Die Erfindung des Weltuntergangs - Lutz Spilker - E-Book

Die Erfindung des Weltuntergangs E-Book

Lutz Spilker

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Beschreibung

Seit Anbeginn der Zeit hat die Menschheit vom Ende der Welt erzählt – von Sintfluten und Feuerregen, von kosmischen Katastrophen und selbstverschuldeten Apokalypsen. Aber warum begeistert uns der Gedanke an den Weltuntergang so sehr? Und was sagt das über uns selbst aus? In ›Die Erfindung des Weltuntergangs‹ nimmt der Autor den Leser mit auf eine faszinierende Reise durch die Geschichte der Endzeitvisionen. Von den ersten kosmologischen Mythen und religiösen Prophezeiungen über die apokalyptischen Ängste der Moderne bis hin zu den virtuellen Apokalypsen des digitalen Zeitalters – dieses Buch beleuchtet, wie jede Epoche ihre eigene Version vom Ende der Welt entwirft und welche Ängste, Hoffnungen und Botschaften darin verborgen sind. Doch das Buch geht über die reine Beschreibung hinaus: Es zeigt, dass der Weltuntergang mehr ist als ein düsteres Schreckgespenst. Er ist ein Spiegel unserer Zeit, ein Mahnruf zur Veränderung und eine Wunschkulisse, die uns immer wieder daran erinnert, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Erhellend, provokativ und inspirierend – ein Buch, das Sie die Apokalypse mit neuen Augen sehen lässt.

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Seitenzahl: 119

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Eine Betrachtung

von

Lutz Spilker

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DIE ERFINDUNG DES WELTUNTERGANGS – GNADE, GEMÜT UND SÜHNE 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

Softcover ISBN: 978-3-384-47568-8

Ebook ISBN: 978-3-384-47569-5

 

© 2024 by Lutz Spilker

https://www.webbstar.de

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

 

Die im Buch verwendeten Grafiken entsprechen denNutzungsbestimmungen der Creative-Commons-Lizenzen (CC).

 

Sämtliche Orte, Namen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind daher rein zufällig, jedoch keinesfalls beabsichtigt.

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, sind ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Autors oder des Verlages untersagt. Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt

 

Inhalt

Vorwort

Der Mensch im Schatten des Endes

Von Katastrophen, Fanatismus und Fortschritt

Ein Chaos voller Ordnung?

Der Ursprung der Apokalypse: Mythen aus der Frühgeschichte

Eine kosmische Reinigung

Ein göttliches Gericht

Der Archetyp des Untergangs

Mythen als Spiegel der Realität

Der Anfang vom Ende

Die ägyptische Ordnung: Chaos als Feind der Welt

Das kosmische Gleichgewicht

Der ständige Kampf gegen Isfet

Hüter der Ma’at

Rituale gegen das Chaos

Ein ewiges Ringen

Indien und das Kali Yuga: Zyklischer Untergang

Ein Tanz der Zeit

Dunkelheit und Verfall

Der Untergang und die Wiedergeburt

Das zyklische Verständnis der Zeit

Das Ragnarök der Nordmänner: Ein Untergang mit Ehre

Die Geschichte des Ragnarök

Die kulturelle Bedeutung von Ragnarök

Ragnarök und die nordische Gesellschaft

Die universelle Relevanz von Ragnarök

Das Jüngste Gericht: Untergang im Christentum

Die Vision der Offenbarung

Die symbolische Kraft der Offenbarung

Auslegungen durch die Jahrhunderte

Die spirituelle Botschaft der Apokalypse

Das Vermächtnis der Offenbarung

Zoroastrismus: Kampf von Gut und Böse bis zum Ende der Welt

Der Schöpfer des Guten

Der Geist der Zerstörung

Der kosmische Kampf

Das Ende der Welt und die endgültige Entscheidung

Kulturelle Bedeutung und Einfluss

Eine zeitlose Botschaft

Apokalyptische Schriften des Zweiten Tempels

Bedrängnis und Hoffnung

Prophetie und Apokalypse

Der Endzeitglaube im Judentum

Trost und Herausforderung der Apokalypse

Vermächtnis der apokalyptischen Schriften

Die Völkerwanderung und die Angst vor dem ›Ende Roms‹

Rom als Symbol der Weltordnung

Bedrohung und Transformation

Apokalyptische Deutungen des Niedergangs

Eine neue Ordnung aus dem Chaos

Der bleibende Mythos vom Ende Roms

Der Jahrtausendwechsel um das Jahr 1000: Erste Paniken

Der apokalyptische Kontext

Panik und Vorbereitung

Die Realität des Jahrtausendwechsels

Langfristige kulturelle Auswirkungen

Der Mythos der Jahrtausendwende

Die Schwarze Pest: Eine reale Apokalypse?

Die Pest und ihre religiöse Deutung

Buße und die Suche nach Sühne

Sündenböcke und das Bedürfnis nach Erklärung

Das biblische Weltbild und die Endzeiterwartungen

Kulturelle und soziale Auswirkungen

Eine reale Apokalypse?

Reformation und Apokalypse: Luther und das Ende der Welt

Ein Zeitalter der Krisen

Martin Luther und die Apokalypse

Apokalyptische Texte und ihre Wirkung

Die politische Instrumentalisierung der Apokalypse

Der bleibende Einfluss der apokalyptischen Motive

Die Astrologie und der große Komet von 1680

Kometen als Zeichen des Himmels

Der große Komet von 1680

Astrologie und die Deutung der Himmelszeichen

Wissenschaftliche Fortschritte und das Ende der Mythen?

Die Rolle des Kometen in der Weltuntergangsangst

Die Französische Revolution und der ›politische Weltuntergang‹

Apokalypse als Sprache des Umbruchs

Die Revolution als Gericht

Hoffnung auf eine neue Welt

Die Apokalypse als Metapher für radikalen Wandel

Charles Darwin und der Verlust der göttlichen Ordnung

Die göttliche Ordnung und ihr Bruch

Apokalyptische Implikationen

Eine neue Spannung

Darwins Vermächtnis

Der Erste Weltkrieg: Der Weltuntergang im Maschinenzeitalter

Das Ende der alten Ordnung

Der Krieg als Apokalypse

Kulturelle und intellektuelle Reaktionen

Der Verlust der göttlichen Ordnung

Ein neues Zeitalter

Atomkrieg und der Kalte Krieg: Die Angst vor der totalen Vernichtung

Die Bombe als apokalyptisches Symbol

Politik in der Ära der Angst

Kunst und Kultur in der Schatten der Bombe

Hoffnung in der Dunkelheit

Umweltkatastrophen und der Club of Rome

Eine Welt an den Grenzen

Die Sprache der Apokalypse

Die Geburt einer neuen Endzeitszenerie

Kritik und Kontroversen

Ein neuer Blick auf das Ende

Y2K und die Jahrtausendwende

Die Entstehung des Y2K-Problems

Panik und Vorbereitung

Die Apokalypse, die ausblieb

Y2K als modernes apokalyptisches Chaos

Ein Vermächtnis der Vorsicht

Eine Apokalypse der Technologie

Terrorismus und das Armageddon-Szenario nach 9/11

Der apokalyptische Schock

Die Rhetorik des Armageddon

Terrorismus und die apokalyptische Ideologie

Die kulturellen Nachwirkungen

Apokalypse als Werkzeug und Erbe

Der Klimawandel und das Ende der Menschheit

Der Klimawandel als Apokalypse

Die politische und kulturelle Dimension

Wissenschaft und Apokalyptik

Das Vermächtnis einer neuen Endzeitvorstellung

Die Rolle der Popkultur: Hollywoods Apokalypse

Die Geburt des apokalyptischen Kinos

Apokalypse als Spektakel

Die Helden der Apokalypse

Apokalypse als Spiegel der Zeit

Hollywoods Apokalypse als kulturelles Phänomen

Künstliche Intelligenz und die Angst vor der Singularität

Die Entstehung der Singularitätsidee

Die Apokalypse durch Maschinen

Kontrolle und Verlust derselben

Hoffnung und Verantwortung

Corona-Pandemie: Ein moderner apokalyptischer Mythos?

Die Pandemie und die Sprache der Apokalypse

Verschwörungstheorien und Untergangsszenarien

Hoffnung und Solidarität

Die Pandemie als moderner Mythos

Das Ende im digitalen Zeitalter: Virtuelle Apokalypsen

Das Ende berechnen

Online-Prophezeiungen und digitale Endzeitkulte

Virtuelle Apokalypsen in Spielen und Medien

Technologie als Auslöser und Retter

Die ewige Wiederkehr des Weltuntergangs

Der Weltuntergang als Spiegel der Ängste

Die Funktion der Apokalypse

Die Wiederkehr des immer Gleichen

Warum der Weltuntergang bleibt

Propheten des Untergangs: Nostradamus und die Sehnsucht nach dem Ende

Ein Meister der Ambivalenz

Die Psychologie der Prophezeiung

Der Kult um Nostradamus und seine Nachfolger

Nostradamus und die Ewigkeit der Apokalypse

Über den Autor

In dieser Reihe sind bisher erschienen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht,

dass sie bleibt.

 

Erich Fried

 

Erich Fried (* 6. Mai 1921 in Wien; † 22. November 1988 in Baden-Baden) war ein

österreichischer Lyriker, Übersetzer und Essayist, der ab 1938 in London im Exil lebte.

Vorwort

 

›Alle Jahre wieder‹ – ein Satz, der traditionell mit besinnlicher Vorfreude assoziiert wird. Doch in diesem Buch soll diese Phrase einmal in einem anderen Licht betrachtet werden: als Hinweis auf ein Phänomen, das ebenso regelmäßig wie unaufhaltsam die menschliche Kultur durchzieht. Die Rede ist von der unerschöpflichen Faszination für den Weltuntergang. Jedes Jahr, jedes Jahrzehnt, ja, jede Epoche hat ihre eigenen Untergangspropheten hervorgebracht, die das Ende der Welt in dramatischen Farben malten. Doch die Welt besteht – trotz aller Prophezeiungen – nach wie vor.

 

Was ist es, das uns immer wieder dazu treibt, den Untergang zu erfinden? Und warum scheinen wir ihn zugleich zu fürchten und herbeizusehnen? Diesen Fragen möchte ich in diesem Buch nachgehen, indem ich nicht nur die historischen Wurzeln und kulturellen Variationen des apokalyptischen Denkens beleuchte, sondern auch die psychologischen und gesellschaftlichen Mechanismen, die hinter dieser beständigen Obsession stehen.

 

Der Mensch im Schatten des Endes

Seit Anbeginn der Zeit hat der Mensch versucht, das Unkontrollierbare zu erklären. Naturkatastrophen, Hungersnöte, Epidemien – all das schien lange Zeit keine rationalen Ursachen zu haben. In dieser Unsicherheit suchte der Mensch Trost und Ordnung in Geschichten, die den Schrecken des Unbekannten in größere kosmische Zusammenhänge einbetteten. Der Weltuntergang war eine dieser Geschichten: ein dramatischer Schlussstrich, der zugleich ein Versprechen auf Neubeginn barg.

 

So entstanden die ersten apokalyptischen Mythen – von der Sintflut in der biblischen Genesis bis zur Ragnarök-Sage der nordischen Mythologie. Diese Erzählungen hatten eines gemeinsam: Sie waren nie nur reine Zerstörungsgeschichten, sondern immer auch Hoffnungsträger. Nach dem Ende folgte stets ein Anfang, und aus dem Chaos entstand eine neue Ordnung.

 

Von Katastrophen, Fanatismus und Fortschritt

Mit dem Aufstieg der organisierten Religionen wurde der Weltuntergang zu einem mächtigen Instrument. Nicht nur schürte er Angst und Gehorsam, sondern bot auch eine Erklärung für die moralischen und sozialen Krisen der jeweiligen Zeit. Ob Götzendienst, Dekadenz oder das Eindringen fremder Kulturen – stets war der Weltuntergang eine Strafe, die vermeintlich unausweichlich war, und zugleich eine Mahnung, sich wieder an die ›richtige Ordnung‹ zu halten.

 

Doch der Weltuntergang ist keine Erfindung der Religion allein. Die Natur hat in ihrer Geschichte ebenfalls immer wieder ›Enden‹ geschrieben: das Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren, das Massenaussterben vor über 200 Millionen Jahren, das über 90 % allen Lebens auslöschte. Diese Ereignisse lehren uns eine andere Wahrheit: Das Ende ist nicht immer das, wofür wir es halten. Es kann ebenso ein Zufall sein, ein Bruchpunkt, der neues Leben hervorbringt, oder eine Evolution, die von vorne beginnt.

 

Heute, im Zeitalter des Fortschritts, hat der apokalyptische Gedanke eine andere Form angenommen. Von Klimakatastrophen über Atomkriege bis hin zu außerirdischen Invasionen oder künstlicher Intelligenz – der Weltuntergang hat sich von der Religion emanzipiert und ist zum popkulturellen wie wissenschaftlichen Dauerbrenner geworden. Doch eines bleibt gleich: Die ständige Sehnsucht nach einem Neubeginn, nach einer Welt ohne Fehler, ohne Lasten der Vergangenheit.

 

Ein Chaos voller Ordnung?

Dieses Buch versucht nicht, den Weltuntergang vorherzusagen – das überlasse ich anderen. Es möchte vielmehr den Blick darauf lenken, wie wir Menschen ihn immer wieder erschaffen haben: als Metapher, als Mahnung, als Werkzeug der Macht und Manipulation. Dabei will ich die Frage stellen, ob der Weltuntergang wirklich das Ende ist oder nur eine weitere Etappe in der unaufhörlichen Entwicklung des Lebens. Sollte die Evolution tatsächlich noch einmal von vorne beginnen, wäre sie dann ›fehlerfrei‹? Oder ist es gerade das Chaos, die Unordnung und der Fehler, die das Leben so einzigartig machen?

 

Ich lade Sie ein, mit mir in die Archive der Geschichte zu blicken, um die zahlreichen Facetten des Weltuntergangs zu entdecken. Von den ersten apokalyptischen Mythen über die religiösen Visionen bis hin zu den modernen Bedrohungsszenarien der Gegenwart soll dieses Buch zeigen, dass das Ende oft nur ein neuer Anfang ist – und dass die Erfindung des Weltuntergangs vielleicht mehr über uns Menschen sagt, als wir auf den ersten Blick erkennen.

 

Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre und vielleicht die eine oder andere neue Perspektive auf die Frage, warum wir uns so sehr vor dem Ende fürchten – und es doch immer wieder erfinden.

 

 

Der Ursprung der Apokalypse: Mythen aus der Frühgeschichte

 

Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte des Staunens, des Verstehens und des Deutens. In den frühesten Tagen unserer Zivilisation, als der Mensch noch keinen wissenschaftlichen Zugang zur Natur hatte, waren die Sterne, die Stürme und die Fluten nicht nur Naturphänomene, sondern Ausdruck einer kosmischen Ordnung – oder deren Zusammenbruch. Vor diesem Hintergrund entstanden die ersten großen Mythen, die das Ende der Welt thematisierten. Sie waren nicht nur Geschichten über Untergang und Zerstörung, sondern auch Erzählungen über Neubeginn und Hoffnung.

 

Unter diesen frühen kosmologischen Mythen ragen besonders die Sintflutlegenden hervor, die aus Mesopotamien, dem ›Land zwischen den Flüssen‹, zu uns gekommen sind. In der fruchtbaren Ebene zwischen Euphrat und Tigris entstanden einige der ältesten Kulturen der Menschheit. Und genau hier nahm die Erzählung von einem weltumspannenden Untergang ihren Anfang.

 

Die Sintflut:

 

Eine kosmische Reinigung

Die mesopotamischen Flutmythen, besonders das Gilgamesch-Epos, gehören zu den frühesten bekannten schriftlichen Überlieferungen, die einen Weltuntergang beschreiben. Sie erzählen von einer großen Flut, die auf Geheiß der Götter die Menschheit vernichten sollte. Doch im Gegensatz zu einem endgültigen Ende überlebte zumindest ein Teil der Schöpfung, sodass das Leben weitergehen konnte. Diese Geschichten spiegeln eine tief verwurzelte Vorstellung wider: Der Weltuntergang ist nicht das Ende von allem, sondern ein Bruch, der Platz für einen Neubeginn schafft.

 

Im Gilgamesch-Epos begegnen wir dem Charakter Utnapischtim, der von den Göttern gewarnt wird, dass eine Flut alles Leben auslöschen wird. Auf Anweisung des Gottes Ea baut Utnapischtim ein großes Schiff und rettet nicht nur seine Familie, sondern auch Tiere jeder Art. Als die Flut schließlich nachlässt, lässt er Vögel frei, um festzustellen, ob das Wasser gesunken ist. Diese Handlung – das Loslassen eines Vogels – taucht später auch in anderen Flutmythen auf, etwa in der Geschichte von Noah in der Bibel.

 

Ein göttliches Gericht

Warum beschlossen die Götter, die Menschheit zu vernichten? In den mesopotamischen Mythen war die Antwort simpel, aber tiefgreifend: Die Menschen hatten die Götter enttäuscht. Sie waren laut, sie waren ungehorsam, sie hatten die Harmonie zwischen den Welten gestört. Dies zeigt eine grundlegende Denkweise der frühen Kulturen: Katastrophen waren nicht zufällig, sondern eine Strafe für moralisches oder kosmisches Fehlverhalten.

 

Die Flut diente als Reinigung – ein Prozess, der nicht nur Zerstörung brachte, sondern auch die Welt neu ordnete. Die Überlebenden, wie Utnapischtim, wurden zu Symbolen des Neubeginns und der Möglichkeit, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

 

Der Archetyp des Untergangs

Die mesopotamischen Flutmythen sind nicht nur faszinierende Geschichten, sondern auch ein Schlüssel zum Verständnis der Menschheitsgeschichte. Sie zeigen, wie eng die frühen Kulturen die Kräfte der Natur mit göttlichem Willen verknüpften. Gleichzeitig dienten diese Erzählungen als Archetypen für spätere Weltuntergangsmythen in anderen Kulturen.

 

Die Bibel greift beispielsweise den mesopotamischen Flutmythos in der Geschichte von Noah auf, wobei sich interessante Parallelen und Unterschiede zeigen. Während die Erzählung von Utnapischtim mehrere Götter und ein polytheistisches Weltbild einbezieht, konzentriert sich die Noah-Geschichte auf den Monotheismus: Ein einziger Gott richtet und rettet. Dennoch bleibt das Grundmotiv gleich: Die Welt wird durch Wasser gereinigt, und die Menschheit erhält eine zweite Chance.

 

Auch in anderen Kulturen tauchen ähnliche Fluterzählungen auf, etwa in Indien, wo der Gott Vishnu in Gestalt eines Fisches den Weisen Manu vor einer Sintflut warnt. Selbst die griechische Mythologie kennt die Geschichte von Deukalion und Pyrrha, die eine große Flut überleben und die Menschheit neu begründen.

 

Mythen als Spiegel der Realität