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Miniserie von JULES BENNETT DUNKLE NACHT, VERBOTENE LEIDENSCHAFT Mist, der Strom ist ausgefallen! Warum muss Elise ausgerechnet mit Antonio Rodriguez im dunklen Keller eingeschlossen sein? Sie hat mit ihren Schwestern eine Whiskeydestillerie in einem alten Schloss in Kentucky aufgebaut, und der spanische Restaurantbesitzer soll ihr Kunde werden! Allerdings findet Elise seine dunklen Augen, das schwarze Haar und vor allem seinen sexy Akzent unwiderstehlich. Dabei sollte sie doch professionelle Distanz wahren! Denn wenn sie sich Antonio jetzt hingibt, was passiert dann, wenn das Licht wieder angeht? EROBERE MICH EIN ZWEITES MAL „Fahr mit mir weg.“ Eine Woche will ihr Noch-Ehemann Camden mit Delilah auf einer Privatinsel verbringen, um ihr zu beweisen, dass ihre Ehe doch zu retten ist. Süße Früchte, edler Wein, Massagen und sinnliche Liebe am Strand… Camden braucht sie nur anzusehen, schon steht Delilah in Flammen. Die Anziehung zwischen ihnen war nie das Problem. Trotzdem muss Delilah ihr Herz schützen! Schließlich weiß sie nicht, ob Workaholic Camden ihr wirklich das geben kann, wonach sie sich zutiefst sehnt … HEISS BRENNT DIE LEIDENSCHAFT Ian Ford ist der Mann aus der Bar? Sara bekommt weiche Knie, als sie den Journalisten trifft, der sie für das Elite-Magazin interviewen soll. Mit ihm hatte sie vor Kurzem einen heißen One-Night-Stand. Nun heißt es, professionell zu bleiben! Doch als sie während eines plötzlichen Wintereinbruchs zusammen eingeschneit sind, wird das immer schwieriger. Mit dem Kaminfeuer flammt auch die Leidenschaft auf. Da kommt Sara ein schlimmer Verdacht: Verführt Ian sie womöglich nur, damit sie ihm für den Artikel ihre dunkelsten Geheimnisse anvertraut?
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Seitenzahl: 617
Cover
Titel
Inhalt
Dunkle Nacht, verbotene Leidenschaft
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
16. KAPITEL
17. KAPITEL
Erobere mich ein zweites Mal
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
EPILOG
Heiß brennt die Leidenschaft
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
16. KAPITEL
17. KAPITEL
EPILOG
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Contents
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2022 by Jules Bennett Originaltitel: „When the Lights Go Out...“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA , Band 2284 04/2023 Übersetzung: Julia Königs
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 04/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck
ISBN 9783751515559
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Es gab sicher weniger interessante Orte auf dieser Welt als ein altes Schloss, das nun eine Destillerie beherbergte. Das ausladende Steingebäude lag inmitten der Hügel von Benton Springs in Kentucky, und die Geschichte dieses jahrhundertealten Bauwerks war äußerst faszinierend … wenn auch nicht ganz so sehr wie die Frauen, denen die Destillerie gehörte.
Als Antonio vor zwei Tagen im spanischen Cadaqués in seinen Privatjet gestiegen war, hatte er nicht so recht gewusst, womit er rechnen sollte. Doch das wunderschöne alte Gebäude und die üppige Landschaft erinnerten ihn sehr an seine Heimat – den Ort, den er eigentlich unbedingt hinter sich lassen wollte. Wenn auch nicht so sehr das malerische Küstenstädtchen, sondern vielmehr das Vermächtnis, das schwer auf seinen Schultern lastete. Er hatte keine Ahnung, wie er seinen Eltern sagen sollte, dass er das von ihnen gegründete Familienunternehmen nicht übernehmen würde – das Geschäft, das eigentlich an seinen Bruder hatte vererbt werden sollen, ehe eine Tragödie ihnen allen ihre Zukunft gestohlen hatte.
„Sie müssen Antonio Rodriguez sein.“
Antonio wandte sich von der malerischen Landschaft ab und wäre beinah ins Stolpern geraten, als er sogleich die nächste Schönheit erblickte. Mit der breit lächelnden rothaarigen Frau, die da auf ihn zukam, hatte er nun schon einige Monate lang E-Mails ausgetauscht.
„Und Sie sind dann wohl Elise Hawthorne.“ Er hatte sich nicht nur über die Destillerie und die verschiedenen Spirituosen informiert, die sie anbot, sondern auch über die drei tatkräftigen Frauen, die sich hinter der Marke „Angels’ Share“ verbargen.
Elise war als CEO der Firma die direkte Ansprechpartnerin sämtlicher VIP-Kunden. Sie hatten sich nun schon seit längerer Zeit Nachrichten geschrieben, und sie war stets absolut professionell und zuvorkommend gewesen. Doch nichts hätte ihn darauf vorbereiten können, welche Wirkung sie persönlich auf ihn hatte. Wer hätte gedacht, dass eine Hornbrille so sexy wirken konnte?
Elise vereinte Intelligenz und Schönheit in sich – zwei Eigenschaften, die er absolut unwiderstehlich fand. Wenn er sich nicht auf die Arbeit und seine eigenen Probleme konzentrierte, könnte er allzu leicht in ein emotionales Chaos geraten, für das er eigentlich keine Zeit hatte. Schade! Er hätte Elise gern auch persönlich näher kennengelernt.
Sie streckte die Hand aus. „Es ist mir eine Freude, Sie endlich persönlich kennenzulernen, Mr. Rodriguez.“
„Antonio.“ Er grinste sie an, in der Hoffnung, sie so ebenfalls zum Lächeln zu bringen. Er wurde nicht enttäuscht.
Auf der Firmenwebsite waren die Schwestern nur schwer zu erkennen gewesen – das Foto dort fokussierte sich ganz auf das Schloss. Doch selbst auf diesem Bild war Elise mit ihrem roten Haar hervorgestochen. Und von Angesicht zu Angesicht war sie einfach umwerfend.
Antonio griff nach ihrer Hand und bewunderte den zugleich weichen und festen Händedruck. Eine einflussreiche, selbstsichere Frau mit einem mordsmäßigen Lächeln … Vielleicht würde dieser Ausflug nach Amerika doch angenehmer als gedacht. Schließlich konnte es nicht schaden, ein wenig zu flirten. Auch wenn er sich geschworen hatte, dass dieser Trip rein geschäftlich blieb. Das hier wäre der letzte Deal, den er für das Familienunternehmen abschloss, ehe er sich daraus zurückzog. Das schuldete er seinen Eltern. Und sich selbst schuldete er es, seine eigenen Wünsche beiseitezuschieben und sich ganz auf die Akquise neuer Marken zu konzentrieren. Seine Eltern betrieben Restaurants, die typischerweise auch über einen Pub verfügten, und er wollte als krönenden Abschluss seiner Karriere eine Marke an Land ziehen, die noch nie zuvor in ihrem Eckchen der Welt zu kaufen gewesen war.
Das war der leichte Teil. Er würde die Staaten durchqueren, von Destillerien zu Weingütern reisen und deren Produkte verkosten, neue Leute kennenlernen. Er liebte diese Tätigkeit, wusste nur nicht, wo es ihn am Ende dieses Trips hinziehen würde.
In letzter Zeit war er in seiner Trauer gefangen, Schuldgefühle und Pflichtbewusstsein waren sein einziger Antrieb gewesen. Er wollte nicht den Rest seines Lebens damit verbringen, die schicke Restaurantkette zu führen, die seine Eltern vor Jahrzehnten ins Leben gerufen hatten. Er wollte eigene Ziele, eigene Träume verwirklichen und nicht dazu gezwungen sein, den Titel zu übernehmen, der eigentlich für seinen verstorbenen Zwillingsbruder bestimmt gewesen war. Vorerst war es jedoch seine Aufgabe, die Pubs der fünf Familienrestaurants weiter zu etablieren. Wäre Paolo nur nicht gestorben …
Sein ganzes Leben lang hatte Antonio es genossen, umherzureisen und andere Kulturen kennenzulernen. Er hatte nie an nur einem Ort verweilen und die Rolle im Unternehmen einnehmen wollen, die eigentlich für jemand anderen bestimmt gewesen war. Er hatte gedacht, er könne den Wünschen seiner Eltern nachkommen und ihnen der Sohn sein, den sie brauchten. Er schuldete es Paolo, es zumindest zu versuchen. Also hatte er all seine egoistischen Gedanken und Wünsche verdrängt. Mit der Zeit würde er sicher in die Rolle hineinwachsen, die für ihn vorgesehen war – das hatte er zumindest gedacht.
Doch je länger diese negativen Gefühle an ihm nagten, desto mehr verabscheute er dieses Geschäft. Er würde nur noch diesen letzten Trip hinter sich bringen, und dann musste er mit seinen Eltern reden, darüber, wie er sich seine Zukunft wirklich vorstellte.
Die Familie bedeutete ihm alles. Wie also sollte er es über sich bringen, seinen Eltern das Herz zu brechen, indem er ihr Geschäft verließ? Sie hatten ihm so viel anvertraut, in der Hoffnung, sich bald zur Ruhe setzen und ihm ihre Dynastie überlassen zu können. Aber er wollte sich einfach nicht fest binden – weder an eine Frau noch an ein Unternehmen. Er genoss seine Freiheit, das hatte er schon immer getan, und als sein Bruder gestorben war, hatte ihm das umso mehr verdeutlicht, wie wichtig es war, jeden einzelnen Tag zu genießen. Doch nun zwangen ihn die Schuldgefühle, dass er überlebt hatte, dazu, die Wünsche seiner Eltern zu erfüllen, statt sein eigenes Leben zu führen.
„Angels’ Share sieht in Wirklichkeit ganz anders aus als auf den Bildern im Netz“, sagte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Umgebung zu. „Diese außergewöhnliche Schönheit muss man wahrlich mit eigenen Augen sehen, um sie wertschätzen zu können.“
Jetzt lächelte Elise sogar noch breiter. Ihre zurückhaltende Schönheit war unverkennbar, und er hatte einflussreichen, tatkräftigen Frauen noch nie widerstehen können. Zu schade also, dass er nicht hier war, um Spaß zu haben.
„Danke“, sagte sie. „Das Schloss wurde im späten neunzehnten Jahrhundert erbaut. Seitdem gab es offensichtlich einige Renovierungen und Veränderungen, aber der Kern des Gebäudes ist immer noch derselbe. Vor etwa hundert Jahren wurden die Nebengebäude erweitert, aber auch diese halten bisher dem Zahn der Zeit stand. Wir sind sehr stolz auf den Betrieb, den wir hier geschaffen haben.“
„Das sollten Sie auch.“
Elise deutete auf den Steinpfad. „Es ist ein so schöner Tag. Wollen wir die Tour vielleicht hier draußen beginnen?“
„Ich gehöre ganz Ihnen.“ Er verbeugte sich theatralisch. „Zeigen Sie mir alles, was Sie haben.“
Elise hob eine Augenbraue. Jetzt, da er darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass seine Worte sowohl beleidigend als auch zweideutig interpretiert werden konnten.
Statt etwas zu erwidern, nickte sie jedoch bloß. „Es ist schön, ab und zu mal aus dem Büro rauszukommen. Beginnen wir also gleich hier.“ Sie breitete die Arme aus. „Wie schon gesagt ist das Schloss über hundert Jahre alt. 1845 wanderte eine schottische Familie hierher aus und nahm sich die Zeit, ihr ehemaliges Heim perfekt nachzubauen – einschließlich der Zugbrücke, die wir bis heute über alles lieben.“
Antonio gab sich Mühe, sich auf ihre Worte und die Umgebung zu konzentrieren. Doch Elises Stimme war einfach so melodisch, ja beinahe … sinnlich. Amerikanische Frauen hatten ihn schon immer fasziniert. Sie waren so verwegen, so dynamisch, und sie entschuldigten sich nicht dafür. Im Laufe der Jahre hatte Antonio schon mehr als eine Geliebte auf seinen Reisen durch die Staaten gehabt. Diesmal wollte er sich jedoch ganz aufs Geschäft konzentrieren und darauf, welche anderen Möglichkeiten ihm offenstanden.
Hier in Benton Springs gäbe es also leider keine heiße Affäre. Aber das hieß ja noch lange nicht, dass er sämtlichen Verlockungen widerstehen musste. Elise Hawthorne würde er sehr gern auf einer intimeren Ebene kennenlernen, und sie könnte seine Zeit hier durchaus interessanter machen. Es lag nun mal in seiner Natur, verführerisch zu lächeln und sein Gegenüber zu necken. Das konnte er nicht einfach abstellen.
„Was hat Sie dazu bewegt, eine Destillerie zu eröffnen?“, fragte er, während er ihr ums Schloss folgte.
Elise blieb stehen und drehte sich zu ihm um. „Oh, na ja, meine Schwestern und ich haben dieses verlassene Schloss schon immer geliebt. Während unserer Schulzeit hingen wir hier immer mit unseren Freunden rum und haben am Wochenende heimlich Partys gefeiert. Als das Schloss dann vor ein paar Jahren zum Verkauf stand, wussten wir gleich, dass wir etwas ganz Besonderes daraus machen wollen. Ich schätze, auf gewisse Weise hat sich so der Kreis geschlossen.“
Antonio nickte lachend. „Kann man wohl sagen.“
„Abgesehen davon ist Kentucky einfach der perfekte Ort für eine Destillerie, und diese einzigartige Kulisse beschert uns viele Kunden und Besucher.“ Sie strahlte. „Das Schloss war schon mal als Destillerie genutzt worden, aber nachdem sie wegen der Prohibition geschlossen worden war, wurde sie nie wieder eröffnet. Bis in die späten Neunziger lebte dann ein Privateigentümer hier. Nachdem er gestorben war, stand das Gebäude leer, bis wir es schließlich gekauft haben. Wir wollten etwas Einzigartiges, Romantisches schaffen, etwas, das es in dieser Männerdomäne bisher nicht gab. Da war das hier einfach der perfekte Ort.“
„Es ist definitiv einzigartig“, pflichtete er ihr bei.
„Manche Leute fragen sogar an, ob sie hier ihre Hochzeit feiern dürfen, aber bisher stellen wir unser Gelände nicht für solche Festlichkeiten zur Verfügung. Aber offenbar kommt unser romantischer Ansatz gut an.“
Antonio musterte sie erneut. Jedes Mal fiel ihm etwas Neues an ihr auf. Sie trat äußerst geschliffen auf, allerdings zugleich auch locker – ganz die perfekte Geschäftsfrau. Sie war äußerst vielschichtig, und er fragte sich, wie viele Facetten ihrer Persönlichkeit er wohl in den nächsten paar Wochen entdecken konnte. „Sie haben Ihre Schwestern erwähnt. Bei meinen Recherchen über Angels’ Share ist mir aufgefallen, dass Sie alle recht unterschiedlich aussehen.“
Noch immer lächelnd hob Elise eine Augenbraue. „Wir unterscheiden uns sehr voneinander – sowohl was unser Aussehen als auch was unsere Persönlichkeiten betrifft. Aber wir wurden zusammen großgezogen, nachdem wir alle im Säuglingsalter adoptiert worden waren. Und wir stehen uns näher als so manche Blutsverwandte. Ich bin die Älteste, Sara die Jüngste, Delilah die Mittlere. Sie sagen mir immer, ich würde sie bemuttern, aber das gehört wohl einfach dazu.“
Sie sprach voller Liebe von ihrer Familie, was Antonio sehr zu schätzen wusste und nachempfinden konnte. Er selbst hatte mit gerade einmal dreizehn Jahren seinen Zwilling durch eine Meningitis verloren und keine eigenen Geschichten über Erfolge oder Meilensteine, die er mit ihr hätte teilen können. Es hatte sein Leben verändert, nach Paolos Tod als Einzelkind aufzuwachsen und diese einzigartige Bindung zu verlieren. Selbst die Beziehung zu seinen Eltern hatte sich dadurch verändert. Fortan war er der Einzige, der ihnen noch blieb, und diese Tatsache lastete Jahr für Jahr mehr auf ihm.
Seit Paolos Tod fühlte er sich rastlos, und sein Freiheitsdrang nahm immer mehr zu. Um zu erkennen, dass die beiden Dinge zusammenhingen, brauchte er keine Therapie. Er hatte einfach aus dem Haus gemusst, in dem ihn so viel Schmerz und so viele Erinnerungen verfolgten. Als er begonnen hatte zu reisen, hatte er bemerkt, dass er seinem Kummer so entfliehen konnte, zumindest für kurze Zeit.
Die Familie bedeutete ihm einfach alles. Das war auch der Grund, warum er seinen Eltern selbst nach all den Jahren nie sein Geheimnis offenbart hatte. Er wollte ihre Restaurantkette nicht leiten. Aber er konnte sie auch nicht enttäuschen. Erst brauchte er einen Schlachtplan, ehe er auch nur daran denken konnte, das Familienunternehmen zu verlassen. Er wollte sie nicht enttäuschen, aber sie hatten es verdient, ihre Dynastie jemandem zu vermachen, der das Geschäft genauso leidenschaftlich führte, wie sie es getan hatten.
„Sie haben jedenfalls einen ganz schönen Medienrummel verursacht. Und die Bourbon-Industrie ist Ihretwegen ebenfalls in Aufruhr geraten. Schließlich sind weibliche Destillerie-Betreiber selbst in der heutigen Zeit noch sehr ungewöhnlich.“
Ihr Lächeln wurde spöttisch. Offenbar hielt sie die Worte zurück, die sie eigentlich aussprechen wollte. „Schon möglich, aber wir stellen unsere Konkurrenz auch mühelos in den Schatten. Sie kommen einfach nicht hinterher.“ Sie rückte ihre Brille zurecht und erwiderte seinen Blick. „Tatsächlich ist es schön, zu beobachten, wie die ganzen alten Hasen sich abrackern.“
Lachend schüttelte Antonio den Kopf. „Ich wollte nicht respektlos klingen. Ich bewundere das, was Sie drei hier geschaffen haben. Sie versprechen nicht nur einen erstklassigen Bourbon, sondern produzieren auch einen ausgezeichneten Gin, der gerade in aller Munde ist. Und gleichzeitig wartet die Welt gespannt auf Ihren zehnjährigen Bourbon.“
„Ganz unter uns gesagt: Ich bevorzuge Gin, also danke dafür.“ Sie setzte sich wieder in Bewegung und schlug den Pfad hinunter zur Rückseite des Schlosses ein. „Wir sind wirklich stolz auf unseren Bourbon, und es kommen Verkoster aus der ganzen Welt, um unseren Zehnjährigen zu testen, ehe wir ihn dann demnächst präsentieren. Und die Leute sind ganz zu Recht gespannt. Unsere Spirituosen sind absolut makellos. Wir können problemlos mit jeder anderen Destillerie konkurrieren.“
Antonio wünschte, er wäre Teil dieser ersten Gruppe Auserwählter gewesen. Aber vielleicht war diese exklusive Zeit mit Elise von Vorteil für ihn. Er teilte nicht gern, schon gar nicht, wenn es um faszinierende Frauen ging.
Sie erreichten die Hintertür, und Elise gab einen Code ein. „Das Schloss mag schon sehr alt sein, aber wir verfügen trotzdem über ein erstklassiges Sicherheitssystem. Nach Ihnen.“
Kaum war Antonio eingetreten, fühlte er sich wie zu Hause. Zwar konnte er nicht so recht sagen, woran das lag, aber diese Mischung als Alt und Neu erinnerte ihn sehr an Cadaqués. Er liebte seine geschichtsträchtige Heimatstadt, die inmitten einer Hügellandschaft direkt an der Küste lag. Kentucky lag zwar nicht am Meer, aber abgesehen davon fühlte sich dieser Ort genauso heimelig und gemütlich an.
„Ich kann verstehen, warum Sie dieses Schloss so lieben“, sagte er, als Elise neben ihn trat. „Und warum Sie es unbedingt kaufen wollten, um etwas daraus zu machen.“
„Oh, Sie haben ja keine Ahnung, was noch kommt.“ Sie strahlte. „Ich habe mir das Beste für den Schluss aufgehoben.“
Er wandte den Blick von den steinernen Mauern und den hohen Deckenbalken ab und sah zu Elise, die ihn unverhohlen anstarrte. Da war sie wieder – diese plötzliche Welle der Lust, die ihn schon draußen überrollt hatte, als er Elise zum ersten Mal gesehen hatte. Diese Frau schlug ihn voll und ganz in ihren Bann. „Wie viele Rundgänge geben Sie hier ungefähr?“
„Oh, etwa zehn pro Tag. Wir halten die Gruppen gern klein, das gibt den Kunden das Gefühl, dass wir uns ganz persönlich um sie kümmern. Unser Geschäft mag zwar schnell wachsen, aber wir wollen trotzdem an der freundlichen Kleinstadtatmosphäre festhalten.“
„Nein, ich meinte Sie persönlich.“
Sie blinzelte, offenbar verdutzt über seine Frage. „Oh, ich mache eigentlich keine Rundgänge. Ich meine, am Anfang haben meine Schwestern und ich uns noch abgewechselt. Damals hatten wir nur eine Gruppe am Tag. Aber als das Geschäft ins Rollen kam, sind wir dazu übergegangen, College-Studenten für diesen Job zu engagieren. Sie absolvieren alle einen Lehrgang zur Geschichte von Schloss und Bourbon, ehe sie loslegen.“
Antonio wollte unbedingt den Rest des Schlosses sehen und mehr über Angels’ Share erfahren. Aber noch mehr wollte er Elise Hawthorne besser kennenlernen, herausfinden, wie diese Frau tickte. Wenn er weiter Fragen stellte, konnte er vielleicht irgendwann hinter die professionelle Fassade blicken. Ohne es zu merken, trat er einen Schritt näher. „Sie enthalten der Öffentlichkeit Ihre außergewöhnliche Persönlichkeit und Schönheit vor“, meinte er. „Sie sind es, die sie sehen wollen.“
Sie zuckte die Achseln, als wüsste sie nicht, was sie dazu sagen sollte. Das rote Haar fiel ihr über die Schultern, und er hätte die seidigen Strähnen am liebsten berührt. Verdammt. Er steckte wirklich in Schwierigkeiten, und dabei war er gerade erst angekommen. Wie, zur Hölle, sollte er es mehrere Wochen lang in dieser Stadt aushalten? Immerhin verbrachte er nur diese Woche bei Angels’ Share, ehe er zu anderen Destillerien in der Gegend weiterzog. Aber er wäre länger in dieser Stadt und in der Nähe dieser Verlockung, als ihm lieb war.
Elise reckte das Kinn. „Versuchen Sie etwa, mit mir zu flirten?“
Antonio konnte sich nicht helfen – er musste lachen. Da war sie wieder, diese amerikanische Verwegenheit, die ihn so faszinierte. „Versuchen? Wenn Sie fragen müssen, sollte ich mir offenbar mehr Mühe geben.“
Sie hob eine Braue. Womöglich wollte sie ihn damit einschüchtern, doch die Geste turnte ihn bloß an. „Sind Sie deswegen hier? Um zu flirten?“
„Nein. Ich bin hier, um die besten Marken für die Restaurants meiner Familie zu finden. Und um mir den Arsch aufzureißen, wie ich es schon immer getan habe. Und wenn mir dabei eine hinreißende Frau über den Weg läuft, dann können Sie darauf wetten, dass ich mit ihr flirten werde.“
Elise Hawthorne wusste nicht so recht, was sie von diesem charmanten Besucher halten sollte. Sie konnte seine Worte auf keinen Fall ignorieren … ebenso wenig wie seine Anziehungskraft. Mit seinem dunklen, südländischen Teint und dem dichten schwarzen Haar war er unglaublich sexy. Und diese Augen … Seinem eindringlichen Blick konnte sie unmöglich ausweichen.
Und dann war da noch der Akzent. Hab Erbarmen! Sie hatte sich von Anfang an sehr darauf konzentrieren müssen, professionell zu bleiben und ihm die Arbeit zu präsentieren, auf die sie und ihre Schwestern so stolz waren. Aber der Mann hatte einen starken spanischen Akzent, der seinen Sex-Appeal in ungeahnte Höhen katapultierte.
Sex-Appeal? Wie war dieses Wort nur in ihre Gedanken geraten? Sie war viel zu beschäftigt, um ein erfülltes Privatleben zu führen, geschweige denn ein Liebesleben. Sie hatte Dutzende Termine verschoben, um dieses Treffen mit Antonio Rodriguez zu ermöglichen. Seine Eltern waren einst berühmte Schauspieler gewesen, ehe sie entlang von Spaniens Küste eine Reihe von Restaurants eröffnet hatten – allesamt in winzigen Städten, die sich nun dank ihres Einsatzes zu großen Touristenattraktionen entwickelten. Und jetzt könnten sie Angels’ Shares erster globaler Kunde werden. Wenn sie sich die Familie Rodriguez als Kunden sicherten, würden bestimmt noch mehr große Fische folgen. Sie musste diesen Deal unbedingt an Land ziehen.
Es war sehr leicht gewesen, sich über die Familie Rodriguez zu informieren, schließlich verbrachten sie ihr Leben im Licht der Öffentlichkeit und waren sehr aktiv in den sozialen Medien. Daher war es beinah unmöglich, all die Artikel zu ignorieren, die im Laufe der Jahre über die Familie erschienen waren. Antonio wurde darin nicht nur zum Goldjungen gekrönt, sondern auch als Playboy, Jetsetter und Wildfang betitelt.
Das machte ihn zum genauen Gegenteil von ihr – und damit eigentlich alles andere als attraktiv, auch wenn sie verstehen konnte, warum Frauen auf der ganzen Welt nach ihm schmachteten, kaum dass sie ihn kennengelernt hatten. Aber sie war nicht auf der Suche nach einem Mann, schon gar nicht nach einem mit einem solchen Ruf.
Konzentrier dich auf die Arbeit, Elise. Hör auf, über seinen Schlafzimmerblick nachzudenken.
Sara und Delilah hätten sich totgelacht, wenn sie wüssten, dass Antonio Rodriguez mit ihr flirtete. Von den drei Schwestern war Elise die ruhigste, diejenige, für die Arbeit und Verantwortung wichtiger waren als alles andere. Sara bezeichnete sie oft als langweilig, und da hatte sie nicht unrecht. Aber Langweiler erledigten nun mal die meiste Arbeit. Elise bevorzugte eine schön ordentliche und durchstrukturierte Welt. Sie mochte keine Veränderungen – und es würde eine ziemliche Veränderung bedeuten, sollte sie sich in Antonio verlieben.
„Sie werden keine Preisnachlässe erhalten, nur weil sie mit mir flirten“, erklärte sie lächelnd. Wo kam diese kesse Art plötzlich her? Vielleicht war Antonios lockeres Auftreten ansteckend. „Sie können sich die Sprüche also gern für eins der anderen Unternehmen aufheben, die Sie noch besuchen.“
Seine Mundwinkel zuckten, als müsse er ein Grinsen unterdrücken. Doch ehe er etwas erwidern konnte, trat Sara durch die Hintertür, beladen mit einem Stapel Aktenordner, ihrer Handtasche, ihrem Laptop und einer Tasse Kaffee. Beinah hätte sie alles fallen lassen, als sie bemerkte, dass sie nicht allein war.
„Oh, ’tschuldigung.“ Sie blies sich die Haare aus der Stirn. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass hier irgendjemand ist.“
Elise war froh über die Unterbrechung. Sie brauchte eine Pause, um ihre Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen. Anscheinend hatte die viele Zeit im Büro ihr den Verstand benebelt. Vielleicht sollte sie wieder öfter Rundgänge geben und mit den Kunden interagieren. Dann ließe sie sich nicht mehr so leicht von einem attraktiven Mann aus der Bahn werfen.
„Schon okay“, sagte Elise. „Tatsächlich würde ich dir gern Antonio Rodriguez vorstellen. Ich hatte dir von seinem Besuch erzählt.“
Saras Augen wurden groß. Antonio war offenbar genau ihr Typ. Sie war diejenige, die sich ständig verliebte und keinem Mann die Chance verwehrte, sie zu umgarnen. Immer war sie auf der Suche nach der großen Liebe, wenn auch bisher ohne Erfolg.
„Freut mich, Sie kennenzulernen.“ Sara grinste. „Ich bin …“
„Lassen Sie mich raten.“ Antonio hob die Hand. „Sie sind Sara Hawthorne.“
Sara versuchte, die Gegenstände in ihren Händen neu zu ordnen.
„Kommen Sie, ich helfe Ihnen.“ Antonio streckte die Hand aus und schob ihr den Handtaschenriemen wieder auf die Schulter.
Sara schenkte ihm ein breites Lächeln und sah zu ihm auf. „Nicht nur klug, sondern auch noch hilfsbereit. Sie können gern länger bleiben.“
Elise hatte wirklich keine Ahnung, wie ihre chaotische Schwester immer so niedlich und zugleich sexy aussehen konnte, aber irgendwie schaffte sie es. Sie hatte ihre Schwester schon oft beim Flirten beobachtet, doch gerade fand sie das alles andere als witzig. Wann immer sie gemeinsam ausgingen, flogen die Männer nur so auf Sara – es war also kein Wunder, dass Antonio ihr freundliches Lächeln erwiderte.
„Und Sie haben offenbar Ihre Hausaufgaben gemacht.“ Sara strahlte. „Haben Sie auch Dee schon kennengelernt?“
Antonio runzelte die Stirn.
„Unsere andere Schwester. Delilah“, erklärte Sara.
„Wir haben unsere Tour gerade erst begonnen“, warf Elise ein. „Ich habe ihm ein wenig über die Geschichte des Schlosses erzählt, aber viel weiter sind wir noch nicht gekommen. Antonio ist erst vor dreißig Minuten eingetroffen.“
„Oh, ich bin mir sicher, Sie werden Angels’ Share lieben. Elise ist der Kopf des Ganzen, Sie sind also in guten Händen.“
Sie brachten alle ihre ganz eigenen Talente mit ins Geschäft. Elise war stolz darauf, mit ihrer oft skurrilen Denkweise und ihrem guten Gedächtnis für Details der Kopf der Gruppe zu sein. Sie war nie so umwerfend wie Sara gewesen, die mit ihrer makellosen Haut und dem glänzenden schwarzen Haar die Männer anzog. Und auch neben Delilah mit ihrem lieblichen Lächeln und ihrer natürlichen Schönheit wirkte sie eher unauffällig. Ihre Schwestern waren nun einmal beide absolut hinreißend, ohne sich auch nur Mühe geben zu müssen.
Elise hingegen bemühte sich stets, das passendste Brillengestell für ihre Gesichtsform zu finden. Nur weil sie ein eher langweiliges Leben führte, musste sie ja noch lange nicht so aussehen.
Einst hatte sie gedacht, es wäre irgendwann ihr Untergang, so in ihren Gewohnheiten festzustecken und so viel weniger lebhaft zu sein als ihre Schwestern. Aber im Laufe der Jahre hatte sie erkannt, dass sie einfach alle unterschiedlich waren und sich wunderbar ergänzten. Sie alle waren auf ihre ganz eigene Art stark – und ihre Stärke lag nun einmal im Organisieren.
„Ich bin sicher, ich könnte nicht in besseren Händen sein.“
Antonios Kommentar holte sie in die Gegenwart zurück, und sie bemerkte, dass sein Blick erneut auf ihr ruhte. Prompt lief ihr ein Schauer über den Rücken. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann ein Mann das letzte Mal eine solche Reaktion bei ihr ausgelöst hatte.
Aber Antonio brachte die Frauen um sich herum ständig zum Schmelzen, und sie war viel zu intelligent, um ihm in die Falle zu gehen. Egal, welche Gefühle er auch in ihr auslösen mochte, dieser Besuch würde auf keinen Fall langweilig werden. Allerdings war sie nicht sicher, ob sie sich darüber freuen oder deswegen Angst bekommen sollte.
„Und damit hätten wir alles abgedeckt, was für die Öffentlichkeit zugänglich ist.“
Antonio stand im Eingang zum Souvenirladen und beobachtete Kunden, die ein und aus gingen. Während er mit Elise die Destillerie erkundet hatte, hatte er schon mehrere Touristengruppen gesehen – sowohl drinnen als auch draußen. Die Atmosphäre ließ sich nur als spannungsgeladen beschreiben, und die ersten Verkostungen hatten seine Erwartungen weit übertroffen.
„Also, haben Sie noch irgendwelche Fragen an mich?“
Antonio wandte seine Aufmerksamkeit wieder Elise zu und trat einen Schritt näher an sie heran. Sie fing seinen Blick auf, und eins musste er ihr lassen: Sie blieb absolut professionell und lächelte ihn weiter höflich an. Aber er hatte ihr nun schon stundenlang zugehört, eingehüllt von einer Wolke blumigen Parfums, und wann immer sie ihre Brille zurechtrückte oder den Kopf neigte, um ihn besser ansehen zu können, hatte ihn das nur noch mehr angeturnt. Intelligente, unabhängige Frauen, die ihre Schönheit so herunterspielten – oder sie selbst gar nicht erkannten –, waren so unglaublich anziehend. Wusste sie nicht, wie umwerfend sie war?
„Ja, eine.“
Sie hob das Kinn. „Und die wäre?“
„Essen Sie heute mit mir zu Abend.“
Sie schürzte die Lippen, als suche sie entweder nach einem guten Grund, Nein zu sagen oder als müsse sie ein Lächeln verbergen. „Das war keine Frage.“
„Stimmt. Ich wollte Ihnen nicht die Gelegenheit geben abzulehnen.“
Erstaunt riss sie die Augen auf. Gut. Er hatte sie ein wenig überrumpeln wollen, und das hatte er offenbar auch geschafft. Wobei: Hatte er sie mit dieser persönlichen Anfrage wirklich überrascht? Eigentlich war er den ganzen Tag über sehr direkt gewesen.
„Ich gehe nicht auf Dates“, sagte sie.
Jetzt war er derjenige, der überrascht war. „Nie?“
Elise zuckte mit den schmalen Schultern. „Ich denke eigentlich nie so richtig darüber nach. Ich bin sehr beschäftigt.“
„Zu beschäftigt zum Essen?“
Das entlockte ihr ein leises Lachen. „Natürlich nicht. Ich habe zu Hause eine nette Auswahl an Tiefkühlgerichten, die ich jederzeit in die Mikrowelle werfen kann. Heute Abend stehen ein Ministeak und Brokkoli auf der Speisekarte.“
„Das klingt … absolut widerlich und ziemlich enttäuschend.“ Auf keinen Fall würde er zulassen, dass sie das heute Abend aß. „Warum führen Sie mich nicht ein wenig in der Stadt herum und zeigen mir dann Ihr Lieblingsrestaurant? Ich lade Sie ein.“
Kurz wich sie seinem Blick aus, ehe sie ihn wieder ansah. „Ich kann nicht mit Ihnen ausgehen.“
Aber sie würde gern … Sie schien es ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Dieses kurze Zögern und die Art, wie sie ihn ansah … Ja, sie dachte ernsthaft über seine Einladung nach.
Er war nicht sicher, was er hier eigentlich tat oder wohin das noch führen sollte, aber Elise forderte ihn mit diesem stoischen, zurückhaltenden Auftreten geradezu heraus. Wie sollte er das einfach ignorieren? Sie hatte etwas an sich, das den Wunsch in ihm weckte, sie besser kennenzulernen, hinter die Fassade zu blicken. Sie war so schön, so klug, und das Verlangen, das sie in ihm auslöste … Das konnte Antonio nicht einfach ignorieren, auch wenn er sich geschworen hatte, auf dieser Geschäftsreise professionell zu bleiben.
Dann war es halt so. Er würde sich nicht dafür entschuldigen, ganz er selbst zu sein. Und schließlich war nichts falsch daran, sich zu einer Frau hingezogen zu fühlen. Er hatte nie irgendwem Versprechen gemacht, die er nicht halten konnte. Alle wussten immer genau, wie sie zueinander standen. Er respektierte Frauen, mochte es aber ebenso sehr, mit ihnen intim zu werden.
„Es muss ja kein richtiges Date sein“, meinte er. „Ich bin gerade erst in Benton Springs angekommen und würde gern mehr von der Stadt sehen. Sie sind meine Touristenführerin.“
Sie lachte. „Ja, hier in der Destillerie.“
Schulterzuckend trat Antonio einen weiteren Schritt auf sie zu, ohne auf die Menschen um sie herum zu achten. Er hatte nur Augen für die Frau vor sich, und er hatte sie fast da, wo er sie haben wollte. Sie war kurz davor, nachzugeben, das spürte er. Vielleicht empfand sie die gleiche Anziehung wie er. Womöglich wäre es leichter als gedacht, hinter ihre Fassade zu blicken. „Wie heißt Ihr Lieblingsrestaurant?“
„DiMarco’s“, antwortete sie, ohne zu zögern.
Antonio zog sein Handy aus der Tasche, tippte kurz darauf herum und hatte schon Minuten später einen Tisch für sie reserviert. „Alles klar.“ Er steckte das Handy wieder weg. „Wir essen um acht.“
Blinzelnd schüttelte Elise den Kopf. „Sie haben … Wie konnten Sie so schnell eine Reservierung bekommen? Ich muss normalerweise eine Woche im Voraus anrufen, und dabei habe ich mit dem Besitzer meinen Abschluss gemacht.“
„Ich habe da so meine Tricks“, erwiderte er achselzuckend.
„Ist einer davon, dass Sie kein Nein akzeptieren?“, fragte sie und hob eine Augenbraue.
„Sie haben nie wirklich Nein gesagt“, konterte er. „Was bedeutet, Sie würden gern mit mir essen gehen, sträuben sich aber dagegen. Hab ich recht?“
Elise verengte die Augen. „Sind Sie immer so schwierig?“
„Schwierig? Meinen Sie nicht vielmehr überzeugend ? Denn ja, das bin ich.“
Er wartete ab, gab ihr Zeit, sich die Sache durch den Kopf gehen zu lassen. Er würde niemals irgendwen zu irgendetwas zwingen, aber Elise war eindeutig unentschlossen. Er musste also nur noch warten, bis sie nachgab.
Seufzend warf sie die Hände in die Luft. „Na schön. Ich begleite Sie, aber nicht Ihretwegen. Ich hatte bloß schon seit Monaten keine guten Manicotti mehr.“
Antonio lachte. „Sie verletzen meinen Stolz, und das für ein paar Nudeln mit Käse.“
Amüsiert sah sie ihn an – ein erster Riss in ihrer professionellen Fassade. „Ihr Stolz brauchte dringend mal einen Dämpfer. Holen Sie mich um halb acht ab.“
„Gern.“
„Und das ist kein Date. Nur ein Geschäftsessen.“
Antonio beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr. „Ich bin echt gut im Multitasking.“
Sie zitterte spürbar, und er lehnte sich wieder zurück. Er wollte nicht weiter ihre Zeit verschwenden, jetzt, da er sein Ziel erreicht hatte. Sie wollte offenbar mehr – das war also der perfekte Zeitpunkt für ihn zu gehen.
Er verließ das Gebäude und steuerte auf seinen Mietwagen zu. Tag Nummer eins seiner Geschäftsreise, und schon jetzt hatte er seinen Schwur gebrochen. Aber wen juckte das schon? Es mochte ein Fehler sein, rückfällig zu werden, aber Elise Hawthorne war einfach zu sexy, als dass er dieser Versuchung widerstehen könnte.
Elise starrte ihr Spiegelbild an und trug einen blassen Lipgloss auf. Das war doch absurd. Sie putzte sich nie für irgendwen heraus, schon gar nicht für einen potenziellen Kunden, der vor Charisma nur so triefte und wahrscheinlich noch nie das Wort Nein gehört hatte.
Und doch war auch sie nicht in der Lage gewesen, ihm einen Korb zu geben. Hier stand sie nun in ihrem Büro vor dem bodentiefen alten Spiegel und machte sich für dieses Nicht-Date frisch. Warum hatte sie dem noch mal zugestimmt? Ach ja, genau. Weil er gefragt hatte. Grundgütiger, kein Wunder, dass sein Ruf ihm vorauseilte. Es war einfach unmöglich, dem Mann einen Wunsch abzuschlagen.
Frustriert setzte Elise die Brille ab und löste den Dutt an ihrem Hinterkopf. Sie schüttelte ihr Haar und fluchte leise, als ihre Finger an einer Klette hängen blieben.
„Es überrascht mich nicht, dich in deinem Büro vorzufinden. Es ist jedoch höchst ungewöhnlich, dass du dir gerade die Haare richtest.“
Im Spiegel erwiderte Elise Saras Blick. „Ja, schon. Aber ich habe irgendwie das Gefühl, das Essen mit Antonio schreit nach einer etwas lockereren Frisur.“
Nicht, dass die Bezeichnung „locker“ sonderlich gut zu ihr passte. Aber in Antonios Gegenwart fühlte sie sich irgendwie anders. Warum also nicht ihren Look ein wenig anpassen?
„Ach ja?“ Lächelnd trat ihre Schwester ins Büro. „Der Kerl ist echt zum Anbeißen. Und dieser Akzent …“
Sara traf mit ihrer Beschreibung mal wieder den Nagel auf den Kopf. Vielleicht sollte Elise lieber sie zum Essen schicken. Sara war ständig auf der Suche nach der großen Liebe, fest entschlossen, sie eines Tages auch zu finden. Nicht, dass Antonio so wirkte, als hätte er Interesse an solchen Dingen. Ganz im Gegenteil.
Aber kaum stellte Elise sich vor, wie die beiden gemeinsam zu Abend aßen, verspürte sie einen Stich der Eifersucht. Es wurde wirklich immer absurder. Sie hatte keine Zeit für solchen Unsinn, und eigentlich sah ihr das auch gar nicht ähnlich. Sie war eine logisch denkende, karriereorientierte Frau, fest entschlossen, Angels’ Share zur besten Destillerie des Landes zu machen.
„Und was treibst du noch hier?“, fragte Elise ihre Schwester.
Sara zuckte die Achseln. „Ich verstecke mich und versuche, so zu tun, als müsste ich nicht noch zu Millys Haus.“
Milly. Schon beim Klang des Namens wurde Elise schwer ums Herz. Sie vermisste ihre herzensgute Mutter jeden Tag und in jeder einzelnen Sekunde. Sie war nun bereits einen Monat lang tot, und die Mädchen konnten sich einfach nicht dazu überwinden, das Haus ihrer Kindheit leer zu räumen.
Milly, eine alleinstehende Frau mit einem Herz aus Gold, hatte drei kleine Pflegekinder bei sich aufgenommen und sie aufgezogen wie ihre eigenen Töchter. Ihre Familie stand sich näher als so manche, die durch Blutsbande miteinander verbunden war.
„Warum wartest du nicht noch ein wenig? Dann können wir alle zusammen hingehen“, schlug Elise vor.
Sara stellte sich hinter sie, und Elise fing im Spiegel ihren Blick auf. Darin lag ein Schmerz, den nur sie verstehen konnten – der Schmerz darüber, eine geliebte Person verloren zu haben. Das war der Preis der Liebe: Am Ende verlor man sie immer auf die eine oder andere Weise.
„Ich glaube, ich muss erst allein hin“, gab Sara zurück.
Das konnte Elise nur zu gut verstehen. Sie war bereits selbst allein im Haus gewesen, ohne jedoch irgendetwas anzurühren. Das mussten sie gemeinsam tun.
„Außer, du willst, dass ich deinen Platz übernehme.“ Sara zwinkerte. „Ein Date mit einem heißen Typen klingt wesentlich ansprechender.“
„Das ist kein Date.“
Sara spielte mit einer Strähne von Elises Haar. „Das hier sagt aber was anderes.“
Elise drehte sich zu ihrer Schwester um. „Nur weil ich nicht aussehen will, als käme ich direkt von der Arbeit, heißt das noch lange nicht, dass ich mich auf dieses Date freue.“
„Ich dachte, es wäre kein Date.“
Elise stöhnte auf und drängte sich an ihrer Schwester vorbei. „Geh weg.“
Sara lachte, und Elise grinste. Ein bisschen Spaß konnten sie gerade alle gut gebrauchen – da machte es ihr nichts aus, der Grund dafür zu sein.
„Also, wie ist Mr. Rodriguez denn so? Ich habe ihn nicht lang genug gesehen, um seinen Charakter einzuschätzen.“
„Du kennst ja Antonios berühmte Eltern.“
Sara nickte.
„Sie wollen ihr Angebot an Spirituosen erweitern und außerdem mehr Restaurants eröffnen, die eher an Pubs erinnern. Deswegen sind sie jetzt auf der Suche nach ein paar geeigneten Bourbons und Gins. Wir sind die erste Destillerie, die er besucht, aber er will sich auch ein paar andere in der Gegend anschauen, während er hier ist. Und er will später weiter nach Westen reisen, um dort ein paar Weingüter zu besichtigen. Ich will ihm unser Geschäft natürlich bestmöglich präsentieren, und unsere Spirituosen sprechen für sich. Es wäre ein unheimlicher Gewinn für uns, wenn wir uns diesen internationalen Kunden sichern könnten.“
„Natürlich.“ Sara nickte. „Deswegen hast du ihn also persönlich herumgeführt.“
„Genau.“ Elise trat an ihren Schreibtisch und sah auf die Uhr. „Die gesicherten Bereiche werden wir allerdings erst nach Geschäftsschluss besichtigen. Ich wollte nicht bei der Produktion stören, und ich will mich voll und ganz auf seine Fragen und Kommentare konzentrieren können.“
„Nach Geschäftsschluss klingt ganz schön …“
„Professionell“, beendete Elise den Satz ihrer Schwester. „Ich will ihm bloß die volle Tour zeigen, so wie sie auch jeder andere große Kunde bekommt.“
Sara verschränkte die Arme vor der Brust und hob eine Augenbraue. Elise gefiel es nicht, so gemustert zu werden, schon gar nicht von Sara. Das war sie eher von Delilah gewohnt. „Bloß ist dieser Kunde der attraktivste, den wir je hatten. Und für gewöhnlich bleibst du hinter deinem Schreibtisch.“
Elise straffte die Schultern und atmete tief ein. „Ein Grund mehr, ein wenig rauszukommen und vollen Einsatz zu zeigen. Ich kann die Ablenkung gebrauchen … und den Tapetenwechsel auch. Und ich wollte die Tour machen, um mich daran zu erinnern, wie wir mal angefangen haben. Das war einfach mal nötig. Sonst wäre ich noch durchgedreht.“
Saras Blick wurde weicher, und sie trat auf Elise zu und nahm ihre Hand. „Ich mache mir einfach Sorgen um dich und Dee. Es ist schlimmer geworden, seit Milly fort ist.“
„Das verstehe ich doch. Wirklich. Wir machen uns nun mal Sorgen umeinander, und das ist auch in Ordnung. Aber ich verspreche dir, mir geht’s gut. Antonio ist aus rein geschäftlichen Gründen hier, und ich bin wirklich nur auf den Deal aus. Es würde uns echt weiterbringen, wenn wir die Familie Rodriguez als Kunden gewinnen könnten.“
„Du wirst uns diesen Deal garantiert sichern, daran habe ich keinen Zweifel. Verfall bloß nicht seinem Charme“, warnte Sara. „Die Medien veröffentlichen nur zu gern Fotos von ihm und seinen wechselnden Begleiterinnen.“
Beinah hätte Elise laut aufgelacht. Sie würde wohl kaum als seine Begleitung auftreten. Sie war auf keine Affäre oder Sonstiges aus – nur auf eine große Bestellung, die dann bald nach Europa verschifft werden würde.
„Keine Sorge, man wird mich schon nicht für sein Date halten“, versicherte Elise ihrer Schwester und ließ dann ihre Hand los. „Aber er sollte jede Minute hier sein. Ich muss jetzt also los.“ Sie schnappte sich ihre Handtasche und hängte sie sich über die Schulter. Dann umarmte sie Sara kurz. „Viel Glück in Millys Haus“, sagte sie. „Schreib mir, falls du irgendwas brauchst. Die Familie geht vor.“
Sara nickte. „Geh schon. Ich schließe hinter uns ab und schalte die Alarmanlage ein.“
Elise verließ das Büro und lief die Treppe hinunter zum Haupteingang der Destillerie. Die Eingangstür bestand aus Holz, um das Gesamtbild des Schlosses so zeitgemäß wie möglich zu halten, daher konnte sie nicht sehen, ob Antonio schon da war. Kaum hatte sie die Tür geöffnet, begrüßten sie die dunklen Wolken eines nahenden Frühlingssturms. Leicht zitternd zog sie die Jacke ein wenig fester um sich, und ihr offenes Haar wehte im Wind. Sie hätte den Dutt nicht lösen sollen.
Ein großer schwarzer SUV fuhr auf den Parkplatz, das Fahrzeug beinah ebenso bedrohlich und sexy wie sein Fahrer. Prompt erwachte das Verlangen in ihr, während es über ihr donnerte. Sie glaubte nicht an schlechte Omen, und doch fragte sie sich unwillkürlich, worauf sie sich hier einließ. Warum hatte sie diesen Kunden nicht gleich von Anfang an Sara oder Delilah überlassen? Ganz einfach: weil sie sich immer um die VIP-Kunden kümmerte. Sara war ihre Marketing-Spezialistin, die sich unter anderem um die sozialen Medien kümmerte, und Delilah war Mädchen für alles. Sie erledigte all die Dinge, die außerhalb der Kompetenzen ihrer Schwestern lagen.
Auf dem Weg zum SUV bekam Elise den ersten Regentropfen ins Gesicht, doch Antonio war bereits unterwegs, um ihr die Tür zu öffnen. Er hatte sich ebenfalls umgezogen und trug nun dunkle Jeans und ein schwarzes Hemd. Einfach alles an diesem Mann faszinierte sie – und das verhieß nichts Gutes. Damit machte sie sich verletzlich, zum Opfer ihrer Gefühle. Sie durfte heute Abend auf keinen Fall den Kopf verlieren.
„Sie sehen wunderschön aus“, sagte Antonio, während er ihr in den Wagen half.
Zwar wollte sie eigentlich keine Komplimente von ihm, aber angesichts seiner Worte verspürte sie trotzdem ein freudiges Kribbeln. Unweigerlich gefolgt von unangenehmem Schweigen, während sie darüber nachdachte, was sie erwidern sollte. „Für Manicotti putz ich mich immer raus“, witzelte sie schließlich und griff nach dem Sicherheitsgurt.
Antonio hatte gerade den Mund geöffnet, um etwas zu entgegnen, als der Himmel seine Schleusen öffnete. Schnell schloss er die Tür und eilte um den Wagen herum und auf den Fahrersitz. Kaum saß er hinter dem Steuer, wandte er sich ihr zu. „Sie verstehen es wirklich, einem Mann einen Dämpfer zu verpassen.“
Wahrscheinlich sollte das nur ein Witz sein, doch der Klang seiner Stimme ließ sie erschauern. Vielleicht hätten sie lieber in der Destillerie bleiben sollen, um ihre Tour abzuschließen. Diese Verabredung fühlte sich zu sehr nach einem Date an, sosehr sie auch geschworen hatte, dass es keins war.
Der Sturm wütete immer noch über ihnen, während Antonio die kurvenreiche zweispurige Straße entlang zurück zur Destillerie fuhr. Essen und Gesellschaft waren unglaublich gewesen. Elise hatte darauf bestanden, zu bezahlen – eine Geste, die allem widersprach, was ihm je beigebracht worden war. Aber er konnte nur zu gut nachvollziehen, dass sie so die Kontrolle behalten wollte.
Mittlerweile faszinierte ihn Elise sogar noch mehr als kurz nach ihrem ersten Treffen. Sie kannte sich gut in ihrem Business aus. Angels’ Share war eindeutig ihre Leidenschaft, und ihre Schwestern bedeuteten ihr einfach alles. Diese Loyalität zur Familie und dem Geschäft war ihm nur allzu bekannt. In letzter Zeit ruhten die Blicke aller auf ihm, fest in der Erwartung, dass er das Erbe der Rodriguez’ antreten würde.
Schnell schob er die erdrückenden Schuldgefühle von sich, während er auf den Parkplatz fuhr. Im Moment konnte er nichts an seinem Privatleben ändern. Stattdessen wollte er lieber die Gesellschaft der Frau neben sich genießen. Vielleicht wäre sie genau die Ablenkung, die er brauchte – auch wenn er ihr eigentlich nicht nachgeben sollte.
„Soll ich Sie vor der Tür oder neben Ihrem Wagen rauslassen?“, fragte er.
Der Regen prasselte weiter aufs Dach, und in der Ferne zuckten Blitze über den Himmel. Eigentlich wäre es ihm lieber gewesen, wenn sie während dieses Sturms nicht gefahren wäre, aber er hatte kein Recht, ihr irgendetwas vorzuschreiben. Davon einmal abgesehen, würde sie seine Hilfe wahrscheinlich niemals annehmen – eine weitere Eigenschaft, die er sehr an ihr zu schätzen wusste. Manche hätten sie wohl als stur bezeichnet, aber er fand, willensstark und fest entschlossen traf es besser. Er führte sein Leben auf genau die gleiche Art.
Elise sah aus dem Fenster und drehte sich dann wieder zu ihm um. „Müssen Sie noch irgendwohin?“
„Nur zurück ins Mietshaus, aber das hat keine Eile. Wieso?“
Lächelnd rückte sie sich die Brille zurecht. Verdammt, da war wieder dieses kribbelnde Verlangen. Was hatte diese Rothaarige nur an sich, das ihn so erregte? Er verbrachte viel Zeit mit schönen Frauen. Wollte er sie vielleicht nur so sehr, weil er sie als tabu betrachtete? Das Wort nein hatte ihm noch nie gefallen, aber das hier war etwas anderes. Hier ging es um seine Selbstdisziplin … und die schien mit jeder Sekunde mehr zu schwinden.
„Ich schulde Ihnen noch eine Tour des gesicherten Bereichs“, sagte sie. „Müssen Sie morgen früh aufstehen?“
Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, hätte er diese Einladung unmöglich ablehnen können. „Ich habe morgen um eins den Termin zur Verkostung Ihrer exklusiven Label“, antwortete er. „Und die nächste Tour steht erst in drei Tagen an, nicht weit von hier.“
Elise winkte ab. „Ach, die können Sie sich eigentlich sparen. Warum Ihre Zeit verschwenden, wenn Sie doch bereits vom Besten gekostet haben?“
Er konnte sich nicht helfen: Sofort blitzte in seinen Gedanken ein Bild von Elise auf, komplett entblößt, nackt bis auf die Brille, das rote Haar auf ihren Schultern ausgebreitet, während er sie in Besitz nahm. „Wie könnte ich der Besten je widerstehen?!“
Das Lächeln auf ihren Lippen erlosch, und ihr Blick schoss zu seinen Lippen, gerade lang genug, um ihn wissen zu lassen, dass diese Anziehung auf Gegenseitigkeit beruhte. Oh, sie focht wahrscheinlich genau den gleichen inneren Kampf aus wie er. Das war gut zu wissen, denn er hatte keine Ahnung, wie lang er sich noch davon abhalten konnte, sie zu berühren. Was würde ein Kuss schon schaden? Sie waren beide erwachsen und fühlten sich ganz offensichtlich zueinander hingezogen.
„Bereit, loszurennen?“, fragte sie, ein breites Lächeln auf den Lippen.
Antonio nickte und grinste schief. „Sie sind ja ganz schön aufgeregt.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich liebe Gewitter, und ich liebe es, den Leuten zu zeigen, was wir hier geschaffen haben. Wie könnte ich da nicht aufgeregt sein?“
Ihre Begeisterung war ansteckend. Er mochte zwar eigentlich keine Stürme, aber er mochte Elise. Nach nur einem Tag in ihrer Gegenwart hatte er die Sorgen um seine Eltern und seine Zukunft beinah vergessen. Es war ihm ein Rätsel, wie sie das schaffte – aber er würde dieses Rätsel lösen.
„Nach Ihnen“, sagte er und stellte den Motor ab. „Auf drei. Bereit?“
Sie nickte und umklammerte den Türgriff.
„Eins, zwei …“
„Drei!“, rief sie und sprang aus dem Auto.
Antonio lief ihr nach, vornübergebeugt, um dem Wind weniger Angriffsfläche zu bieten. Kühler Regen prasselte ihm auf den Rücken. Als er die Tür erreichte, hatte Elise sie bereits aufgesperrt. Sie traten ein, und Antonio säuberte die Schuhe auf einer großen Matte mit dem Logo von Angels’ Share, während Elise die Alarmanlage abschaltete. Die Tür verriegelte sich wieder, und das Licht ging an.
„Hier kann es nachts ganz schön gruselig werden, besonders während eines Sturms.“ Sie wischte sich die Regentropfen vom Gesicht und legte sich das Haar über eine Schulter. „Aber ich kann mir trotzdem keinen besseren Zeitpunkt vorstellen, Sie hier rumzuführen. Dieser Ort ist so wahnsinnig geschichtsträchtig.“
„Das Schloss hat mich schon in seinen Bann gezogen, als ich es auf Ihrer Website gesehen habe“, erklärte er. „Als ich heute Morgen hier ankam, habe ich mich gleich wie zu Hause gefühlt.“
Sie neigte den Kopf zur Seite und trocknete ihre Brille am Saum ihrer Bluse. „Inwiefern?“
Antonio zog ein Stofftaschentuch aus der Hosentasche und bot es ihr an. Ihre Hand streifte seine, und erneut verspürte er dieses Verlangen. Das Gefühl selbst war wenig überraschend, der Auslöser jedoch umso mehr. Er hatte nicht gewusst, dass selbst eine simple Berührung wie diese einen solchen Effekt haben konnte.
„Meine Heimatstadt hat auch eine lange Geschichte“, meinte er. „Das Schloss dort ist sogar noch ein wenig älter als das hier, und in der Innenstadt gibt es auch mehrere historische Gebäude.“
Sie starrte ihn an, ohne das Tuch in seiner Hand entgegenzunehmen.
„Was?“, fragte er.
„Das klingt faszinierend. Aber wollen Sie wirklich so tun, als sei es normal, ein Stofftaschentuch mit sich herumzutragen?“
Antonio nahm ihr die Brille ab und putzte die Gläser für sie. „Für mich ist das normal. Meine Eltern haben mir gute Manieren beigebracht, und mein Vater hat immer ein Taschentuch bei sich. Ich schätze, diese Angewohnheit hat er an mich weitergegeben. Es ist irgendwie albern, aber bisher habe ich das nie hinterfragt.“
„Sie müssen sehr stolz auf Sie sein.“
Natürlich waren sie das. Schließlich gingen sie immer noch fest davon aus, dass er ihre Dynastie übernehmen würde. Sie hatten ihm stillschweigend eine große Last zugemutet, eine Last, die er unbedingt an jemand anderen abgeben wollte. Aber wie sollte er das den Menschen antun, die ihn über alles liebten?
Er antwortete nicht. Stattdessen trat er vor und setzte Elise die Brille wieder auf. Sie sah zu ihm auf, hielt ihn mit ihrem Blick gefangen, machte es ihm unmöglich, auch nur zu atmen.
Draußen grollte der Donner, und ein Teil von ihm wollte die Außenwelt einfach ignorieren, wollte alles um sich herum vergessen. Alles – außer dieser sexuellen Anziehung zwischen ihnen. Aber das war doch verrückt. Er hatte sie erst heute Morgen kennengelernt und war aus rein beruflichen Gründen hier, weiter nichts.
Aber das stimmte nicht. Da war mehr, so viel mehr als ursprünglich geplant. Er wollte auch noch den letzten Zentimeter zwischen ihnen überbrücken und ihren Mund mit seinem bedecken. Der Drang, sie zu schmecken, ihr den Regen von den Lippen zu küssen und sie auf ganz neue Art und Weise zu erkunden, war schier übermächtig.
So sehr hatte es ihn noch nie zuvor nach einer Frau verlangt – und er konnte diese Ablenkung wirklich gebrauchen. Die beste Art, all seine Sorgen zu vergessen, war nun mal die Gesellschaft einer faszinierenden Frau.
Elise räusperte sich blinzelnd und trat einen Schritt zurück. Der Bann war gebrochen. Antonio hatte seine Chance verpasst, und er wünschte, er hätte sie einfach ergriffen. Wie hätte sie wohl reagiert? Zweifellos hätte sie den Kuss erwidert, da war er ganz sicher. Und er würde es noch herausfinden … bald.
Jedes Mal, wenn er sich ihr ein wenig näherte, versteckte sie sich wieder hinter dieser Maske. Aber früher oder später würde er sie ihr abnehmen und die wahre Elise erblicken. Verdammt, sie merkte wahrscheinlich gar nicht, wie sie ihn unwissentlich herausforderte, aber das tat sie. Und er genoss es.
„Wollen wir dann anfangen?“, fragte sie und rückte ihre Brille zurecht.
„Ich gehöre ganz Ihnen.“
Sie senkte leicht die Lider, und er sah, wie die Hauptschlagader an ihrem Hals pochte. Oh ja. Sie wollte ihn ebenso sehr küssen wie er sie. Sein Körper reagierte auf diese Erkenntnis, und das Verlangen wuchs. Und dafür war nur er allein verantwortlich. Hätte er sie nicht zum Essen eingeladen, befänden sie sich jetzt nicht in dieser Situation. Dann wäre er längst zurück in seinem Ferienhaus und außerhalb der Gefahrenzone.
Aber seine Gefühle waren nicht das einzige Problem. Nein, das wahre Problem war die Leidenschaft in Elises Augen. Die Anziehung war einfach zu stark. Er konnte diesen Blick nicht ignorieren, konnte nicht ausblenden, dass sie genauso sehr mit sich kämpfte wie er.
„Fangen wir ganz vorn an“, sagte sie. „Ich zeige Ihnen zuerst den Maischebereich: Dort kommt dieser himmlische Duft her, den man riecht, sobald man das Gebäude betritt. In unserem Souvenirladen gibt es sogar eine entsprechende Duftkerze.“
Sie wandte sich von ihm ab, und Antonio folgte ihr, den Blick auf ihre schwingenden Hüften gerichtet. Eine Frau, die sich so aufs Geschäft konzentrierte, hatte sicher eine Menge unbefriedigter Bedürfnisse. Und er wollte sie befriedigen. Nein, er musste sie befriedigen.
Elise führte ihn eine Metalltreppe hinauf, und der Geruch nach Hefe und Maische wurde stärker. Doch selbst das konnte ihn nicht von seinen erotischen Gedanken ablenken. Sosehr sie sich auch bemühte, die professionelle Fassade aufrechtzuerhalten, wusste er doch, was dahinter brodelte. Sie mochten sich gerade erst kennengelernt haben, aber er kannte sich mit Frauen aus. Er sah ihr an, wie sehr sie ihn wollte, brauchte.
Er konnte nur noch daran denken, dass sie allein waren, während draußen wie drinnen ein Sturm wütete. Das Einzige, was sie davon abhielt, die Grenze der Professionalität zu überschreiten, waren sie selbst … und er für seinen Teil war absolut bereit, alle Gründe zu ignorieren, die dagegensprachen.
„Angels’ Share beginnt seinen Maischeprozess auf recht einzigartige Weise. Dieses Geheimnis verraten wir nicht mal unseren exklusivsten Kunden.“ Sie schenkte ihm ein stolzes Lächeln. „Noch nicht mal unsere VIP-Kunden kennen es. Aber sobald Sie auch andere Destillerien besuchen, wird Ihnen sicher auffallen, wie frisch es hier im Vergleich riecht. Mehr kann ich Ihnen nicht verraten.“
Er hörte ihr weiter zu, während sie auf verschiedene Gerätschaften zeigte und ihm erzählte, wie sie das Unternehmen ins Leben gerufen hatten, wie viel Geld sie sich hatten leihen müssen und wie viele Gefallen nötig gewesen waren, um das hier auf die Beine zu stellen. Das war wirklich ziemlich beeindruckend, vor allem wenn man bedachte, dass Bourbon mehrere Jahre reifen musste, ehe er zum Verkauf angeboten werden konnte. Die drei Schwestern waren die Sache klug angegangen: Indem sie auch Gin anboten, hatten sie bereits ein paar Kunden akquirieren können, ehe ihre ersten Bourbons fertig wurden. Jetzt, da ihr zehnjähriger Bourbon bald auf den Markt kommen sollte, waren sie schon äußerst bekannt.
Köpfchen und Schönheit – was sollte da schon schiefgehen?
„Wir verkaufen schon jetzt ausgezeichneten Gin und Bourbon, und wie Sie wissen, stellen wir auf unserer Jubiläumsgala unseren ersten Zehnjährigen vor.“ Sie drehte sich zu ihm um, ein strahlendes Lächeln auf den Lippen, während sie ihre Brille richtete. „Falls Sie zu dem Zeitpunkt immer noch in der Gegend sein sollten, sind Sie herzlich eingeladen.“
Er würde sicherstellen, dass er in der Stadt war, egal, wie viele Termine er dafür verschieben musste.
„Also, wo reisen Sie denn später noch hin?“, fragte sie. „Ich wüsste gern mehr über die Konkurrenz.“
„Gerade haben Sie keine richtige Konkurrenz. Sie sind meine oberste Priorität.“
Elise bedeutete ihm, ihr zu folgen. „Dann führe ich Sie mal weiter herum, um sicherzustellen, dass das auch so bleibt.“
Teufel noch mal, das war eigentlich gar nicht nötig. Wenn es nach ihm ginge, würde Angels’ Share definitiv einen Deal mit seiner Familie bekommen.
Abgesehen davon, dass Elise ihn völlig in ihren Bann geschlagen hatte, war auch die Verkostung beim früheren Rundgang absolut köstlich gewesen. Der Angels’ Share Bourbon verkörperte einfach alles, was Antonio von einem guten Whiskey erwartete. Und auch der Gin war nicht zu verachten gewesen.
Elise führte ihn zurück nach unten und einen langen schmalen Flur mit steinernen Wänden entlang. Draußen war weiter der Donner zu hören, während sie Antonio eine weitere Treppe hinunterführte. Sie gingen zu einem Keller, den er bisher gar nicht bemerkt hatte. Vor einer Stahltür blieben sie kurz stehen, und Elise gab einen Sicherheitscode ein. Ein lautes Piepen ertönte, ehe das Türschloss klickte. Sie drückte die Tür auf, und das Scharnier knarrte laut.
Antonio lachte. „Das fühlt sich an wie der Beginn eines Vermisstenfalls“, witzelte er. „Ein altes Schloss, ein Sturm, ein Kerker …“
Sie stimmte in sein Lachen mit ein und ließ ihm den Vortritt. „Ich versichere Ihnen, ich habe nicht vor, Sie zu entführen. Dieser Raum ist mein absoluter Lieblingsort im Schloss. Normalerweise lassen wir hier niemanden rein. Sogar die meisten Angestellten wissen nicht, dass er existiert. Und die Angestellten, die davon wissen, kennen den Zugangscode nicht.“
Und doch hatte sie ihn hergebracht. Das sprach Bände darüber, wie tief die Verbindung zwischen ihnen bereits ging. Elise stellte einfach die perfekte Ablenkung dar. Er hatte gewusst, dass eine Reise durch die Staaten ihn gut beschäftigen würde, sodass er nicht mehr ständig über das überfällige Gespräch mit seinen Eltern nachdenken musste. Irgendetwas fehlte ihm einfach in seinem Leben, und er hatte keine Ahnung, was es war. Aber bis er es herausfand, vertrieb er sich nur zu gern die Zeit mit intelligenten Frauen. „Und was ist das für ein Raum?“, fragte er.
Elise führte ihn einen weiteren Flur hinunter zu einer anderen Tür. Die Hand bereits auf dem Türknauf, sah sie über die Schulter. „Hier finden Sie die ganze Geschichte des Schlosses.“
Er folgte ihr in den Raum. Die steinernen Wände beherbergten einen alten Schreibtisch in einer Ecke, ein deckenhohes Regal in einer anderen. Das war – abgesehen von einer Deckenlampe – das komplette Mobiliar. „Sind Sie sicher, dass Sie mich nicht gleich hier einsperren wollen?“, scherzte er.
Elise trat vor das Regal und zog ein Buch heraus, ehe sie seinen Blick erwiderte. „Wollen Sie etwa hier eingesperrt werden?“
„Flirten Sie gerade mit mir?“
Elise schürzte die Lippen. „Nein. Wir sind zum Arbeiten hier, schon vergessen?“
Es fiel ihm tatsächlich schwer, das nicht zu vergessen. Und so, wie sie ihn ständig anlächelte und sich die Brille gerade rückte, sollte er sich bald von ihr verabschieden.
Sie legte das Buch auf den Schreibtisch und schlug es vorsichtig auf. Beim näheren Hinsehen wirkte es sehr alt. Die vergilbten Seiten waren an den Rändern zerfasert, und die kursive Schrift darauf war zugleich elegant und schwer lesbar. Geschichte hatte ihn schon immer fasziniert, und Elises begeisterter Miene nach zu urteilen, war das nur eine weitere ihrer Gemeinsamkeiten.
Nicht, dass er auf eine tiefergehende Bindung aus war. Langzeitbeziehungen waren nichts für ihn. Klar, für seine Eltern hatte das super funktioniert. Er konnte nicht abstreiten, wie sehr die beiden einander liebten, seit sie sich bei den Dreharbeiten eines gemeinsamen Films kennengelernt hatten. Und es war ja nicht so, als würde er nicht an die Liebe glauben. Er bezweifelte bloß, ob er sich für den Rest seines Lebens an eine einzelne Person binden wollte. Das klang alles so … endgültig.
Wenn er jemandem sein Herz öffnete, würde das nur zu Schmerz und Verlust führen. Das Risiko konnte er einfach nicht eingehen, nicht nachdem er bereits jemanden verloren hatte, der ihm alles bedeutete.
Abgesehen davon gefiel es ihm, spontan um die Welt reisen und sein eigenes Ding durchziehen zu können. Vielleicht machte ihn das zu einem Egoisten – aber immerhin war er ehrlich.
„Also, was genau schauen wir uns da an?“, fragte er und stellte sich neben Elise an den Tisch.
„Das hier ist eins der Tagebücher vom Erbauer des Schlosses. Wir haben sie während der Restaurierungsarbeiten gefunden und bewahren sie hier auf.“
„Ist das Ihr Ernst? Das ist ja der Wahnsinn.“
Antonio wollte gerade einen Blick auf das Datum werfen – da flackerte kurz das Licht.
„Wir sollten wieder nach oben gehen“, meinte Elise. „Wenn der Strom ausfallen sollte, wollen wir nicht hier unten sein.“
Kaum hatte sie den Satz beendet, flackerte die Lampe erneut und erlosch. Prompt herrschte völlige Dunkelheit. Antonio wartete kurz ab, ob das Licht wieder anging, doch vergebens.
Elise fluchte leise, schaltete die Taschenlampe an ihrem Handy ein und ging hinaus. Das undamenhafte Stöhnen vom Flur her verriet ihm alles, was er wissen musste. „Stecken wir hier fest?“
„Vorerst schon. Sie leiden doch nicht unter Klaustrophobie, oder?“
Antonio schüttelte den Kopf, ehe ihm einfiel, dass sie ihn wahrscheinlich nicht sehen konnte. „Nein“, sagte er. „Haben Sie hier unten Empfang?“
Sie drehte das Handy um und hielt es hoch, während sie quer durch den Raum ging. Antonio holte sein Handy raus und tat das Gleiche … doch vergeblich. Sie befanden sich unter der Erde und waren umgeben von dicken Steinmauern.
„Tja, die gute Nachricht ist, dass es hier unten eine Toilette gibt.“ Sie lachte nervös. „Die schlechte Nachricht ist, dass erst morgen früh wieder jemand herkommen wird.“
„Das klingt für mich nicht nach schlechten Nachrichten“, erwiderte er. „Eher so, als hätten wir jetzt jede Menge Zeit, uns besser kennenzulernen.“
Warum klang das bloß wie die verlockendste Drohung, die Elise je gehört hatte? Sie hatte Antonio nicht hergebracht, um ihn zu verführen. Aber nun saßen sie in einem alten Kerker ohne Licht fest, in einer aufgeladenen Atmosphäre sexueller Spannung.
Von den drei Schwestern war Elise diejenige, die eigentlich nie in solchen Situationen landete. Während ihrer Kindheit war immer Delilah die Schelmische von ihnen gewesen, und Sara hätte es sehr genossen, während eines Sturms mit einem heißen Kerl im Keller festzusitzen. Aber Elise sah das eigentlich gar nicht ähnlich.
Sie war immer die Fleißigste gewesen, diejenige, die sich an sämtliche Regeln hielt. Sie hatte ihre Schwestern auf Kurs gehalten, sodass sie ihren Traum verwirklichen konnten, egal wie viele Dinge sich ihnen auch in den Weg stellten.