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Spannende und actionreiche Abenteuer in einem fantastisch-mittlalterlichen Setting – entdecke weitere Geschichten aus der Welt von "Araluen"!
Eine geheimnisvolle Mission führt den Waldläufer-Lehrling Will in das entlegene Celtica, an die Grenzen des Königreichs Araluen. Aber Celticas Dörfer liegen ausgestorben da und inmitten der Wildnis erhebt sich eine gigantische, neue Brücke, erbaut, um hinterrücks in Araluen einzufallen. Wenn Will nicht handelt, ist das Königreich verloren!
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Seitenzahl: 285
John Flanagan Die Chroniken von Araluen Die brennende Brücke
John Flanagan arbeitete als Werbetexter und Drehbuchautor, bevor er das Bücherschreiben zu seinem Hauptberuf machte. Den ersten Band von »Die Chroniken von Araluen« schrieb er, um seinen 12-jährigen Sohn zum Lesen zu animieren. Die Reihe eroberte in Australien in kürzester Zeit die Bestsellerlisten.
Dieser Band ist für Katy.
ARALUEN, PICTA UND CELTICAIm Jahre 643 Allgemeine Zeitrechnung
Walt und Will verfolgten die Spur der Wargals nun schon seit drei Tagen. Die vier bösartigen Kreaturen, Fußsoldaten des aufständischen Lord Morgarath, waren gesehen worden, als sie das Lehen Redmont in nördliche Richtung durchquerten. Sobald der Waldläufer davon erfahren hatte, war er losgeritten, um sie zu stellen. Will, sein junger Lehrling, war bei ihm.
»Woher sind sie denn nur gekommen, Walt?«, fragte Will während einer der kurzen Pausen. »Inzwischen müsste der Drei-Schritte-Pass abgeriegelt sein.«
Der Drei-Schritte-Pass war der einzige Verbindungsweg zwischen dem Königreich von Araluen und den Bergen von Regen und Nacht, wo Morgaraths Hauptquartier lag. Da sich das Königreich auf den bevorstehenden Krieg mit Morgarath vorbereitete, waren sowohl Fußsoldaten als auch ein Trupp Bogenschützen geschickt worden, um die kleine Garnison an dem schmalen Pass zu verstärken, bis die Hauptarmee sich gesammelt hatte.
»Das ist die einzige Stelle, wo eine größere Anzahl von Wargals eindringen könnte«, stimmte Walt ihm zu. »Aber ein paar Einzelne könnten auch über die Klippen ins Königreich kommen.«
Morgaraths Herrschaftsbereich war ein unwirtliches Bergplateau, das hoch über der Südspitze des Königreichs aufragte. Vom Drei-Schritte-Pass im Osten verliefen steile Klippen und jäh abfallende Felswände in Richtung Westen und bildeten so eine Art natürliche Grenze zwischen dem Plateau und Araluen. Im Südwesten mündeten die Klippen in eine andere natürliche Grenze, genannt »Die Schlucht«. Wie der Name schon sagte, handelte es sich dabei um eine riesige Schlucht, die bis hinaus ins Meer reichte und Morgaraths Plateau vom Königreich Celtica trennte.
Es waren diese natürlichen Grenzen, die Araluen und das benachbarte Celtica während der letzten sechzehn Jahre vor Morgarath und seinen Wargals geschützt hatten. Umgekehrt gewährten sie dem aufständischen Morgarath natürlich auch Schutz vor Araluens Streitkräften.
»Ich dachte, diese Klippen seien unpassierbar«, sagte Will.
Walt gestattete sich ein grimmiges Lächeln. »Es gibt nichts, was wirklich völlig unpassierbar ist. Besonders wenn es jemandem egal ist, wie viele Leben ein solches Unternehmen kostet. Ich vermute, dass sie Seile und Enterhaken benutzten und eine wolkenverhangene Nacht bei schlechtem Wetter abwarteten. So konnten sie an den Grenzpatrouillen vorbeikommen.«
Er stand auf und zeigte damit, dass die Pause beendet war. Will erhob sich ebenfalls und sie gingen zu ihren Pferden. Walt stöhnte unwillkürlich auf, als er sich in den Sattel schwang. Die Wunde, die er sich im Kampf mit den Kruls zugezogen hatte, bereitete ihm immer noch Beschwerden.
»Meine Hauptsorge ist nicht die Frage, woher sie gekommen sind«, fuhr er fort, »sondern wohin sie wollen und was sie vorhaben.«
Er hatte den Satz kaum beendet, da hörten sie aus der Ferne einen Schrei, gefolgt von verschiedenen anderen Lauten; manche hörten sich an wie ein Grunzen oder Knurren und schließlich vernahmen sie auch das Klirren von Waffen.
»Und das finden wir vielleicht gleich heraus«, fügte Walt hinzu.
Er drängte Abelard in einen Galopp, lenkte das Pferd dabei lediglich mit den Knien, während er geschickt einen Pfeil aus dem Köcher holte und an die Sehne seines großen Langbogens legte. Will galoppierte auf Reißer hinterher. Er beherrschte die Kunst des freihändigen Reitens noch nicht so wie Walt und benötigte seine rechte Hand für die Zügel, während er seinen Bogen in der linken Hand bereithielt.
Sie ritten durch den Wald und überließen es ihren eigens für Waldläufer ausgebildeten Pferden, den geeigneten Weg zu wählen. Plötzlich kamen sie auf eine weite Lichtung. Beide Pferde hielten auf Schenkeldruck ihrer Reiter an. Will ließ Reißers Zügel fallen, holte einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn schussbereit an.
Ein großer Feigenbaum stand in der Mitte der Lichtung. Unweit davon stiegen Rauchwölkchen von einem kleinen Lagerfeuer auf. Eine Schlafmatte und eine Decke lagen daneben. Die vier Wargals, deren Spur Walt und Will verfolgt hatten, umzingelten einen Mann, der mit dem Rücken zum Baum stand. Im Augenblick hielt er sich die Angreifer mit seinem langen Schwert vom Leibe, doch die Wargals ließen nicht locker. Sie waren mit kurzen Schwertern und Äxten bewaffnet, einer trug einen schweren eisernen Speer.
Will sog bei ihrem Anblick scharf die Luft ein. Obwohl er so lange ihrer Spur gefolgt war, schockierte es ihn dennoch, sie nun so unvermittelt vor sich zu haben. Vom Körperbau her ähnelten sie Bären, hatten lange Schnauzen und gelbliche Fangzähne, die sie jetzt fletschten, während sie ihr Opfer anfauchten und anknurrten. Sie waren mit zotteligem schwarzem Fell bedeckt und trugen schwarze Lederrüstungen. Der Mann war ebenfalls in schwarzes Leder gekleidet, und seine Stimme überschlug sich vor Furcht, während er sie abwehrte.
»Zurück mit euch! Ich bin in einer Mission für Lord Morgarath unterwegs. Ich befehle es euch! Ich befehle es euch in Lord Morgaraths Namen!«
Walt gab Abelard mit Schenkeldruck das Zeichen zu einer kleinen Drehung, sodass er den Pfeil, den er bereits an der Sehne liegen hatte, zurückziehen konnte.
»Lasst eure Waffen fallen! Alle zusammen!«, schrie er. Die vier Wargals und ihr Opfer drehten sich überrascht zu ihm. Der Wargal mit dem Speer fing sich als Erster wieder. Er bemerkte, dass ihr Opfer abgelenkt war, machte einen Satz nach vorn und rammte ihm den Speer in den Körper. Eine Sekunde später bohrte sich Walts Pfeil ins Herz des Wargals, und er fiel tot neben sein Opfer, das jedoch bereits tödlich getroffen war und auf die Knie sank. Jetzt griffen die anderen Wargals die beiden Waldläufer an.
So schwerfällig sie auch wirkten, kamen sie doch erstaunlich schnell auf sie zu.
Walts zweiter Schuss traf den linken Wargal. Will zielte auf den rechten und merkte sofort, dass er dessen Geschwindigkeit falsch eingeschätzt hatte. Der Pfeil zischte dorthin, wo das Ziel eine Sekunde vorher gewesen war. Will griff sofort nach einem weiteren Pfeil und hörte ein heiseres Grunzen, als Walts dritter Pfeil sich in die Brust des vierten Wargals bohrte. Jetzt schoss Will seinen zweiten Pfeil ab.
Voller Panik verriss er und wusste bereits beim Loslassen der Sehne, dass sein Pfeil zu weit fliegen würde.
Inzwischen hatte ihn der Wargal beinahe erreicht.
Als das Ungeheuer triumphierend die Zähne bleckte, kam Reißer seinem Herrn zu Hilfe. Das Pony stellte sich auf die Hinterbeine und stieß mit den Vorderhufen nach der Bestie aus, ja es tänzelte sogar ein paar Schritte nach vorn, statt zurückzuweichen. Will klammerte sich verblüfft am Sattelknauf fest.
Der Wargal war nicht minder überrascht. Wie alle seiner Art hatte er eine tief verwurzelte Furcht vor Pferden, daher zögerte er und wich dann vor Reißers Hufen zurück. In diesem Augenblick durchbohrte Walts vierter Pfeil seine Kehle. Mit einem lauten Grunzen fiel der Wargal tot ins Gras.
Kreidebleich glitt Will vom Pferd, seine Knie gaben fast unter ihm nach. Er klammerte sich an Reißers Hals, um aufrecht stehen zu bleiben. Walt schwang sich sofort aus dem Sattel, trat zu ihm und legte den Arm um seine Schulter.
»Alles in Ordnung, Will.« Seine tiefe Stimme durchdrang den Nebel dumpfer Furcht, die Will lähmte. »Es ist vorbei.«
Benommen schüttelte Will den Kopf.
»Walt, ich habe danebengeschossen … zweimal! Ich bekam Angst und habe das Ziel verfehlt!« Er verspürte Scham, weil er seinen Lehrer im Stich gelassen hatte.
Walt drückte ihn fest an sich und Will sah hoch in das bärtige Gesicht mit den dunklen, tief liegenden Augen.
»Es ist ein großer Unterschied, ob man auf eine Zielscheibe oder auf einen angreifenden Wargal schießt. Eine Zielscheibe versucht nicht, dich umzubringen.« Die letzten Worte fügte Walt in einem sanften, verständnisvollen Ton hinzu.
»Aber… ich habe ihn verfehlt …«
»Und du hast daraus gelernt. Das nächste Mal wirst du treffen. Jetzt weißt du, dass es besser ist, einen einzigen sicheren Schuss abzugeben als zwei übereilte«, sagte Walt und machte deutlich, dass das Thema für ihn abgeschlossen war. Er fasste Wills Arm und zog ihn mit sich zum Lager unter dem Feigenbaum. »Sehen wir mal, wen wir da haben.«
Der schwarz gekleidete Mann und der Wargal lagen tot nebeneinander. Walt kniete sich neben sie und stieß einen leisen, überraschten Pfiff aus, als er den Mann umdrehte.
»Das ist Dirk Reacher«, murmelte er. »Er ist der Letzte, den ich hier erwartet hätte.«
»Ihr kennt ihn?« Wills unstillbare Neugierde half ihm bereits, den Schock zu überwinden, genau wie Walt es gehofft hatte.
»Ich habe ihn vor fünf oder sechs Jahren aus dem Königreich gejagt«, erklärte der Waldläufer. »Er wurde aus den Streitkräften ausgeschlossen und floh zu Morgarath.« Walt schüttelte nachdenklich den Kopf. »Morgarath scheint sich darauf zu spezialisieren, Leute wie seinesgleichen um sich zu scharen. Aber was hat dieser Kerl hier gesucht … ?«
»Er sagte, er sei im Auftrag Morgaraths unterwegs«, warf Will ein.
Walt schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein. Die Wargals haben ihn verfolgt, und nur Morgarath kann ihnen das befohlen haben, was er wohl kaum getan hätte, wenn der Kerl wirklich in seinen Diensten stand. Ich vermute, dass Dick wieder einmal die Fronten wechseln wollte. Er hat sich von Morgarath abgesetzt und der hat ihm die Wargals hinterhergeschickt.«
»Aber warum?« Will versuchte, das Ganze zu verstehen. »Wo hätte er denn hingehen können?«
Walt zuckte mit den Schultern. »Es steht ein Krieg bevor. Männer wie Dick versuchen, jedem Risiko aus dem Weg zu gehen.«
Er griff nach dem Bündel, das neben dem Lagerfeuer lag, und kramte darin.
»Sucht Ihr etwas Bestimmtes?«, wollte Will wissen.
Walt schüttete den Inhalt des Bündels vor sich aus.
»Nun, wenn dieser Verräter hier Morgarath verlassen hat und nach Araluen zurückwollte, muss er etwas mitgebracht haben, um damit seine Freiheit auszuhandeln. Also …« Er brach ab und griff nach einem sorgfältig gefalteten Pergament zwischen den Kleidungsstücken und Essensutensilien. Während er das Geschriebene schnell überflog, zog er die Augenbrauen hoch. Nach fast einem Jahr Lehrzeit bei dem Waldläufer wusste Will, dass das ungefähr das Gleiche war wie ein Ausruf des Erstaunens. Er wusste auch, dass sein Lehrmeister ihn nicht beachten würde, wenn er ihn jetzt beim Lesen unterbräche. Also wartete er, bis dieser das Pergament wieder zusammenfaltete, sich langsam erhob und seinen Lehrling ansah.
»Ist es wichtig?«, fragte Will.
»Das kann man wohl sagen. Es scheint sich um Morgaraths Schlachtplan für den bevorstehenden Krieg zu handeln. Ich denke, wir sollten ihn sofort nach Redmont bringen.«
Auf seinen leisen Pfiff hin trotteten Abelard und Reißer heran.
In einiger Entfernung, zwischen den Bäumen und an der dem Wind abgewandten Seite, damit die Pferde seine Witterung nicht wahrnehmen konnten, wurden sie von einem Mann beobachtet. Er sah den beiden Waldläufern nach, bis sie verschwanden. Dann marschierte er selbst nach Süden, zu den Klippen.
Er hatte die Anweisung, Morgarath sofort zu berichten, wenn sein Plan erfolgreich gewesen war.
Es war fast Mitternacht, als der einsame Reiter sein Pferd vor der kleinen Hütte im Waldstück unterhalb von Burg Redmont anhielt. Das schwer beladene Packpferd blieb ebenfalls stehen. Der Reiter, ein hochgewachsener Mann, der sich mit der Leichtigkeit der Jugend bewegte, schwang sich aus dem Sattel und trat auf die schmale Veranda. Aus dem kleinen Stall seitlich am Haus kam ein leises Wiehern und das Pferd des Reiters warf den Kopf zurück und antwortete.
Der Ankömmling hob die Hand, um an die Tür zu klopfen, da sah er hinter den zugezogenen Vorhängen eine Laterne aufflackern. Die Tür wurde geöffnet.
»Gilan«, sagte Walt ohne auch nur eine Spur von Überraschung in der Stimme. »Was gibt es?«
Der junge Waldläufer lachte ungläubig und sah seinen früheren Lehrmeister fragend an. »Wie machst du das nur immer, Walt? Woher wusstest du, dass ich es bin, der hier mitten in der Nacht ankommt?«
Walt zuckte mit den Schultern und bedeutete Gilan, ins Haus zu kommen. Er schloss die Tür hinter ihm und ging in die kleine, saubere Küche. Mit ein paar Handgriffen hatte er die schwelende Holzkohle im Herd wieder angefacht. Er gab eine Handvoll Reisig dazu und setzte einen Kupferkessel auf, nachdem er ihn vorher geschüttelt hatte, um zu sehen, ob er auch noch genug Wasser enthielt.
»Ich habe dein Pferd schon vor einigen Minuten gehört«, erklärte Walt. »Abelards Wiehern verriet mir, dass es das Pferd eines Waldläufers sein musste.« Er zuckte wieder mit den Schultern. So einfach ist das, besagte die Geste. Gilan lachte.
»Nun, das hat den Kreis möglicher Besucher auf etwa fünfzig eingeengt, oder?«, stellte er fest.
»Gilan, ich habe dich während deiner Lehrzeit bestimmt Tausende Male diese Veranda herauflaufen hören«, erinnerte ihn Walt. »Also werde ich deinen Schritt wohl wiedererkennen.«
Der junge Waldläufer hob ergeben die Hände und gab sich geschlagen. Er nahm seinen Umhang ab und hängte ihn über die Lehne eines Stuhls, den er etwas näher an den Herd schob. Es war eine kühle Nacht, und er freute sich schon auf den Kaffee, den Walt gerade zubereitete. Die Tür eines Nebenzimmers wurde geöffnet, und Will trat heraus, die Kleidung hastig über das Nachthemd gezogen, das Haar vom Schlaf zerzaust.
»Guten Abend, Gilan«, grüßte er gleichmütig. »Was bringt Euch denn hierher?«
In gespielter Verzweiflung blickte Gilan von einem zum anderen. »Ist denn gar keiner überrascht, wenn ich mitten in der Nacht hier auftauche?«, fragte er leichthin.
Walt, der sich am Herd zu schaffen machte, drehte sich zur Seite, um ein Grinsen zu verbergen. Vor ein paar Minuten, als das Pferd sich der Hütte näherte, hatte er Will ans Fenster treten hören. Anscheinend hatte sein Lehrling dann sein Gespräch mit Gilan belauscht und bemühte sich nun, genauso gelassen zu wirken wie sein Lehrmeister. Doch so wie Walt seinen Lehrling kannte, platzte er fast vor Neugierde. Er beschloss, ihn hereinzulegen.
»Es ist spät, Will«, sagte er. »Du kannst ruhig wieder zu Bett gehen. Wir haben morgen viel zu tun.«
Sofort verwandelte sich Wills überlegener Gesichtsausdruck in ungläubige Enttäuschung. Eine solche Aufforderung seines Meisters war praktisch einem Befehl gleichzusetzen.
»Ach bitte, Walt!«, rief er aus. »Ich möchte doch auch wissen, was los ist!«
Walt und Gilan tauschten schmunzelnd einen Blick aus. Will trat aufgeregt von einem Fuß auf den anderen, während er hoffte, dass Walt ein Einsehen hatte. Sein Meister verzog keine Miene, als er drei Tassen mit dampfendem Kaffee auf den Küchentisch stellte.
»Tja, dann ist es vielleicht ganz gut, dass ich gleich drei Tassen Kaffee gemacht habe, oder?«
Jetzt merkte Will, dass er hereingelegt worden war. Er zuckte mit den Schultern, grinste und setzte sich an den Tisch.
»Also, Gilan, bevor mein Lehrling vor Neugierde platzt, was ist denn nun der Grund für diesen unerwarteten Besuch?«
»Es hat mit dem Plan zu tun, den du letzte Woche entdeckt hast. Da wir nun wissen, was Morgarath im Sinn hat, will der König die Streitkräfte auf der Ebene von Uthal sammeln, und zwar noch vor dem nächsten Neumond. Da hat Morgarath nämlich vor, den Drei-Schritte-Pass einzunehmen.«
Die Dokumente, die ihnen in die Hände gefallen waren, hatten ihnen viel verraten. Morgaraths Plan sah vor, fünfhundert Nordländer als Söldner anzuheuern, die sich durch die Sümpfe kämpfen und von dort aus die Grenzgarnison am Drei-Schritte-Pass angreifen sollten. War der Pass erst in Morgaraths Hand, konnte seine Hauptarmee der Wargals in der Ebene von Uthal in Gefechtsstellung gehen.
»Also will Duncan ihm zuvorkommen«, stellte Walt fest und nickte langsam. »Gute Idee. So können wir den Ablauf der Schlacht selbst bestimmen.«
Will nickte ebenfalls und sagte mit gleichermaßen ernster Stimme: »Und wir schneiden den Wargals vor dem Pass den Weg ab.«
Gilan drehte sich zur Seite, um ein Grinsen zu verbergen. Hatte er selbst damals, als Walts Lehrling, auch immer versucht, dessen Verhalten nachzuahmen? Sehr wahrscheinlich.
»Im Gegenteil.« Gilan schüttelte den Kopf. »Duncan will, dass wir uns zurückziehen, sobald die Armee Position bezogen hat, um Morgarath den Weg zur Ebene frei zu machen.«
»Den Weg frei machen?« Wills Stimme wurde vor Überraschung zwei Oktaven höher. »Ist der König verrückt geworden? Warum …«
Er merkte, dass beide Waldläufer ihn nachdrücklich ansahen, Walt mit einer hochgezogenen Augenbraue und Gilan mit einem fragenden Lächeln.
»Ich meine …« Will zögerte. Wurde es als Landesverrat betrachtet, den Geisteszustand des Königs anzuzweifeln? »Das soll keine Beleidigung sein. Es ist nur…«
»Oh, ganz bestimmt wäre der König begeistert zu hören, dass ein Waldläuferlehrling ihn für verrückt hält«, meinte Walt. »Könige lieben so etwas geradezu.«
»Aber Morgarath freien Weg zu gewähren, nach all diesen Jahren? Es scheint…« Will wollte noch einmal »verrückt« sagen, besann sich jedoch eines Besseren. Ihm fiel seine letzte Begegnung mit den Wargals ein. Die Vorstellung, dass Tausende dieser Ungeheuer ungehindert über den Pass kämen, jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken.
Walt antwortete, ehe Will den Satz zu Ende führen konnte. »Das genau ist der Punkt, Will – nach all diesen Jahren. Wir waren sechzehn Jahre damit beschäftigt, Morgarath im Auge zu behalten und uns zu fragen, was er wohl vorhat. Die ganze Zeit mussten unsere Streitkräfte am Fuße der Klippen patrouillieren und außerdem den Drei-Schritte-Pass bewachen, denn Morgarath konnte uns jederzeit angreifen. So wie es jüngst die Kruls getan haben, wie du wohl weißt.«
Gilan blickte seinen früheren Lehrer bewundernd an. Walt hatte sofort den tieferen Sinn hinter dem Plan erkannt. Nicht umsonst war Walt einer der angesehensten Ratgeber des Königs.
»Genau«, pflichtete Gilan ihm bei und fuhr, zu Will gewandt, fort: »Es gibt noch einen weiteren Grund. Nach sechzehn Jahren, in denen mehr oder weniger Frieden herrschte, sind die Leute unachtsam geworden. Natürlich nicht die Waldläufer, aber die Menschen in den Dörfern, die Soldaten für unsere Armee stellen, und auch einige der Barone und Heeresmeister in abgelegenen Lehen im Norden.«
»Du hast selbst gesehen, wie ungern manche ihre Bauernhöfe verlassen und in den Krieg ziehen«, fügte Walt hinzu.
Will nickte. Mit Walt zusammen hatte er die vergangenen Tage damit verbracht, die abseits gelegenen Dörfer im Lehen Redmont aufzusuchen, um Soldaten zur Verstärkung der Streitkräfte anzuwerben. Mehr als einmal begegnete man ihnen mit offener Feindseligkeit, und es hatte Walts ganze Kraft seiner Persönlichkeit bedurft, sie umzustimmen.
»Für König Duncan ist es an der Zeit zu handeln«, erklärte Gilan. »Wir sind so stark, wie wir nur sein können, und jede Verzögerung würde uns schwächen. Dies ist die beste Gelegenheit, um Morgarath ein für alle Mal loszuwerden.«
»Was mich zu meiner ursprünglichen Frage zurückbringt«, sagte Walt. »Was führt dich mitten in der Nacht hierher?«
»Befehl von Crowley«, sagte Gilan trocken. Er legte eine Papierrolle auf den Tisch, die Walt öffnete und las. Crowley war der Meister der Waldläufer, der Älteste der fünfzig Mitglieder des Bundes.
»Also bringst du eine Depesche zu König Swyddned nach Celtica«, stellte Walt fest und rollte das Papier wieder zusammen. »Ich nehme an, du sollst ihn an das gegenseitige Hilfsabkommen erinnern, das Duncan vor einigen Jahren mit ihm vereinbart hat?«
Gilan nickte und nahm zufrieden einen Schluck von seinem Kaffee. »Der König meint, dass wir jede Unterstützung brauchen werden, die wir bekommen können.«
Walt nickte nachdenklich. »Das sehe ich auch so, aber …« Er hob fragend die Hände. Wenn Gilan mit einer Depesche nach Celtica unterwegs war, schien die Geste zu besagen, dann musste er sich besser beeilen.
»Nun ja«, brummte Gilan. »Es ist eine offizielle diplomatische Mission nach Celtica.« Er betonte dabei Celtica, worauf Walt verstehend nickte.
»Aber natürlich. Die alte Tradition.«
»Eher so etwas wie ein Aberglaube«, erwiderte Gilan mit einem leichten Kopfschütteln. »Meiner Meinung nach ist es lächerliche Zeitverschwendung.«
»Natürlich ist es das«, antwortete Walt. »Aber in Celtica besteht man darauf, also was sollen wir machen?«
Will sah von Walt zu Gilan und wieder zurück. Die beiden schienen genau zu wissen, worüber sie redeten. Für Will jedoch war es, als unterhielten sie sich in einer fremden Sprache.
»In normalen Zeiten ist das ja alles gut und schön«, sagte Gilan jetzt. »Aber bei all den Vorbereitungen für den Krieg … Wir haben einfach nicht genug Leute und können keinen entbehren. Also dachte Crowley…«
»Ich kann es mir denken«, sagte Walt.
Da hielt es Will nicht mehr länger aus.
»Tja, und ich kann mir überhaupt nichts denken!« , brach es aus ihm heraus. »Worüber, um Himmels willen, redet Ihr denn? Für mich ergibt das alles keinen Sinn!«
Walt drehte sich langsam zu seinem temperamentvollen Lehrling und hob die Augenbrauen an.
Will zog den Kopf ein und murmelte: »Tut mir leid, Walt.«
Sein Lehrmeister nickte. »Das sollte es auch. Es ist ja wohl offensichtlich, dass Gilan fragt, ob ich dich entbehren kann, damit du ihn nach Celtica begleitest.«
Gilan nickte und Will runzelte verblüfft die Stirn. »Ich soll ihn begleiten?«, fragte er ungläubig. »Warum denn? Was kann ich in Celtica tun?«
Im selben Moment, in dem er es sagte, bedauerte er seine Worte bereits. Er hätte inzwischen gelernt haben sollen, dass man Walt niemals diese Art von Fragen stellte. Prompt schob Walt die Lippen vor, während er über die Frage nachzudenken schien.
»Nicht viel wahrscheinlich. Die eigentliche Frage ist jedoch, kannst du hier entbehrt werden? Und die Antwort darauf lautet: ganz bestimmt.«
»Aber warum …« Will gab auf. Entweder würden sie es ihm erklären oder nicht. Egal wie viel er fragte, Walt würde ihm nur dann antworten, wenn er es wollte. Will dachte sogar manchmal, je mehr Fragen er stellte, desto mehr genoss Walt es, ihn zappeln zu lassen.
Es war schließlich Gilan, der Mitleid mit ihm hatte, vielleicht weil er sich an seine eigene Lehrzeit bei Walt erinnerte.
»Du wirst gebraucht, um die Anzahl zu vervollständigen, Will«, erläuterte er. »In Celtica besteht man traditionell darauf, dass eine offizielle Abordnung sich aus drei Personen zusammensetzt. Und um ehrlich zu sein, Walt hat recht. Du bist bei den Kriegsvorbereitungen hier in Araluen am ehesten entbehrlich.« Er grinste wehmütig. »Wenn es dich tröstet, ich bekam den Auftrag, weil ich der jüngste Waldläufer im Bunde bin.«
»Aber warum ausgerechnet drei Leute?«, wollte Will wissen und nützte Gilans Gesprächigkeit sofort aus.
Gilan seufzte. »Wie wir schon sagten, es ist eine Tradition in Celtica. Sie reicht zurück bis zu den Tagen des Rates, als es zwischen Celtica, Picta und Hibernia ein Bündnis gab. Damals regierte ein Triumvirat.«
»Natürlich könnte Gilan die Botschaft auch allein überbringen«, fügte Walt hinzu. »Aber dann werden sie ihn tagelang warten lassen, während sie über Formalien und das Protokoll reden. Und wir können es uns einfach nicht leisten, so viel Zeit zu verlieren. Es gibt in Celtica ein altes Sprichwort, das besagt: ›Einer mag betrügen, zwei sich verschwören und lügen, drei, das ist die magische Zahl‹.«
»Also schickt Ihr mich dorthin, weil Ihr auf mich verzichten könnt?« Will war bei diesem Gedanken doch leicht getroffen.
Walt beschloss, dass es Zeit war, sein Selbstbewusstsein zu stärken, aber nur ein wenig.
»Nun, um ehrlich zu sein, genau so ist es. Andererseits kann man auch nicht jeden als Botschafter schicken. Die drei Abgesandten müssen einen offiziellen Status haben.«
»Und du, Will«, fügte Gilan hinzu, »bist ein Mitglied des Bundes der Waldläufer. Das wird in Celtica anerkannt.«
»Ich bin aber nur ein Lehrling«, wandte Will ein, »das zählt doch nicht viel.« Er war überrascht, als beide Männer kopfschüttelnd widersprachen.
»Du trägst das Eichenblatt«, erklärte Walt. »Ob Bronze oder Silber, darauf kommt es nicht an. Du bist einer von uns.«
Wills Miene hellte sich auf. »Na ja«, sagte er, »wenn das so ist, dann freue ich mich, Euch behilflich sein zu können, Gilan.«
Walt betrachtete ihn amüsiert. Vielleicht wollte er seinen Lehrling wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen, denn er wandte sich an Gilan und sagte: »Fällt dir noch jemand ein, auf den man so gut verzichten kann, dass er der dritte Abgesandte ist?«
Gilan zuckte mit den Schultern und lächelte, als er sah, wie Will erneut die Schultern hängen ließ. »Das ist der zweite Grund, weshalb Crowley mich hierher geschickt hat«, erklärte er. »Da Redmont zu den größeren Lehen gehört, dachte er, du könntest vielleicht noch jemanden hier entbehren. Irgendeine Idee?«
Walt rieb sich nachdenklich das Kinn und ihm fiel tatsächlich etwas ein. »Ich denke schon.« Er drehte sich zu Will. »Du solltest jetzt besser zu Bett gehen. Ich werde Gilan bei den Pferden helfen und dann gehen wir hinüber zur Burg.«
Will nickte. Tatsächlich verspürte er große Müdigkeit und ein nicht zu unterdrückendes Bedürfnis, zu gähnen. Er stand auf, um in seine Kammer zu gehen.
»Bis morgen früh dann, Gilan.«
»Ja, und zwar tatsächlich sehr früh«, erwiderte Gilan lächelnd. Will zuckte ergeben mit den Schultern. »Das dachte ich mir fast.«
Walt und Gilan liefen in freundschaftlichem Schweigen über die Felder in Richtung Burg. Gilan, der seinen alten Meister gut genug kannte, spürte, dass Walt etwas mit ihm besprechen wollte.
Es dauerte nicht lange, da brach Walt das Schweigen.
»Dieser Botengang nach Celtica könnte genau das sein, was Will braucht. Ich mache mir nämlich ein bisschen Sorgen um ihn.«
Gilan runzelte die Stirn. Er mochte den Lehrjungen. »Wieso denn?«
»Es hat ihn ziemlich aufgewühlt, als wir letzte Woche die Wargals verfolgten«, erklärte Walt. »Er glaubt, er hätte die Nerven verloren.«
»Und hat er das?«
Walt schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Er hat mehr Mut als die meisten Erwachsenen. Aber als die Wargals uns angriffen, schoss er übereilt und verfehlte das Ziel.«
Gilan zuckte mit den Schultern. »Kein Grund, sich zu schämen, oder? Schließlich ist er noch nicht einmal sechzehn. Er ist aber doch bestimmt nicht davongelaufen, oder?«
»Nein. Ganz und gar nicht. Er hat standgehalten und sogar noch einen weiteren Schuss gewagt. Dann hat Reißer den Wargal mit den Hufen abgewehrt, bis ich die Bestie erledigen konnte. Ein gutes Tier.«
ENDE DER LESEPROBE
OMNIBUS ist der Taschenbuchverlag für Kinder in der Verlagsgruppe Random House
1. Auflage Deutsche Erstausgabe Juli 2007 Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform
© 2005 John Flanagan
Die englische Originalausgabe erschien 2005 unter dem Titel »Ranger’s Apprentice. The Burning Bridge« bei Random House Australia Pty Limited, Sydney, Australia. This edition published by arrangement with Random House Australia. © 2007 der deutschsprachigen Ausgabe OMNIBUS, München Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten Übersetzung: Angelika Eisold-Viebig Lektorat: Petra Koob-Pawis Vignetten: Mathematics Umschlagbild: John Blackford Umschlaggestaltung: init.büro für gestaltung, Bielefeld MI · Herstellung: CZ Satz: Uhl + Massopust, Aalen
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