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Da wo Hilfe nottut, ist Maria zur Stelle. Für ihre vier alten Schwestern, sie ist die Älteste, tritt sie auf Deubel komm raus, ein. Ebenso werden ihre beiden Enkelmädchen Helma und Hetti, die aus ihrer Sicht diese zum Teil skurille Familie wahrnehmen, von ihr behütet.
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Seitenzahl: 99
Veröffentlichungsjahr: 2013
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Heidi Hollmann
In Eile......Mutter
So geht es nicht
Dieses eBook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Impressum
Kapitel 1
Einleitung
Unsere Straße, unsere Häuser, unsere Baumallee wurden in Schwarz-Weiß gezeigt, obwohl es schon längst Farbfernsehen gab. Auf dem Vordach, zum Konsumladen gehörend, in dem wir täglich einkauften, lagen Polizisten auf der Lauer mit ihren Gewehren im Anschlag. Aus einem der uniformen Häuser schlich ein Rothaariger aus der Tür. Uns blieb das Herz fast stehen, erkannten wir in ihm den Herbert F. wieder, dessen vollen Namen wir hier nicht preisgeben möchten. Zu unserem Bedauern war die Fernsehdokumentation vorbei, ehe wir mehr darüber erfahren konnten. Keine schöne Umgebung. In uns kam so vieles hoch, unter anderem Wehmut. Heimat ist Heimat.
Liebe Jartenfreundin!
Wenn du nich bald den Jarten bearbeiten tust ist es aus mit den. Die kriejst in abjenommen. Unkraut is hoch und Wise is in jemmerlichen zustant.
Jartenfreund Emil Begener.
Diesen unbeholfenen, wie besorgten Warnbrief bekam Maria, die Großmutter vonHetti und Helmaim Jahre 1943 nach Ostpreußen geschickt. Gartenfreund Emil Begener, selbst aus Masuren vor dem Krieg nach Düsseldorf verschlagen kam seiner gierigen Frau zuvor, die sich das Pachtland schon seit langem gerne einverleibt hätte. Durch den Brief alarmiert, begann die Adressatin unverzüglich und in aller Hast zu packen.
Die Eltern der Kinder hatten vorsorglich die Drei nach Ostpreußen verfrachtet, wo man noch in Frieden leben konnte. In ihrer Heimatstadt Düsseldorf war das Leben unerträglich geworden. Tag und Nacht flogen britische Bomber über ihre Stadt, wo sie ihre schreckliche Fracht abluden.
Das ostpreußische Sensburg (Masuren) war Maria und den Kindern gleichermaßen gut bekommen, was man der alten Frau vor allem anmerken konnte.
Die meisten Leute im Rheinland waren durch die schlechte Versorgung ausgemergelt. Sie sahen wie Elendshäufchen aus. Von den vielen schlaflosen Nächten, in denen sie immer wieder nach Sirenenalarm die Luftschutzkeller aufsuchen mussten, waren diese Jammergestalten gezeichnet.
Mit ihrer drallen Gestalt fiel die alte Frau höchst unangenehm auf, als sie und ihre beiden Enkelinnen wieder im Lande waren.
Der Grund, für die übereilte Rückkehr, war nicht nur die Angst vor dem Verlust des Pachtlandes, sondern auch vor den vorrückenden Russen. Quasi mit dem letzten Zug kamen sie nach unendlich erscheinender Bahnfahrt am Zielbahnhof Düsseldorf an. Die Enkelmädchen, sechs und acht Jahre alt, waren es gewohnt, irgend jemandem im Zug auf den Schoss gesetzt zu werden. Maria war schon immer gut im Delegieren. Sie selbst stand die ganze Fahrt über in ihrer ganzen Fülle, dicht an dicht, mit anderen Flüchtenden auf dem Gang. Sie schlief sogar dort im Stehen, wie die meisten Reisenden auch. Wenn es gar nicht mehr ging, setzte sie sich einen Moment lang auf ihren Koffer, duselte ein. Dabei immer bemüht in Kurven das Gleichgewicht zu halten. Auch im Westen waren die Züge so gut wie immer überladen. Später und oft genug stand die Bedauernswerte bei Hamsterfahren auf den Trittbrettern der Waggons, während ihre Enkelinnen im Innern bibberten und nie wussten, ob Maria noch mitgekommen war. Auf irgendwelchen Bauernhöfen wurden meist wertvolle Dinge gegen ein paar Lebensmittel eingetauscht. Von ihrem Abteil aus, konnten die Kinder häufig draußen auf den Trittbrettern in der Kurve Maria und andere Leidensgenossen, meist Frauen, betrachten. Sie klammerten sich an den Einstiegsgriffen der Züge fest. Bei Eis und Kälte kein Vergnügen. Lange und auch häufige Fahrten wurden auf diese Art und Weise durchgeführt. Vor allem im Winter konnte es passieren, dass den Leute auf den Trittbrettern die Hände einfroren und sie sich mehr halten konnten und es zu Unglücken kam. Das befürchteten auch die Geschwister und waren heilfroh, wenn sie ihre Oma Maria wieder gesund in die Arme schließen konnten. Sie mussten immer weiter ins Land hineinfahren, um bei den Bauern Dinge einzutauschen, die entbehrlich schienen, um dafür vielleicht ein
Bröckchen Fleisch oder Speck zu ergattern. Oftmals waren die Hamsterfahrten ergebnislos, weil viele Landwirte nicht mehr heiß auf die Gegenstände waren, die sie Dutzendfach gelagert hatten und die ihnen nur unnötig Platz wegnahmen. Man munkelte, ihre Schweineställe wären mittlerweile mit Perserteppichen bestückt. Meistens traf man auf Frauen, wobei die Jungen unter ihnen sogar auf die Dächer kletterten, was diese unseligen Fahrten besonders gefährlich werden ließen. Männer sah man kaum, sie waren allesamt an der Front. Bis auf einige Heimaturlauber und Verwundete, waren sie Mangelware. Die meisten von ihnen hatten ein Bein oder einen Arm verloren. Dieser ungewohnte Anblick auf den Bahnhöfen wirkte so schockierend auf Hetti, die Jüngere, so dass sie schreiend in Marias Arme lief, um sich von ihr beruhigen zu lassen.
So an die Dralle geschmiegt, war wieder alles gut. Helma, ihre Schwester nahm das alles gelassen hin.
Maria hatte ein Lebendgewicht von mindestens zwei Zentnern, bei einer Größe von höchstens Einemmeterfünfundfünzig. Angefuttert im masurischen Schlaraffenland. Sie fiel unangenehmst auf. Aber das legte sich schnell, als auch sie aus bestimmten Gründen weniger zu futtern bekam, als ihr lieb war.
Ihre Tochter hatte damals ihre Mutter nur deshalb erkannt, weil sie die beiden Mädchen im Schlepptau hielt.
Die stämmige Frau blieb immer noch ziemlich füllig, egal, wie schlecht die Zeiten auch waren. Dabei aß sie noch nicht einmal übermäßig, dafür aber ziemlich fett.
Als Bauerntochter war sie gutes Essen gewohnt, bis zu dem Zeitpunkt an dem ihre Eltern aus dem westfälischen Haltern, durch einen gelegten Brand, Haus und Hof verloren.
Aus finanztechnischen Gründen war dem einzigen Bruder ihrer Mutter der Hof überschrieben
worden. Als die Versicherung den Brandschaden deckte, kassierte dieser Mensch die volle Summe, die er seiner Schwester vorenthielt. Dieser Lumpenhund, machte sich mit dem unterschlagenen Betrag ein flottes Leben, wovon Maria ihren Enkelkindern hier und da berichtete, wenn sie bisweilen solch unselige Erinnerungen übermannten.
Noch in der Brandnacht blieb damals der Familie mit ihren sechs Kindern nichts anderes übrig, als sich eine neue Bleibe zu suchen. Der Familienvorstand, von Beruf Glasbläsermeister, erhoffte in Düsseldorf eine Anstellung in der dort seit langem ansässigen Glashütte zu finden.
So spannte er in der Brandnacht die Gig an, seinen zweirädrigen Karren, der dem Feuer nicht zum Opfer gefallen war. Er hob seine fünf Mädchen, seine Frau und den Jüngsten, alle noch in ihren Nachtgewändern, auf den Wagen.
Kurz darauf verloren sie ein Rad. Vermutlich hatte ein gemeiner Nachbar den Spinnt gelöst. Nachdem der Familienvater unter Fluchen, es war sein Markenzeichen, endlich das Rad wieder dort angebracht hatte, wo es hingehörte, beobachtete Maria als Älteste der Kinder, wie eine Nachbarin hämisch grinsend am beleuchteten Fenster stand und die Szenerie genoss.
Ihr Vater war alles andere, als gelitten, in diesem kleinen westfälischen Dörfchen nahe Haltern und niemand konnte verstehen, wieso diese liebenswerte Erbin des schönen Hofes einen solchen Rüpel hatte ehelichen können. Er eckte laufend an und man wünschte ihm alles, nur nichts Gutes. Wer auch immer, hatte den Brand jedenfalls nicht umsonst gelegt, dieses Scheusal waren sie allesamt los.
Die Geschwister hielten sich unter ihren Decken bibbernd eng umschlungen, als sie ihrer neuen Heimat entgegen fuhren. Wie gern hätte Maria die Dorfschule weiterhin besucht, die sie nun verlassen musste. Auch wenn sie im Sommer wie im Winter und in Holzschuhen den weiten Weg, zurücklegen musste, hatte sie diese Schule geliebt. Morgens und nachmittags war Unterricht.
Bei dem jungen Dorfschullehrer hatte sie einen Stein im Brett, hoffte der seit geraumer Zeit, sie eines Tages heiraten zu können. Er war übrigens der Einzige und nicht uneigennützig, der es wagte mit dieser Familie zu verkehren. In einen solchen Hof einheiraten zu können, wäre nicht das Schlechteste für ihn, dachte er so manches Mal und wenn man den Alten zu nehmen wusste, war der noch nicht einmal so übel wie man allgemein annahm. Zudem war die Bäuerin eine gebildete, wie gütige Frau und vor allem, belesen.
Als Lehrer ansonsten gern zum Tadeln bereit, hielt er sich bei seiner Schülerin, die ja seiner Vorstellung nach einmal seine Zukünftige sein würde, stark zurück. Aber etwas ging dem feinen „Pinkel“, wie die tüchtige Schülerin den Mann aus der Stadt nannte, wohl doch gegen den Strich und er sagte eines morgens: „Maria, du hast eine Sauklaue! Ich glaube, ich muss mal deinen Eltern Bescheid geben, damit sich das ändert!”
Seine Schülerin antwortete ihm patzig darauf in ihrem bäuerlichen Dialekt:
„Dann säch doch!” Sollte er sie ruhig verpetzen, sie wusste ja selbst, woher diese “Sauklaue” kam. Allmorgendlich, schon vor dem Schulbeginn musste sie als Älteste die Kühe melken. Eine schwere Arbeit, nicht nur für Kinderhände, die steif wurden und anschwollen.
„Lieber beiß ich mir die Zunge ab, als diesem Stadt-Pinkel davon zu erzählen,“ nahm sie sich vor. Auch die Handarbeitslehrerin hatte es mit diesem charakterstarken Kind nicht leicht. Wenn sie höflich bat:
„Maria , zeige mir bitte einmal deine Handarbeit,” bekam sie das Strickzeug im hohen Bogen zugeworfen mit der Aufforderung: „Fang!”
Nachdem die Lehrerin sich wieder einmal gebückt hatte, wollte sie den Eltern Rapport machen, was wiederum mit einem lakonischen:
„Dann säch doch!” kommentiert wurde.
Außer den Flegeleien in der Schule gab es so Vieles, was die temperamentvolle und aufmüpfige Maria, anstellte. Im Alter von acht Jahren wäre sie beinahe nicht viel älter geworden.
Einmal im Jahr, in der Ferienzeit, gastierte ein kleiner Circus auf dem großen Dorfplatz, auf den sich die Kinder natürlich schon lange freuten. Sehr lange hatten sie dafür gespart und endlich war es so weit. Maria sah mit leuchtenden Augen die Artisten auf den Pferderücken stehen, die ihre Kunststückchen vorführten.
„Pah, das kann ich auch” sagte sie hernach zu ihrer Mutter, die ihr das herzlich gern glaubte. Dieses Kind hatte sie noch niemals enttäuscht.
Gleich am nächsten Tag stand Maria noch früher als gewohnt auf, schnappte sich den alten Ackergaul noch bevor er an den Heuwagen gespannt werden konnte und ritt mit ihm wie so häufig in den nahen Wald. Außer Reichweite ritt sie natürlich auf Zirkusart. Hoch oben auf dem Rücken des Tieres wurde ihr doch ein wenig bang ums Herz. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit hatte sie sich an den Rhythmus des Pferdes gewöhnt und es klappte ganz vorzüglich. Das Kind ging in die Knie, schnellte wieder hoch und passte sich dem Gang des Tieres an. Erst als das Bucheckernfeld auftauchte, hielt das Tier wie gewohnt, inne, fraß sich voll und lief selbstständig den staubigen Weg zurück. Maria fühlte sich noch immer als Artistin und übersah in ihrem Eifer die Gefahrenquelle, die rasend schnell auf sie zukam.
Im letzten Augenblick riss ein Knecht die „Artistin” vom Pferd, bevor der Torbalken ihr
den Kopf zerdeppert hätte. Auf dem Hof fand das aufgeweckte Kind viel Abwechslung. Die Schweineschlachtung zum Beispiel. Der angeforderte Schlachter hatte einem Tier das riesige Messer tief in den Kamm gestoßen, als Maria von einem Drang aufzusitzen befallen wurde. Sie sprang mir nichts, dir nichts auf das verängstigte Tier, dass sich im selben Augenblick unvorhersehbar aufbäumte und mit dem vor Überraschung aufschreienden Mädchen davon galoppierte. Das Tier sauste voller Panik über die Brücke in Richtung Dorfplatz, wo sich die kleine Dorfkapelle befand. Dort vor dem Eingang brach das stark blutende und ächzende Schwein zusammen.
Man zog das Kind unter dem Fettwanst hervor. Außer einer mächtigen Prellung am Bein, war die „Artistin“ mit dem Schrecken, wie man so schön blöd sagt, davongekommen. Die Dorfnachbarn lachten sich krumm. Das katholische Schwein hätte wohl noch schnell zur Beichte rennen wollen, mutmaßten sie.
Wie wohl eine Großstadt sein würde, fragte sich Maria, die auf der Gig vor Aufregung keinen Schlaf fand.
Ihr Vater bekam tatsächlich eine Anstellung an der Düsseldorfer Glashütte. Auch fanden sie in einem alten Hinterhofgebäude einen Unterschlupf in einem uralten Backsteingebäude.
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