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Alles, was er auf Erden den Tieren angetan hat, wird dem alten Florian, erst jetzt schmerzlich bewusst. Er ist beschämt, kann ihnen nicht in die Augen sehen, diesen armen Kreaturen, denen er Leid zugefügt hat. Niemand käme ungeschoren an ihnen vorbei, nahmen sie sich vor. Sie üben Rache an Florian. So lange, bis er sein Unrecht eingesehen und verbüsst hat.
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Seitenzahl: 54
Veröffentlichungsjahr: 2013
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Heidi Hollmann
Die Anklage der Tiere
Vergeltung
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Die Anklage der Tiere
Impressum neobooks
Florian rang nach Luft, warf das Fischbesteck von sich. Der Druck in seinem Kopf wurde unerträglich. Er bekam Angst. Eine Hitzewelle überflutete seinen Körper. Kurz danach wurde ihm eiskalt. Nebelschwaden wabberten vor seinen Augen. Danach sah er nichts mehr. Es wurde Nacht um ihn. Er sackte in sich zusammen, fiel rücklings von seinem Stuhl. Das Poltern bekam er noch mit. Es wurde von einem fürchterlichen Rauschen abgelöst. Dieses Geräusch war das Letzte, was er wahrnahm.
Dann sah er es, das Licht, von dem er schon so oft gehört hatte!
Er hob sehnsuchtsvoll die Hände, hatte keinen anderen Wunsch, als dieser Helligkeit entgegenzustreben. Wie von einem Sog hoch gerissen, stieg er in rasender Geschwindigkeit höher und höher. Ein nie gekanntes Glücksgefühl durchströmte ihn. Weiter stieg er himmelwärts. Die Erde unter ihm wurde kleiner und kleiner. Es roch den herben Duft der Tannen. Der Fluss schlängelte sich silbrig schimmernd durch das blühende Tal. Wieder wurde er von einem wohligen Gefühl durchflutet. Er fühlte sich frei und leicht, wie niemals zuvor. Er schloss die Augen, vernahm die Melodie des Windes und fühlte sich vollkommen behaglich und geborgen. Er gab sich ganz dieser nicht zu beschreibenden Wonne hin. Wollte nie mehr die Augen öffnen, sich nur noch treiben lassen.
In dem Moment tat es einen Ruck. Er öffnete er die Augen. Vor ihm lag ein riesiges, weit geöffnetes Tor. Es war von einem goldenen Glanz umsäumt. Der Wind verstummte. Florian wurde sanft geschaukelt, fühlte sich leicht wie eine Feder. Er musste die Augen zusammen kneifen, um nicht von diesem überirdischen Licht geblendet zu werden.
Sanft landete er auf einem weichen Moosboden.
Mit klopfendem Herzen durchschritt er das Tor. Links und rechts säumten Tiere den langen Weg, der bis zum Horizont führte. Kleine, mittlere, große Tiere. Überall: Tiere, Tiere, Tiere!
Ein dunkelbraunes Pferd starrte ihm eine Sekunde lang in die Augen, wandte sich danach von ihm ab. Es schüttelte missbilligend seine kräftige Mähne. Florian liebte Pferde, wollte nach dem Vierbeiner greifen. Das Tier aber bleckte seine kaum abgenutzten Zähne.
Es musste sich um ein noch sehr junges Pferd handeln.
„Wenn nicht sogar um ein Fohlen.“ stellte der Ankömmling sachkundig fest. Er wollte das Tierchen streicheln, ging leichtfüßig darauf zu.
„Fass mich nur ja nicht an,“ schnaubte das Fohlen.“ Es tänzelte nervös auf seinen dünnen Beinchen, schlug ab und zu kurz mit den Hinterläufen aus.
Florian zog seine Hand zurück und fuhr sich irritiert durch sein schütteres Haar.
Er hatte schon viel erlebt in seinem langen Leben. Sicher, es gab sprechende Tiere, sein Papagei zum Beispiel, den er hatte zurücklassen müssen. Aber ein sprechendes Pferd?
„Ja, ich weiß, wie sehr erstaunt du bist,“ wieherte das Huftier. Es stellte danach fest:
„Eigentlich müsste ich dir bekannt vorkommen!“
„Ich glaube kaum,“ meinte Florian und räusperte sich. Seine Stimme hörte sich ablehnend, sogar ein wenig arrogant an. Ihm fiel es selber auf.
„Nun ja, in meiner jetzigen Form wirst du mich ganz sicher nicht in Erinnerung haben, aber wir haben schon einmal Bekanntschaft miteinander gemacht. Glaub mir, ich irre mich nicht, niemals!“
Florian schüttelte verneinend den Kopf.
„Ich will dir auf die Sprünge helfen,“ wieherte sein Gegenüber.
„Für dich war das damals eine schöne Sache, für mich allerdings weniger.“
„Kannst du dich an das Erntedankfest im vorigen Jahr erinnern, an dem dir vor Gier der Speichel aus dem Mund lief, als du auf deinen Teller mit Sauerbraten und Klößen gestiert hast. Du hattest deinen Speichel nicht mehr unter Kontrolle. Er troff direkt auf einen Teil meiner Lende. Meine arme in Scheiben geschnittene Lende. Das Tier legte seinen Kopf schief, schnaubte einige Male, stellte seine Ohren aufrecht.
„Wie Vielen ich noch zur Befriedigung ihrer verdammten Fresslust gedient habe, weiß ich nicht so genau. Jedenfalls sehe ich den einen oder anderen an mir vorbei flanieren.
Irgendwann landen sie alle hier. Sie kommen an ihren Opfern nicht vorbei. Sie müssen sich ihnen, ob sie es wollen oder nicht, stellen.
Du aber bist mir besonders aufgefallen. Dich erkannte ich sofort wieder. Die Sensiblen unter euch, ich habe es herausgefunden, versuchen, sich mit mir zu versöhnen. Die Hartgesottenen denken eher daran, mir nochmals den Garaus zu machen. Sie gehen auf mich zu, um mich mit bloßen Händen zu erwürgen. Ich könnte mich tot wiehern, als wenn es ihnen gelingen könnte. Diese Typen greifen nämlich stets ins Leere, so oft sie es auch versuchen mögen. Hier ist jedes Tier sicher vor euch Peinigern.“
Nach dieser Erklärung entließ das Fohlen Schaumflocken aus seinem Maul, kam dicht an ihn heran. Florian schaute in eine andere Richtung. Den vorwurfsvollen Blick konnte er nicht ertragen.
Er war alles andere als hartgesotten, war es niemals in seinem langen Leben gewesen.
„Menschenskinder, wenn ich nur geahnt hätte, dass ich jemals mit dir hier zusammentreffen würde,“ stammelte er verstört. „Ich hätte auf keinen Fall....“
„Schon gut, schon gut,“ das Pferdchen schien amüsiert.
„Vorbei ist vorbei, ich bin wieder ganz das, was ich vor meiner Ermordung war. Ein Fohlen, wie im Bilderbuch! Das sagte meine Mutter jedenfalls immer, wenn sie mich liebevoll und voller Stolz betrachtete. Mein Leben war zwar kurz, als man mich meiner Mama wegnahm und zum Schlachter brachte, aber es war nicht unglücklich. Wenn ich an die schönen Tage denke, an denen meine stolze Mama mit mir über die Weiden getrabt ist, ach, war das wundervoll!“ Der Vierbeiner schnaubte begeistert. Danach blähte er seine lichtdurchfluteten Nüstern. Er entließ, diesmal vor Wollust, weiße Schaumflocken au seinem weit geöffnetem Maul.
„Mein Ende allerdings war weniger schön, aber lassen wir das! Du bist schließlich das Produkt deiner Erziehung. „Fleisch ist ein Stück Lebenskraft!“ Das hat man schon der Mama
deiner Mama eingehämmert. Ihr und ihresgleichen. Mit derlei Sprüchen bist du ja groß geworden, mein Lieber!
Dir und den Anderen diente ich als Nahrung. Viel hat es bei dir anscheinend nicht bewirkt, wenn ich dich so betrachte. Siehst richtig mickrig aus, mit der Lebenskraft kann es bei dir nicht so weit her gewesen sein!“ Das Tier wieherte erneut, diesmal vor Häme.
„Wie dem auch sei, du hast jedenfalls einen Teil von mir verzehrt. Gäbe es allerdings keine Konsumenten, wie ihr Menschen euch nennt, hätte man mich nicht zu töten brauchen!“