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Der Indianer nahm die Jacke. "Ein sehr schönes Teil ... nur leider für dich äußerst gefährlich." Peter zuckte zusammen. "Wie meinen Sie das?" "Ein schwerer Fluch liegt auf ihr." Die Bewohner von Rocky Beach sind geschockt: Ein fremder Indianer prophezeit ihnen großes Unglück. Was hat der merkwürdige Fluch zu bedeuten? Ein klarer Fall für Justus, Peter und Bob ...
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Seitenzahl: 86
Die drei ???® Kids
Band 37
Der Fluch der Indianer
Erzählt von Ben Nevis
Mit Illustrationen von Harald Juch
KOSMOS
Umschlag- und Innenillustrationen von Harald Juch, Berlin
Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Grundlayout: Friedhelm Steinen-Broo, eStudio Calamar
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© 2009, 2012, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-13759-8
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Die Sonne lachte vom Himmel über Rocky Beach. Justus hatte seine Freunde Peter und Bob zum Eis eingeladen. Die Dollarscheine, die er von seinem Onkel Titus bekommen hatte, knisterten verlockend in seiner Hosentasche. Eigentlich hätte das Eiscafé am Marktplatz um diese Zeit brechend voll sein müssen. Doch die Stühle waren leer. Dafür bildete sich eine Menschenmenge vor dem Brunnen, der mitten auf dem Marktplatz stand.
»Das ist äußerst ungewöhnlich«, sagte Justus und vergaß vorerst das Eis. Neugierig drängelten sich die drei ??? durch die Menge ganz nach vorne. Ein Indianer hatte sich auf den Rand des Brunnens gesetzt. Die bronzene Figur des Brunnens stellte Fred Fireman dar, der einst den kleinen Ort vor einem Flammeninferno gerettet hatte. Doch keiner der zahlreich erschienenen Einwohner von Rocky Beach achtete jetzt auf Fred Fireman. Erwartungsvoll sahen sie den Indianer an, der die Augen geschlossen hielt. Er schien im Sitzen zu schlafen. Zwischen seinen Beinen klemmte ein Stück Pappe: Um zwölf Uhr spreche ich! Einwohner von Rocky Beach! Euch droht schlimme Gefahr!, stand in krakeligen Buchstaben darauf geschrieben.
»Wie spät ist es?«, fragte Peter aufgeregt. Justus sah schnell auf die Uhr. »Sieben vor zwölf!«, sagte er.
Sieben Minuten konnten endlos sein, fand Bob. Er sah sich um. Auf dem Marktplatz von Rocky Beach hatten sich mittlerweile fast hundert Menschen versammelt, die neugierig auf die Weissagung des Indianers warteten. Auch ein Reporter von der Zeitung war da.
»Nun fang schon an«, rief ein ungeduldiger Mann. »Was hast du uns zu sagen, Indianer?«
Eine Frau rief: »Lassen Sie ihn in Ruhe! Sonst verrät er uns sein Geheimnis nicht!«
»Quatsch!«, antwortete der Mann, der einen Sonnenhut trug. »Ist doch sowieso alles Lug und Trug!«
»Und warum stehen Sie dann hier?«, gab die Frau zurück. Justus, Peter und Bob lachten. »Noch vier Minuten«, sagte Justus, der seine Neugier allmählich auch nicht mehr verbergen konnte. Doch der Indianer rührte sich nicht.
Plötzlich entstand am äußeren Rand der Menschenmenge Unruhe. Die drei ??? drehten sich um. Ein Polizist bahnte sich mühsam den Weg durch die Leute. Justus, Peter und Bob kannten ihn vom Sehen. Es war Dickens, der neuerdings als Hilfspolizist bei Kommissar Reynolds arbeitete. »So lassen Sie mich doch durch«, rief Dickens und wedelte ungelenk mit seinen Händen. »Was geht hier vor?« Kurze Zeit später hatte er es geschafft und stand ganz vorne neben den drei ???. Er erblickte den Indianer, der in voller Bemalung und mit Federn geschmückt immer noch regungslos dasaß. »Nun«, sagte der Polizist, »das ist …« Alle Augen richteten sich auf ihn. »… das ist … Erregung öffentlichen Ärgernisses! Ich muss Sie verhaften!« Er trat einen Schritt vor. Der Indianer regte sich nicht.
Ein Stimmengewirr wurde laut. »Jetzt, wo es gleich zwölf ist! … Sergeant! Bitte nicht, lassen Sie den Indianer … er sitzt doch nur da und schläft … Fangen Sie lieber irgendwelche Verbrecher«. Das Gemaule wurde immer heftiger.
Justus stieß Dickens von hinten an. »Warten Sie doch ein paar Minuten! Sind Sie nicht auch neugierig, was er uns zu sagen hat?« Dickens zuckte mit den Schultern und schwieg. Fast alle sahen jetzt auf ihre Uhren. Noch eine Minute bis zwölf. Es wurde ganz still. Nur das Plätschern des Brunnens war zu hören. Ungeduldig traten Justus, Peter und Bob von einem Fuß auf den anderen. Aus der Ferne hörte man die Kirchenglocke schlagen. Es war zwölf. Noch immer regte sich der Indianer nicht.
»Aufwachen!«, rief der vorlaute Herr von vorhin. »Ruhe«, zischelten die anderen. Jetzt blinzelte der Indianer mit den Augen. Peter sah es ganz genau. Der Indianer holte tief Luft. Und dann hob er zu einem Gesang an. Es waren unverständliche Laute, und sie klangen so schräg, dass es den Zuschauern schauderte. Das ging endlose drei Minuten so. Inzwischen hatte sich die Menschenmenge mehr als verdoppelt.
Dann auf einmal erstarb der Gesang. Der Indianer saß immer noch ganz starr. Nur sein Mund bewegte sich. Heraus kam eine Menge unverständliches Gestammel. »Ist der in Trance?«, fragte Bob. Peter wich einen Schritt zurück und stieß unabsichtlich gegen einen Mann, der hinter ihm stand. »Was ist Tronz?«
»Trance heißt das«, sagte Justus. »Irgendwie abgehoben, nicht ganz da, im Halbschlaf, in einer anderen Realität, in einer Meditation. Verstehst du?« Er zog seinen Freund am Ärmel. »Peter, du kannst wieder vorkommen, das ist nicht gefährlich.«
Jetzt wurden aus dem Gestammel des Indianers langsam Satzbrocken, und schließlich fanden sich ganze Sätze. »… der Fluch, der Fluch … alt, indianischer Fluch, er ist wieder da! Er lebt!« Ein Raunen ging durch die Menschenmenge, und Peter wich wieder ein Schritt zurück. »Kannst du nicht aufpassen, Bengel?«, sagte der Mann. »Tschuldigung«, murmelte Peter. Der Indianer brabbelte weiter. »Vor zweihundert Jahren gab es noch kein Rocky Beach«, sagte er. Seine Augen waren geschlossen. Sein Mund bewegte sich, und der Wind spielte mit den Federn am Stirnband. »Aber es gab einen Häuptling. Damals hat er mit einem Weißen etwas getauscht. Gegen Gold. Viel Gold. Es war ein Pferd. Sein Vater lag im Sterben. Doch das Pferd war krank. Es starb auf dem Heimweg. Er kam zu spät. Der Vater war tot. Da verfluchte mein Vorfahre dieses Land.« Der Indianer machte eine Pause. Niemand sagte etwas. Peter unterdrückte einen Schluckauf. Dann sprach der Indianer weiter. »Mein Ahne verfluchte den Ort, auf dem der Handel stattfand. Er sagte: ›Später werden weiße Menschen an diesen Ort kommen. Irgendwann werden es sehr viele sein. Sie werden hier wohnen, im Land meiner Väter. Und dann wird der Tag kommen. Jeder Handel, der ab dann an diesem Ort des Meeres, der Felsen und des Sandes stattfindet, wird vergiftet sein. Die weißen Menschen werden etwas kaufen, das verflucht ist! Den Menschen wird Unglück geschehen!‹« Der Indianer machte eine kurze Pause. »Ich sage euch: Ich kenne den Fluch des Häuptlings. Und euch in Rocky Beach wird Unglück geschehen!«
»Ich habe mir gerade eine neue Jacke gekauft!«, entfuhr es Peter.
»Psst!«, fuhr ihn Justus an.
Doch der Indianer sprach nicht weiter. Dafür wurden Zwischenrufe hörbar. »Was soll der Blödsinn?«, schrie jemand. »Stimmt das wirklich?«, rief eine Frau. Ein anderer fragte: »Seit wann sind die Käufe verflucht?«
»Vor drei Tagen hatte ich einen Traum«, sagte der Indianer. »Der Häuptling ist mir erschienen. Er sprach zu mir: ›Jetzt soll es sein! Der Fluch erwacht!‹ Ich reiste hierher. Zu euch. Euch zu warnen und zu helfen. Denn die Zeiten sind andere. Wir sollen nicht mehr Feinde sein, heute.«
»Und … was passiert jetzt?«, rief jemand aus der Menge.
»Unglück«, sagte der Indianer.
»Wie?«
»Unglück«, sagte der Indianer. »Kleines und großes Unglück.«
Eine Frau rief: »Ich habe mir gestern neue Schuhe gekauft, und heute Morgen ist mein Hund überfahren worden!«
Das war der Auslöser. Plötzlich hatte fast jeder etwas gekauft, und fast jedem war etwas Schlimmes passiert. Der eine hatte sich in den Daumen geschnitten, die andere mit ihrem Mann gestritten. Ein Mann hatte seinen Wagen zu Schrott gefahren. Ein Baum war auf eine Garage gestürzt. Sogar der Hilfspolizist wurde unruhig. Er gestand den drei ???, dass ihm, als er sich vor zwei Tagen eine neue CD gekauft hatte, ein Ladendieb durch die Lappen gegangen war.
Der Indianer stand auf und hob die Hände. Sofort wurde es wieder ruhig. »Es gibt einen Weg«, sagte er und machte eine Pause. »Ich kenne den Gegenzauber. Der alte Häuptling hat ihn hinterlassen. Ich entstamme seiner Familie. Ihr müsst mir die Sachen bringen, die ihr gekauft habt. Ich erlöse sie. Für euch.«
Das setzte neue Reaktionen in Gang. Auch bei den drei ???. »Der will doch nur Geld verdienen«, sagte Justus plötzlich. Peter hingegen dachte an seine Jacke, und ihm fiel ein, dass er gestern eine Mathearbeit verhauen hatte. »Ich glaube ihm«, sagte er. Unentschlossen zog Bob die Stirn in Falten.
»Sie wollen einfach nur Geld abkassieren!«, rief ein Mann, der den drei ??? schon vorher aufgefallen war. Er war dünn und drahtig und trug einen Sonnenhut. Auffällig war sein langer spitzer Bart. »Glaubt ihm kein Wort!« Doch bevor jemand anderes was dazwischenrufen konnte, sagte der Indianer seelenruhig: »Liebe Einwohner! Das kostet Sie nichts. Kommen Sie zu mir. Auch wenn Sie nicht daran glauben. Es kostet nur die Zeit, die Sie brauchen. Vertrauen Sie mir. Tun Sie es! In genau zwei Stunden werde ich beginnen. Hier. Denken Sie an die Frau mit dem Hund! Und all die anderen! Es wird alles noch schlimmer kommen!«
»Was ist mit Ihrer CD?«, fragte Peter den Hilfspolizisten. Dickens zuckte zusammen. »Äh … ja. Natürlich. Ich gehe sie holen.« Er drehte sich um und wollte sich den Weg durch die Menge bahnen. Doch die Menge gab es nicht mehr. Die meisten Leute aus Rocky Beach waren bereits auf dem Heimweg, um ihre neuen Sachen heranzuschleppen. Ruhig stieg der Indianer von den Stufen des Brunnens hinab.
Die drei ??? beschlossen, den Marktplatz zu verlassen. Am liebsten wollte Justus jetzt zur Kaffeekanne gehen. Die Kaffeekanne war ein Wassertank für die alten Dampflokomotiven, der nicht mehr in Benutzung war. Er diente den drei Freunden als Geheimversteck. Hier konnte man ungestört Pläne aushecken. Oder verbotene Sachen tun, wie Süßigkeiten naschen, ohne dass unverhofft die Eltern auftauchten. Oder Tante Mathilda oder Onkel Titus, bei denen Justus seit dem Tod seiner Eltern wohnte. Besonders Tante Mathilda war sehr streng, wenn es um Süßigkeiten ging. Nicht jedoch bei ihrem selbst gebackenen, besten Kirschkuchen der ganzen Westküste Amerikas. Wenn nicht sogar der ganzen Welt, wie Justus meinte.
»Du hast uns doch ein Eis versprochen«, sagte Peter. »Aber eigentlich möchte ich gleich nach Hause. Wir haben zu lange hier herumgestanden. Ich soll noch mein Zimmer aufräumen. Sonst darf ich am Wochenende nicht surfen gehen.«