Die endlose Zeit des Augenblicks - Swantje Kuball - E-Book

Die endlose Zeit des Augenblicks E-Book

Swantje Kuball

4,4

Beschreibung

Lieber Auszeit als Burnout. Immer mehr Menschen wollen immer schneller vorankommen. Wohin eigentlich? Ich bleibe erst einmal sitzen, genieße den Augenblick, fühle die Wärme der Sonne und spüre, dass nicht nur die Lasten des Rucksacks von meinen Schultern fallen. Jetzt, in diesem Augenblick, habe ich wirklich alle Zeit der Welt. Unterwegs auf dem Jakobsweg: Auf der Via Lemovicensis durch Frankreich und dem Camino del Norte durch Spanien.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 253

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,4 (16 Bewertungen)
10
2
4
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Vorweg.

Ja, ich habe es getan. Ich habe – geordnet – alles hingeworfen und mich auf den Weg gemacht, Richtung Süd-West. Einmal im Leben.

Es ist mit dem Pilgern so wie mit vielen Dingen im Leben: Wenn man keine Ahnung hat, denkt man, es ist leicht. Wenn man ein bisschen Ahnung hat, fürchtet man, es nicht zu bewältigen. Und wenn man ein bisschen mehr Ahnung hat, sieht man:

Es geht schon.

Danke an alle, die mich mit ihren guten Gedanken und Wünschen begleitet haben.

Inhaltsverzeichnis

Sonntag, 6. Mai, kurz nach 19.00 Uhr

Tag 1, Dienstag, 2. April

Tag 2, Mittwoch

Tag 3, Donnerstag

Tag 4, Freitag

Tag 5, Samstag

Tag 6, Sonntag

Tag 7, Montag

Tag 8, Dienstag

Tag 9 – 11, Mittwoch – Freitag

Tag 12, Samstag

Tag 13, Sonntag

Tag 14, Montag

Tag 15, Dienstag

Tag 16, Mittwoch

Tag 17, Donnerstag

Tag 18, Freitag

Tag 19, Samstag

Tag 20, Sonntag

Tag 21, Montag

Tag 22, Dienstag

Tag 23, Mittwoch

Tag 24, Donnerstag

Tag 25, Freitag

Tag 26, Samstag

Tag 27, Sonntag

Tag 28, Montag

Tag 29, Dienstag

Tag 30, Mittwoch

Tag 31, Donnerstag

Tag 32, Freitag

Tag 33, Samstag

Tag 34, Sonntag

Tag 35, Montag

Der erste Tag der 6. Woche, Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Pfingstsonntag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Beginn der neunten Woche, Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Der erste Tag der zehnten Woche, Dienstag

Mittwoch, 5. Juni

Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Der erste Tag der elften Woche, Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Dienstag, 18. Juli, 15. Woche

Tag 100, Mittwoch, 9. Juli

Tag 101, Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Und nun??

Sonntag, 6. Mai, kurz nach 19.00 Uhr

„C'est trop cher pour vous, Madame“ – „Das ist zu teuer für Sie, gute Frau.“

Die chic frisierte und geschmackvoll gekleidete Französin sieht mich mit einem freundlichen Lächeln an. Seit Tagen freue ich mich auf diesen Tag, an dem ich hier in Vezelay ankomme. Vezelay liegt im französischen Burgund. Es ist der Ausgangsort der Via Lemovicensis, einem der vier historischen Hauptwege Richtung Pyrenäen und dann weiter Richtung Santiago de Compostela. Ich bin unterwegs auf dem Jakobsweg.

Gestartet bin ich vor 34 Tagen, in Köln, und bis hierher bin ich fast 800 km gegangen, durch Schnee, Regen und Frühlingssonne. Jetzt freue ich mich auf 2 Tage Luxusleben, ein Zimmer nur für mich und Duschen und Füße hochlegen. Und dann möchte ich erholt weitergehen Richtung Süden.

Wer weiß, was mich ab hier erwartet.

Aber jetzt brauche ich erst einmal für hier und heute ein Bett.

„Der Weg wird für Dich sorgen“ – das hatte mir Katherine, die ich vor 8 Tagen unterwegs kennengelernt habe, gesagt. Seitdem habe ich nicht mehr, wie im Pilgerführer für Frankreich ausdrücklich empfohlen, jeden Abend brav meine Unterkunft für den nächsten Tag vorausgebucht, sondern bin morgens vertrauensvoll losmarschiert – und bisher hat es immer prima geklappt.

Aber heute ist irgendwie der Wurm drin. Wie üblich habe ich mich wieder großräumig verlaufen und bin viel später angekommen als geplant. Das kleine Hotel, das ich mir als Luxusetappenziel ausgesucht hatte, sieht zwar von außen sehr gemütlich aus, es ist aber leider, wie so vieles hier in Mittelfrankreich, geschlossen und „A Vendre“ – „Zu verkaufen“. Also klingel ich bei der kleine Pension in der Straße gegenüber.

Aber die Madame sieht mich nur an.

„C'est trop cher pour vous“ – Na, danke schön, wie sehe ich denn heute aus?

Und nun? Was mache ich nun?

Vor 34 Tagen in der Nähe von Bremen:

Tag 1, Dienstag, 2. April

Es ist sonnig und kalt. Meine Mutter bringt mich zum Bahnhof. Mir ist doch ein bisschen mulmig: jetzt geht’s los! Die letzten Wochen waren voll mit Arbeit, Organisieren, Planen und Packen. Ich freue mich total auf meine Freiheit jetzt, aber: das ist schon ziemlich viel leerer Raum vor mir gerade. Ein halbes freies Jahr.

Ich habe im letzten November meine Arbeit im Seniorenheim gekündigt, nach 19 Jahren, vorletzte Woche hatte ich dort meinen letzten Tag. Mein Zimmer in der gemeinsamen Wohnung mit meinem 21-jährigen Sohn habe ich ausgeräumt und an einen Freund meines Sohnes vermietet. Die beiden passen nun auf die Möbel und die Katze auf, während ich weg bin.

Ich bin ab jetzt nämlich mal weg.

Vor 2 Jahren hatte ich eine mittlere Krise: Ich arbeite schon 17 Jahre im Seniorenheim, bin alleinerziehend und habe noch 17 Jahre bis zur Rente – wo bleibt denn in meinem Leben mal Raum für mich?

Bei Bewohnern und auch Kolleginnen hatte ich es oft gesehen: die ganz ganz Fleissigen hatten später viel viel Zeit – aber oft nicht mehr die Gesundheit und Energie, sie zu nutzen.

Schon aus dem Studium kannte ich den Begriff des Sabbatjahres: regelmäßig alle 7 Jahre Pause im Lehrbetrieb machen, um sich wieder der Forschung und persönlichen Entwicklung zu widmen. Eine unserer Professorinnen wollte damals gerne alle in ihrem Berufsleben noch anfallenden Sabbatjahre am Stück nehmen, um mal so richtig Abstand zu gewinnen. Gute Idee – aber das ist denn doch nicht bewilligt worden.

Mir reicht ja schon die Vorstellung von einem Sabbatjahr – und das habe ich dann aus ökonomischen Gründen auf realistisch zu finanzierende 6 Monate zurecht geplant.

Ein halbes Jahr frei – eine geniale Vorstellung, die mir wieder Schwung für die Zeit gab, bis mein Sohn seine Schule abgeschlossen hatte und meiner Auszeit nichts mehr im Weg stand.

Und dann habe ich gekündigt.

Vorher hatte ich mir in vielen schönen Momenten überlegt, was ich dann mit meiner ungewohnten Freiheit anfangen möchte. Auf jeden Fall weg. Eine Zeit lang überlegte ich, mit einer Reisegruppe von Berlin aus über Moskau nach Peking zu radeln und dann eventuell über Indien zurück zu reisen.. Aber irgendwie war das nicht das Richtige, ich wollte ja nicht wieder in eine neue Tretmühle mit Gruppendruck. Und bezahlbar musste es auch alles bleiben.

Ich liebe schon immer Frankreich, besonders die Gegend zwischen Bordeaux und Biarritz am Atlantik. Und: seit 2008 pilgern wir mit mehreren Frauen in Tagestouren auf dem Jakobsweg ab Bremen, immer Richtung Santiago de Compostela. Wenn mir früher mal jemand gesagt hätte, dass ich mal gerne wandern würde…

Nein, Stopp: Pilgern ist nicht Wandern. Wir pilgern und wir haben auch ganz bewusst diesen Weg ausgesucht. Ein Zeitungsartikel hatte berichtet, dass der Jakobsweg, der ja mindestens seit Hape Kerkelings Buch vielen bekannt ist, auch direkt durch Bremen verläuft. Eines Sonntags im Herbst sind wir gestartet.

„Der Jakobsweg beginnt an Deiner Haustür“. Nach 3 Jahren waren wir noch nicht so richtig weit, aber immerhin schon in Vechta. Stück für Stück und jedes Stück war wunderschön.

Der Begriff „Pilger“ wird von dem lateinischen „Peregrinus“ abgeleitet und bedeutet: in der Fremde sein. Seit Urzeiten machen sich Menschen aus unterschiedlichsten Gründen auf in die Fremde.

Und: Pilgern ist Beten mit den Füßen. Auf unserem Weg Richtung Süden hatten wir für vieles Grund zum Bitten und zum Danken. Von Anfang an war das Gefühl, auf dem Jakobsweg mit seiner jahrhundertealten Geschichte unterwegs zu sein, ein ganz anderes als auf einer „normalen“ Wanderung.

Dann schenkte mir eine Freundin einen Pilgerführer über den Camino del Norte, den Jakobsweg über Nordspanien. Den hatte sie irgendwo zufällig gefunden. Ich wusste vorher gar nicht, dass es mehrere Caminos gibt – und nun war hier ein Weg direkt an meinem Lieblingsatlantik entlang – mein Weg.

Das mache ich. Da gehe ich lang.

Im letzten Jahr hatte ich mich schon tageweise zur Probe allein auf den Weg gemacht, immer auf dem mit der gelben Jakobsmuschel markierten Weg weiter, Osnabrück, Münster, Köln.

Das Unterwegssein gefiel mir richtig gut.

Mal sehen, wie weit ich so komme. Bis zum Meer?

Also stehe ich jetzt hier in Köln, nach 3 Stunden Bahnfahrt ab Bremen, mit meinem doch ziemlich ungewohnt schweren Rucksack.

In Norddeutschland liegt immer noch Schnee. Ich habe wirklich kurz überlegt, ob ich mir Spikes mitnehmen soll, für die Eifel. Ich habe es zum Glück gelassen. Hier in Köln ist es schon frühlingshaft. Die Sonne scheint und ich starte mit einem Cappuccino im Straßencafé. Wie Urlaub, wie Hape, wie Spanien!

Dann gehe ich durch die Kölner Vororte weiter. Ein Mann transportiert einen jungen Baum im offenen Käfercabrio, Tulpen blühen vor den Blumenläden.

Ich laufe und jauchze und frohlocke innerlich bei jedem Schritt. So schön kann es sein.

Nach gut drei Stunden wird es schon etwas hügeliger und ich finde bald die Jugendherberge. Ich beziehe mein vorbestelltes Zimmerchen und bin beeindruckt, was ich alles aus meinem Rucksack zaubern kann. Ich dusche und verarzte meinen linken Hacken. Durch den langen Winter habe ich meine Wanderschuhe nicht richtig eingelaufen. Aber im letzten Jahr hatte mir eine Mitpilgerin einen tollen Blasentipp gegeben: einfach mit Tapeband abkleben. Ich habe eine ganze Rolle dabei.

Tag 2, Mittwoch

Nach einer Stunde unterwegs habe ich einen wunderbaren Blick zurück auf Köln. Der Dom ist immer noch gut zu erkennen. Er war lange das höchste Gebäude der Welt. Erst nachdem der Aufzug erfunden wurde, werden auch Wohn- und Bürohäuser höher gebaut. Gerade aus der Entfernung: ein beeindruckendes Bauwerk.

Die Gegend wird hügeliger und waldiger. Am frühen Nachmittag bin ich in Weilerswist. Auch hier habe ich mich angemeldet, ich kann im Gemeindehaus schlafen. Nach meine 4 qm gestern habe ich nun ca. 400 qm für mich. Leider ist das Pilgersofa zur Zeit verliehen, aber was macht das schon. Ich habe meine Alu-Isomatte und meinen Schlafsack dabei und richte mich häuslich auf dem Fliesenboden ein. Abends gehe ich zum ersten Mal in eine Katholische Kirche zur Messe. Ich bin beeindruckt, wie viele Menschen in der Woche zur Kirche kommen. Und wie schön gesungen wird. Das ist bei uns im evangelischen Norden anders.

Anschließend schreibe ich noch kurz eine SMS nach Hause – und berichte von meine ägyptischen Füßen. Es sind mittlerweile doch schon einige Blasen und da ich sie weiterhin mit dem weißen Tapeband abklebe, sehen meine Füße wirklich etwas mumienhaft aus. Ach, das wird schon wieder.

Es ist noch früh und ich beginne mit der ersten Lektion von meinem französischen Sprachkurs. Ich habe mir für die Reise einen iPod gegönnt, damit kann ich Fotos machen, Bücher lesen – z.B. den Sprachführer, Notizen machen, Musik hören und auch über WLAN ins Internet kommen.

In drei bis vier Wochen möchte ich an der französischen Grenze sein.

Tag 3, Donnerstag

Die längste Nacht …

Auf Fliesen mit einer dünnen Alu-Isomatte – so richtig gemütlich war es nicht. Und eisekalt. Ganz zum Schluß habe ich mir noch meine silbergoldene Erste-Hilfe-Notdecke dazugeholt. Ich freue mich, dass ich mich nun wieder warmlaufen darf – und vom Pastor habe ich noch eine Tafel Nussschokolade geschenkt bekommen. Auch schön!

Das Wetter ist sonnig, die Gegend wird immer hügeliger und ländlicher. Mal sehen, wie weit ich heute komme. Hier kennt mich ja keiner und ich packe endlich meine Treckingstöcke aus. Das sieht ja etwas gewöhnungsbedürftig aus, aber nach einiger Zeit läuft es sich wirklich ganz gut damit.

Pilgern ist wunderschön – bis auf die blöden Füße …

Gegen Abend bin ich in Bad Münstereifel. In meinem Pilgerführer steht eine Geschichte von zwei Pilgern im Mittelalter, die von hier aus bis Santiago de Compostela und zurück(!) in 5 Monaten gelaufen sind. Beachtlich! Die konnten ja nicht einfach mal ein Taxi nehmen – aber vielleicht öfter mal ein Stück auf einem Pferdewagen mitfahren? Ich möchte jetzt nur noch eben schnell zur Jugendherberge. Die liegt allerdings ziemlich weit oben auf dem Berg und ich schaffe es sogar noch, mich auf den schmalen Waldwegen etwas zu verlaufen. Aber dann: ein klasse Zimmer ganz für mich allein.

Und: endlich, endlich die Schuhe ausziehen. Vielleicht sollte ich morgen mal in Sandalen laufen? Kein guter Plan, hier liegt noch Schnee.

Tag 4, Freitag

Ich bin gerade eine viertel Stunde wach, da geht im Flur die Feuersirene los. Alle laufen wuselig hin und her und treffen sich nach kurzer Zeit draußen auf der grauen und eisigen Straße vor der Jugendherberge. Eine Gruppe junger Menschen mit Handicap, teilweise in Rollstühlen, und ihre Begleiter sind dabei sowie eine Mutter mit zwei Kleinkindern. Sie läßt die Kinder bei mir und läuft nochmals zurück, um die Winterjacken zu holen. Was ist hier los? Um warm zu werden, singt die Gruppe „Laurentia, liebe Laurentia mein“ und wir alle machen bei den Bewegungen mit. Mit lauter Sirene kommen endlich drei Feuerwehrwagen angefahren und nach weiteren kalten langen Minuten dürfen wir alle wieder hinein. Fehlalarm.

Nein, Sandalentag ist heute nicht, dann lieber weiter mit den festen Schuhen, wird schon.

Ab jetzt wird der Weg richtig bergig und winterlich. Wie gut, dass ich meine Stöcke habe auf diesen verschneiten Wegen. Es ist ein bisschen wie Winterwandern im Harz. Allerdings hatte ich da nie einen fast 10 kg schweren Rucksack dabei. Zuhause habe ich alles mit der Waage ausgewogen und wirklich nur das Notwendigste eingepackt. Jetzt bin ich froh, dass ich Mütze und Handschuhe dabei habe – und das Merinowollhemd meiner Oma.

Der Schnee knirscht unter meinen Sohlen und auf den hohen Bäumen glitzert das Weiß im Sonnenschein. Es ist wunderschön hier.

Als ich am Waldrand meine Mittagsbutterbrotpause mache, stapft ein Wanderer mit großem Rucksack vorbei, vielleicht auch ein Pilger?

Am Nachmittag erreiche ich die Jugendherberge in Blankenheim, eine urige alte Burg, so richtig mit Rittersaal – und mit warmem Abendessen. Pünktlich zum Freitag gibt es Fisch. Ich sitze mit einer jungen Frau und ihrem ca. 6-jährigen Sohn am Tisch, sie haben hier die Osterferien verbracht. Schön, sich mal wieder unterhalten zu können.

Auch den Wanderer von heute Mittag treffe ich im Speisesaal wieder. Er ist tatsächlich mit einer Bekannten für 4 Tage auf dem Jakobsweg unterwegs, morgen fahren sie schon wieder nach Hause. Die Frau hat sich bereits am ersten Tag die Füße so kaputt gelaufen, dass sie nun die Tagesetappen mit dem Bus vorfährt. Ein bisschen tröstet es mich, dass auch andere Fußprobleme haben. Geteiltes Leid… Sie ist zum ersten Mal auf Pilgerreise und sehr überrascht, wie anstrengend es ist, den ganzen Tag mit Gepäck unterwegs zu sein. Eigentlich wollte sie diesen Sommer in Spanien starten. Nun ist sie aber gar nicht mehr sicher, ob das Pilgern überhaupt etwas für sie ist. Ich berichte gerne von meinen Freud- und auch Leiderlebnissen in den letzten Jahren auf dem Weg Bremen – Köln und von meiner nun vor vier Tagen gestarteten Fußreise Richtung Süden. Es braucht eben alles seine Zeit.

Sie hört interessiert zu und fragt dann, ob ich einen Block hätte. Aus Gewichtsgründen habe ich wirklich nur drei DIN A-4 Blätter dabei und eine Kulimine. Das biete ich ihr natürlich an und sie fängt an zu lachen. Nein, sie meint einen Blog, einen Bericht im Internet, über den sie dann meine Reise verfolgen könnte. Nein, so etwas habe ich nicht. Und möchte ich auch gar nicht haben.

Ich merke, wie gut es für mich ist, so allein und total unabhängig unterwegs zu sein, diese Zeit zu haben und keine Verpflichtungen, genial. Aber schade, dass die beiden morgen schon wieder abreisen, ich wäre gerne ein Stück mit ihnen weitergezogen. Abends versorge ich meine Füße, rechts heilt gut ab, links wird wieder zugeklebt. Wird schon.

Tag 5, Samstag

Ich liebe Frühstücken. Wir sitzen am großen Tisch zusammen und genießen das gut bestückte Buffet. Jugendherbergen haben sich seit meiner Klassenfahrtzeit doch sehr zum Positiven entwickelt, eine echte Urlaubsalternative, besonders mit Kindern.

Dann geht es weiter. Heute ist es grau und nebelig, richtig winterlich. Die Wege werden schmaler und steiler, es beginnt zu schneien.

Als norddeutsches Landei bin ich Steigungen nicht gewohnt und der Rucksack ist heute noch etwas schwerer, weil es unterwegs keine Einkaufsmöglichkeiten gibt.

Nach kurzer Zeit habe ich mich eingelaufen und merke mal wieder, wie schön es ist, einfach nur unterwegs zu sein. Ich bin so glücklich, mich aufgemacht zu haben, einfach mal nicht an Arbeit und Erledigungen denken zu müssen. Ich habe mittlerweile einen groben Tagesrhythmus: 2 Stunden Laufen, dann kleine Pause, 2 Stunden weiter, dann Mittagsbutterbrotpause, dann mal wieder los und weiter bis zum Tagesziel. In einer Stunde komme ich ca. 4 km voran.

Ich bin so dankbar für meine Stöcke. Gerade hier auf unebenen und steilen Wegen sind sie klasse, ein bisschen so wie ein Treppengeländer, zum Hochhangeln und Abstützen.

Und was mache ich eigentlich die ganzen Stunden lang?

Menschen zum Mal-ein-bisschen-Schnacken begegnen mir unterwegs nicht. Ich genieße die Ausblicke über die Wälder und Wiesen, ich übe mich in Gehmeditationen und schaffe es nach kurzer Zeit, meine Qigong-Übungen mental durchzuführen, lustig.

In einem Tatort-Krimi wurde vor Jahren die Geschichte einer jungen Frau aus Berlin erzählt, die auf eine einsame Hallig-Insel entführt wurde. Da hielt sie es kaum aus, die Ruhe dort war nach dem Lärm der Großstadt so ungewohnt: „Hier ist es so still, da höre ich mich ja selber.“

Hier ist es auch so still. Ich fange langsam an, mich nach den langen vollgestopften Jahren wieder selber zu hören. Wie gut.

Und dann, wenn es lange genug stille war, hier kann mich ja keiner hören, es ist niemand bei diesem Winterwetter in dieser Einöde unterwegs – singe ich so vor mich hin, besonders gerne Cat Stevens: „If You Want to Sing Out, Sing Out“ und das Pippi-Langstrumpf-Lied: „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.“

Der Tag ist lang, die Füße schon recht müde. Ich hatte eine so schöne Unterkunft heute Nacht und ein reichhaltiges Frühstück. Und ich habe die Aussicht auf mein vorbestelltes Zimmer im nächsten Ort.

Seit über 1000 Jahren gehen Menschen den Weg zum Apostelgrab von Jakobus dem Älteren in Santiago de Compostela. Wie nur haben die Menschen im Mittelalter diesen Weg geschafft? Die Wege waren schlammiger, die Schuhsohlen dünner, die Wälder dichter und gefährlicher. Die Aussicht auf einen Erlass der Sünden und damit Befreiung vom Fegefeuer muss die Menschen damals sehr motiviert haben.

Der Legende nach missionierte Jakobus der Ältere, einer der ersten Jünger Jesus, in Spanien. Zurückgekehrt nach Palästina wurde er im Jahr 44 als erster christlicher Märtyrer hingerichtet, das Boot mit seinem Leichnam trieb wundersamerweise bis Nordspanien.

800 Jahre später wurde sein Grab durch eine Sternenerschein-ung wiederentdeckt. Dort entstand die Stadt Santiago de Compostela – Heiliger Jakobus vom Sternenfeld.

Die Iberische Halbinsel war zu dieser Zeit fast vollständig – bis auf den Norden – von arabischen Heeren besetzt. Zur Unterstützung und Stärkung der christlichen Gebiete war die nun durch die Kirche stark geförderte Pilgerbewegung zum durch den Papst offiziell bestätigten Grab des Apostels überaus hilfreich.

Santiago de Compostela entwickelte sich neben Rom und Jerusalem zum dritten großen Pilgerziel der Christenheit. In Hoch-Zeiten zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert kamen bis zu 1000 Menschen täglich dort an. Im sogenannten Heiligen Jahr, immer dann, wenn der Geburtstag Jakobus` auf einen Sonntag fällt, wurde ein vollständiger Sündenerlass gewährt.

Zu Beginn war für die Pilger nur der Weg entlang der Nordküste Spaniens möglich, der Camino del Norte. Später, nach erfolgreichen Rückeroberungen, wurde in das südlichere und ebenere Gebiet über Burgos und Leon, den Camino Frances, ausgeweitet. An den Pilgerwegen entstanden Kapellen, Gasthäuser, Städte, Kathedralen und Hospitäler. Wirtschaft und Kultur wurden gefördert, Handelswege und Straßen ausgebaut.

Der Camino Frances ist seit 1993 als UN-Welterbe anerkannt, die vier Hauptwege durch Frankreich seit 1998.

Was lockt mich eigentlich? Wieso mache ich das hier? Ich kann es nicht sagen, ich habe einfach das Gefühl, dass es genau jetzt genau richtig für mich ist.

Alle Erfahrungen, die ich in meinem Leben bisher gesammelt habe, kann ich hier gut gebrauchen. Besonders Geduld. Schritt für Schritt für Schritt komme ich voran.

Am Nachmittag erreiche ich Kronenburg, einen kleinen urigen Ort mit vielen alten Granithäusern. Ich beziehe mein Zimmer, klein und gemütlich. Endlich mal Schuhe ausziehen.

Tag 6, Sonntag

Am nächsten Morgen habe ich zuerst Schwierigkeiten, den richtigen Weg zu finden und laufe noch ein bisschen durch den verschlafenen mittelalterlichen Ort. Dann geht es im noch grauen Morgen weiter.

Heute gehe ich lange Strecken auf der Landstrasse, der eigentlich ausgeschilderte Weg durch den dichten Wald ist tief verschneit.

Am Morgen konnte ich im bereitgelegten Pilgerbuch lesen, dass dieses Jahr doch schon einige Jakobspilger in der Eifel unterwegs sind. Vielleicht treffe ich bald jemanden. Es wäre doch schön, mal wieder zu reden und sich auszutauschen.

Mittags bin ich ganz oben auf der Bergkuppe, hier könnte man glatt noch Ski fahren. Dann geht es wieder bergab und die Sonne schmilzt zusehends den Schnee.

Am Nachmittag erreiche ich Prüm und bekomme ein Luxuszimmer in der Jugendherberge. Endlich Platz für „Große Wäsche“. Ich versorge meine Füße und entschließe mich zu einem Pausentag. Dann kann ich auch in Ruhe mal weiter Französisch lernen.

Tag 7, Montag

Morgens entscheide ich mich, doch lieber zum Arzt zu gehen mit meinen Füßen. Irgendwie versorge ich sie nicht optimal, es wird nicht besser.

Der junge Arzt hat noch nicht sehr viel Erfahrung mit Wanderer-Füßen. Er rät mir dringend zu einer längeren Pause und verbindet die Füße so, dass sie gerade noch in die offenen Sandalen passen. Vielleicht, meint er, sollte ich mir das mit dem Pilgern nochmals überlegen, er hätte da so Bedenken, vielleicht bräuchte ich auch Stützstrümpfe? Ich verlasse lieber schnell und ziemlich irritiert die Praxis.

So, und nun???

So hatte ich mir das ja nun gar nicht gedacht. Ich bin echt etwas verzweifelt. Mein schöner Plan, so in eins loszugehen und bald am Atlantik zu sein… Die nächsten fünf Tagesetappen werden laut Buch schwierig mit vielen Steigungen. Das schaffe ich mit diesen Füßen und bei diesen Wetterverhältnissen nicht in nächster Zeit. Mein Zimmer in der Herberge muss ich morgen räumen, es kommen mehrere Schulklassen.

Ich besuche erst einmal die Basilika und lasse mich anschließend beim Schuster beraten. Dann entscheide ich mich schweren Herzens dazu, die nächsten fünf Tagesetappen durch die Eifel zu überspringen und mit dem Bus bis Trier vorzufahren. Das haben andere Pilger vor mir auch schon gemacht. Dann habe ich eben noch fünf Tage Eifelweg „gut“, vielleicht für diesen Herbst.

Und wie geht es ab Trier dann für mich weiter?

Vor Jahren habe ich in einem Buch den Spruch „Was ich in diesem Leben nicht schaffe, mache ich eben im nächsten.“ gelesen. Ich liebe entspannende Lebensweisheiten, aber ich habe mir die Zeit gerade jetzt und hier so gut organisiert. Irgendwie klappt es auch jetzt. In Trier kaufe ich mir dann eventuell ein Fahrrad, wenn das mit den Füßen nicht besser wird. Oder ich fahre auch weiterhin mehr Bus. Auf jeden Fall geht es weiter Richtung Süden, da bin ich mir ganz sicher.

Irgendwie.

Tag 8, Dienstag

Mit dem Bus geht es in ca. zwei Stunden nach Trier, zu Fuß hätte ich fünf Tage gebraucht.

In Trier blühen die Straßenbäume rosarot, ein echter Lichtblick nach dem langen Winter in Norddeutschland und den letzten Tagen im Schnee. Ich beziehe bei den Schwestern im Josephsstift ein kleines Zimmerchen. Anschließend besichtige ich ein bisschen die Stadt. Trier ist die älteste Stadt Deutschlands, hier stehen viele historische Gebäude und Bauwerke aus mehr als 2000 Jahren Geschichte. Es hätte schlechter kommen können mit meiner Zwangspause.

Am Nachmittag bin ich wieder bei einem Arzt zum Neuverbinden. Dieser ist älter und gerade zurück von einem Wanderurlaub auf den Kanaren. Er sieht sich meine Füße an: Kein Problem, noch 2-3 Tage Ruhe, und ich soll bitte die empfindlichen Stellen mit Hühneraugenschutzringen aus Filz abkleben.

So ein toller Arzt, so ein toller Tipp! Ich versorge mich in der Apotheke und lasse mich auch im Trekkingladen nebenan noch gut beraten. Auch hier gibt es gratis einiges an Blasenstories. Wächst alles wieder nach. Wie tröstlich.

So habe ich jetzt plötzlich überraschend viel Zeit.

Sehr sehr ungewohnt, aber gut. Ich lerne stundenweise Französisch und besichtige den Dom. Zum Glück für mich liegt alles recht dicht beieinander.

Abends besuche ich im Kloster die Messe. Auch hier fällt mir wieder auf, wie wunderschön die überwiegend schon älteren und sehr alten Nonnen singen.

Wie freundlich, dass sie mich aufgenommen haben und ich hier dabei sein darf.

Tag 9 – 11, Mittwoch – Freitag

Ich verbringe die Tage mit Französisch-Lernen, Stadtbesichtigung und Kaffeetrinken.

Trier ist vielfältig, ich sehe mir das Amphitheater an und mehrere goldüberladene barocke Kirchen. Besonders eindrucksvoll finde ich die Evangelische Kirche im ehemaligen riesigen Kaiserpalast in ihrer Klarheit.

Bei der Dominformation kann ich mir Post abholen, meine Mutter hat mir die Karten für die nächsten Etappen zugesandt. Sehr praktisch, so brauchte ich sie bisher nicht mitzutragen. Meine Karten für den Weg über die Eifel schicke ich wieder zurück nach Hause. Diese Etappe verschiebe ich auf „später“. Und die Karten für die Strecke in Frankreich kaufe ich dann dort direkt. Das Wetter ist zum Glück überwiegend trocken, das kommt mir mit meinen offenen Sandalen sehr entgegen.

Im Rückblick ist diese Pilgerwegpause genau richtig für mich. Ich wollte mich doch wieder neu besinnen in meinem Sabbatjahr, alles ein bisschen entschleunigen – und ich bin losgestürmt wie immer in den letzten Jahren, viel zu schnell.

Donnerstag Abend erreicht mich eine SMS von der Freundin meines Sohnes: „Du musst ganz bald wiederkommen, es sieht hier so schrecklich aus!“

Nee, das muss ich ganz bestimmt nicht, ich bin ja noch nicht mal richtig weg. Und, bis ich dann irgendwann mal wieder zuhause bin, haben die Jungs bestimmt auch mal Pfand weggebracht und Geschirr geschirrspülert. Ich bin da aus der Ferne sehr optimistisch.

Am Freitag traue ich mich zum ersten Mal wieder, meine festen Wanderschuhe anzuziehen.

Es geht! Morgen geht es endlich wieder weiter.

Tag 12, Samstag

Endlich wieder alles einpacken: Jedes Ding hat seinen Platz im Rucksack.

Es gibt das Schlafzimmer mit Isomatte und Schlafsack, daneben gleich den Erstehilfeschrank mit mittlerweile ausreichend Pflaster und die Werkzeugtasche mit Sicherheitsnadeln und Bindfaden. Im Fach darüber ist der Kleiderschrank mit Abendgarderobe, das Badezimmer und die Küche, jeweils immer in Plastiktüten extra verstaut – falls es mal durchregnet. Der Schuhschrank ist mit dem einen Paar Trecking-Sandalen für abends übersichtlich und der Schreibtisch auch.

Für die Reise hat mir mein Sohn Jonas zwei seiner kleinen und ganz leichten schwarzen Festivalrucksäcke mitgegeben, die mit dem großen W:O:A-Aufdruck – WackenOpenAir. In dem einen habe ich das Bad eingerichtet und der zweite ist am Tag die Elektroabteilung mit Ladegerät und nach Pilgerfeierabend meine schicke Abendtasche.

Mein absoluter Luxus ist ja das winzige elektronische Gerät, der iPod, den ich mir noch kurz vor der Abreise gegönnt habe. Er ist mein Bücherregal, mein Sprachlehrer, mein Notizblock, meine Stereoanlage, mein Fotoapparat, meine Taschenlampe und mein Mikro-PC, falls es mal WLAN gibt. Genial, und er wiegt nur ganz wenig über 90 Gramm.

Als Pilgererkennungszeichen hängt hinten am Rucksack die kleine Messing-Jakobsmuschel, die mir eine liebe Freundin geschenkt hat.

Mein erstes Ziel heute ist die Kirche Sankt Matthias, hier sind nach katholischer Überlieferung die Gebeine des Apostels Matthias beigelegt. Es ist das einzige Apostelgrab nördlich der Alpen. Ich habe keinerlei Bezug zur katholischen Reliquienverehrung, aber diese Information berührt mich schon – was auch immer in der Gruft liegen mag, es verbindet mich hier heute mit mehr als 2000 Jahren Christlicher Geschichte.

Mein Verhältnis zur Katholischen Kirche und ihren Riten schwankt zwischen ziemlich viel Unwissenheit, etwas kritischem Geschichtsbewußtsein und einer großen blauäugigen Offenheit für das, was mir Tag für Tag auf meinem Weg auf diesem historischen Pilgerweg begegnet. Ich freue mich an den immer frischen Blumen in den Kirchen, an den leuchtenden Kerzen, an den Darstellungen der Heiligen, an den Menschen. Kirchen sind für mich ein wichtiger Wegweiser und beseelt von denen, die sie pflegen und nutzen und oft nicht nur in der Gemeinde für andere Menschen da sind.

An der Mosel geht der Weg weiter, alles ist hier schön eben und gut zu gehen. Ein Mann spricht mich an und erzählt mir, dass er vor 4 Jahren von hier bis Santiago de Compostela und noch weiter gelaufen ist. Es geht aĺso.

Er gibt mir natürlich auch noch gute Blasentipps und verspricht, mir seine Karten für den Weg in Frankreich ab Vezelay in die Herberge kurz vor der französischen Grenze zu bringen, damit ich sie mir mal ansehen kann. Danke schön!

Mittags ist das Wetter so gut, dass ich eine Pause auf einer sonnenbeschienenen Bank machen kann und mein Butterbrot mit den Ameisen teile. Nach knapp 11 Kilometern bin ich heute an meinem Tagesziel. Auch hier in der kleinen Pension gibt es ein Pilgerbuch. 3 Tage vor mir geht ein Mann aus Mainz und 2 Tage voraus ist eine junge Frau aus Frankfurt. Ob ich sie eventuell mal einhole?

Heute bin ich froh, überhaupt so gut bis hier gekommen zu sein. Meine Stimmung schwankt. Schaffe ich das überhaupt? Ich habe echt ziemlich Muffe vor dem Weg in Frankreich. Ob ich mich dort verständigen kann?

Ich lade mich zum Italiener ein, es gibt sogar WLAN und ich kann ein bisschen mit meiner Familie mailen. Telefonieren mag ich zur Zeit gar nicht, dies ist „mein Weg“ – aber so ein bisschen Kontakt ist schon schön.

Tag 13, Sonntag

Morgens begrüße ich im Bad die weißgoldene WC-Bürsten-Ente. Oh, es wird Zeit, dass ich wieder mehr unter Menschen komme, ich vereinsame etwas.

Die Zimmerwirtin ist sehr nett und erzählt mir gerne von den vielen anderen Menschen, die schon bei ihr gerastet haben. Und, weil Sonntag ist, gibt es ein Ei.

Auf der alten mit Feldsteinen gepflasterten Römerstraße geht es bergauf, mit weitem Blick zurück ins Moseltal und auf Trier. Zwischen den noch kahlen Bäumen wachsen die ersten hellgelben Schlüsselblumen und ich brauche den ersten Tag mal keine Mütze.

Nun wird es richtig warm. Am tiefblauen Himmel kreuzen sich die Kondensstreifen der Flugzeuge.

Wie schön ist es, hier unten langsam unterwegs zu sein.

Am Nachmittag erreiche ich meine erste „richtige“ Pilgerherberge genau neben der Kirche – leider auch heute ohne andere Pilger.