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"Ich möchte Peter Shaw sprechen. Es ist dringend." –"Worum geht es denn, Mister?" – "Um sein Leben." Eigentlich hatte Peter nur nach einem geeigneten Drehort für ein Filmprojekt an der Schule gesucht. Doch in der verlassenen Fabrikhalle findet er mehr als nur einen stimmungsvollen Schauplatz für den geplanten Kriminalfilm: ein geheimnisvolles Kästchen, einen Zettel mit merkwürdigen Schriftzeichen - und einen messerwerfenden Asiaten, der sich sofort an seine Fersen heftet. Und das alles ist erst der Auftakt zu einem weiteren Fall für die drei ???...
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Seitenzahl: 154
und der Schatz der Mönche
erzählt von Ben Nevis
Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
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© 2002, 2005, 2008, 2011, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-12876-3
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
»Mir fällt nichts mehr ein, Justus. Blackout. Leere. Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer ist, eine kleine Geschichte zu schreiben.« Genervt sah Bob Andrews vom Schreibtisch auf und streckte seinen Rücken durch.
Justus Jonas sah ihn ungerührt an. Die beiden Freunde saßen in der Zentrale ihres Detektivbüros, einem umgebauten alten Campingwagen. Während draußen der Wind pfiff, brüteten sie schon seit gut zwei Stunden über einem Skript, das als Grundlage für einen Videofilm dienen sollte. Es war eine Arbeit für die Film-AG ihrer Schule. Ihr Dozent, ein ehemaliger Regisseur aus Hollywood, hatte mehrere Themen vorgeschlagen und Bob und Justus hatten sich sofort für ›Die Jagd nach dem dunklen Geheimnis‹ entschieden. Die meisten ihrer Schulkameraden standen eher auf sportliche Themen (›Michael – Der Star des Footballteams‹) oder Science-Fiction (›SCARE – Angriff aus dem All‹).
Aber vollkommen einig waren sich die beiden Jungen darin, dass das Projekt der Mädchen das schaurigste von allen war. Planten sie doch tatsächlich einen Liebesfilm, in dem sich der Star einer Boygroup in eine Schülerin verknallt. Nur Peter Shaw, der Dritte im Bunde der Detektive, fand das Thema gar nicht albern und er hatte bereits mit dem Gedanken gespielt, sich für die männliche Hauptrolle ins Spiel zu bringen. Doch Justus und Bob hatten ihren Freund in weiser Voraussicht gepackt und zu der Tafel gezogen, über der in großen Buchstaben KRIMI geschrieben stand.
Rätsel und Geheimnisse aller Art waren ihre Leidenschaft. Im Laufe ihrer Detektivkarriere hatten Justus, Peter und Bob bereits über 100 spannende Fälle gelöst und ihr Detektivbüro unter dem Namen ›Die drei ???‹ weit über Rocky Beach hinaus bekannt gemacht.
Aber aufregende Geschichten zu erleben war einfacher, als sie zu erfinden. Sie hatten sich an diesem Samstag ungewöhnlich früh getroffen, gilt der Morgen doch angeblich als die kreativste Zeit. Gähnend hatte sich Bob mit dem Anfang der Handlung beschäftigt, den schwierigen Mittelteil kurzerhand übersprungen und sich nun das Ende vorgenommen, während Justus bereits dabei war, die ersten Szenen filmgerecht umzusetzen. Er schrieb das Drehbuch. Doch da sein Freund pausenlos neue Ideen in die Geschichte einbaute und damit immer wieder den halben Film umschmiss, war Justus der Verzweiflung nahe. »Leg doch mal eine Pause ein«, schlug er Bob vor. »Von deinen Einfällen habe ich allmählich die Nase voll. Da kannst du problemlos zehn Filme draus machen, doch leider drehen wir nur einen – und den bitte schön richtig!«
Bob rümpfte die Nase und stand auf, um sich eine Flasche Cola zu holen. Er brauchte dringend eine Erfrischung und seine Augen schmerzten allmählich vom ständigen Starren auf den Computerbildschirm. Der dritte Detektiv stellte sich ans Fenster, trank einen Schluck und blickte auf die Uhr. »Gleich halb elf. Wo Peter nur bleibt? Er sollte längst zurück sein.«
Es war ihnen zwar gelungen, Peter von der Liebesfilm-AG wegzulocken, doch der Preis war hoch gewesen. Peter hatte sich ausbedungen, für das Wichtigste des Films verantwortlich zu sein: Regie und Kamera. Justus und Bob hatten zwar zunächst entschieden den Kopf geschüttelt, doch als Tina, ein Mädchen aus der Liebesfilm-Gruppe, Peter zu sich winken wollte, hatten sie zähneknirschend nachgegeben.
Während Justus und Bob also ihre Bleistifte spitzten, hatte sich Peter seine Inlineskates angeschnallt und war ins Industriegebiet gefahren. Dort stand eine verlassene Lagerhalle, die sich als Drehort für ihren Film ideal eignete. Die drei ??? kannten die Halle gut, denn sie hatten früher oft zwischen den Blechtonnen und rostigen Gestellen gespielt. Doch Peter musste sie jetzt mit den Blicken des Kameramannes prüfen und einige Probeaufnahmen machen. Allerdings sollte das Ganze nicht viel länger als eine Stunde dauern.
»Der Wind wird stärker«, sagte Bob, der immer noch aus dem Fenster starrte. »Ganz schön kräftig für unsere Gegend. Wahrscheinlich kommt Peter auf seinen Inlinern kaum voran.«
»Wegen des Gegenwindes?«, fragte Justus. »Ich glaube eher, dass er vor der Lagerhalle festgewachsen ist und sich vor Angst in die Hose macht. Peter – alleine in der Gruselfabrik! Wäre das nicht ein guter Titel für den Film? Du weißt doch, wie schreckhaft unser Zweiter Detektiv ist. Besonders, wenn wir nicht da sind.«
Bob lachte. »Klar, er ist ein alter Angsthase. Aber die Lagerhalle? Wovor sollte sich Peter dort fürchten?«
»Er hört eine Ratte und denkt, da lauert ein Mörder. Der Wind heult und er sieht gruselige Gespenster. Das kannst du beliebig weiterführen.«
»Vielleicht sollten wir hinfahren und ihn ein wenig erschrecken«, schlug Bob vor. »Wir hängen uns eine Tischdecke über den Kopf und bewerfen ihn mit Blechteilen. Dann hat er gleich ein paar gute Filmszenen im Kasten.«
»Und ich kann es mir sparen, deine überdrehte Geschichte in ein grandioses Drehbuch umzuschreiben. Denn deine neueste Idee, dass sich die Wiedergeburt des indianischen Teufelsgeistes ausgerechnet eine alte Lagerhalle als Auftrittsort für ihre Schreckenstaten ausgesucht hat, finde ich nicht sehr überzeugend.«
Bob zog eine Schnute. »Immer noch besser als der Erpressungsversuch eines Bankräubers, den du vorgeschlagen hast«, entgegnete er beleidigt. »Todlangweilig. Schon tausendmal gesehen.«
»Kommt drauf an, was man draus macht«, erwiderte Justus gereizt. »Ich finde meine Idee gar nicht so schlecht. Ein Bankräuber auf der Flucht, der sich in der Lagerhalle verborgen hält. Spielende Kinder entdecken plötzlich einen Geldschein und kommen ihm auf die Spur. Da kannst du tolle Szenen in der Halle drehen. Verfolgungsjagden ohne Ende.« Er räusperte sich. »Aber leider bist ja du für die Vorlage des Drehbuchs zuständig.«
»So haben wir es entschieden. Zum Glück, Justus. Und ich möchte auch nichts daran ändern. Deine Bankräubergeschichte wäre doch nur auf eine Abfolge von komplizierten Rätseln hinausgelaufen, die allein du hättest lösen können.« Damit spielte er auf Justus’ Superhirn und seinen Hang zur Logik an, die den zwei übrigen Detektiven einerseits mächtig auf den Geist ging, ihnen aber andererseits oft genug aus der Klemme geholfen hatte. Bob stemmte die Hände in die Hüften und sprach weiter: »Ich für meinen Teil hätte es gerne etwas mystischer. Wenn dir der böse Geist nicht passt, können wir ja auch … einen … versteckten Diamanten nehmen, mit Zauberkräften …«
»Hör auf, Bob! Schon wieder was Neues! Ich schlage vor, wir tauschen! Ich schreibe die Geschichte. Und du das Drehbuch.«
»Nein.«
»Du willst doch bloß der Autor sein, weil du denkst, es bringt mehr Ehre!«
»Quatsch!«
»Wo ist dann das Problem?«
Bob nahm die Flasche und trank sie in einem Zug leer. »Peter ist schon über eine Stunde zu spät, Justus. Vielleicht sollten wir uns doch langsam Sorgen um ihn machen.«
Justus stand auf und trat neben Bob. Gemeinsam starrten sie auf das Gelände des Schrottplatzes. Eigentlich handelte es sich mehr um ein Gebrauchtwarenlager, das Justus’ Onkel Titus Jonas in Rocky Beach betrieb. Seine Frau Mathilda half ihm, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt war, nach Justus zu suchen und ihm einen ihrer gefürchteten Arbeitsaufträge zu verpassen. Oder aber sie lebte sich in der Küche aus. Da war sie wirklich vom Fach. Der Ruf von Tante Mathildas Kuchen war weit über den Schrottplatz hinausgedrungen und ihre Eis-Nachspeisen waren ebenso köstlich.
Doch in diesem Moment hatte Tante Mathilda andere Sorgen. Der Wind drohte die Badetücher herunterzureißen, die sie zum Trocknen an einer Leine über den Hof gespannt hatte. Sie stürzte aus dem Haus und begann die Tücher eilig abzunehmen.
Belustigt beobachtete Justus, wie sie mit einem Strandtuch kämpfte. »Helfen wir ihr!«, entschied er dann.
Die Freunde verließen die Zentrale. Knallend warf ein starker Windstoß die Tür hinter ihnen zu. Sandkörner flogen ihnen entgegen. Sie kniffen die Augen zusammen und eilten zu Tante Mathilda, die gerade dabei war, sich von dem Tuch zu befreien, das sich um ihren Kopf gewickelt hatte. Zusammen bekamen sie die Sache in den Griff und in wenigen Minuten hatten sie die Wäsche ins Wohnhaus gerettet.
Gerade als sich Justus und Bob wieder in den Campingwagen zurückziehen wollten, glitt ein vornehmer Rolls-Royce in den Hof. Überrascht blickten Justus und Bob auf. Morton saß am Steuer – und auf der Rückbank hockte Peter.
»Wegen des bisschen Windes lässt er sich chauffieren wie die Königin von England!« Bob konnte es nicht fassen.
Justus hingegen runzelte die Stirn. Peters Gesichtsausdruck gefiel ihm gar nicht. Und warum Morton? Inzwischen war er zwar längst zu einem Freund der drei ??? geworden, aber sie hatten die Dienste des Chauffeurs schon länger nicht mehr in Anspruch genommen. Früher, als Peter und Bob noch nicht über eigene Autos verfügten, war das anders gewesen. Da hatten sie jubiliert, als die Mietwagenfirma ihr Angebot an die drei ???, Fahrer und Rolls kostenlos zu nutzen, von dreißig Tagen auf unbestimmte Zeit verlängert hatte. Ohne Morton und seine Chauffeurdienste hätten sie, als sie noch keine Führerscheine besaßen, viele ihrer Kriminalfälle gar nicht lösen können.
Inzwischen war Peter aus dem Wagen gesprungen. Er lief auf Strümpfen. Seine Inliner hatte er sich unter den einen Arm geklemmt, in der anderen Hand hielt er die Kamera. Peter nickte Morton zu, der den schweren Wagen auf dem Vorplatz wendete. Bevor Morton wieder das große Einfahrtstor passierte, grüßte er Justus und Bob, indem er mit einer etwas steif wirkenden Bewegung seine Hand an die Chauffeurmütze legte.
Peter hatte sich schon abgewendet und nahm schnurstracks Kurs auf den Campingwagen. Die Haare hingen ihm wirr ins Gesicht und das Hemd war aus der Hose gerutscht. »Kommt rein!«, brüllte er seinen Freunden durch den Wind entgegen.
Justus sah ihm kopfschüttelnd hinterher. »Ich fürchte, Peter steckt in Schwierigkeiten«, sagte er und stapfte los.
»Ach Quatsch! Der spielt sich nur auf!« Bob kannte Peter lange genug um zu wissen, dass sein Freund zu dramatischen Auftritten neigte. Aber auch er setzte sich in Bewegung, kräftig hustend, weil der Wind den Dreck aus den hintersten Winkeln des Schrottplatzes über den Hof trieb.
Als der dritte Detektiv die Tür hinter sich zuzog, hatte sich Peter bereits in einen Sessel fallen lassen. Doch bevor jemand etwas sagen konnte, stand er schon wieder auf und begann nervös hin und her zu laufen. »Mann, bin ich froh, euch wiederzusehen! Ihr glaubt nicht, was ich eben erlebt habe!«
»Du bist im Lagerhaus einem leibhaftigen Gespenst begegnet«, gab Bob einen ersten Tipp ab. Dabei zwinkerte er Justus belustigt zu.
Peter holte empört Luft.
»Ein Mörder hat dir aufgelauert«, versuchte es Bob noch einmal. Immer noch hatte er das Gefühl, dass Peter maßlos übertrieb.
»Du nimmst mich nicht ernst!«, platzte Peter heraus. »Es ist nicht so, dass ich Angst bekomme, wenn ihr nicht dabei seid! Da war wirklich ein Mörder! – Oder fast jedenfalls«, setzte er hinzu.
Bob sah ihn spitz an. »Dann hast du ihn hoffentlich mit der Kamera aufgenommen!«
Peter unterbrach seine Wanderung und verschränkte die Arme. »Bob, du hast zwar keinen blassen Schimmer, was passiert ist, aber der Mann könnte tatsächlich auf dem Video sein!« Er setzte sich wieder, legte die Kamera auf seinen Schoß und begann, an dem Gerät herumzuhantieren.
Langsam wurde Bob neugierig. Er stellte sich neben Justus, der Peter bereits über die Schulter sah. Inzwischen hatte der Zweite Detektiv seine Aufnahmen zurückgespult, aber er startete das Band noch nicht.
»Am besten, ich erzähle euch alles von Anfang an«, begann Peter. »Auf dem Weg zur Fabrikhalle habe ich zufällig Tina getroffen. Wir haben zusammen ein Eis gegessen und sie hat mir von dem geplanten Liebesfilm erzählt.«
»Wie aufregend«, fand Bob. »Ich krieg schon Angst!«
Peter warf ihm einen verächtlichen Blick zu und drückte auf den Startknopf. »Dann hat sie sich mit ihren Freundinnen getroffen und ich bin weiter zur Fabrikhalle. Seht her.« Er deutete auf den kleinen Kontrollbildschirm der Kamera. »Da ist das Gebäude. Von dieser Stelle aus gesehen kommt es doch fast gespenstisch rüber. Besonders bei den dunklen Wolken.«
Es war nicht mehr als ein dunkler Fleck zu sehen, denn der Monitor der Kamera war nicht größer als ein Handydisplay. »Warte«, schlug Justus vor, »wir schließen das Gerät an den Fernseher an. Dann haben wir ein großes Bild und können deinen Ausführungen besser folgen.«
Er besorgte ein paar Verbindungskabel und nach wenigen Handgriffen war es so weit. »So … das hätten wir. Film ab, Peter!«
Wieder erschien die Fabrikhalle. Sie war einige hundert Meter entfernt und Peter hatte das Gelände eines unbebauten Grundstücks stimmungsvoll als Vordergrund gewählt. Ab und zu blies der Wind Fetzen alter Plastiktüten oder andere Müllreste durch den Bildausschnitt. Auch konnte man den Wind pfeifen hören.
»Da hinten steht noch was«, bemerkte Justus und deutete auf den Bildschirm. »Sieht aus wie ein Motorrad.«
»Scharfer Blick, Erster!« Peter nickte anerkennend. »Mir ist die Maschine zunächst nicht weiter aufgefallen – leider …«, setzte er hinzu.
Das Bild wechselte. Jetzt war die Halle besser zu erkennen. Peter hatte sie von der Rückseite aus aufgenommen. Die meisten Fensterscheiben waren zerbrochen und an der Blechverkleidung zerrte der Wind. Neben einem Fenster lag eine rostige Tonne, unter einem anderen lehnte ein altes Fahrrad.
Justus wusste, was sich hinter der Gebäudemauer verbarg: ein von der Halle abgetrennter Raum, in dem mehrere leere Hochregale vermoderten. Früher hatten die drei Jungen dort Verstecken gespielt und sich ab und zu von einer umherhuschenden Ratte erschrecken lassen.
Jetzt kam Bewegung in die Szene: Peter schritt auf eines der Fenster zu. Das Bild schaukelte bedenklich.
»So kannst du unmöglich unser Kameramann werden«, stichelte Bob. »Da wird einem ja schon beim Zusehen schlecht!«
Peter sah ihn genervt an. »Wenn wir den Film drehen, habe ich schließlich keine Inliner an! Hauptsache deine Geschichte steht schon auf festen Beinen!«
Der Erste Detektiv grinste. »Bobs Ideen sind noch viel wackliger als deine Aufnahme.«
»Und bei Justus’ Drehbuch wirst du seekrank«, entgegnete Bob beleidigt.
Die drei schwiegen und starrten wieder auf den Bildschirm. Nach einer Weile hatte Peter das Fenster erreicht. Das Bild kippte ab, da er die Kamera auf das Fenstersims gelegt hatte. Die drei ??? sahen, wie er sich am Sims hochzog und ins Innere der Halle gleiten ließ.
»Und wann tritt nun endlich der Mörder auf?«, fragte Bob.
»Abwarten«, antwortete Peter trocken.
Die Kamera wurde wieder aufgenommen und kam langsam in Bewegung. Dicht über dem Boden glitt sie dahin, als ob ein Minihubschrauber die Gänge abgeflogen wäre.
Justus war beeindruckt. »Toller Effekt, Peter. Du hast die Kamera nach unten zwischen die Beine gehalten und bist mit den Inlinern die Gänge entlanggerollt. Richtig gruselig. Sieht fast aus wie ein Geist, der an den Regalen entlanghuscht …«
Er unterbrach sich schnell, doch Bob hatte bereits die Chance beim Schopf ergriffen. »Genau! Der indianische Teufelsgeist verfolgt sein Opfer!«
»Genauso könnte es der Bankräuber sein, der hinter den Eindringlingen her ist«, stöhnte Justus abwehrend auf.
Peter war von seinen Aufnahmen viel zu beeindruckt, um näher auf die Ideen seiner Freunde einzugehen. Besonders rasant sah es aus, wenn er die Kurven nahm und in einen neuen Gang einbog. Die Kamera sauste dicht über dem Boden dahin. Wieder war ein Regal zu Ende und Peter rollte um die Ecke. Da geschah es. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich etwas Flächiges auf. Es sauste auf Peter zu, die Kamera wurde hochgerissen und dann wirbelten die Bilder herum. Aus den Lautsprechern des Fernsehers drang ein Krachen und Scheppern. Als das Bild wieder stabil wurde, zeigte es nichts weiter als die Decke der Lagerhalle. Dann tauchte Peters Kopf auf.
»Dich hat es aber ganz schön hingefetzt!«, kommentierte Bob durchaus mitfühlend. »Aber was war das für ein Teil, das dir in die Quere gekommen ist?«
Peter beschloss, vorerst die Bilder sprechen zu lassen. »Warte einfach ab«, sagte er nur.
Peter hatte sich nach seinem Sturz sofort um die Kamera gekümmert und diese auf den merkwürdigen Gegenstand gerichtet, der am Boden lag. Er zoomte näher heran und ein Kästchen wurde sichtbar.
»Eine Schatulle«, murmelte Justus überrascht. »Eine rotbraune Box. Was hat die denn da zu suchen?« Er beugte sich näher vor den Bildschirm. »Hängt da nicht ein Zettel am Griff?«
»Gut beobachtet«, lobte Peter.
Jetzt hatte Peter die Kamera auf den Boden gestellt. Man sah, wie seine Inlineskates langsam auf das Kästchen zurollten. Peters Hände tauchten auf und griffen nach der Box.
»Hast du das Kästchen geöffnet?«, fragte Justus.
Peter schüttelte den Kopf. »Nein. Das ging nicht. Ich habe festgestellt, dass es mit einem Nummernschloss gesichert ist: vier kleine Rädchen. Daneben befinden sich wie bei einem alten Koffer zwei Klappschlösser, die man nur aufbekommt, wenn man die richtige Nummer eingestellt hat. Vielmehr die richtigen Zeichen. Denn da waren so merkwürdige Symbole drauf.«
»Vielleicht ist ein Schatz drin«, sagte Bob. Seine Augen begannen zu glänzen. »Juwelen zum Beispiel. Was stand denn auf dem Zettel, den du erwähnt hast?«
»Ein kurzer Text in einer fremden Sprache. Ich konnte ihn nicht lesen.« Peter deutete auf den Bildschirm. »Wisst ihr, an welcher Stelle des Lagerraums ich mich befinde?«
Bei solchen Fragen fühlte sich Justus sofort herausgefordert. Er konzentrierte sich auf den Hintergrund des Bildes. »Warte … das muss auf der Querseite sein, ja genau, an der Stelle, wo diese schwere Stahltür ist, die das Lager mit der großen Halle verbindet. Man sieht sie im Hintergrund.« Er betrachtete das Bild genauer und registrierte, dass der eingeblendete Videotimer 9 Uhr 43 anzeigte. Plötzlich stockte ihm der Atem. »Peter, die Tür … sie bewegt sich … sie wird aufgeschoben … da ist jemand!«
Peter antwortete nicht und hielt stattdessen das Bild an. Er stand auf, drehte den Ton des Fernsehers auf volle Lautstärke und ließ dann seine Aufzeichnung weiterlaufen.
Das Knarren der schweren Eisentür, die sich im Schneckentempo über die Laufschiene schob, drang jetzt sehr viel eindrucksvoller aus den Lautsprechern. Der Spalt wurde unaufhörlich breiter. Als er auf einen knappen Meter angewachsen war, stoppte die Tür. Augenblicklich hörte das Kreischen auf und stattdessen vernahm man plötzlich eine Männerstimme.
Peter legte einen Finger an die Lippen, aber Bob und Justus waren sowieso mucksmäuschenstill.
»Klingt wie Chinesisch«, sagte Justus dazwischen.
Eine andere Stimme schien nun zu antworten: