Die Firma - John Grisham - E-Book
SONDERANGEBOT

Die Firma E-Book

John Grisham

4,8
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Etwas ist faul an der exklusiven Kanzlei, der Mitch McDeere sich verschrieben hat. Der hochbegabte junge Anwalt wird auf Schritt und Tritt beschattet, er ist umgeben von tödlichen Geheimnissen. Als er dann noch vom FBI unter Druck gesetzt wird, erweist sich der Traumjob endgültig als Albtraum.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 719

Bewertungen
4,8 (88 Bewertungen)
74
14
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Mitch McDeere hat gerade sein Jurastudium in Harvard mit einem herausragenden Examen beendet. Die renommiertesten Kanzleien in New York und Washington bemühen sich um den hochbegabten jungen Steueranwalt. Das Traumangebot kommt von Bendini, Lambert & Locke aus Memphis, Tennessee: Hohes Gehalt, Prämien, ein Haus, Urlaub im firmeneigenen Apartment in der Karibik, garantierter Aufstieg zum Millionär.

Mitch nimmt an und stürzt sich wie ein Besessener in die Arbeit. Er hat Erfolg, aber er geht turbulenten Zeiten entgegen. Denn etwas ist faul an der exklusiven Anwaltsfirma, der er sich verschrieben hat.

»Atemberaubend und raffiniert bewegt sich die Handlung zwischen Memphis und Nashville, Florida, Washington und der Karibik. Wer einmal zu lesen begonnen hat, kann die Lektüre unmöglich unterbrechen.«

Los Angeles Daily News

Inhaltsverzeichnis

Das BuchKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40Kapitel 41Werkverzeichnis der im Heyne Verlag erschienenen Titel von John GrishamDer AutorDie RomaneCopyright

1

Der Seniorpartner las die Bewerbung zum hundertsten Mal und fand abermals nichts, das ihm an Mitchell Y. McDeere mißfiel, jedenfalls nicht auf dem Papier. Er hatte den Verstand, den Ehrgeiz, das gute Aussehen. Und er war hungrig; mit seinem Hintergrund mußte er es sein. Er war verheiratet, und das war unerläßlich. Die Firma hatte nie einen unverheirateten Anwalt eingestellt, sie mißbilligte Scheidung ebenso wie Schürzenjägerei und Trinken. Ein Drogentest war Bestandteil des Vertrages. Er hatte in Rechnungswesen graduiert, hatte das Examen als amtlich zugelassener Wirtschaftsprüfer auf Anhieb bestanden und wollte Steueranwalt werden, was natürlich bei einer Steuerfirma Voraussetzung war. Er war weiß, und die Firma hatte nie einen Schwarzen eingestellt. Das war ihnen gelungen, indem sie eine verschwiegene, klubähnliche Gemeinschaft bildeten und Mitarbeiter nie per Inserat suchten. Andere Firmen inserierten und stellten Schwarze ein. Diese Firma rekrutierte und blieb blütenweiß. Außerdem hatte die Firma ihren Sitz in Memphis, und die schwarzen Spitzenleute wollten nach New York oder Washington oder Chicago. McDeere war ein Mann, und in der Firma gab es keine Frauen. Dieser Fehler war einmal vorgekommen, Mitte der siebziger Jahre, als sie die Nummer Eins des Harvard-Jahrgangs rekrutierten, bei der es sich zufällig um eine Frau und ein As in Steuersachen handelte. Sie überdauerte vier turbulente Jahre und kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben.

Er sah gut aus, auf dem Papier. Er war ihre erste Wahl. In diesem Jahr gab es nicht einmal weitere Kandidaten. Die Liste war sehr kurz. Entweder McDeere oder niemand.

Der geschäftsführende Partner, Royce McKnight, las ein Dossier mit der Aufschrift »Mitchell Y. McDeere – Harvard«. Es war einen Zoll dick, eng beschrieben, mit ein paar Fotos, und von ein paar ehemaligen CIA-Agenten in einer privaten Detektei in Bethesda zusammengestellt worden. Sie war Kunde der Firma und stellte die Nachforschungen alljährlich kostenlos an. Es wäre ein Kinderspiel, nichtsahnende Jurastudenten auszuforschen, sagten sie. Sie erfuhren zum Beispiel, daß er es vorzog, den Nordosten zu verlassen, daß er drei Stellenangebote hatte, zwei in New York und eins in Chicago, und daß das höchste Angebot 76 000 Dollar und das niedrigste 68 000 Dollar betrug. Er war gefragt. Er hätte Gelegenheit gehabt, bei einem Wertpapier-Examen in seinem zweiten Jahr zu schummeln. Er hatte es abgelehnt und als Klassenbester abgeschnitten. Vor zwei Monaten war ihm bei einer Fakultätsparty Kokain angeboten worden. Er hatte nein gesagt und war gegangen, als das allgemeine Schnupfen begann. Er trank gelegentlich ein Bier, aber Trinken war teuer, und er hatte kein Geld. Seine Schulden aus dem Studentendarlehen beliefen sich auf knapp 23 000 Dollar. Er war hungrig.

Royce McKnight blätterte in dem Dossier und lächelte. McDeere war ihr Mann.

Lamar Quin war zweiunddreißig und noch kein Partner. Er war mitgenommen worden, um jung auszusehen und jung zu agieren und ein jugendliches Bild abzugeben für Bendini, Lambert & Locke, eine in der Tat junge Firma: die meisten Partner traten mit Ende Vierzig oder Anfang Fünfzig in den Ruhestand, steinreich. Er würde es in dieser Firma zum Partner bringen. Mit der Garantie eines sechsstelligen Einkommens bis ans Ende seiner Tage konnte Lamar sich der Maßanzüge für zwölfhundert Dollar erfreuen, die so bequem an seiner hochgewachsenen, sportlichen Gestalt hingen. Er durchquerte lässig die Tausend-Dollar-Suite und goß sich eine weitere Tasse Kaffee ein. Er schaute auf die Uhr. Er warf einen Blick auf die beiden Partner an dem kleinen Konferenztisch in der Nähe des Fensters.

Genau um halb drei klopfte jemand an die Tür. Lamar sah die Partner an, die das Dossier in einem offenen Aktenkoffer verschwinden ließen. Alle drei griffen nach ihren Jacketts. Lamar schloß den obersten Knopf und öffnete die Tür.

»Mitchell McDeere?« fragte er mit einem breiten Lächeln und ausgestreckter Hand.

»Ja.« Sie schüttelten einander kräftig die Hand.

»Freue mich, Sie kennenzulernen, Mitchell. Ich bin Lamar Quin.«

»Ganz meinerseits. Bitte nennen Sie mich Mitch.« Er trat ein und ließ den Blick schnell durch das geräumige Zimmer schweifen.

»Gern, Mitch.« Lamar ergriff seine Schulter und führte ihn durch die Suite zu den Partnern, die sich vorstellten. Sie waren überaus freundlich und herzlich. Sie boten ihm zuerst Kaffee an, dann Mineralwasser. Sie saßen an einem glänzenden Konferenztisch aus Mahagoni und tauschten Höflichkeiten aus. McDeere knöpfte sein Jackett auf und schlug die Beine übereinander. Er hatte inzwischen reichlich Erfahrungen bei Vorstellungsgesprächen gesammelt und wußte, daß sie ihn haben wollten. Er entspannte sich. Bei drei Stellenangeboten von drei der angesehensten Firmen im Lande war er nicht auf dieses Interview, diese Firma angewiesen. Er konnte es sich jetzt leisten, ein bißchen zu viel Selbstsicherheit an den Tag zu legen. Er war aus Neugierde gekommen. Und er sehnte sich nach wärmerem Klima.

Oliver Lambert, der Seniorpartner, lehnte sich auf den Ellenbogen vor und übernahm bei dem einleitenden Geplauder die führende Rolle. Er war gewandt und verbindlich, mit einem angenehmen, fast professionellen Bariton. Mit einundsechzig war er der Großvater der Firma und verbrachte den größten Teil seiner Zeit damit, den riesenhaften Egos einiger der reichsten Anwälte im Lande beizustehen und sie im Gleichgewicht zu halten. Er war die Vaterfigur, derjenige, an den sich die jüngeren Mitarbeiter mit ihren Problemen wendeten. Mr. Lambert war auch für die Rekrutierung zuständig, und es war seine Aufgabe, Mitchell Y. McDeere einzustellen.

»Haben Sie die Interviews satt?« fragte Oliver Lambert.

»Eigentlich nicht. Sie gehören nun einmal dazu.«

Ja, ja, stimmten alle zu. Es kam ihnen vor wie gestern, als sie selbst zu Vorstellungsgesprächen erschienen waren und Bewerbungen einreichten und eine Heidenangst hatten, daß sie keinen Job finden würden und drei Jahre Plackerei für die Katz gewesen wären. Sie wußten genau, was er durchmachte.

»Darf ich eine Frage stellen?« fragte Mitch.

»Gewiß.«

»Natürlich.«

»Fragen Sie nur.«

»Weshalb findet dieses Gespräch in einem Hotelzimmer statt? Die anderen Firmen führen ihre Interviews auf dem Campus durch, über das Vermittlungsbüro.«

»Gute Frage.« Sie alle nickten und schauten sich an und waren sich einig, daß dies eine gute Frage war.

»Vielleicht kann ich Ihnen darauf eine Antwort geben, Mitch«, sagte Royce McKnight, der geschäftsführende Partner. »Sie müssen verstehen, was es mit unserer Firma auf sich hat. Wir sind anders, und wir sind stolz darauf. Wir haben einundvierzig Anwälte, sind also klein im Vergleich zu anderen Firmen. Wir stellen nicht sonderlich viele Mitarbeiter ein, ungefähr einen pro Jahr. Wir offerieren die höchsten Gehälter und Zulagen im ganzen Land, und das ist keine Übertreibung. Deshalb sind wir sehr wählerisch. Wir haben Sie ausgewählt. Der Brief, den Sie vorigen Monat erhalten haben, wurde geschrieben, nachdem wir mehr als zweitausend Jurastudenten an den besten Universitäten überprüft hatten. Es wurde nur ein Brief versandt. Wir schreiben offene Stellen nicht aus und geben keine Inserate auf. Wir halten uns bedeckt, und wir machen alles anders. Das ist unsere Erklärung.«

»Klingt einleuchtend. Um was für eine Art Firma handelt es sich?«

»Steuern. Einige Wertpapier-, Immobilien- und Bankgeschäfte, aber achtzig Prozent sind Steuersachen. Aus diesem Grunde wollen wir Sie kennenlernen, Mitch. Für den Steuersektor bringen Sie die besten Voraussetzungen mit.«

»Weshalb sind Sie in Western Kentucky aufs College gegangen?« fragte Oliver Lambert.

»Aus dem einfachen Grund, weil mir dort ein volles Stipendium angeboten wurde, wenn ich Football spielte. Sonst hätte ich das College nicht bezahlen können.«

»Erzählen Sie uns von Ihrer Familie.«

»Ist das wichtig?«

»Für uns ist es sehr wichtig, Mitch«, sagte Royce McKnight herzlich.

Das sagen sie alle, dachte McDeere. »Okay, mein Vater kam bei einem Grubenunglück ums Leben, als ich sieben Jahre alt war. Meine Mutter hat wieder geheiratet und lebt jetzt in Florida. Ich hatte zwei Brüder. Rusty ist in Vietnam gefallen. Ich habe noch einen Bruder, der Ray McDeere heißt.«

»Wo ist er?«

»Das tut nichts zur Sache.« Er starrte Royce McKnight an und ließ damit erkennen, daß er ein Problem mit sich herumschleppte. Das Dossier enthielt wenig über Ray.

»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte der geschäftsführende Partner leise.

»Mitch, unsere Firma sitzt in Memphis«, sagte Lamar. »Würde Sie das stören?«

»Durchaus nicht. Ich bin nicht scharf auf kaltes Klima.«

»Waren Sie schon einmal in Memphis?«

»Nein.«

»Wir werden Sie bald dorthin einladen. Es wird Ihnen gefallen.«

Mitch lächelte und nickte und spielte mit. Meinten diese Leute es ernst? Wie konnte er eine so kleine Firma in einer so kleinen Stadt in Erwägung ziehen, wo Wall Street auf ihn wartete?

»Wo rangieren Sie in Ihrem Jahrgang?« fragte Mr. Lambert.

»Unter den ersten fünf.« Nicht den ersten fünf Prozent, sondern den ersten fünf Leuten. Das genügte ihnen allen als Antwort. Unter den ersten fünf von dreihundert. Er hätte sagen können, als Dritter, einen Bruchteil von Nummer Zwei entfernt und in Reichweite von Nummer Eins. Aber er sagte es nicht. Sie kamen von weniger angesehenen Universitäten – Chicago, Columbia und Vanderbilt, wie er sich nach einer kursorischen Lektüre von Martindale-Hubbell’s Juristenkalender erinnerte. Er wußte, daß sie nicht auf akademischen Fragen herumreiten würden.

»Warum haben Sie Harvard gewäht?«

»Im Grunde hat Harvard mich gewählt. Ich habe mich an mehreren Universitäten beworben und wurde überall angenommen. Harvard bot mehr finanzielle Unterstützung. Ich fand, es war die beste Universität. Das tue ich noch.«

»Sie haben sich gut bewährt, Mitch«, sagte Mr. Lambert und bewunderte die Bewerbung. Das Dossier steckte im Aktenkoffer unter dem Tisch.

»Danke. Ich habe gearbeitet.«

»Ganz besonders gut haben Sie in Ihren Steuer- und Wertpapier-Kursen abgeschnitten.«

»Das sind meine speziellen Interessengebiete.«

»Wir haben Ihre Schriftsatzprobe gelesen, und sie ist recht beeindruckend.«

»Danke. Ich recherchiere gern.«

Sie nickten und akzeptierten diese offensichtliche Lüge. Sie gehörte zum Ritual. Kein Jurastudent oder Anwalt, der seine fünf Sinne beieinander hatte, recherchierte gern, und dennoch erklärte jeder künftige Mitarbeiter seine innige Liebe zur Bibliothek.

»Erzählen Sie uns von Ihrer Frau«, sagte Royce McKnight fast demütig. Sie waren auf eine weitere Zurückweisung gefaßt . Aber das war ein nicht tabuisiertes Standardterrain, das jede Firma erkundete.

»Sie heißt Abby. Sie hat auch an der Western Kentucky studiert und ist Grundschullehrerin. Wir haben in der einen Woche graduiert und in der nächsten geheiratet. Seit drei Jahren unterrichtet sie in einem privaten Kindergarten in der Nähe von Boston College.«

»Und ist die Ehe . . .«

»Wir sind sehr glücklich. Wir kennen uns seit der High School.«

»In welcher Position haben Sie gespielt?« fragte Lamar, um das Gespräch auf ein weniger heikles Thema zu bringen.

»Als Quarterback. Ich war sehr gefragt, bis ich in meinem letzten High School-Jahr eine Knieverletzung abbekam. Da blieb nur Western Kentucky übrig. In den nächsten vier Jahren habe ich hin und wieder gespielt, kam sogar in die Juniorenmannschaft, aber das Knie hat nie mehr richtig mitgemacht.«

»Wie haben Sie es geschafft, die besten Noten zu bekommen und außerdem noch Football zu spielen?«

»Ich habe den Büchern Vorrang gegeben.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß Western Kentucky eine besonders anspruchsvolle Schule ist«, verkündete Lamar mit einem dümmlichen Lächeln und wünschte sich sofort, er könnte das zurücknehmen. Lambert und McKnight runzelten die Stirn und registrierten den Schnitzer.

»Ungefähr wie Kansas State«, erwiderte Mitch. Sie erstarrten, alle drei erstarrten, und ein paar Sekunden lang warfen sie sich ungläubige Blicke zu. Dieser McDeere wußte, daß Lamar Quin Kansas State besucht hatte. Er war Lamar Quin noch nie begegnet und hatte keine Ahnung gehabt, wer von der Firma erscheinen und an dem Gespräch teilnehmen würde. Und dennoch wußte er es. Er hatte sich den Martindale-Hubbell’s geholt und sich informiert. Er hatte die Biographien von allen einundvierzig Anwälten gelesen und sich im Bruchteil einer Sekunde erinnert, daß Lamar Quin, nur einer unter den einundvierzig, am Kansas State College studiert hatte. Verdammt, sie waren beeindruckt.

»Ich glaube, das war eine dumme Bemerkung«, entschuldigte sich Lamar.

»Macht nichts.« Mitch lächelte herzlich. Es war vergessen.

Oliver Lambert räusperte sich und beschloß, abermals persönlich zu werden. »Mitch, unsere Firma mißbilligt Trinken und Weibergeschichten. Wir sind keine Säulenheiligen, aber bei uns geht das Geschäft allem anderen vor. Wir halten uns bedeckt, und wir arbeiten sehr hart. Und wir verdienen eine Menge Geld.«

»Mit alledem kann ich leben.«

»Wir behalten uns das Recht vor, bei jedem Angehörigen der Firma einen Drogentest vorzunehmen.«

»Ich nehme keine Drogen.«

»Gut. Welcher Glaubensgemeinschaft gehören Sie an?«

»Den Methodisten.«

»Gut. Sie werden in unserer Firma alle möglichen Leute antreffen. Katholiken, Baptisten, Episkopalen. Es geht uns im Grunde nichts an, aber wir wissen es gern. Wir wünschen uns stabile Familien. Glückliche Anwälte sind produktive Anwälte. Deshalb stellen wir diese Fragen.«

Mitch lächelte und nickte. Er hörte das nicht zum ersten Mal.

Die drei schauten sich gegenseitig an, dann Mitch. Das bedeutete, daß sie in dem Interview an dem Punkt angelangt waren, wo von dem Interviewten erwartet wurde, daß er seinerseits ein oder zwei intelligente Fragen stellte. Mitch schlug die Beine übereinander. Geld, das war die große Frage, insbesondere, wie es damit im Verhältnis zu seinen anderen Angeboten stand. Wenn es nicht genug ist, dachte Mitch, dann war es nett, euch kennenzulernen. Wenn das Gehalt attraktiv ist, können wir uns auch über Familie, Ehe, Football und Kirche unterhalten. Aber er wußte, daß sie wie alle Firmen so lange wie möglich um den heißen Brei herumgehen mußten, und es war offensichtlich, daß sie alle erdenklichen Themen angeschnitten hatten außer dem des Geldes. Also stellte er zuerst eine harmlosere Frage.

»Welche Art von Arbeit müßte ich anfangs tun?«

Sie nickten und billigten die Frage. Lambert und McKnight sahen Lamar an. Die Antwort lag bei ihm.

»Wir haben so etwas wie eine zweijährige Lehrzeit, auch wenn wir es nicht so bezeichnen. Wir schicken Sie zu Steuerseminaren überall im Lande. Ihre Ausbildung ist noch lange nicht abgeschlossen. Im nächsten Winter verbringen Sie zwei Wochen am American Tax Institute in Washington. Wir sind sehr stolz auf unseren Wissensstand und bilden uns ständig fort, alle miteinander. Wenn Sie in Steuerrecht promovieren wollen, dann bezahlen wir das. Was die praktische Arbeit angeht, die ist in den ersten beiden Jahren nicht sonderlich aufregend. Sie werden eine Menge recherchieren und anderen langweiligen Kram erledigen müssen. Aber Sie werden anständig bezahlt.«

»Wieviel?«

Lamar sah McKnight an, der Mitch musterte und sagte: »Über das Gehalt und andere Leistungen unterhalten wir uns, wenn Sie nach Memphis kommen.«

»Ich möchte wissen, woran ich bin, sonst komme ich gar nicht erst nach Memphis.« Er lächelte – arrogant, aber herzlich. Er sprach wie ein Mann mit drei Stellenangeboten.

Die Partner lächelten einander an, und Mr. Lambert sprach als erster. »Okay. Ein Grundgehalt von achtzigtausend im ersten Jahr, zuzüglich Gratifikationen. Fünfundachtzig im zweiten Jahr, zuzüglich Gratifikationen. Eine zinsgünstige Hypothek, damit Sie ein Haus kaufen können. Mitgliedschaft in zwei Country Clubs. Und einen neuen BMW. In welcher Farbe, bestimmen Sie natürlich.«

Sie konzentrierten sich auf seine Lippen und warteten darauf, daß sich seine Wangen in Fältchen legten und die Zähne zum Vorschein kamen. Er versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, aber es war unmöglich. Er lachte leise.

»Das ist unglaublich«, murmelte er. Achtzigtausend in Memphis entsprachen hundertzwanzigtausend in New York. Hatte der Mann BMW gesagt? Sein Mazda war eine Million Meilen gelaufen, und im Augenblick mußte er angeschoben werden, bis er das Geld für einen Austausch-Anlasser zusammengespart hatte.

»Und ein paar weitere Kleinigkeiten, über die wir uns in Memphis unterhalten können.«

Plötzlich verspürte er ein starkes Verlangen, Memphis einen Besuch abzustatten.

Das Lächeln verschwand, und er gewann seine Fassung zurück. Er richtete den Blick ernst und nachdrücklich auf Oliver Lambert und sagte, als dächte er nicht mehr an das Geld und das Haus und den BMW: »Erzählen Sie mir von Ihrer Firma.«

»Einundvierzig Anwälte. Voriges Jahr haben wir pro Anwalt mehr verdient als sämtliche Firmen, die so groß sind wie wir oder größer. Das schließt sämtliche Firmen im ganzen Land ein. Wir nehmen nur reiche Klienten an – Körperschaften, Banken und wohlhabende Leute, die unsere ansehnlichen Honorare zahlen, ohne sich zu beschweren. Wir haben uns auf internationales Steuerwesen spezialisiert, und das ist sowohl aufregend als auch sehr einträglich. Wir arbeiten nur für Leute, die zahlen können.«

»Wie lange dauert es, bis man Partner wird?«

»Durchschnittlich zehn Jahre, und das sind harte zehn Jahre. Es kommt nicht selten vor, daß unsere Partner eine halbe Million im Jahr verdienen, und die meisten gehen in den Ruhestand, bevor sie fünfzig sind. Sie müssen etwas dafür leisten, achtzig Stunden die Woche arbeiten, aber es zahlt sich aus, wenn Sie Partner geworden sind.«

Lamar beugte sich vor. »Sie brauchen nicht Partner zu sein, um ein sechsstelliges Einkommen zu erreichen. Ich bin jetzt sieben Jahre bei der Firma und vor vier Jahren über die Hunderttausend gekommen.«

Mitch dachte einen Moment darüber nach und rechnete sich aus, daß er, wenn er dreißig war, durchaus weit über Hunderttausend, vielleicht sogar nahe an Zweihunderttausend sein konnte. Und das im Alter von dreißig Jahren!

Sie beobachteten ihn genau und wußten exakt, was er berechnete.

»Wie kommt eine internationale Steuerfirma nach Memphis?« fragte er.

Das löste Lächeln aus. Mr. Lambert nahm seine Lesebrille ab und ließ sie kreisen. »Das ist eine gute Frage. Die Firma wurde 1944 von Mr. Bendini gegründet. Er war Steueranwalt in Philadelphia und hatte ein paar reiche Klienten im Süden an Land gezogen. Er ging auf Achse und landete in Memphis. Fünfundzwanzig Jahre lang stellte er nur Steueranwälte ein, und die Firma wuchs und gedieh dort unten. Keiner von uns stammt aus Memphis, aber wir haben gelernt, es zu lieben. Es ist eine sehr hübsche, alte Südstaaten-Stadt. Mr. Bendini ist übrigens 1970 gestorben.«

»Wieviele Partner gibt es in der Firma?«

»Zwanzig aktive. Wir versuchen, es so einzurichten, daß jeder Partner einen angestellten Anwalt als Mitarbeiter hat. Das ist ungewöhnlich, aber uns gefällt es. Wie ich bereits sagte – wir machen vieles anders.«

»Alle Partner sind im Alter von fünfundvierzig Jahren Multimillionäre«, sagte Royce McKnight.

»Alle?«

»Jawohl, alle. Wir garantieren es nicht, aber wenn Sie zu uns kommen, zehn Jahre hart arbeiten, Partner werden, weitere zehn Jahre hart arbeiten und dann mit fünfundvierzig kein Millionär sind, dann wären Sie seit zwanzig Jahren der erste.«

»Das ist eine beachtliche Statistik.«

»Es ist eine beachtliche Firma, Mitch«, sagte Oliver Lambert, »und wir sind alle stolz darauf. Wir sind eine eng verbundene Gemeinschaft. Wir sind klein, und einer kümmert sich um den anderen. Bei uns gibt es nichts von der mörderischen Konkurrenz, für die die großen Firmen berüchtigt sind. Wir überlegen uns sehr genau, wen wir einstellen, und wir sind bestrebt, jeden neuen Mitarbeiter so schnell wie möglich zum Partner zu machen. Aus diesem Grunde investieren wir gewaltige Mengen von Zeit und Geld für uns selbst, insbesondere unsere neuen Leute. Es ist selten, überaus selten, daß ein Anwalt unsere Firma verläßt. Es ist praktisch noch nie vorgekommen. Wir tun alles, was in unseren Kräften steht, um Karrieren zu fördern. Wir wollen, daß unsere Leute glücklich sind, weil wir überzeugt sind, daß diese Vorgehensweise die profitabelste ist.«

»Ich habe noch eine weitere beachtliche Statistik«, setzte Mr. McKnight hinzu. »Im vorigen Jahr betrug bei Firmen unserer Größe oder größer die durchschnittliche Fluktuationsrate bei jungen Mitarbeitern achtundzwanzig Prozent. Bei Bendini, Lambert & Locke betrug sie null Prozent. Im Jahr davor gleichfalls null Prozent. Es ist lange her, daß ein Anwalt aus unserer Firma ausgeschieden ist.«

Sie beobachteten ihn genau, um sicherzugehen, daß das alles einsank. Alle mit der Einstellung verbundenen Bestimmungen und Bedingungen waren wichtig, aber die Dauerhaftigkeit, die Endgültigkeit seiner Zusage stellten alle anderen Punkte auf der Liste in den Schatten. Sie hatten es erklärt, so gut sie konnten, fürs erste. Weitere Erklärungen würden später kommen.

Natürlich wußten sie viel mehr als das, worüber sie reden konnten. Seine Mutter zum Beispiel lebte auf einem billigen Wohnwagenplatz in Panama City Beach, verheiratet mit einem ehemaligen Lastwagenfahrer, der dem Alkohol verfallen war. Sie wußten, daß sie nach dem Grubenunglück 41 000 Dollar bekommen und das meiste davon durchgebracht hatte, und daß sie verrückt geworden war, nachdem ihr ältester Sohn in Vietnam gefallen war. Sie wußten, daß er vernachlässigt worden war, in Armut aufgezogen von seinem Bruder Ray (den sie nicht finden konnten) und ein paar mitfühlenden Verwandten. Die Armut schmerzte, und sie gingen zu Recht davon aus, daß sie einen heftigen Erfolgsdrang ausgelöst hatte. Er hatte dreißig Stunden in der Woche in einem auch nachts geöffneten Schnellimbiß gearbeitet und außerdem Football gespielt und die besten Noten erzielt. Sie wußten, daß er nur selten schlief. Sie wußten, daß er hungrig war. Er war ihr Mann.

»Hätten Sie Lust, uns zu besuchen?« fragte Oliver Lambert.

»Wann?« fragte Mitch, von einem schwarzen 318 i mit Schiebedach träumend.

Der alte Mazda mit nur drei Radkappen und einem Sprung in der Windschutzscheibe stand am Rinnstein; die Räder waren zur Gehwegkante hin eingeschlagen, damit er nicht den Berg hinunterrollen konnte. Abby ergriff den Türgriff an der Innenseite, riß zweimal daran und öffnete die Tür. Sie steckte den Zündschlüssel ins Schloß, trat die Kupplung durch und drehte das Lenkrad. Der Mazda rollte langsam an. Als er schneller wurde, hielt sie den Atem an, ließ die Kupplung los und biß sich auf die Lippe, bis der Motor zu winseln begann.

Mit drei Stellenangeboten auf dem Tisch war ein neuer Wagen vier Monate entfernt. Sie würde es überstehen. Drei Jahre lang hatten sie die Armut in einer aus zwei Zimmern bestehenden Studentenwohnung ertragen, auf einem Campus, der voll war von Porsches und kleinen Mercedes-Kabrioletts. Die meiste Zeit hatten sie das abschätzige Verhalten der anderen Studenten und Kollegen in dieser Bastion des Ostküsten-Snobismus einfach ignoriert. Sie waren Hinterwäldler aus Kentucky und hatten kaum Freunde. Aber sie hatten durchgehalten und es auch allein ganz gut geschafft.

Sie gab Chicago den Vorzug vor New York, selbst bei einem niedrigeren Gehalt, vor allem deshalb, weil es weiter weg von Boston und näher an Kentucky lag. Aber Mitch hatte sich noch nicht festgelegt, wog auf die für ihn typische Art sorgfältig Vor- und Nachteile gegeneinander ab und behielt das meiste für sich. Sie war nicht eingeladen worden, ihren Mann nach New York oder Chicago zu begleiten. Und sie hatte die Vermutungen satt. Sie wollte eine Antwort.

Sie parkte vorschriftswidrig auf der ihrer Wohnung am nächsten gelegenen Anhöhe und ging zwei Blocks zu Fuß. Ihre Unterkunft war eine von dreißig in einem zweigeschossigen Ziegelsteinkasten. Abby stand vor der Tür und suchte in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Er packte sie, zerrte sie in die winzige Wohnung, warf sie auf das Sofa und fiel mit den Lippen über ihren Hals her. Sie schrie und kicherte, während Arme und Beine durch die Luft fuhren. Sie küßten sich, eine dieser langen, feuchten, zehnminütigen Umarmungen mit Betasten und Streicheln und Stöhnen von der Art, die sie als Teenager genossen hatten, als das Küssen noch ein Vergnügen und geheimnisvoll und das Äußerste war.

»Großer Gott«, sagte sie, als er sie freigab. »Was ist der Anlaß?«

»Riechst du etwas?« fragte Mitch.

Sie drehte den Kopf und schnupperte. »Ja. Was ist es?«

»Chowmein vom Huhn und Eier Foo Yung. Von den Wong Boys.«

»Okay. Was ist der Anlaß?«

»Und außerdem eine teure Flasche Chablis. Sie hat sogar einen Korken.«

»Was hast du angestellt, Mitch?«

»Komm mit.« Auf dem kleinen, lackierten Küchentisch standen zwischen den Gesetzestexten und Lehrbüchern eine große Flasche Wein und eine Tüte mit chinesischem Essen. Sie schoben die juristischen Utensilien beiseite und breiteten das Essen aus. Mitch öffnete die Flasche und füllte zwei Plastik-Weingläser.

»Ich hatte heute ein großartiges Vorstellungsgespräch«, sagte er.

»Mit wem?«

»Erinnerst du dich an diese Firma in Memphis, von der ich vorigen Monat einen Brief bekam?«

»Ja. Du warst nicht sonderlich beeindruckt.«

»Genau der. Ich bin sehr beeindruckt. Es ist ausschließlich Steuerarbeit, und das Gehalt sieht gut aus.«

»Wie gut?«

Er kippte zeremoniell das Chowmein aus dem Behälter auf zwei Teller, dann riß er die kleinen Beutel mit Sojasauce auf. Sie wartete auf eine Antwort. Er öffnete einen weiteren Behälter und verteilte die Eier Foo Yung. Er trank einen Schluck Wein und schmatzte.

»Wie gut?« wiederholte sie.

»Mehr als Chicago. Mehr als Wall Street.«

Sie trank absichtlich langsam und musterte ihn argwöhnisch. Ihre braunen Augen verengten sich und funkelten. Ihre Brauen senkten sich, auf ihrer Stirn erschienen Falten. Sie wartete.

»Wieviel?«

»Achtzigtausend im ersten Jahr, zuzüglich Gratifikationen. Fünfundachtzig im zweiten, zuzüglich Gratifikationen.« Er sagte es lässig, während er die Selleriestückchen in dem Chowmein betrachtete.

»Achtzigtausend«, wiederholte sie.

»Achtzigtausend, Baby. Achtzigtausend Dollar in Memphis, Tennessee, sind ungefähr das gleiche wie hundertzwanzigtausend in New York.«

»Wer will schon nach New York?« fragte sie.

»Und ein zinsgünstiges Darlehen für eine Hypothek.«

Dieses Wort – Hypothek – war schon seit langer Zeit in der kleinen Wohnung nicht mehr ausgesprochen worden. Sie konnte sich im Augenblick nicht einmal erinnern, wann sie zum letzten Mal über ein Haus oder irgend etwas gesprochen hatten, das damit in Zusammenhang stand. Seit Monaten waren sie davon ausgegangen, daß sie irgendeine Unterkunft mieten würden, und zwar bis zu einem unvorstellbar weit entfernten Zeitpunkt in der Zukunft, an dem sie wohlhabend geworden waren und eine Hypothek aufnehmen konnten.

Sie stellte ihr Weinglas ab und sagte nüchtern: »Das habe ich nicht gehört.«

»Ein zinsgünstiges Darlehen für eine Hypothek. Die Firma leiht uns das Geld für den Kauf eines Hauses. Diesen Leuten ist es sehr wichtig, daß ihre Mitarbeiter einen wohlhabenden Eindruck machen, deshalb geben sie uns das Geld zu einem erheblich geringeren Zins.«

»Du meinst, ein richtiges Haus, mit Rasen darum herum und Sträuchern?«

»Das meine ich. Nicht eine sündhaft teure Wohnung in Manhattan, sondern ein Haus in der Vorstadt mit drei Schlafzimmern, einer Einfahrt und einer Doppelgarage, in der wir den BMW unterbringen können.«

Die Reaktion verzögerte sich um ein oder zwei Sekunden, aber schließlich sagte sie: »Den BMW? Wessen BMW?«

»Unseren, Baby. Unseren BMW. Die Firma least einen Neuwagen und gibt uns die Schlüssel. Es ist eine Art Gratifikation für die Vertragsunterzeichnung durch einen Mann, der ihre erste Wahl ist. Er ist weitere fünftausend im Jahr wert. Über die Farbe entscheiden wir natürlich. Ich glaube, Schwarz wäre hübsch. Was meinst du?«

»Keine Schrottautos mehr. Keine Reste mehr. Keine billigen Klamotten mehr«, sagte sie, während sie langsam den Kopf schüttelte.

Er kaute einen Mundvoll Nudeln und lächelte sie an. Sie träumte, das war unverkennbar, vermutlich von Möbeln und Tapeten und vielleicht in nicht allzuferner Zeit einem Pool. Und von dunkeläugigen kleinen Kindern mit hellbraunem Haar.

»Und es gibt noch ein paar Dinge, die später erörtert werden sollen.«

»Ich verstehe das nicht, Mitch. Weshalb sind sie so großzügig?«

»Die Frage habe ich gestellt. Sie sind sehr wählerisch und stolz darauf, daß sie Spitzengehälter zahlen. Sie nehmen nur die Besten, und es macht ihnen nichts aus, für sie zu blechen. Ihre Fluktuationsrate beträgt null Prozent. Außerdem glaube ich, daß es mehr kostet, erstklassige Leute nach Memphis zu locken.«

»Es wäre näher bei Zuhause«, sagte sie, ohne ihn anzusehen.

»Ich habe kein Zuhause. Es wäre näher bei deinen Eltern, und das stört mich.«

Das ignorierte sie, wie die meisten seiner Bemerkungen über ihre Familie. »Du wärest Ray näher.«

Er nickte, biß in eine Eierrolle und stellte sich den ersten Besuch ihrer Eltern vor, diesen wundervollen Moment, wo sie in ihrem ziemlich abgenutzten Cadillac vorfuhren und fassungslos das neue Haus im französischen Kolonialstil mit zwei Neuwagen in der Garage anstarrten. Sie würden vor Neid erblassen und sich fragen, wie der arme Junge ohne Familie und Status sich das mit fünfundzwanzig und frisch von der Universität überhaupt leisten konnte. Sie würden sich ein gequältes Lächeln abringen und bemerken, wie hübsch das alles war, und es würde nicht lange dauern, bis Mr. Sutherland zusammenbrechen und fragen würde, wieviel das Haus gekostet hatte, und Mitch würde ihm sagen, er sollte sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, und das würde den alten Mann wahnsinnig machen. Sie würden nach einem kurzen Besuch wieder verschwinden und nach Kentucky zurückkehren, wo all ihre Freunde erfahren würden, wie gut es der Tochter und dem Schwiegersohn da unten in Memphis ging. Abby würde traurig sein, weil sie nicht miteinander auskamen, aber sie würde nicht viel sagen. Von Anfang an hatten sie ihn wie einen Aussätzigen behandelt. Er war so unwürdig, daß sie der kleinen Hochzeit ferngeblieben waren.

»Warst du schon einmal in Memphis?« fragte er.

»Einmal, als kleines Mädchen. Zu einem Kirchentreffen. Das einzige, woran ich mich erinnere, ist der Fluß.«

»Sie wollen, daß wir sie besuchen.«

»Wir? Du meinst, ich bin auch eingeladen?«

»Ja. Sie wollen, daß du mitkommst.«

»Wann?«

»In ein paar Wochen. Wir fliegen an einem Donnerstagnachmittag hinunter, für das Wochenende.«

»Diese Firma gefällt mir schon jetzt.«

2

Das fünfstöckige Gebäude war vor hundert Jahren von einem Baumwollhändler und seinen Söhnen gebaut worden, in der Zeit, als nach dem Bürgerkrieg das Baumwollgeschäft in Memphis wieder in Gang kam. Es stand in der Mitte der Cotton Row an der Front Street in der Nähe des Flusses. Durch seine Flure und Türen und über seine Schreibtische hinweg waren Millionen von Ballen Baumwolle aus den Deltas von Mississippi und Arkansas erworben und in alle Welt verkauft worden. Aufgegeben, vernachlässigt und seit dem Ersten Weltkrieg wieder und wieder renoviert, war es schließlich 1951 von einem außerordentlich tüchtigen Steueranwalt namens Anthony Bendini gekauft worden. Es wurde abermals renoviert und begann, sich mit Anwälten zu füllen. Er benannte es in Bendini Building um.

Er hätschelte das Gebäude, verwöhnte es, verzärtelte es, gab seiner Landmarke alljährlich einen neuen Anstrich von Luxus. Er befestigte es, versiegelte Türen und Fenster und stellte bewaffnete Wächter ein, die das Haus und seine Insassen schützen sollten. Er ließ Fahrstühle einbauen, elektronische Überwachung, Sicherheitscodes, Fernsehkameras, einen Fitnessraum, eine Sauna, einen Tresorraum und einen Speisesaal für die Partner mit einem wundervollen Ausblick auf den Fluß.

In zwanzig Jahren errichtete er die reichste Anwaltskanzlei in Memphis und unbestreitbar die unauffälligste. Geheimhaltung war seine Leidenschaft. Jeder neue Mitarbeiter, den die Firma einstellte, wurde eindringlich auf die üblen Auswirkungen eines losen Mundwerks hingewiesen. Alles war vertraulich. Gehälter, Gratifikationen, Beförderungen und vor allem Klienten. Das Reden über Angelegenheiten der Firma, so wurden die jungen Mitarbeiter gewarnt, konnte die Belehnung mit dem heiligen Gral – der Partnerschaft – verzögern. Nichts verließ die Festung an der Front Street. Die Ehefrauen wurden angewiesen, keine Fragen zu stellen, oder sie wurden angelogen. Von den Mitarbeitern wurde erwartet, daß sie schwer arbeiteten, den Mund hielten und ihr gutes Geld ausgaben. Sie taten es, ausnahmslos.

Mit einundvierzig Anwälten war die Firma die viertgrößte in Memphis. Sie inserierte nicht und vermied es, auf sich aufmerksam zu machen. Ihre Angehörigen blieben für sich und pflegten keinen Umgang mit anderen Anwälten. Ihre Frauen spielten Tennis und Bridge miteinander und gingen zusammen einkaufen. Bendini, Lambert & Locke war eine Art große Familie. Eine ziemlich reiche Familie.

An einem Freitag um 10 Uhr hielt die Firmenlimousine in der Front Street an, und Mr. Mitchell Y. McDeere stieg aus. Er bedankte sich höflich bei dem Chauffeur und sah dem davonfahrenden Fahrzeug nach. Seine erste Fahrt in einer Limousine. Er blieb auf dem Gehsteig neben einer Straßenlaterne stehen und bewunderte den merkwürdigen, pittoresken und dennoch irgendwie beeindruckenden Sitz der Firma Bendini. Er war etwas völlig anderes als die riesigen Gebilde aus Stahl und Glas, in denen New Yorks Namhafteste residierten, oder der gewaltige Zylinder, in dem er in Chicago gewesen war. Aber ihm war sofort klar, daß es ihm hier gefallen würde. Es war weniger anmaßend. Es war mehr wie er.

Lamar Quin kam durch die Vordertür und die Stufen herunter. Er rief Mitch an und winkte ihn heran. Er hatte sie am Abend zuvor am Flughafen abgeholt und sie im Peabody untergebracht – dem »Grandhotel des Südens«.

»Guten Morgen, Mitch! Wie haben Sie geschlafen?« Sie schüttelten sich die Hand wie Freunde, die lange getrennt gewesen waren.

»Sehr gut. Es ist ein großartiges Hotel.«

»Ich wußte, das es Ihnen gefallen würde. Das Peabody gefällt jedem.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!