Die Befreiung von der Geld- und Zinsherrschaft - Georg Blumenthal - E-Book

Die Befreiung von der Geld- und Zinsherrschaft E-Book

Georg Blumenthal

0,0

Beschreibung

Georg Blumenthal war Begründer der Physiokratischen Bewegung und enger Mitarbeiter Silvio Gesells. Er setzte sich für die Abschaffung des arbeitslosen Einkommens ein, das durch Grundrente und Kapitalzins entsteht. Die Abschaffung sollte durch die von ihm und der Freiwirtschaftsbewegung um Silvio Gesell geforderte Geld- und Bodenreform ermöglicht werden. Sein Werk "Die Befreiung von der Geld- und Zinsherrschaft" erschien erstmals 1916. Aus dem Inhalt: Eine allgemeine Begleiterscheinung des modernen Kapitalismus, bildet die Armut greller Volksmassen, bei gleichzeitiger Aufhäufung riesiger Reichtümer in den Händen einzelner. Während die einen trotz aller Arbeit immer arm bleiben, vermehrt sich der Reichtum der anderen schließlich sogar ohne eigene Arbeit. Die Übermacht des Geldes, die sich im "Zins" ausdrückt, ist die Ursache dafür, dass die Reichen ohne eigenes Verdienst immer reicher werden — und die Armen ohne Schuld immer arm bleiben, dass die Arbeiter dazu verurteilt sind, ewig armselige Proletarier zu sein. Ob wir uns durch Arbeitsvertrag Produktionsmittel leihen (arbeiten), ob wir uns durch Mietvertrag eine Wohnung leihen (mieten), ob wir uns durch eine Fahrkarte die Bahn oder ein Schiff leihen (reisen), oder ob wir als Konsumenten das Kapital des Kaufmanns, seines Lieferanten und seines Hauswirtes in Anspruch nehmen — auf Schritt und Tritt sind wir alle Zinssklaven des Kapitals. Das ist ja eben das Ungeheuerliche beim Zins, dass es sich dabei nicht um eine einmalige Erstattung, wie beim Lohn oder jeder anderen Verpflichtung handelt, sondern um eine fortwährende Zahlung, die im Laufe der Zeit schließlich das Vielfache der ursprünglichen Schuld beträgt, ohne dass diese selbst dadurch getilgt würde. In der Beseitigung der Zinswirtschaft, die zur Beseitigung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung überhaupt führt, ist der einzig gangbare Weg zur finanziellen, wirtschaftlichen und politischen Gesundung gegeben. Erstveröffentlichung: 1916, Autor: Georg Blumenthal 2. E-Book-Auflage 2018 Umfang: ca. 120 Buchseiten, 20 Kapitel

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 156

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Georg Blumenthal

Die Befreiung

von der

Geld-undZins-Herrschaft.

Ein neuer Weg zur Überwindung des Kapitalismus.

1. Tausend

1916.

Physiokratischer Verlag, Berlin Lichterfelde, Ringstr. 49.

Impressum

Hergestellt unter genehmigter Verwendung der von Georg Blumenthals Enkel Anselm Rapp angefertigten PDF-Reproduktion des Originals.

Erstveröffentlichung: Physiokratischer Verlag, Berlin Lichterfelde, 1916

Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de, 2. Auflage 2018

Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag

Original-Copyright:

Alle Rechte — insbesondere das der Übersetzung — vorbehalten.

Privilege of Copy right in the United States reserved under the

Act approved March 3, 1905 by Georg Blumenthal.

Inhalt
Impressum
Vorwort des Verfassers!
Erster Teil
I. Das Geld als Kulturfaktor.
II. Das Geld als Tauschmittel.
III. Die Unregelmäßigkeit des Geldumlaufes und ihre Wirkungen.
IV. Wert oder Preis?
V. Angebot und Nachfrage.
VI. Die Ausnahmestellung des Geldes in der Volkswirtschaft.
VII. Das Geld als Ur-Kapital.
VIII. Die Arbeitsprodukte als Real-Kapital.
IX. Der Kapitalzins als Vorbedingung des volkswirtschaftlichen Kredites und als Ursache der Massenarmut.
X. Was bedeuten 5% Kapitalzins in der Volkswirtschaft.
XI. Die indirekten Schädigungen der Volkswirtschaft durch den Kapitalzins.
a) Unterproduktion an Realkapital.
b) Sogenannte „Überproduktion“ an Waren.
c) Erschwerung und Verteuerung des Handels.
XII. Die Unterschätzung der Macht des Geldes.
Zweiter Teil
I. Voraussetzungen für die Reform des Geldwesens.
II. Das physiokratische Geld und seine öffentliche Verwaltung.
III. Das Sparen und die Unentgeltlichkeit des volkswirtschaftlichen Kredites.
IV. Die Überführung der Zinsrate des Kapitals in den Arbeitsertrag aller Arbeitenden.
V. Die Wirkung der Geldreform auf das Geschäftsleben und den Privat-Haushalt.
VI. Wie die echte Überproduktion aussieht.
Die Verwirklichung
Anhang
Erklärung des physiokratischen Geldes.
Wirkungen des physiokratischen Geldes.
Die „wirtschaftlichen“ Ursachen des Weltkrieges und seine finanziellen Folgen.
Anmerkungen

Vorwort des Verfassers!

Den Grundriss zu der vorliegenden Arbeit bildete ein Vortrag, den ich am 13. März 1913, einer Aufforderung des Sozialwissenschaftlichen Vereins folgend, in der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin hielt.

Die Fragen und Einwände, welche die Zuhörer an meinen Vortrag knüpften, zeigten mir, dass man bei Ausführungen, wie sie auch in dieser Schrift vorliegen, gar nicht deutlich und umsichtig genug sein kann. Ich fasste deshalb schon damals den Entschluss, den Vortrag unter Hinzufügung und genauerer Ausarbeitung der ursprünglich weniger berücksichtigten Punkte, in Form einer kleinen Druckschrift herauszugeben.

Der inzwischen ausgebrochene Weltkrieg hat in seinem Verlauf zwar in mancher Hinsicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geradezu auf den Kopf gestellt; die hier aufgedeckten Beziehungen zwischen Geld und Ware, Kapital und Arbeit bleiben aber im Allgemeinen trotzdem bestehen und werden bei Eintritt normaler Verhältnisse wieder unbeschränkt Geltung haben. Soweit erforderlich, habe ich der gegenwärtigen, veränderten Sachlage durch einige kurze Hinweise Rechnung getragen.

Meine Ausdrucksweise wird manchen Lesern vielleicht etwas „umständlich“ erscheinen; auch ließen sich Wiederholungen mancher Gedankengänge leider nicht vermeiden, was darauf zurückzuführen ist, dass die verschiedenen Gebiete der Volkswirtschaft den Einwirkungen des Geld- und Zinswesens, die hier in Betracht zu ziehen waren, ganz gleichmäßig unterliegen und sich zudem wechselseitig beeinflussen.

Immerhin hätte ich manchen stilistischen Mangel vermeiden können, musste dann jedoch befürchten, dass dies die Deutlichkeit meiner Ausführungen und somit die Sicherheit des Verständnisses für nationalökonomisch weniger geschulte Leser beeinträchtigen könnte.

Vor diese Wahl gestellt, entschied ich mich, angesichts der Wichtigkeit, die der hier behandelten Materie für die breiten Volksmassen zukommt, vor allem so deutlich wie nur irgend möglich zu sein.

Was ich in diesen Blättern zu sagen habe, sollen alle verstehen können, welchen Standes und Bildungsgrades sie auch sein mögen. Ist mir dies gelungen, so will ich die sonstigen Mängel und Schönheitsfehler meiner Arbeit gern auf mich nehmen.

Indem ich die vorliegende Schrift der Öffentlichkeit übergebe, möchte ich nicht unterlassen, Herrn Silvio Gesell, meinem verehrten Freunde, für die mir allezeit erwiesene Belehrung und Förderung meinen aufrichtigen Dank auszusprechen.

Berlin-Lichterfelde, im Juni 1916.

Georg Blumenthal.

Erster Teil

I. Das Geld als Kulturfaktor.

Geld und Zins! — —

Gibt es wohl ein trockeneres und nüchterneres Thema als dieses?

Und in der Tat, das Gebiet, auf das uns die nachfolgenden Untersuchungen führen, steht allgemein in dem Rufe, dass es keinerlei Spielraum für die Phantasie und das Gemüt bietet; nur verstandesgemäßes, folgerichtiges Denken hat hier Raum und kann zur Lösung der Fragen führen, die das Geld- und Zinsproblem uns stellt.

Dass wir uns hier einesozialpolitischeBeleuchtung des bisher noch ziemlich dunklen Gebietes zur Aufgabe stellen, dürfte vielleicht dazu beitragen, den eisigen Vernunfthauch, der von ihm ausgeht, etwas zu mildern. Die so nüchternen, nackten Tatsachen sollen hier in das wärmere Licht der sozialen Gerechtigkeit gerückt werden. Aber das anfangs erwähnte Urteil behält trotzdem eine gewisse Berechtigung und dies ist wohl auch der Grund, weshalb man bisher das Studium des Geld- und Zinsproblems so arg vernachlässigt hat.

Seit einiger Zeit ist dies freilich insofern anders geworden, als allerlei bedenkliche Erscheinungen, die sich seit Jahren auf dem Geldmarkt bemerkbar machten, dahin gewirkt haben, dass sich nunmehr auch diejenigen Kreise der Bevölkerung, denen sonst das Studium dieser Materie gänzlich fern liegt, in zunehmendem Maße mit den Fragen des Geldwesens beschäftigen. Und besonders der Krieg, mit seinen finanziellen Begleitumständen, hat mehr als alles andere dazu beigetragen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf dies bisher wenig beachtete Gebiet zu lenken. Man begreift allmählich, dass das Geldwesen eine überaus wichtige — ja, vielleicht die wichtigste — kulturelle Einrichtung ist, die wir haben. Man kann getrost und ohne Übertreibung sagen, dass das Geld „der Träger aller materiellen Interessen der Kulturmenschen ist.“1

Wie so oft, ist auch hier der Volksmund der wissenschaftlichen Erkenntnis vorausgeeilt: „Geld regiert die Welt“ ist ein gebräuchliches Sprichwort unserer Zeit geworden und man will dadurch die große Macht und Bedeutung, die dem Gelde zukommt, ausdrücken. Und doch stößt man bei Unkundigen immer wieder auf Zweifel. Der naive Verstand sträubt sich offenbar zunächst dagegen, die Herrscherstellung des Geldes nicht nur in der Volkswirtschaft, sondern auch mit Bezugnahme auf unsere gesamte Kulturgestaltung, anzuerkennen. Welcherlei übermächtige Kräfte, so fragt sich zunächst jeder — können denn in dieser Metallscheibe oder in diesen bedruckten Papierstückchen, die so geräuschlos ihre Dienste verrichten, stecken? Freilich, wenn wir diese gelben Metallscheiben oder die blauen und braunen Zettel in der Hand halten, so fühlen wir uns als die Herren dieser Dinge und können unsererseits nach Belieben mit ihnen schalten und walten — wohl verstanden, wenn wir sie im Besitze haben. Ganz anders aber gestaltet sich die Sache schon, wenn sie uns fehlen; nicht nur, dass unser Selbstbewusstsein sofort erheblich herabgemindert wird, auch unsere lieben Mitmenschen sehen niemanden für voll an, von dem sie nur im Geringsten ahnen, dass er nicht über ein Gewisses Quantum dieser gelben Metallscheiben oder dieser blauen und braunen „Lappen“ verfügt, mag er sonst auch der ehrenhafteste und wertvollste Mensch sein. Er ist in allem seinem Tun und Lassen, in allen seinen Unternehmungen gehemmt und beschränkt, sobald ihm das nötige Geld fehlt. Wir sehen also hier schon, dass der Mensch und seine Geschicke in hohem Maße vom Geld abhängig sind.

Wie es aber dem Einzelnen hinsichtlich des Geldes ergeht, so ergeht es auch ganzen Völkern und ich stehe nicht an, Verfall und Aufstieg ganzer Kulturepochen in engste Beziehungen zu ihrem jeweiligen Geldwesen zu bringen. Es mangelt übrigens auch durchaus nicht an geschichtlichen Beweisen dafür, dass z. B. das römische Weltreich in erster Linie an den Mängeln seines Geldwesens zugrunde ging.

Um die Macht und den ungeheuren Einfluss des Geldwesens auf die jeweilige Kulturgestaltung zu verstehen, müssen wir bedenken, dass das Geld die Voraussetzung derArbeitsteilungund somit auch unserer hochentwickelten Technik ist. Wir müssen uns darüber klar sein, dass der größte Teil unserer heutigen Kulturvölker wiederum nur der Arbeitsteilung und der durch sie ermöglichten hohen Technik der Produktion und des Verkehrs überhaupt die Daseinsmöglichkeit verdankt. Ohne die Arbeitsteilung könnte z. B. das heutige Europa wohl kaum den zehnten Teil seiner Bevölkerung ernähren und auch dieser Rest würde nur ein kümmerliches und elendes Dasein gleich Wilden führen können. Denken wir uns also das Geldwesen und somit die Arbeitsteilung und die auf ihr beruhende hochentwickelte Technik hinweg, so wäre eine Katastrophe vorauszusehen, wie sie die Welt wohl kaum jemals gesehen hat, und wenige Jahrzehnte würden bestimmt genügen, um die Überreste einst stolzer Kulturvölker um Jahrtausende zurück in die Barbarei zu schleudern.

Die so hochentwickelte Arbeitsteilung beruht eben nur auf derAustauschmöglichkeitder Waren, Produkte und Leistungen. Und diesen millionenfach verschlungenen Austausch vermittelteinzig und allein das Geld! In der Urproduktion, wo jedermann alle Dinge, die er für sein primitives Leben gebrauchte, selbst herstellte und auch selbst verbrauchte, bedurfte es freilich keines Geldes. Aber bereits bei den ersten Kulturanfängen stoßen wir auch sofort auf irgendein mehr oder weniger entwickeltes Geldwesen, welches allerdings je nach Land und Leuten verschieden war.

Wie fast alle Keime unserer abendländischen Kultur, so dürfte auch das Geld- und Münzwesen seinen Ursprung in Ägypten haben, und die ältesten ägyptischen Münzen, von denen uns berichtet wird, bestanden aus kleinen keilförmigen Serpentinstückchen, welche oben halbkugelförmig abgeschliffen waren. Aber auch Silbermünzen finden wir bereits in einer Zeit erwähnt, welche etwa 4000 Jahre zurückliegt.2Auf die erste Goldmünze stoßen wir um das Jahr 1500 v. Chr. bei den Juden, also um die Zeit ihres Auszuges aus Ägypten. Es war dies der sogenannteScheckel, eine Goldmünze, welche zugleich als Gewicht diente. Ein ganz anders geartetes Geldwesen erzeugte wieder die asiatische Kultur. So zirkulierten beispielsweise in Siam noch vor etwa fünfundzwanzig Jahren ländlichePorzellanmünzen; in Birma und an der chinesischen Grenze dienten vorzugsweiseSalztafelnals Tausch- und Zahlungsmittel und auch bei einigen Stämmen der Schwarzen und in Abessinien diente das Salz gleichen Zwecken. Verschiedene Forscher berichten darüber, dass z. B. ein 10 — 12jähriger Knabe der Schwarzen in der Regel mit etwa 10 Pfund Salz bezahlt wurde. In Hochasien, Tibet und China wiederum dientenTeeziegel, also in Barrenform geprellter Tee, als Tauschmittel und die Chinesen bezahlten bis in die neuere Zeit hinein damit den Sold ihrer Truppen. Von den alten Mexikanern wird uns berichtet, dass sie kleine Säcke mit je 24000Kakaobohnenals Währungseinheit benutzten, und in vielen Teilen Afrikas dient noch heute die sogenannteKaurimuschelals Zahlungsmittel, — eine kleine Muschelart, von der etwa 30 — 40000 Stück auf einen Zentner kommen. Vieh, besonders Rinder haben wohl in allen Weltteilen und zu allen Zeiten als Zahlmittel gedient3und zum Schlusse will ich noch eine Kuriosität erwähnen, die Dr. Max Wirt in seiner bereits genannten Schrift „Das Geld“ erzählt: In Russisch-Sibirien benutzte man nämlich lange Zeit hindurchZobelfelleals Tausch- und Zahlmittel, also als Geld. Da man aber die Beobachtung machte, dass die Felle durch den fortwährenden Transport unansehnlich und schadhaft wurden, so schuf man sich einfach ein Ersatzgeld, also eine Art von Geldsurrogat, welches etwa die Stelle unserer Banknoten vertrat, d. h. man schnitt von den Zobelfellen die Köpfe ab, versah sie mit einem Siegel und nun zirkulierten statt der Felle die Köpfe von Hand zu Hand, während die Felle selbst als „Deckung“ dienten und nur bei direktem Bedarf gegen Vorzeigen dieser gesiegelten Köpfe verabfolgt wurden.

Je höher sich die Kultur jedoch mit Hilfe des Geldes entwickelt, je mehr sich die Arbeit spezialisiert, je mehr die Arbeitsteilung fortschreitet, um so unentbehrlicher wird auch ein entsprechend organisiertes Geldwesen. Kulturaufstieg und Verbesserung des Geldwesens gehen stets Hand in Hand. Eines ohne das andere ist undenkbar.

II. Das Geld als Tauschmittel.

Die gewaltige Bedeutung des Geldes liegt — wie schon kurz erwähnt wurde — im Wesen der Arbeitsteilung begründet.

Die Arbeitsteilung unterscheidet sich von der Urproduktion vor allem dadurch, dass sie „Ware“ hervorbringt, d. h. Produkte und Güter, die eigens für den Austausch und den Handel (also für den „Markt“) erzeugt werden, ihren Verfertigern selbst aber in der Regel nutzlos sind. Die Waren, welche durch die Arbeitsteilung hervorgebracht werden, dienen also den Produzenten nur als Mittel, um sich ihrerseits durch Austausch wiederum in den Besitz anderer Waren und Produkte zu setzen, die sie zum Leben gebrauchen, die sie selbst aber nicht herstellen können, weil ihnen entweder das Rohmaterial fehlt, oder die nötigen Kenntnisse für den betreffenden Produktionszweig mangeln und sie zudem in ihrem jeweiligen Spezialfach voll beschäftigt sind. Ebenso verlangt die Arbeitsteilung Teilarbeit und Leistungen, die denen, die sie tun, gleichfalls nichts nutzen können, sondern ebenfalls nur zur Erlangung all der verschiedenen Dinge dienen, die jeder einzelne für sich gebraucht.

Wir sehen also, dass die Arbeitsteilung vor allem auf derAustauschmöglichkeitall der unendlich verschiedenen Produkte, Waren und Leistungen beruht, dass aber alle diese Leistungen und Gegenleistungen nur mit Hilfe des Geldes ausgetauscht, nach Geld bemessen, mit Geld „bezahlt“ werden können. Die Geldsumme, die jeder für seine Teilarbeit, für seine Ware oder für seine Leistungen erhält, entscheidet wiederum zugleich darüber, wieviel er seinerseits nun auf dem Markt des Landes an Leistungen oder Produkten zu verlangen hat — also über „Mein und Dein“. Das Geld ist demnach nicht nur das unentbehrliche Tauschmittel, sondern, soweit es durch die Währung zugleich die Grenzen von Mein und Dein schützt, auch ein zuverlässiger Maßstab für die Güterverteilung auf der Grundlage des Privateigentums.

Ohne das Geld wäre es einfach unmöglich, die millionenfach verschiedenen Waren und Produkte, die bis ins kleinste gehende Teilarbeit, die teils unwägbaren und unmessbaren Leistungen untereinander abzuschätzen und miteinander auszutauschen. Wie wollen z. B. ohne Zuhilfenahme des Geldes ein Eisendreher, ein Bäcker, ein Landwirt, ein Postbote und ein Lehrer ihre Produkte und Leistungen untereinander wechselseitig austauschen? Eine kurze Überlegung wird jedem ohne weiteres die absolute Unentbehrlichkeit des Geldes zum Bewusstsein bringen.

Würde das Geld diese seine Aufgabe des Güteraustausches und zugleich die der Güterverteilung immer in befriedigender Weise erfüllen, so wäre es die vorzüglichste Einrichtung und über alle Kritik erhaben. Aber ebenso müssen sofort unheilvolle Folgen entstehen, wenn das Geld seine Funktionen nicht erfüllt, wenn, wie wir dies in zunehmendem Maße beobachtet haben, allerlei Störungen, unberechenbare Stockungen und Verschiebungen des Geldumlaufes eintreten. Die periodisch wiederkehrenden „Versteifungen“ des Geldmarktes, die Thesaurierungs-(Versteckungs)Politik des Geldes bei Kriegsgerüchten und politischer Bewölkung4die unheilvollen Wirtschaftskrisen, der ständige Wechsel der Konjunkturen, die unheimlichen Preissteigerungen usw. — dies alles lenkte bereits vor dem Kriege in zunehmendem Maße die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Geldwesen und lässt uns vermuten, das hier etwas nicht in Ordnung ist.

Es empfiehlt sich also, dass wir bei allen volkswirtschaftlichen Untersuchungenin erster Linie vom Geldwesen ausgehen, dass wir unser Augenmerk vor allem auf die Frage richten: Erfüllt das Geld seine Aufgabe in zuverlässiger Weise, d. h. vermittelt es ununterbrochen, gleichmäßig und unter allen Umständen den Austausch der Güter und Leistungen und entscheidet es wirklich einwandfrei über „Mein“ und „Dein“, über „Soll“ und „Haben“, also über die Güterverteilung im privat- und volkswirtschaftlichen Sinne?

Wir werden jedoch sehen, dass unser, aus dem grauen Altertum überkommenes Geldwesen, durchaus nicht diesen Anforderungen entspricht.

III. Die Unregelmäßigkeit des Geldumlaufes und ihre Wirkungen.

Die in der Beschaffenheit unseres Geldes begründete Unmöglichkeit einer wirklich zweckmäßigen Verwaltung desselben bewirkt es, dass der Geldumlauf kein gesicherter und regelmäßiger, sondern allerlei unberechenbaren Zufällen unterworfen ist. Hängt doch die Goldproduktion, d. h. ob viel oder wenig Geldstoff (Gold) gefunden wird, tatsächlich vom reinen Zufall ab und somit auch die überhaupt vorhandene Menge des umlaufenden Bargeldes, was natürlich für die ganze Wirtschaftslage von entscheidendem Einfluss ist.

Aber wie einerseits derStoff, aus dem das Geld hergestellt ist (also das Gold) die Volkswirtschaft dem Zufall überliefert, so wird sie andererseits durch die Beschaffenheit unserer herkömmlichenGeldverfassungder persönlichen Willkür der jeweiligen Geldinhaber preisgegeben. Die Zufälligkeiten der Goldproduktion und die Willkür des Geldumlaufes (wozu noch die Währungspolitik der Staaten kommen kann) bewirken eben jene unheilvollen und zugleich unberechenbaren Verschiebungen, deren üble wirtschaftliche Folgen in ihrer Gesamtheit den größten und wichtigsten Teil der sogenannten „sozialen Frage“ ausmachen.

Die jährliche Goldproduktion stieg z. B. von 169869 Kilogramm, die im Jahre 1800 gewonnen wurden, im Jahre 1911/12 auf 703411 kg — also auf das Vierfache! Da wir nun das freie Prägerecht für das Gold haben, d. h. da die Reichsbank jedes ihr angebotene Quantum Gold mit 2790 Mark bezahlt und die deutschen Münzprägestätten jedes beliebige Quantum Gold in deutsche Reichsmünzen umprägen müssen, so findet naturgemäß durch eine derartige Steigerung der Goldproduktion auch eine riesige Vermehrung der umlaufenden Goldmünzen statt. Bedenkt man weiter, dass die Notenbanken auf je 100 Mark in Gold 300 Mark in Banknoten ausgeben können, dass sich auch erfahrungsgemäß die auf dem Bargelde basierenden Geldsurrogate (Wechsel und Schecks) zusammen mit dem Bargelde vermehren, so wird man leicht einsehen, dass eine derartige rein zufällige ungeheure Vermehrung des Geldumlaufes und der sonstigen Tausch- und Zahlmittel auch eine bestimmte Wirkung auf die gesamte Volkswirtschaft ausüben muss. Wir haben diese Wirkung in einer bis zum heutigen Tage ununterbrochen andauernden Hochkonjunktur und der mit dieser Hand in Hand gehenden unerhörten Teuerungsperiode, d. h. einer Periode von Preissteigerungen, kennengelernt. Aber derselbe Zufall, der uns seit nunmehr etwa 20 Jahren ununterbrochen in die Höhe hob, kann uns morgen in den Abgrund werfen.5 Und selbst, wenn uns dieser Zufall (die Goldfunde und die Vermehrung der Zahlmittel) dauernd günstig bleiben würde, so sind wir doch keine Stunde vor der Willkür sicher, der wir durch die Beschaffenheit des Geldes preisgegeben sind, die es bewirkt, dass es lediglich vom Willen oder von den Interessen der jeweiligen Geldinhaber (Großkaufleute, Kapitalisten, Banken usw.) abhängt, ob das einmal in Umlauf gebrachte Geld auch weiterhin zirkuliert und sich der Volkswirtschaft zur Verfügung stellt oder nicht. Die sich oft über viele Länder der Erde erstreckenden wirtschaftlichen Krisen bieten uns ja ein lehrreiches Beispiel für die Folgen, die eine Einschränkung des Geldumlaufes hat. Das eine dürfte doch ohne Weiteres klar sein, dass jede Unregelmäßigkeit im Geldumlaufe sich auch unmittelbar auf die Volkswirtschaft, auf Handel und Gewerbe überträgt, und sich in den Preisbewegungen und in Börsendifferenzen, nach oben oder unten, ausdrückt.

Abgesehen von den rein volkswirtschaftlichen Wirkungen, zeitigen die unberechenbaren Unregelmäßigkeiten im Geldumlauf und die damit zusammenhängenden Preisschwankungen auch fortwährend sehr gefährliche Verschiebungen zwischen Mein und Dein, zwischen Soll und Haben, zwischen Gläubigern und Schuldnern in privatwirtschaftlicher Beziehung. Alle geschäftlichen Abschlüsse und Vereinbarungen, alle Schuldverschreibungen, Lohnverträge, Pensionen, Gehaltssätze usw. lauten auf ganz bestimmtenominelle6Geldbeträge;ihr materieller Inhalt ist aber mangels einer wirklichen Währung in keiner Weise gewährleistet