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Willy Heckhoff, Millionenerbe mit Villa und triebgesteuertes Maskottchen der Bikergang "Stormfuckers", ist verschwunden. Tagelang. Spurlos. Der Verdacht, er könnte entführt worden sein, bestätigt sich, als bei den Bikern schließlich Erpresserbriefe mit horrenden Lösegeldforderungen eingehen. Höchste Zeit für Privatdetektiv Kristof Kryszinski, sein ganzes Können unter Beweis zu stellen. Während die übrigen Gangmitglieder kreative Wege der Geldbeschaffung beschreiten, gilt es für ihn zwischen spielsüchtigen Anwälten, durchgeknallten Nazi-Rockern und hartgesottenen Mafiakillern die Täter zu entlarven. Doch da ist auch noch Kryszinskis aktueller Auftraggeber: Fast-Food-Gigant McDagobert's, dessen neueste Filiale noch vor ihrer Eröffnung mysteriösen Sabotageakten zum Opfer fällt ... Ruhr-City-Ermittler Kryszinski in Höchstform - Kult! Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis 2002
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Seitenzahl: 393
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JörgJURETZKA
Kriminalroman
Von Jörg Juretzka liegen bei Rotbuch außerdem vor:
Prickel (3. Aufl. 2007)
Fallera (3. Aufl. 2011)
Rotzig & Rotzig (2. Aufl. 2009)
Alles total groovy hier (2. Aufl. 2009)
Freakshow (1. Aufl. 2011)
eISBN 978-3-86789-571-2
4. Auflage
© 2009 by BEBUG mbH / Rotbuch Verlag, Berlin
Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin
Umschlagabbildung: Nikola Spasenoski (fotolia)
Ein Verlagsverzeichnis schicken wir Ihnen gern:
Rotbuch Verlag
Alexanderstraße 1
10178 Berlin
Tel. 01805 / 30 99 99
(0,14 Euro / Min. aus dem deutschen Festnetz,abweichende Preise für Mobilfunkteilnehmer)
www.rotbuch.de
FÜR CORA UND VERENA
Speziellen Dank anRocket From The Crypt für »Drop out«
Mülheim a. d. Ruhr, 4.12.1984
Liebe Dagmar,
vielen Dank für das hübsche Foto. Ich habe es, wie Sie schon morgen sehen werden, gleich zum Rahmen gegeben. Ich verstehe sehr gut, dass Sie sich noch nicht haben entschließen können, auf meine Angebote einzugehen; schließlich wissen Sie ja noch kaum etwas über mich. Lassen Sie mich jedoch noch einmal versichern, dass es mir ernst ist. Ich bewundere Sie wie kein zweiter Mann, ich bin jung und, wenn ich das hier einmal so einstreuen darf, nicht unvermögend, auch wenn es noch ein paar Jahre dauern wird, bis ich an das ganze Geld herankann. Bis dahin kriege ich jeden Monat einen bestimmten Betrag, von dem es sich ganz gut leben lässt.
Da ich, wie ich schon im letzten Brief geschildert habe und, bitte glauben Sie mir, daran hat sich nichts geändert, keine Freundin habe und es mir in dem großen Haus doch etwas einsam zu werden begann, wohnen seit einiger Zeit ein paar Freunde mit mir zusammen, doch habe ich von vornherein klipp und klar festgelegt, dass sie, sollten Sie sich eines Tages entscheiden, zu mir ziehen zu wollen, (braucht ja erst mal nichts zu heißen, Zimmer habe ich genug), sich sofort etwas anderes suchen müssen, und alle waren spontan und ohne weitere Diskussion damit einverstanden. Es sind lauter großartige Burschen, das können Sie mir glauben. Sie würden sie mögen, da bin ich mir sicher.
Möglicherweise möchten Sie uns ja einmal besuchen kommen? Zum Kaffee, vielleicht? Das wäre doch eine wunderbare Gelegenheit, uns ein wenig näher kennen zu lernen, finden Sie nicht? Nur, eine Bitte: Seien Sie so nett und rufen Sie vorher an. Meine Mitbewohner sind, wie schon gesagt, tolle Burschen, doch mit der Ordnung hapert es bei ihnen. Aber wir haben eine Vereinbarung, dass, sollten Sie uns die Freude eines Besuches machen wollen, sofort und gründlichst aufgeräumt und saubergemacht wird.
Sie sehen, alles, was Sie tun müssen, ist, sich einen kleinen Ruck zu geben.
In stiller Bewunderung,
Ihr größter Fan,
W. Heckhoff.
So, dachte ich und zog den Bogen aus der Maschine, das hätten wir wieder mal.
Charly kam ins Zimmer und sah mir über die Schulter.
»Für Willy?«, fragte er.
»Ja«, antwortete ich. »Könnte sonst doch kein Schwein entziffern.« Und ich wedelte mit der Handschrift.
»Wieder an Dagmar?«
Ich nickte. »Klar.«
»Er gibt niemals auf, oder?«
»Willy?«, sagte ich. »Nein, nie.«
Holland! In dieser nach verklappter Schweinescheiße stinkenden, platten Ödnis möchte ich nicht tot überm Zaun hängen.
Oh, ich war vergnügt. Von mir aus, dachte ich, soll sich die Nordsee das ganze Land zurückholen. Über Nacht. Sobald ich hier raus bin.
Ah, ich war in trefflicher Stimmung. Ein Auge komplett dicht, die Zähne in, was man als ›Zustand vor Tütensuppe‹ bezeichnen muss, beide Klöten dick wie Pampelmusen, so hockte ich bibbernd im eiskalten Fahrtwind und fühlte mich prächtig. Ich hätte ein Liedchen gepfiffen, wenn es meine verschwollenen Lippen zugelassen hätten.
Mann, das hatte ich fein hingekriegt. Ein Prachtstück von einer Packung hatte ich mir da gefangen, eine nur schwer zu überbietende Niederlage eingefahren. Ich mochte zwar mit leeren Händen zurückkehren, doch die Fresse hatte ich ordentlich vollgekriegt.
Dumm nur, dass ich nicht beauftragt worden war, buntschillernde Hämatome und von der Härte des Straßenpflasters durchdrungene Räuberpistolen nach Hause zu bringen, sondern eine 18-jährige. Eine kleine, zierliche 18-jährige mit einem riesengroßen Appetit auf Opiate.
Und es war mir als so eine nette Idee erschienen, sie ausgerechnet heute, am Vorabend des eintausendneunhundertundvierundachtzigsten Festes der Liebe, bei ihrer Familie abzuliefern; schwitzend, stinkend, kotzend, voll auf zähneklapperndem Entzug, sterbenskrank und zum Umfallen geschwächt, aber heim.
Nun, das hatte, wie es aussah, nicht so ganz geklappt. Mit welchen Worten ich mein Scheitern den beiden verzweifelten Eltern beibiegen sollte, konzentrierte mein Denken wie ein für den nächsten Morgen anberaumter Termin. Eine Verabredung, mich bei Tagesanbruch mit verbundenen Händen und Augen vor einer zerlöcherten Wand einzufinden und nach ein paar Zügen dem Rauchen für immer zu entsagen.
Jetzt eine Zigarette wäre schön gewesen. Ich schlotterte vor Kälte. Was immer der im Heck des ältlichen, gelblichen VW-Transporters vor sich hinröhrende Motor an eh schon schwächlicher Heizleistung produzierte, verlor sich spurlos in dem eisigen Sturm, der ungehindert durch die große, rechteckige, von krümeligem Glas umrahmte Öffnung pfiff, die einmal meine Windschutzscheibe gewesen war. Rau sind sie, die Sitten im Amsterdamer Rotlichtviertel. Oh ja.
Wie sollte ich es ihnen beibringen? Sollte ich sie mit der Realität konfrontieren? Schonungslos? Sollte ich sagen: »Ihre Tochter stellt lieber dreißigmal am Tag irgendeine ihrer Körperöffnungen irgendwelchen angesoffenen Kerlen zur Verfügung, damit die unter rhythmischem Grunzen das schleimige Produkt ihrer Triebe darin entladen können, als ihre Reit-, Ballett- und Tennisstunden wieder aufzunehmen? Und lässt sich lieber von ihren beiden chinesischen Zuhältern zusammen mit zwei anderen Suchtnutten wie eine Leibeigene in einem dreckigen Loch gefangen halten, als zu Ihnen in Ihre 20-Zimmer-Villa im Uhlenhorst zurückzukehren?« Es wäre die nackte Wahrheit gewesen.
Sie hatte die beiden Luden sogar noch angefeuert, als die’s mir verpassten.
Das, vor allem, könnte in einem jetzt den Eindruck erwecken, sie handele aus freien Stücken. Man könnte meinen, sie lebte dieses degenerierte Dasein als Ergebnis eines Entscheidungsprozesses, an dessen Ende die simple Maxime ›Lieber arm und krank als reich und gesund‹ gestanden hätte. Selbst ich hatte im Wegfahren noch gedacht, lass sie, du siehst es doch, sie will nicht anders. Selbst ich, der ich es besser wissen müsste, besser wusste.
Denn ich weiß es. Ich weiß, wie es ist, wenn die Angst, von der Droge getrennt zu werden, so groß wird, dass sie allen anderen Ängsten den Raum nimmt. Wenn sie größer wird als die Angst vor dem Verlust der Existenz, der Gesundheit, der Würde, des eigenen Lebens. Das ist groß. Das ist Angst. Und nichts anderes.
Mich hatten sie ja im Knast entwöhnt. Kalt. Kurz und schmerzhaft. Und, seltsam genug, von Dauer. Meine Haltung zu Heroin glich seither in vieler Hinsicht der eines Geschiedenen, dem erst in der Trennungsphase klar wird, mit was für einem Monster er die ganze Zeit verheiratet gewesen ist: ›Wie habe ich mich bloß jemals einlassen können?‹ stand immer im Raum, wenn ich mit dieser abgefuckten Szene in Berührung kam.
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