Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
›Indianer‹ – ein Begriff, der Romantik, Abenteuer und Freiheit beschwört. Doch was verbirgt sich wirklich hinter diesem Wort? Das Sachbuch ›Die Erfindung der Indianer‹ beleuchtet die Entstehung eines Mythos, der mit der historischen Realität der amerikanischen Ureinwohner wenig gemein hat. Christoph Kolumbus, der glaubte, Indien erreicht zu haben, prägte eine Bezeichnung, die über Jahrhunderte hinweg als pauschales Etikett für die vielfältigen Kulturen Nordamerikas diente. Doch ›Indianer‹ sind keine homogene Gruppe – sie sind ein Kaleidoskop aus hunderten von Völkern mit einzigartigen Sprachen, Traditionen und Weltanschauungen. Dieses Buch zeigt, wie falsche Vorstellungen, Stereotypen und Mythen die Wahrnehmung indigener Völker verzerrten – von Kolonialzeiten bis zur Popkultur. Gleichzeitig dokumentiert es die schmerzvolle Geschichte der Enteignung, Verdrängung und kulturellen Unterdrückung, die diese Menschen erleiden mussten – und teilweise bis heute erleiden. Mit sachlichem Blick, aber ohne Scheu vor schonungsloser Darstellung, enthüllt ›Die Erfindung der Indianer‹ die Tragödien und Heldenmomente einer verdrängten Geschichte. Es ist ein Buch, das Mythen entzaubert, ohne Fantasien zu zerstören, und den Blick auf eine Realität öffnet, die nie in Vergessenheit geraten sollte. Ein aufrüttelndes Werk, das Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 143
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Eine Betrachtung
von
Lutz Spilker
DIE ERFINDUNG DER INDIANER
MYTHOS UND REALITÄT DER UREINWOHNER AMERIKAS
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Softcover ISBN: 978-3-384-45150-7
Ebook ISBN: 978-3-384-45151-4
© 2024 by Lutz Spilker
https://www.webbstar.de
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany
Die im Buch verwendeten Grafiken entsprechen denNutzungsbestimmungen der Creative-Commons-Lizenzen (CC).
Sämtliche Orte, Namen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind daher rein zufällig, jedoch keinesfalls beabsichtigt.
Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, sind ohne ausdrückliche schriftliche
Genehmigung des Autors oder des Verlages untersagt. Alle Rechte vorbehalten.
Inhalt
Inhalt
Vorwort
Die Ankunft in der Neuen Welt: Kolumbus und der Irrtum der ›Inder‹
Die Sicht von Kolumbus
Der Begriff als Beginn eines Mythos
Der Beginn der Erfindung
Die Entstehung des Begriffs ›Indianer‹
Ein Wort, das die Vielfalt verdeckt
Vom Irrtum zur Ideologie
Die Macht der Sprache
Ein Name, der bis heute bleibt
Die Vielfalt der indigenen Kulturen Nordamerikas
Die Welt der Vielfalt
Sprache und Identität
Kunst und Spiritualität
Soziale Organisation
Die Vielfalt als Stärke
Gesellschaft und Spiritualität der Ureinwohner vor der Kolonisierung
Gemeinschaftsstruktur und Rollenverständnis
Die spirituelle Welt
Das Verständnis von Zeit und Kosmos
Konflikt und Harmonie
Ein Blick in die Vergangenheit
Die ersten Begegnungen mit europäischen Siedlern
Die erste Kontaktaufnahme
Das Aufeinandertreffen der Kulturen
Erste Konflikte und Kooperation
Von Misstrauen zu Gewalt
Ein Ausblick
Handel, Missverständnisse und erste Konflikte
Eine Handelsbeziehung voller Gegensätze
Der Konflikt um das Verständnis von Besitz
Missverständnisse im kulturellen Austausch
Die ersten Konflikte und ihre Folgen
Ein Balanceakt, der niemals stattfand
Die Rolle der Missionare: Bekehrung oder Zerstörung?
Hoffnung oder Überheblichkeit?
Schulen und ›Umerziehung‹: Ein Angriff auf die Kultur
Konflikte zwischen Missionaren und Siedlern
Das zwiespältige Erbe der Missionierung
Ein zerstörter Glaube und die Suche nach Erneuerung
Das Aufkommen der Landnahme durch die Kolonialmächte
Der Anspruch der europäischen Mächte
Verträge und Täuschungen
Gewalt und Vertreibung
Die Rolle der europäischen Mächte
Auswirkungen auf die indigene Gesellschaft
Die Landnahme als Ideologie
Ein unendlicher Verlust
Krankheiten als ungewollte Waffen: Die Rolle von Pocken und Grippe
Der erste Kontakt mit europäischen Krankheiten
Der größte Feind
Krankheiten als strategisches Mittel
Soziale und kulturelle Auswirkungen
Eine neue Form der Kolonisierung
Die bleibenden Narben
Die Enteignung durch Verträge: Vom Wort zum Betrug
Das Missverständnis der Vertragstreue
Hoffnung und Enttäuschung
Übersetzungsprobleme und bewusste Irreführung
Landrechte gegen leere Versprechungen
Betrug durch juristische Spitzfindigkeiten
Der emotionale und kulturelle Verlust
Ein Erbe des Unrechts
Der Verlust der Büffel: Überleben unter Druck
Die Bedeutung des Büffels für die Plains-Völker
Die Ankunft der Jäger und der Beginn der Massentötung
Der strategische Einsatz des Büffelverlusts
Überleben unter Druck
Der kulturelle Genozid durch den Verlust des Büffels
Die Rückkehr des Büffels
Der Pfad der Tränen: Umsiedlung und Vertreibung der Cherokee
Die Cherokee und ihre Welt vor der Vertreibung
Der Indian Removal Act und die Politik der Vertreibung
Die erzwungene Umsiedlung und der Pfad der Tränen
Die kulturellen und psychologischen Auswirkungen
Erinnerung und Bedeutung
Die Indianerkriege: Die blutige Expansion des Westens
Ein unausgewogenes Kräfteverhältnis
Die ersten Konflikte und die Verdrängung
Die Expansion nach Westen und der Ausbruch neuer Kriege
Die Zeit der großen Indianerkriege
Brutalität und Massaker
Das Ende der Indianerkriege und der Beginn einer neuen Unterdrückung
Ein schwieriges Vermächtnis
Die Schlacht am Little Bighorn: Mythen und Realitäten
Der Weg zur Konfrontation
Die Arroganz der Strategie
Chaos und Entschlossenheit
Mythenbildung und ihre politischen Folgen
Zwischen Ruhm und Realität
Ein Mahnmal der Geschichte
Die Rolle der Eisenbahn: Zerstörung und Wandel
Der Traum von einer verbundenen Nation
Landverlust und Enteignung
Der Niedergang der Büffel
Militarisierung und Kontrolle
Wandel und Anpassung
Das Vermächtnis der Eisenbahn
Reservate: Ein Leben in Isolation und Abhängigkeit
Die Entstehung der Reservate
Kulturelle und soziale Isolation
Wirtschaftliche Abhängigkeit
Assimilation und Widerstand
Die Situation heute
Die kulturelle Unterdrückung durch Internatsschulen
Die Entstehung der Internatsschulen
Der Alltag in den Internatsschulen
Psychologische und physische Gewalt
Die Folgen für die Gemeinschaften
Widerstand und Heilung
Ein Vermächtnis des Überlebens
Die Repräsentation der ›Indianer‹ in Literatur und Film
Vom Wilden zum Edlen
Hollywood und die Geburt des Stereotyps
Die Entmenschlichung
Die Wende in der Darstellung
Der Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung
Eine Chance für neue Narrative
Winnetou und die Erschaffung des Bilderbuchindianers
Der edle Wilde als moralische Instanz
Die Konstruktion eines Mythos
Winnetou und die europäische Sehnsucht
Kritik und Folgen
Winnetous Vermächtnis
Die Stereotypen: Rothäute, Häuptlinge und Krieger
Die Erfindung der ›Rothaut‹
Der edle Führer
Wild, unzivilisiert und heroisch
Die Wirkung der Stereotypen
Der Weg zu einem realistischeren Bild
Der Widerstand gegen die Kolonialmächte: Helden der Ureinwohner
Die Anfänge des Widerstands
Der Visionär
Der Geist des freien Lebens
Der ungebrochene Kämpfer
Die unsichtbaren Helden
Das Vermächtnis des Widerstands
Die Bedeutung der indigenen Sprachen und ihre Gefährdung
Die Sprachen als Schlüssel zur Welt
Wissen, das in Worten lebt
Die Bedrohung durch Kolonialismus und Assimilation
Wiederbelebung und Widerstand
Die Bedeutung für die Welt
Ein Vermächtnis für die Zukunft
Traditionen und spirituelle Praktiken im Wandel
Die Grundlage indigener Spiritualität
Die Bedrohung durch den Kolonialismus
Wiedergeburt und Anpassung
Wandel und Moderne
Konflikte und Chancen
Ein lebendiges Erbe
Die Bürgerrechtsbewegung der Ureinwohner im 20. Jahrhundert
Der Kontext der Unterdrückung
Der Aufstieg der Bewegung
Symbolische Aktionen und Meilensteine
Errungenschaften und Rückschläge
Das Erbe der Bewegung
Die juristischen Kämpfe um Landrechte und Ressourcen
Der historische Hintergrund
Kampf für Verträge und Souveränität
Ressourcen als Brennpunkt
Der Schutz heiliger Stätten
Der Weg nach vorne
Ein Vermächtnis des Widerstands
Die kulturelle Renaissance indigener Völker
Ein Aufbruch nach langer Dunkelheit
Sprache als Schlüssel zur Identität
Traditionelle Künste in neuem Licht
Zeremonien und Spiritualität: Rückkehr zu den Wurzeln
Neue Medien und moderne Kanäle
Bildung als Weg in die Zukunft
Herausforderungen und Hoffnungen
Die Diskussion um kulturelle Aneignung in der Gegenwart
Der Verlust des Kontextes
Hollywood und die Mythenbildung
Der wirtschaftliche Faktor
Aneignung oder Austausch?
Die Reaktionen indigener Gemeinschaften
Ein Weg nach vorn
Die Herausforderungen der modernen Indigenen-Gemeinschaften
Soziale Ungleichheit und wirtschaftliche Marginalisierung
Bildung und kulturelle Identität
Die Umwelt als kulturelles und existenzielles Anliegen
Psychische Gesundheit und intergenerationale Traumata
Politischer Aktivismus und Selbstbestimmung
Hoffnung und Widerstandsfähigkeit
Die Wahrnehmung indigener Kulturen in der heutigen Gesellschaft
Harmonie mit der Natur
Stereotype in der modernen Medienlandschaft
Kulturelle Aneignung und ihre Folgen
Die Renaissance indigener Stimmen
Die Rolle der Bildung und der Medien
Zwischen Klischee und Realität
Zukunftsperspektiven: Erhalt der Kultur und soziale Gerechtigkeit
Der Kampf um den Erhalt kultureller Identitäten
Die Bedeutung von sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit
Bündnisse und Solidarität
Eine Generation des Wandels
Die Vision einer inklusiven Zukunft
Über den Autor
In dieser Reihe sind bisher erschienen
Der Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte,
machte eine böse Entdeckung.
Georg Christoph Lichtenberg
Georg Christoph Lichtenberg (* 1. Juli 1742 in Ober-Ramstadt; † 24. Februar 1799 in Göttingen) war ein Physiker, Naturforscher, Mathematiker, Schriftsteller und der erste deutsche Professor für Experimentalphysik im Zeitalter der Aufklärung. Lichtenberg gilt als Begründer des deutschsprachigen Aphorismus.
Vorwort
Die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner ist eine Geschichte der Missverständnisse, Mythen und unermesslichen Tragödien. Sie ist geprägt von romantisierten Erzählungen, die der Realität kaum gerecht werden, und von historischen Ungenauigkeiten, die bis heute das Bild dieser Kulturen verzerren. Dieses Buch mit dem Titel ›Die Erfindung der Indianer‹ ist der Versuch, Licht in die Schatten zu bringen, die diese Thematik umgeben.
Die Bezeichnung ›Indianer‹ selbst ist das Resultat eines Fehlers, der die gesamte Wahrnehmung der indigenen Völker Amerikas über Jahrhunderte hinweg prägte. Christoph Kolumbus (1451 - 1506), der glaubte, einen neuen Seeweg nach Indien gefunden zu haben, nannte die Menschen, denen er begegnete, ›Indios‹. Der Begriff hielt sich, obwohl diese Menschen mit den Bewohnern des asiatischen Subkontinents nichts gemein hatten. Mit diesem Namen wurde nicht nur eine grundlegende historische Ungenauigkeit etabliert, sondern auch eine pauschalisierende Sichtweise, die die kulturelle Vielfalt und Einzigartigkeit der indigenen Völker Nordamerikas ignorierte.
Doch dieses Buch geht über den Begriff hinaus. Es beleuchtet, wie diese falsche Vorstellung systematisch genährt wurde: von frühen Berichten europäischer Entdecker, über die literarische Verklärung durch Autoren wie Karl May, bis hin zur Darstellung in Filmen und Popkultur. Der ›Indianer‹, wie er in der westlichen Imagination existiert, ist eine Konstruktion – eine Erfindung, die mit der tatsächlichen Geschichte und Lebensrealität der amerikanischen Ureinwohner wenig zu tun hat.
Dabei soll dieses Buch kein Urteil über Fantasie und Kindheitsträume fällen. Für viele Menschen, insbesondere Kinder, sind Figuren wie Winnetou oder Geschichten wie ›Cowboys und Indianer‹ Teil einer unschuldigen, spielerischen Auseinandersetzung mit Abenteuer und Freiheit. Diese spielerische Ebene zu verteufeln, wäre ebenso falsch wie die historische Realität hinter den Mythen zu verschleiern. Ziel dieses Buches ist es, die Trennlinie zwischen der Welt der Fiktion und der Wirklichkeit klar aufzuzeigen.
Die wahre Geschichte der amerikanischen Ureinwohner ist eine Geschichte des Verlustes, der Ungerechtigkeit und der Unterdrückung. Vom Pfad der Tränen bis zur Schlacht am Little Big Horn, von den ersten Kontakten mit europäischen Kolonialisten bis zur systematischen Enteignung ihres Landes – diese Geschichte ist durchzogen von Tragödien, die in ihrer Dimension kaum zu begreifen sind. Dieses Buch dokumentiert diese Ereignisse in aller Sachlichkeit, ohne dabei zu polemisieren. Es soll aufklären, nicht anklagen; es soll Zusammenhänge sichtbar machen, nicht den moralischen Zeigefinger erheben.
Die amerikanischen Ureinwohner sind keine homogene Gruppe, sondern ein Mosaik aus hunderten von Völkern mit eigenen Sprachen, Traditionen und Weltanschauungen. Dieses Buch widmet sich der Herausforderung, diese Vielfalt zu respektieren, während es die kolonialistische Perspektive kritisch hinterfragt, die indigene Völker oft nur als Hindernis auf dem Weg zur Expansion betrachtete.
Gleichzeitig zeigt dieses Buch, dass das Leid der indigenen Völker nicht der Vergangenheit angehört. Viele der Herausforderungen, die durch Kolonialismus und Enteignung entstanden, sind bis heute spürbar: Armut, soziale Ausgrenzung und der Kampf um die Anerkennung ihrer Rechte prägen weiterhin das Leben vieler indigener Gemeinschaften.
›Die Erfindung der Indianer‹ ist daher auch ein Aufruf zur Reflexion. Es ist ein Versuch, die romantisierte Sicht auf die Geschichte zu dekonstruieren, ohne die Bedeutung von Träumen und Erzählungen zu schmälern. Denn nur durch das Verständnis der Vergangenheit können wir die Fehler der Gegenwart begreifen und eine gerechtere Zukunft gestalten.
Dieses Buch erhebt keinen Anspruch darauf, die gesamte Wahrheit zu erzählen – denn keine einzige Darstellung könnte das jemals leisten. Es ist jedoch ein Beitrag dazu, Mythen und Realität in Einklang zu bringen und ein umfassenderes Bild der Geschichte der amerikanischen Ureinwohner zu zeichnen. Möge es dem Leser eine wertvolle Orientierungshilfe auf diesem Weg sein.
Der Begriff ›Häuptling‹ ist eine Übersetzung, die stark von der europäischen Wahrnehmung und den kolonialen Vorstellungen geprägt wurde. In den verschiedenen indigenen Sprachen der amerikanischen Ureinwohner gibt es keine universelle Bezeichnung für einen ›Anführer‹, da jede Kultur und jedes Volk eigene Strukturen und Begriffe verwendet hat. Einige Beispiele für Begriffe in indigenen Sprachen sind:
• Ogimaa – bei den Ojibwa (Anishinaabe), was so viel wie ›Führer‹ oder ›Chef‹ bedeutet.
• Teyoshpaye Wičháša – bei den Lakota, was in etwa ›Führer der Gruppe‹ bedeutet.
• Mico – bei den Muskogee (Creek), eine Bezeichnung für einen Anführer oder Häuptling.
• Cacique – in verschiedenen indigenen Gruppen Süd- und Mittelamerikas, ein Begriff, der von den Spaniern übernommen wurde.
• Lakota/Dakota (Sioux): Der Anführer wurde oft als Itáŋčhaŋ bezeichnet, was ›Führer‹ oder ›Anführer‹ bedeutet.
• Cherokee: In der Cherokee-Sprache wird ein Anführer als Ugvwiyuhi bezeichnet, was ›oberster Führer‹ bedeutet.
• Irokesen (Haudenosaunee): Hier sprach man von einem Hoyaneh, was übersetzt ›Hüter der großen Friedenspfeife‹ oder ›Friedensführer‹ bedeuten kann.
• Navajo (Diné): Der Begriff für einen Anführer könnte Naataanii sein, der Führer oder Sprecher bedeutet.
Diese Begriffe spiegeln jeweils die spezifische soziale und politische Organisation der jeweiligen Völker wider. Viele Kulturen hatten dezentralisierte Führungsstrukturen, sodass die Funktion von ›Anführern‹ stark variieren konnte – von spirituellen Ratgebern über diplomatische Sprecher bis hin zu Kriegsführern.
Die Ankunft in der Neuen Welt: Kolumbus und der Irrtum der ›Inder‹
Im Jahr 1492 setzte Christoph Kolumbus, ein italienischer Seefahrer in spanischen Diensten, einen Meilenstein in der Geschichte. Er segelte im festen Glauben, einen neuen Seeweg nach Indien zu finden, über den Atlantik. Seine Expedition sollte Europa Zugang zu den sagenhaften Gewürz- und Reichtümern Asiens verschaffen – und endete stattdessen an den Küsten einer völlig unbekannten Welt. Kolumbus selbst war überzeugt, die äußeren Inseln Asiens erreicht zu haben. Als er auf die indigenen Bewohner der Karibik traf, prägte er für sie den Begriff ›Indios‹ – Inder. Dieser Irrtum blieb bestehen, ein Etikett, das sich hartnäckig über die Jahrhunderte hielt.
Kolumbus war jedoch nicht der erste Europäer, der auf amerikanischem Boden landete. Skandinavische Seefahrer hatten die Küsten Neufundlands möglicherweise Jahrhunderte zuvor erreicht. Doch Kolumbus’ Ankunft hatte eine andere Dimension: Sie war nicht nur die Entdeckung eines neuen Landes, sondern der Beginn einer kulturellen Kollision, die den Lauf der Geschichte für immer verändern sollte.
Die Sicht von Kolumbus
Für Kolumbus waren die Bewohner, die ihm auf den Bahamas begegneten, ein faszinierender Anblick. Ihre fremdartigen Gewohnheiten und ihr Verhalten deutete er aus seiner eigenen, europäisch-christlichen Perspektive. Die Arawak, die Kolumbus bei seiner Ankunft begrüßten, wurden in seinen Aufzeichnungen einerseits als friedfertig, gastfreundlich und naiv beschrieben – andererseits sah er sie als potenzielle Arbeitskräfte und Werkzeuge für den wirtschaftlichen Nutzen der spanischen Krone.
Die Bezeichnung ›Inder‹ war jedoch nicht nur ein geographischer Fehler. Sie symbolisierte auch eine fundamentale Missinterpretation der kulturellen und sozialen Identität der indigenen Bevölkerung. Die Europäer betrachteten die Bewohner der Neuen Welt als einheitliche Gruppe, deren Eigenheiten sie oft entweder ignorierten oder falsch interpretierten. In den Augen von Kolumbus und seinen Zeitgenossen handelte es sich bei diesen Menschen um ›edle Wilde‹, eine Vorstellung, die zugleich Bewunderung und Herablassung ausdrückte.
Der Begriff als Beginn eines Mythos
Die Verwendung des Begriffs ›Indios‹ legte den Grundstein für eine pauschale Wahrnehmung, die den Blick auf die Vielfalt der Kulturen Amerikas verstellte. Die Völker, die Kolumbus begegnete, waren nicht Teil einer homogenen Gruppe. Sie gehörten zu verschiedenen Gesellschaften mit eigenständigen Sprachen, Traditionen und politischen Systemen. Doch diese Unterschiede spielten für die europäischen Entdecker keine Rolle. Die Zuschreibung ›Inder‹ wurde zum Synonym für alle indigenen Völker, von den Arktisbewohnern bis zu den Stämmen der Anden.
Dieser Missgriff hatte tiefgreifende Folgen: Er entwertete die kulturelle Identität der indigenen Völker, indem er sie unter einer simplifizierenden Kategorie zusammenfasste. Aus der Perspektive der Kolonisatoren wurde die Bezeichnung ›Indianer‹ zu einem Werkzeug, um die Komplexität der indigenen Welt auf ein verständliches, europäisches Narrativ zu reduzieren.
Der Beginn der Erfindung
Kolumbus’ Irrtum war der Beginn einer kulturellen Konstruktion, die über Jahrhunderte gepflegt wurde. Die ›Indianer‹ wurden zum Inbegriff des Fremden und Exotischen, eine Projektionsfläche für europäische Fantasien und Ängste. Gleichzeitig begann mit der Ankunft der Europäer die systematische Marginalisierung der indigenen Kulturen.
Der Begriff ›Indianer‹ symbolisiert daher weit mehr als nur einen geographischen Fehler. Er steht für die kulturelle Überformung, die den Ureinwohnern Amerikas aufgezwungen wurde. Es ist ein Wort, das nicht nur einen Irrtum bezeichnet, sondern auch eine Geschichte von Verlust, Unterdrückung und Missverständnis erzählt.
Kolumbus selbst hätte wohl nie geahnt, welche Tragweite sein Irrtum haben würde. Seine Reise markierte nicht nur den Beginn einer neuen Ära der Entdeckungen, sondern auch das Ende einer Welt, wie sie die indigenen Völker Amerikas bis dahin gekannt hatten. Die ›Erfindung der Indianer‹ begann mit einem einfachen, irrtümlichen Namen – und entwickelte sich zu einem Symbol für die Begegnung zweier Welten, deren Folgen bis heute nachhallen.
Die Entstehung des Begriffs ›Indianer‹
Mit der Ankunft von Christoph Kolumbus in der Karibik im Jahr 1492 begann nicht nur die europäische Erkundung der Neuen Welt, sondern auch die Schaffung eines der langlebigsten und widersprüchlichsten Begriffe der Geschichte: Indianer. Dieser Begriff, der bis heute synonym für die indigenen Völker Amerikas verwendet wird, entsprang einer Mischung aus geographischem Irrtum, kulturellem Missverständnis und kolonialer Bequemlichkeit.
Kolumbus war überzeugt, die ›Indies‹ erreicht zu haben – die fernen, sagenumwobenen Inseln nahe des asiatischen Kontinents, die in Europa als Hort unermesslicher Reichtümer galten. Seine irrige Annahme stützte sich auf seine Karten, die den Erdumfang deutlich kleiner berechneten, als er tatsächlich ist. Als er schließlich die Bahamas erreichte und auf die Arawak traf, gab er ihnen kurzerhand den Namen ›Indios‹, abgeleitet von ›Las Indias‹.
Ein Wort, das die Vielfalt verdeckt