenrhythmus änderten. Tox arbeitete für einen ungenannten Boss, der seine Befehle von jemandem weiter oben in der Hierarchie bekam. Tee Ray wusste nicht, wer die Hintermänner waren, und es war ihm auch egal. Einem Gerücht zufolge stammte das Crack, mit dem Little Angola versorgt wurde, von einem mexikanischen Kartell. Das Kokain, mit dem die weißen Stadtviertel geflutet wurden, kam aus Südamerika und wurde von einem einheimischen Gangster kontrolliert, der ein Jahr zuvor die Todesstrafe bekommen hatte.

Tee Ray interessierte das alles wenig. Er konzentrierte sich aufs Überleben. Ihm war zu Ohren gekommen, dass Tox jemanden suchte, der etwas älter und zuverlässig war. Die Jugendlichen wurden als »Kassierer« eingesetzt, Straßendealer, die die Ware zum Kunden brachten und das Geld dafür entgegennahmen. Sie waren am verwundbarsten und daher meist die Ersten, die geschnappt wurden. Ihre Chefs arbeiteten im Hintergrund, hatten den Überblick und konnten jederzeit verschwinden. Wenn ein Junge so gerissen war, dass er es ein paar Jahre lang schaffte, sich die Cops vom Leib zu halten, wurde er befördert. Die meisten hielten nicht so lange durch. Sie wurden verhaftet, weigerten sich zu reden, wurden durch das Strafjustizsystem geschleust und weggesperrt.

Obwohl Tee Ray keinen Cent mehr besaß, hatte er nicht vor, Crack auf der Straße zu verkaufen. Aber er war bereit, es bewaffnet durch die Stadt zu transportieren und ein paar Risiken einzugehen. Und er war fest entschlossen zu überleben. Er wollte gelegentlich für Tox arbeiten und etwas Geld sparen, während er nach einem richtigen Job suchte, dann aus Little Angola wegziehen. Das Problem war: Alle wollten weg. Alle wollten Arbeit. Alle wollten ein besseres Leben, weg von der Straße, den Drogen, der Gewalt und der Hoffnungslosigkeit. Tee Ray hatte einen Cousin, der in einer Reifenfabrik schuftete, zwanzig Dollar die Stunde verdiente – mehr, wenn er Überstunden machte – und mit einer Lehrerin verheiratet war. Sie lebten in einem kleinen Reihenhaus mit Blumenbeeten zur Straße hin und einem Aufstellpool im Garten. Das war alles, was auch Tee Ray wollte. Nichts Außergewöhnliches, nichts Luxuriöses. Nur ein gutes Leben, das auf ehrlicher Arbeit beruhte.

Stattdessen würde er Crack durch Little Angola transportieren. Zu Fuß.

Er traf Tox in der Dunkelheit in einem leer stehenden Lagerhaus am Ende einer von Bandenkriegen verwüsteten Straße, die sogar von den Cops gemieden wurde. In der Halle lungerten übel aussehende Jungs herum, die sich misstrauisch umblickten und nicht viel sagten. Ein unbedachtes Wort oder eine falsche Bewegung konnte einen Schusswechsel auslösen. Tee Ray mimte den starken Mann, weil das von ihm erwartet wurde, aber insgeheim drehte sich ihm fast der Magen um. Definitiv kein Ort, an dem er sich gern aufhielt.

»Schöner Mantel. Wo hast du den her?«, fragte Tox.

»Secondhandladen. Hat mich zehn Dollar gekostet. Er ist mindestens zwei Nummern zu groß.« Tee Ray zog den Mantel aus und ließ ihn zu Boden fallen.

»Müsste gehen. Hier.« Von einem Nagel an der Wand nahm Tox eine unförmige Weste, die mit einem Extrafutter und zusätzlichen Taschen versehen war, in denen kleine Plastikbeutel mit Crack steckten. »Hundert Tütchen.«

»Wo soll ich hin?«, fragte Tee Ray, während er den Mantel langsam über die Weste zog.

»Weiß ich noch nicht. Gestern Abend hat jemand die Bulls gesehen, könnte also Ärger geben.« Er reichte Tee Ray ein billiges Prepaid-Handy. »Behalt das in der Hand. Hast du eine Waffe?«

Tee Ray griff in die rechte Gesäßtasche seiner Jeans und holte einen kurzläufigen .38er ohne Seriennummer heraus. Tox warf einen Blick auf den Revolver und zuckte mit den Schultern, als würde er nicht viel davon halten. »Dürfte reichen. Aber benutz das Ding nur, wenn es unbedingt sein muss.«

Ich habe es noch nie benutzt, hätte Tee Ray um ein Haar gesagt, doch er biss sich auf die Zunge. Er hatte die Waffe vor zwei Jahren von einem Mann auf der Straße gekauft, zu seinem eigenen Schutz, und konnte sich nicht vorstellen, damit auf jemanden zu schießen. Die Bulls waren rivalisierende Drogendealer, die für ihre Brutalität bekannt waren, und Tee Ray bekam weiche Knie. Als würden ihnen verdeckt ermittelnde Rauschgiftfahnder nicht schon genug zusetzen, mussten sich Drogendealer auch noch mit Konkurrenten herumschlagen, die sich in ihrem Revier breitmachen wollten.

Vor einem Jahr war ein inzwischen berühmt gewordener Drogendeal in Little Angola aus dem Ruder gelaufen. Zwei Gangs und ein Haufen Rauschgiftfahnder waren in eine heftige Schießerei verwickelt worden, bei der jeder auf jeden geschossen hatte. Drei Dealer kamen im Kugelhagel um, einer der Cops starb, ein weiterer wurde schwer verletzt. Acht Angeklagte warteten noch auf ihren Prozess. Einen Monat lang fegte ein heftiger Sturm durch den medialen Blätterwald, und sämtliche Politiker hatten Schaum vor dem Mund. Doch nach einem Jahr hatte sich noch immer nichts geändert. Crack war sehr gefragt. Jemand musste es liefern.

Tee Ray war sicher, dass er größeren Schwierigkeiten aus dem Weg gehen konnte, und fest entschlossen, den Revolver nicht zu benutzen. Wenn er erwischt und verhaftet wurde, würde er seine Strafe wie ein Mann akzeptieren. Aber unter keinen Umständen würde er jemanden töten. Er kannte zu viele Männer, die im Gefängnis sterben würden. Auf Drogenhandel standen lange Haftstrafen, doch der Gebrauch einer Schusswaffe konnte einen für den Rest des Lebens hinter Gitter bringen.

Er verließ das Lagerhaus und wanderte ziellos durch die dunklen Gassen von Little Angola. Ein eisiger Wind wehte vom Fluss herüber. So kalt war es in diesem Herbst noch nie gewesen. Er dachte an Jameel und hoffte, dass der Junge dort war, wo er sein sollte – auf der Veranda, in einem behelfsmäßigen Zelt –, und im Schein einer kleinen batteriebetriebenen Laterne in seinem Geschichtsbuch las. Wenn er nicht dort war, würde er im YMCA Basketball spielen. Er war jetzt schon größer als Tee Ray, hatte lange, geschmeidige Arme und Beine und kam, wenn er sprang, mit den Händen problemlos über das Korbbrett. Manchmal drückten sich Talentsucher im YMCA herum, und zwei von ihnen hatten ihn schon angesprochen. Wenn er so weiterwuchs, bekam er vielleicht ein Sportstipendium fürs College und konnte einem Leben auf der Straße entkommen. Das war Tee Rays großer Traum, aber er war sich nicht sicher, ob Jameel mitziehen würde. Ihm fehlte die Liebe zum Basketball, er hatte keine richtige Motivation. Tee Ray befürchtete, dass er einer jener talentierten Sportler war, die nicht den notwendigen Ehrgeiz besaßen. Noch ein Spinner, der zu faul zum Arbeiten war.

Sein Handy vibrierte. Tox wies ihn an, zu einer Stelle am Fluss zu gehen, die Pier 40 genannt wurde. Zehn Minuten später schlich sich Tee Ray in eine leere öffentliche Toilette, in der es nach so vielen verschiedenen Gerüchen stank, dass man sie gar nicht genau identifizieren konnte. Ein Junge, der im gleichen Alter wie Jameel zu sein schien und eine Baseballmütze mit dem Logo der Lakers trug, kam herein und murmelte: »Tox hat gesagt, du hättest zwanzig.«

Rasch übergab Tee Ray zwanzig Tütchen. Der Junge war innerhalb von Sekunden wieder verschwunden. Tee Ray wartete fünf lange Minuten in der einzigen Kabine, die noch ein funktionierendes Schloss hatte, dann öffnete er die Tür. Wenn sie gesehen worden waren, hatte man dem Jungen bereits Handschellen angelegt, und die Cops warteten draußen auf ihn. Aber es war alles ruhig. Er schlich sich davon, suchte sich eine dunkle Gasse und rief Tox an.

Während er auf weitere Anweisungen wartete, wanderte er durch Little Angola. Er ging zum Haus, warf einen Blick auf die Veranda. Kein Jameel. Hoffentlich, dachte er, war er im YMCA.

Da rief Tox an und befahl ihm, zum Flohmarkt zu gehen.

2

Der Flohmarkt war ein Häuserblock, der bei den Rassenunruhen 1968 in Brand geraten war. Im Laufe der Zeit hatte man die verkohlten Überreste fast vollständig abgetragen und weggeräumt. Die Besitzer waren entweder tot, verschwunden oder desinteressiert, und irgendwann hatte die Stadtverwaltung ein paar Bäume gepflanzt, mehrere Pavillons errichtet und Fußwege und einen Teich angelegt. Sie hatte Genehmigungen für Straßenverkäufer und Händler erteilt, und inzwischen wurde dort alles Mögliche angeboten. Der Flohmarkt war immer gut besucht, nicht nur tagsüber, wenn Hausfrauen Lebensmittel einkauften und nach billiger Kleidung suchten, sondern vor allem abends, wenn Käufer aus dem gesamten Stadtgebiet nach Little Angola kamen, um sich Crack und andere Drogen zu beschaffen. Weiße Jugendliche hatten das Gefühl, dass die Gegend sicher genug war, um ein schnelles Geschäft abzuwickeln. Schwarze wussten, wer dealte und wo man hingehen musste. Die Cops hatten die Erfahrung gemacht, dass der Rest der Stadt sicherer war, wenn der größte Teil der Drogen innerhalb eines bestimmten Gebiets verkauft wurde. Sie überwachten den Flohmarkt, griffen aber nur selten ein. Der Handel mit Drogen konnte nicht beendet werden, daher sollte man – der vorherrschenden Meinung nach – wenigstens versuchen, ihn in einigermaßen geordnete Bahnen zu lenken.

Der vorherrschenden Meinung nach waren allerdings auch gelegentliche Razzien erforderlich. Wenn man die Dealer nicht einschüchterte, wurden sie frech und expandierten. Jedes Jahr einen oder zwei von ihnen zu töten hatte sich als sinnvolle Strategie herausgestellt.

Tee Ray folgte den Anweisungen und ging zur südöstlichen Ecke des Blocks, dem dunkelsten Teil des Flohmarkts, wo Straßenlampen jedes Mal, nachdem sie von der Stadtverwaltung ersetzt worden waren, mit Luftgewehren wieder zerschossen wurden. Hinter einer Reihe leerer Verkaufsstände traf Tee Ray einen namenlosen Kollegen. Er zog den Mantel aus und ließ ihn zu Boden fallen, dann entledigte er sich der Weste und reichte sie weiter. Innerhalb weniger Sekunden wechselte die gesamte Ware den Besitzer. Der Mann verschwand ohne ein Wort, und Tee Ray hob seinen Mantel auf. Er rief Tox an, der ihm sagte, er solle zum Lagerhaus zurückkehren, um noch eine Tour zu machen.

An der Südseite des Flohmarkts lag die Crump Street, die abends auf beiden Seiten mit Autos zugeparkt war. Tee Ray lief mit schnellen Schritten über den Bürgersteig und versuchte, den Mut aufzubringen, Tox anzurufen und ihm zu sagen, dass er für heute Schluss machen werde. Er hatte gerade dreihundert Dollar verdient und wollte seinen Sohn suchen. Eine plötzliche Bewegung links von ihm auf der anderen Straßenseite erregte seine Aufmerksamkeit. Zwischen zwei Autos sprang eine dunkle Gestalt hervor und brüllte: »Polizei! Keine Bewegung!«

Tee Ray blieb stehen und hob die Hände.

»Auf den Boden!«, schrie der Cop. Tee Ray fiel auf die Knie, die Hände so hoch nach oben streckend, wie er nur konnte. Der Cop rannte über die Straße und betrat etwa dreißig Meter von ihm entfernt den Gehweg. Er war weiß, untersetzt und trug Jeans, ein Trikot mit dem Logo der Blackhawks, eine Baseballkappe und Kampfstiefel. Allem Anschein nach war er allein. Er hielt mit beiden Händen eine Pistole im Anschlag und zielte auf Tee Ray, während er sich näherte. »Runter!«, brüllte er.

»Nicht schießen!«, rief Tee Ray.

Der Cop näherte sich in geduckter Haltung, als wollte er in Deckung bleiben. Dann drückte er ab. Die erste Kugel traf den Gehweg vor Tee Ray und ließ Betonsplitter in sein Gesicht spritzen. »Nicht schießen!«, schrie Tee Ray, während er hektisch die Hände über dem Kopf schwenkte. Das zweite Geschoss streifte das linke Schulterpolster seines zu groß geratenen Mantels. Das dritte traf ihn am linken Ellbogen und warf ihn herum. Tee Ray schrie vor Schmerz auf, während er verzweifelt versuchte, unter ein geparktes Auto zu kriechen.

»Nicht bewegen!«, brüllte der Cop. Er feuerte wieder, und die vierte Kugel bohrte sich in die rechte Seite des Wagens. Tee Ray gelang es, seinen .38er aus der Tasche zu ziehen. Er drückte zweimal ab. Der erste Schuss ging ins Leere. Das zweite Projektil traf den Angreifer wie durch ein Wunder ins rechte Auge.

3

Buck Lester war Pfadfinder gewesen, Student mit hervorragenden Leistungen, Wettkampfringer, hochdekorierter Marine. Er hatte mit seinen achtundzwanzig Jahren schon viel erlebt, und nachdem er sechs langweilige Monate an einem Schreibtisch verbracht hatte, war er zur Polizei gegangen. Sein Einsatz im Irak hatte die Lust nach Abenteuern in ihm geweckt, und nachdem die Grundausbildung beendet war, hatte er möglichst schnell das SWAT-Training hinter sich gebracht und eine Stelle als verdeckter Ermittler in der Drogenfahndung ergattert.

Rauschgiftfahnder arbeiteten nie allein. Nie. Doch an dem Abend, an dem Buck getötet wurde, verbrachte sein Partner eine halbe Stunde bei seiner Lieblingsnutte in einer Absteige unweit des Flohmarkts. Buck war allein, langweilte sich und wollte nicht mehr warten. Deshalb schlich er durch die Straßen von Little Angola und behielt dabei die südöstliche Ecke des Flohmarkts im Auge. Er war angewiesen worden, bis Schichtende mindestens zwei Verhaftungen durchzuführen. Die Quote musste erfüllt werden. Als er den Schwarzen mit dem viel zu großen Mantel sah, wusste er, dass er einen Drogenkurier vor sich hatte.

ENDE DER LESEPROBE