Die Erfolgsgeheimnisse der Börsenmillionäre - Peter Balsiger - E-Book

Die Erfolgsgeheimnisse der Börsenmillionäre E-Book

Peter Balsiger

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Beschreibung

DIE LEGENDÄRSTEN SPEKULANTEN UND KÖNIGE DER WALL STREET Sie hatten so fantastische Spitznamen wie »König der Spekulanten«, »Einstein der Börse« oder »Eine-Millionen-Prozent-Mann« und ebenso fantastisch waren die Summen, die sich auf ihren Bankkonten stapelten. Die Geschichte der Wall Street ist voll von kruden Persönlichkeiten, eiskalten Geschäftsmännern und Tellerwäschern, die zu Milliardären wurden. Vielen gelang ein fast unglaublicher Aufstieg, der gelegentlich nur noch durch ihren tiefen Fall überstrahlt wurde. Bis heute ist die Wall Street das wohl größte Sammelbecken einzigartiger Charaktere, die mitunter eine ganze Generation geprägt haben. Der »nette Onkel« Warren Buffett, Silicon-Valley-Unternehmer Elon Musk, Hedgefonds-Manager Steve Cohen, sie alle sind an der Börse oder durch die Börse reich geworden. Mit »Die Erfolgsgeheimnisse der Börsenmillionäre« erscheinen erstmals die Porträts der erfolgreichen Serie »Legendäre Investoren« aus »Börse Online«, gesammelt und aktualisiert in Buchform.

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Seitenzahl: 511

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

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[email protected]

1. Auflage 2016

© 2016 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Marion Reuter, Reutlingen

Lektorat: Sonja Rose

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch, München

Umschlagabbildung: ullstein bild/Galuschka; Getty Image/Neilson Barnard; Getty Images/Paul Morigi; Getty Images/Kevork Djansezian

Satz: inpunkt[w]o, Haiger

ISBN Print 978-3-89879-974-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-892-6

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-893-3

Inhalt

Jakob Fugger – Der erste Global Player

Cornelius Vanderbilt – Der Commodore

Hetty Green – Die Hexe der Wall Street

Mark Twain – Der heimliche Räuberbaron

John Pierpont Morgan – Der Jupiter der Wall Street

John D. Rockefeller – Kapitalist im Namen Gottes

Bernard Baruch – Vom einsamen Wolf zum Freund der Mächtigen

Jesse Livermore – Der König der Spekulanten

John Maynard Keynes – Der Revolutionär des Kapitalismus

Charles Merrill – Der Main-Street-Broker

Haraldson Lafayette Hunt – Der Ölbaron aus »Dallas«

Benjamin Graham – Der Einstein der Börse

Philip Carret – Der Eine-Million-Prozent-Mann

Alfred Winslow Jones – Die erste »Heuschrecke«

Howard Hughes – Ein Leben für Filme, Flugzeuge und Frauen

André Kostolany – Der Grandseigneur der Börse

Aristoteles Onassis – Der Goldene Grieche

Sir John Templeton – Der erfolgreichste Stockpicker 87

Kirk Kerkorian – »Spiele, als ob du morgen stirbst«

James Ling – Amerikas Ikarus

Eugene Kleiner – Der Urvater des Risikokapitals

Bernie Cornfeld – Der Menschenfänger aus dem Armen-Ghetto

T. Boone Pickens – »Die erste Milliarde ist die schwerste«

Li Ka Shing – Der chinesische Superman

John Bogle – Der Erfinder der ETFs

George Soros – Der Meisterspekulant

Warren Buffett – Der nette Onkel aus Omaha

Tito Tettamanti – Die fünf Leben des Finanzgenies

Harold Simmons – Der Iceman

Sir James Goldsmith – Der glückliche Spieler

Marc Rich – Der »King of Oil«

Carl Icahn – Der Raubtierkapitalist

Mark Mobius – Der Nomade

James Simons – Der Vermesser der Märkte

Michael Steinhardt – Der stille Gärtner

Martha Stewart – Amerikas Lifestyle-Queen

Jim Rogers – Der Rohstoff-Guru

Ron Perelman – Der Buyout-Tycoon

Henry Kravis – Der geläuterte Barbar

Peter Lynch – Der erfolgreichste Fondsmanager aller Zeiten

Bill Gross – Der Bond King

Paul Elliott Singer – Der Gnadenlose

Martin Ebner – Robin Hood der Kleinsparer

Marc Faber – Das Orakel von Chiang Mai

Michael Milken – Der Junk-Bond-King

Stephen Schwarzman – Der gefallene König der Wall Street

Bruce Wasserstein – Der Söldner des großen Geldes

Richard Dennis – Der Herr der Schildkröten

Bernard Arnault – Der Wolf im Kaschmirpelz

John Mulheren – Das »Enfant terrible« der Wall Street

Ray Dalio – Der Ninja-Krieger

Bill Miller – Der gefallene Held

Ron Conway – Der Godfather des Silicon Valley

Leon Black – Der Dealmaker

Larry Fink – Der Besitzer der Welt

Stanley Druckenmiller – Der Fluch der Gier

Paul Tudor Jones – Der Drachentöter

John Paulson – Der Krisen-Krösus

Steven Cohen – Der dunkle Lord

Seth Klarman – Der neue Warren Buffett

David Tepper – Alles auf Risiko

Joel Greenblatt – Der Guru mit der Zauberformel

Stephen Feinberg – Der Höllenhund

Daniel Loeb – Der Samurai der Wall Street

Steve Eisman – Der Prophet der Apokalypse

Arpad Busson – Der Poster Boy der Hedgefonds-Branche

Philip Falcone – Aufstieg und Fall des »Magiers«

Michael Novogratz – Der entzauberte Superstar

Nick Leeson – Der Hasardeur, der eine Bank ruinierte

Christopher Hohn – Der ruchlose Philanthrop

Peter Thiel – Der Facebook-Milliardär

David Einhorn – König der Leerverkäufer

Kenneth Griffin – King Ken

Michael Burry – Der Held aus »The Big Short«

Elon Musk – Der Raketen-Mann

Über die Autoren

Jakob Fugger– Der erste Global Player

© Scherl/SZ Photo/laif

Er war der Finanzhai derRenaissance, er finanzierte Fürsten, Könige, Kaiser und den Papst. Dermächtige Augsburger Bankier Jakob Fugger, genannt »der Reiche«, schuf denersten multinationalen Konzern, erfand die Wirtschaftsspionage – und hatte einen mächtigenGegner: den Reformator Martin Luther.

Der Mann, der zum reichsten und mächtigsten Menschen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation aufsteigen sollte, wollte eigentlich Mönch werden. Er lebte bereits im Kloster Herrieden bei Ansbach, als ihn die Familie nach dem Tod seines Vaters und seiner älteren Brüder in die Firma zurückholte. Die Fugger waren in Augsburg mit einem Weberei- und Handelsunternehmen zu Ansehen und Wohlstand gekommen, und Jakob – er war gerade 14 Jahre alt – sollte in der florierenden Handelsmetropole Venedig das Kaufmannshandwerk erlernen und als Statthalter das Familienunternehmen vertreten.

In Venedig lernte Jakob Fugger die frühkapitalistischen Strukturen kennen: die doppelte Buchführung, Zinsen, neue Post- und Informationssysteme, aber auch die wachsende Bedeutung der Bergwerks- und Metallindustrie. Die Förderung von Metallen, vor allem von Silber und Kupfer, wurde damals kräftig vorangetrieben.

Zwölf Jahre später trat er die Leitung der Niederlassungen in Innsbruck und Salzburg an und bewies gleich unternehmerischen Weitblick. Jakob knüpfte Kontakte zum Erzherzog Sigismund von Tirol. Dieser wurde zwar »der Münzreiche« genannt, steckte aber wegen seines verschwenderischen Lebensstils und seiner Kriegslust ständig in Geldnöten. Jakob half gerne mit Krediten aus, verzinste diese aber nicht, sondern ließ sich stattdessen mit Silber aus den ertragreichen Tiroler Minen des Landesherrn versorgen. Die Fugger übernahmen das Edelmetall zu einem Festpreis und verkauften es dann auf dem freien Markt. Ein vorzügliches Geschäft: Die Gewinnspannen lagen zwischen 15 und 40 Prozent.

1490 war der Erzherzog ruiniert. Er trat, auch auf Jakobs Rat hin, die Herrschaft über Tirol an den Habsburger Maximilian I. ab. Aber auch die Habsburger waren notorisch klamm und nahmen die Kreditangebote der Fugger gern in Anspruch. So entstand eine Beziehung, die von gegenseitiger Abhängigkeit geprägt war. Die Fuggerbank finanzierte nicht nur den Aufstieg Maximilians zum Kaiser, sondern auch seine Kriege und seine Angestellten und zahlte seine Schulden. Als Gegenleistung erhielt Jakob Fugger außer Silber auch Kupfer und Ländereien. Und als Maximilian schließlich für die Tilgung der Kredite kaum noch Gegenleistungen anbieten konnte, erhob er ihn 1514 in den Adelsstand und machte ihn zum Reichsgrafen.

Jakob führte das Familienimperium jetzt wie ein absolutistischer Herrscher. Er residierte standesgemäß in einem prunkvollen Wohn- und Geschäftshaus am Augsburger Weinmarkt, empfing hier die Mächtigen Europas und bewirtete sie fürstlich. Zu den ständigen Schuldnern von Jakob Fugger zählten auch die Könige von England, Spanien, Portugal und Ungarn. Sie alle hatten teure Leidenschaften und hatten eine Vorliebe für Kanonen und große Söldnerheere.

1518 ließ sich Jakob Fugger von Albrecht Dürer porträtieren. Das Bild, das heute in der Staatsgalerie Altdeutsche Meister in Augsburg hängt, zeigt einen strengen, selbstsicher wirkenden 60-Jährigen. Die modische Kleidung und das goldfarbene Barett verraten seine gesellschaftliche Stellung.

Jakob begnügte sich nicht mit der Rolle des höfischen Financiers und politischen Strippenziehers. Der asketische, disziplinierte und eiskalte Geschäftsmann entwickelte sich zum wagemutigen Entrepreneur und baute dank strategischer Investitionen den ersten multinationalen Konzern auf, der von Skandinavien bis Süditalien, von Böhmen bis Spanien und von London bis Kiew mit allem handelte, was Profit versprach: Metalle und Textilien, Geld und Gewürze, Pelze und Juwelen. Er prägte Münzen für die Kurie und beteiligte sich an der Finanzierung des spanischen Handels mit Indien. Er war der erste »Global Player«, er führte einen Mischkonzern, der Produktion, Handel und Finanzierung verband und damit politisches Gewicht hatte.

Jakob Fugger kontrollierte zeitweise an die zehn Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Innerhalb von zehn Jahren verzehnfachte sich die Steuerleistung des Clans. Allerdings sagt das nichts über die wahren Vermögensverhältnisse aus. Jakob Fugger profitierte nämlich von einem Deal mit dem Fiskus: Er musste sein Vermögen nicht mehr deklarieren, sondern führte nur noch Pauschalbeträge an die Steuerbehörde ab.

Um sich Macht und Einfluss zu sichern, organisierte die Zentrale in Augsburg über ihr Netz von 30 Niederlassungen einen europaweiten Nachrichtendienst. Es waren die Anfänge der Wirtschaftsspionage. In handschriftlichen Notizen, genannt »Fuggerzeitungen«, schilderten die Angestellten ihrem Chef alles, was sie – oft mithilfe bezahlter Agenten – über die Konkurrenz oder über die Kunden in Erfahrung bringen konnten. Besonders eilige Informationen übermittelten die Niederlassungen mithilfe von Spiegeln. Angeblich gelangten so Nachrichten aus den Quecksilberbergwerken in Südspanien innerhalb von zwei Stunden nach Augsburg.

Maximilian war bei seinem Tode 1519 so stark bei Jakob Fugger verschuldet, dass dessen Vermögen zu einem Großteil aus Schuldscheinen der Habsburger bestand. Als Nachfolger war sein Enkel Karl im Gespräch, der Herzog von Burgund und König von Spanien. Aber auch die Herrscher Englands und Frankreichs hatten Ambitionen auf den Kaiserthron. Jakob Fugger witterte in Spanien gute wirtschaftliche Perspektiven und wollte überdies seine Kreditforderungen an die Habsburger nicht verlieren – die Habsburger durften also nicht zahlungsunfähig werden. So kam es, dass er sich einen Kaiser kaufte: Über 543.585 Gold-Gulden investierte er als Bestechungsgeld (»Handsalben« genannt), damit die Kurfürsten des Reiches den spanischen König zum Kaiser wählten.

Kaiser Karl konnte übrigens seine Schulden nie mehr begleichen. Um die Fugger-Bank bezahlen zu können, versuchte er später, in Mittel- und Südamerika das Gold der Azteken zu finden.

Jakob Fugger war auch Bankier des Vatikans. Schon 1508 hatte Papst Julius der Fuggerbank den Auftrag gegeben, die neue päpstliche Münze zu finanzieren. 15 Jahre lang prägten die Augsburger das römische und päpstliche Geld. Weil die neue Kuppel der Peterskirche zwei Millionen Dukaten kosten sollte, mussten die Kassenwarte der Kurie den Ablasshandel forcieren und eine Großbank finden, die den Ablass finanziell abwickeln konnte. Man einigte sich mit der Fugger-Bank, den Ablasshandel gemeinsam durchzuführen: Die eine Hälfte der Erträge floss fortan nach Rom, die andere Hälfte auf die Konten der Augsburger. Fugger-Mitarbeiter erhielten dafür die Schlüssel zu allen Ablasskästen. Das Geschäft florierte. Selbst Tote konnten nachträglich von der ewigen Verdammnis freigekauft werden. »Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt«, versprach damals der Dominikanermönch und Ablasshändler Johann Tetzel.

Auch die Anwerbung und den Sold jener Soldaten, aus denen 1506 zum ersten Mal die noch heute bestehende Schweizergarde des Vatikans formiert wurde, bezahlten die Fugger.

In den 20er-Jahren des 16. Jahrhunderts erwuchs Jakob Fugger ein mächtiger Gegner: der Augustinermönch Martin Luther, der mit seinen 95 Thesen gegen Rom den Ablasshandel massiv kritisierte. Die »jetzigen Händel mit dem Gelde« seien »unrecht und wider Gott«, wetterte er. »Man müsste wirklich dem Fugger und dergleichen Gesellschaft einen Zaum ins Maul legen.« Der Intervention von Kaiser Karl konnte es Jakob Fugger verdanken, dass eine Klage des Reichsfiskals, des höchsten Anklägers, wegen Monopolvergehens fallen gelassen wurde.

1525 starb Jakob Fugger, 66 Jahre alt, als reichster Geschäftsmann Europas. Er hinterließ seinem Neffen Anton ein blühendes Unternehmen. 15,7 Prozent durchschnittlichen Jahresgewinn, so wurde später berechnet, hatte der Global Player in seinen letzten Lebensjahren verbuchen können. Zu Beginn seiner Karriere, als 20-Jähriger, hatte er noch ein Vermögen von 60 Gulden versteuert. Bei seinem Tod waren es 2,1 Millionen. Es ist schwierig, die Höhe dieser Summe nach der heutigen Kaufkraft umzurechnen. Aber sie dürfte sich auf 300 bis 500 Millionen Euro belaufen.

Die Fuggerei: Die älteste Sozialsiedlung der Welt

Ab 1514 plante Jakob Fugger eine Sozialsiedlung für Augsburger, die unverschuldet verarmt waren. Die Fuggerei, das waren 52 Häuser mitten in der Stadt, mit Mauern und Toren, die nachts geschlossen wurden. Wer dort wohnen wollte, musste katholisch sein, die Jahresmiete von einem Rheinischen Gulden bezahlen (das entsprach dem Wochenlohn eines Tagelöhners) und täglich beten – ein Ave Maria, ein Paternoster und ein Credo für Jakob, den sie »den Reichen« nannten. Berühmtester Bewohner war der Urgroßvater von Wolfgang Amadeus Mozart, der dort als armer Handwerker lebte. Noch heute wird die Fuggerei von rund 160 Menschen bewohnt, z.B. von Witwen oder Hartz-IV-Empfängern. Die Jahreskaltmiete beträgt jetzt 0,88 Cent.

Cornelius Vanderbilt– Der Commodore

© Ullstein Bild

Der Sohn armer holländischer Einwanderer, der nie eineSchule besucht hatte, schuf im 19. Jahrhundert das erste WirtschaftsimperiumAmerikas. Er war ein Revolutionär und Machtmensch, der mit brutalenMethoden gegen die Monopole der alten Business-Eliten kämpfte. EinModernisierer, der auf neue Technologien setzte – und auf die Methodendes Kapitalismus, lange bevor die USA eine Industrienation wurden. Vanderbiltmachte als Schifffahrts-Magnat ein Vermögen, spekulierte mit Erfolg ander Börse und wurde schließlich zum gefeierten »Eisenbahn-König«. Alser starb, war er der reichste Mann Amerikas.

Im Amerika des 19. Jahrhunderts waren es vor allem drei Familien, die den industriellen Aufschwung prägten: Rockefeller, Carnegie und Vanderbilt. Während Rockefeller Erdöl verfügbar machte und Carnegie Stahl produzierte, sorgte Vanderbilt für den Ausbau der Transportwege per Schiff und Eisenbahn.

Vanderbilt war der erste dieser drei Tycoons. Kein anderer hat die amerikanische Wirtschaft und Gesellschaft über eine so lange Zeit so beeinflusst und verändert wie er. Er war ein Selfmademan, der mit Disziplin und eisernem Willen bewies, dass es jeder in diesem neuen Amerika aus eigener Kraft schaffen konnte, zu Reichtum und Macht zu kommen. 100 Millionen Dollar betrug schließlich sein Vermögen – nach heutiger Kaufkraft über 140 Milliarden Dollar.

Für viele Menschen war Vanderbilt damals ein leuchtendes Vorbild. Seine Kritiker dagegen sahen in ihm einen brutalen Machtmenschen, der stets nur seine eigenen Interessen im Blick hatte. Die NewYorkTimes verglich ihn damals sogar mit den berüchtigten Räuberbaronen des Mittelalters.

Vanderbilt lebte in einer Zeit, in der die Rahmenbedingungen für die Anhäufung eines Vermögens ideal waren: Der Amerikanische Bürgerkrieg war beendet, die industrielle Revolution in vollem Gang. An den Staat waren nur sehr geringe Steuern und Abgaben zu leisten. Die Märkte waren noch nicht reguliert, die Konkurrenz war noch überschaubar.

Bereits als Kind war Vanderbilt in das Geschäft seines Vaters eingestiegen, der mit einem kleinen Segelschiff Passagiere und Gepäck zwischen den Staten Island und Manhattan transportierte. Cornelius war ein rauflustiger kräftiger Junge, der geschickt mit Segelschiffen umging und bald jeden Wasserweg vor Ort kannte.

Schon früh entwickelte er ein unternehmerisches Gespür. 1810, im Alter von 16 Jahren, erwarb er mithilfe seiner Eltern für 100 Dollar ein Segelschiff, mit dem er seinen eigenen Fährdienst eröffnete. Später heuerte er als Kapitän auf einem der neuen Dampfschiffe an. 1829 hatte er genügend Geld gespart, um eine eigene Dampfschiffgesellschaft zu gründen. Das Geschäft lief hervorragend, nicht zuletzt, weil Vanderbilt gnadenlos und mit harten Bandagen um seine wirtschaftliche Vorherrschaft kämpfte.

Anfang der 1850er-Jahre, während der Zeit des kalifornischen Goldfiebers, als noch keine Eisenbahnstrecken vom Osten des Landes an die Westküste führten, kam er auf die Idee, die Goldschürfer per Schiff von New York nach San Francisco zu transportieren: Erst auf dem Seeweg durch die Karibik nach Nicaragua, dort auf dem Río San Juan weiter zum Nicaragua-See und anschließend per Maultier über die kurze Gebirgsstrecke bis zur Pazifikküste. Dieser Weg war schneller als alle bisherigen Routen und wurde sofort ein wirtschaftlicher Erfolg, der ihm über eine Million Dollar pro Jahr einbrachte.

Als ihn Konkurrenten auf dieser lukrativen Route verdrängen wollten, schrieb er ihnen einen legendär gewordenen Brief: »Meine Herren, Sie wollen mich betrügen. Ich werde Sie nicht verklagen, denn der Rechtsweg dauert zu lange. Ich werde Sie stattdessen ruinieren. Hochachtungsvoll, Cornelius Vanderbilt.«

Vanderbilt hatte erkannt, dass der Ausbau der Transportwege dringend nötig und sehr erfolgversprechend war. Deshalb konzentrierte er sich später, um 1860, auf den Transport über Land und baute das Eisenbahnnetz an der Ostküste Nordamerikas aus. So übernahm er die Mehrheit bei einer Reihe von Eisenbahnlinien, die zwischen New York und Chicago verkehrten. Zuvor hatten diese unabhängig voneinander operiert und waren zum Teil nicht einmal miteinander verbunden. Jede Gesellschaft hatte zudem ihre eigenen Fahrpläne und Züge.

Vanderbilt fügte dieses Konglomerat zu einer Einheit zusammen und baute weitere Strecken aus. So konnten der Personenverkehr und der Gütertransport zwischen verschiedenen Bundesstaaten effizienter funktionieren, und die Verbindungszeiten verkürzten sich drastisch. 1873 eröffnete er die erste Eisenbahnverbindung von New York nach Chicago.

Vanderbilt war ein Autokrat und Machtmensch, dessen Arroganz sich mit zunehmendem Alter noch verschärfte. Er lebte nach den Maximen »Geld ist Gesetz« und »Im Business gibt es keine Freundschaft«. Gnadenlos in seinem Geschäftsgebaren unterbot er die Preise seiner Mitbewerber und drängte sie so zur Aufgabe. Einige seiner Konkurrenten sollen ihm sogar Geld dafür gezahlt haben, damit er nicht in Konkurrenz zu ihnen trat.

Vanderbilt war kein Mäzen, der großzügig Millionen für wohltätige Zwecke bereitstellte. Er spendete allerdings eine Million Dollar für den Bau und die Ausstattung der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee. Es ist erstaunlich, dass gerade Vanderbilt in eine Universität investierte – er, der Briefe, die länger als eine halbe Seite waren, prinzipiell nicht lesen wollte. Erklärte Absicht des Gründers war es wohl, auch in den Südstaaten nach dem Ende des Bürgerkrieges eine Institution hoher kultureller Bildung zu schaffen. Die private Hochschule gilt heute als eine der Eliteuniversitäten des Landes.

Vanderbilt war zwar kein sozialer Wohltäter, aber er war ein großer Patriot. Im Amerikanischen Bürgerkrieg 1862 stellte er sein stärkstes und schnellstes Dampfschiff, die »Vanderbilt«, in den Dienst von Abraham Lincolns Flotte. In der Öffentlichkeit erhielt er deshalb den Beinamen »Commodore«, damals der höchste Dienstgrad in der U.S. Navy. Äußerlich entsprach er diesem Titel ebenfalls: Er war über 1,80 cm groß und von muskulöser Statur und sah auch »wie ein Eroberer« aus, schrieb eine Zeitzeugin.

Auch mit seiner eigenen Familie – Vanderbilt hatte 13 Kinder – sprang er despotisch um. Seine Frau ließ er sogar nebenbei in einer Schankwirtschaft arbeiten, um Geld hinzuzuverdienen. Wer in seiner Familie nicht spurte, der wurde mit brachialen Methoden dazu gebracht, sich ihm zu fügen. So ließ er seine Frau zeitweilig sogar in eine Irrenanstalt einweisen, als sie sich einem geplanten Umzug widersetzte.

Mit seiner Familie hatte der superreiche Vanderbilt eher bescheiden gelebt. Er galt als ungehobelt und knauserig und wurde von der New Yorker Gesellschaft lange nicht als standesgemäß anerkannt. Erst seine Nachfahren frönten einem glamouröserem Lebensstil und verjubelten über die Jahrzehnte das einst riesige Vermögen. Jeder Idiot könne ein Vermögen aufbauen, hatte der Tycoon einmal behauptet. Man brauche jedoch Verstand, um es anschließend zu erhalten.

Hetty Green–Die Hexe der Wall Street

© Ullstein Bild

In den Jahrzehnten zwischen dem Bürgerkrieg und demErsten Weltkrieg wurden in den USA riesige Vermögen gemacht. Einneuer Geldadel entstand, es war die Zeit von John D.Rockefeller, J. P. Morgan, Andrew Carnegie und der Vanderbilts. Aberdie reichste Investorin im Haifischbecken der Wall Street war eineFrau: Hetty Green wurde damals, gemessen an der Kaufkraft, mehrfacheMilliardärin. Doch die skurrile und von den Medien verspottete Hettysparte sich buchstäblich zu Tode. Im Guinness Buch der Rekordewar sie als »größter Geizhals aller Zeiten« verzeichnet.

Hetty Green wurde 1834 als Tochter eines reichen Reeders in Massachusetts geboren. Ihr Vater – ein Quäker – hatte sich eigentlich einen Sohn als Nachfolger und Erben gewünscht. Denn für Frauen gab es damals in der Geschäftswelt keinen Platz. So wuchs Hetty bei ihrem Großvater auf und las ihm bereits als kleines Mädchen aus der Zeitung die Wirtschaftsnachrichten und die Börsenkurse vor – der alte Herr war fast blind.

Hetty verinnerlichte rasch das Erfolgsrezept ihres Vaters: Nimm nie einen Kredit auf, verlange immer Zins, wenn du Geld verleihst, und kaufe nur, wenn der Preis niedrig ist. Mit acht Jahren eröffnete sie ihr erstes Bankkonto, mit 13 Jahren kümmerte sie sich um die Buchhaltung des väterlichen Walfang-Unternehmens. Als ihr Vater 1846 starb, hinterließ er Hetty ein Vermögen von 7,5 Millionen Dollar, das aber von einem Treuhänder verwaltet wurde. Hetty erhielt lediglich eine monatliche Apanage, eine damals übliche Erbschaftsregelung, ging man doch davon aus, dass Frauen mit Geld nicht umgehen konnten.

Mit 34 Jahren heiratete Hetty einen Multimillionär und zog nach London. Statt die Apanage für ein Luxusleben auszugeben, investierte sie das Geld in amerikanische Staatsanleihen, die damals von der Regierung Lincoln zur Finanzierung des Krieges gegen die Südstaaten herausgegeben wurden. Nach Ende des Krieges fiel der Wert der Anleihen ständig, weil niemand wirklich an die Zukunft des wiedervereinigten Staates glaubte. Aber Hetty kaufte unbeirrt alle Anteile, die sie bekommen konnte. Und nach einem Jahr, als sich die politische und wirtschaftliche Situation stabilisiert hatte und die Kurse der Anleihen wieder stiegen, hatte Hetty einen Gewinn von 1,2 Millionen Dollar verbucht.

Es war ihr erster großer Deal, und weitere sollten bald folgen. Als nächstes investierte sie in Eisenbahngesellschaften und vervierfachte ihr Vermögen innerhalb weniger Jahre.

Als sie entdeckte, dass ihr Mann pleite war und sogar in ihrem Namen Schulden gemacht hatte, verließ sie ihn und zog nach New York, wo sie sich mit großer Leidenschaft dem Geld verdienen widmete. Gesunder Menschenverstand und harte Arbeit sei ihr Erfolgsrezept, sagte sie stets. Und ihre Investmentphilosophie (»Buy low, sell high«) war jener von Warren Buffett nicht unähnlich. Der berühmte Banker Henry Clews, eine der Wall-Street-Legenden, sagte über sie: »Hetty Green hatte den Mut, die Intelligenz und die Nervenstärke, um immer dann zu kaufen, wenn die anderen verkauften – und zu verkaufen, wenn die anderen kauften.«

Hetty Green war jetzt die reichste Frau der Welt. Aber Geld auszugeben, das machte ihr keinen Spaß. Schon bald kursierten in der Presse Anekdoten und Gerüchte über ihren knausrigen Lebenswandel. In einer Zeit, als die großen Tycoons wie John D. Rockefeller oder J. P. Morgen sich riesige Luxusvillen gönnten, lebte Hetty Green in einer kleinen Wohnung für eine Monatsmiete von 14 Dollar in New Yorks Einwandererviertel Hoboken. Sie besaß meist nur ein verblichenes schwarzes Kleid, das sie im Winter gegen die Kälte mit Zeitungspapier ausstopfte. Sie aß nur in Billigrestaurants und gab nie Trinkgeld. Ihren Haferbrei, so die Gerüchte, aß sie morgens kalt, weil sie zu geizig war, die Milch zu wärmen. Sie sparte die Kosten für ein eigenes Büro und erledigte ihre Geschäfte im Schalterraum der Chemical National Bank, an der sie eine Mehrheitsbeteiligung hielt. Sie lief zu Fuß durch den Schneesturm, um die Kutsche zu sparen, und als ihr Sohn Ned sich beim Schlittenfahren das Knie schwer verletzte, ging sie aus Geiz nicht zum Arzt mit ihm. Neds Bein musste amputiert werden.

Aber Hetty Green war es egal, was andere über sie dachten. Sie bekämpfte und verklagte jeden, der sich gegen sie stellte. In New Yorks Finanzkreisen war sie verhasst. Die Wall Street sei halt, ebenso wie ein Schlachtfeld, kein passender Ort für eine Frau, schrieb eine New Yorker Zeitung. Die Frauen hatten damals Ende des 19. Jahrhunderts in Amerika nur wenig Rechte. Selbst das Wahlrecht war ihnen verwehrt. Auf ihrem Weg zum Reichtum konnte Hetty Green deshalb nie auf die Hilfe anderer zählen. Die Presse nannte sie »die Hexe der Wall Street«, und weil sie nie lachte, sondern stets grimmig blickte, kürte sie das Broadway Magazine zur »am wenigsten glücklichen Frau New Yorks«.

Besonderes Geschick zeigte sie in Steuerdingen. Damals gab es in Amerika noch keine bundesweite Einkommensteuer. Hetty investierte größere Summen in Anleihen der Stadt New York und akzeptierte, dass die Stadt ihr weniger als die marktüblichen Zinsen bezahlte. Dafür erwartete sie von der Stadtverwaltung ein großzügiges Entgegenkommen bei den Steuern. Durch dieses stillschweigende Übereinkommen wurde sie praktisch zur Bankerin von New York, indem sie der Stadt zinsgünstige Kredite gewährte und im Gegenzug erwartete, dass die Steuerbehörden öfters ein Auge zudrückten.

Als sie starb, hinterließ sie über 100 Millionen Dollar, investiert in Immobilien (sie besaß Bürotürme und Wohnblocks in New York, Chicago, Boston und San Francisco), Ölquellen, Telefongesellschaften, Kohlebergwerke, Kupfer- und Goldminen und Eisenbahngesellschaften. Nach heutiger Kaufkraft entspricht dies rund 2,3 Milliarden Dollar. Sie war damit die erste weibliche Milliardärin. Noch heute sind unter den 1125 Milliardären weltweit nur wenige Frauen – und nur eine Handvoll von ihnen haben, so wie Hetty Green, ihr Geld selbst verdient.

Am Ende sparte sich Hetty Green buchstäblich zu Tode. Kurz bevor sie 1916 starb, soll sie eine von den Ärzten empfohlene Operation mit der Begründung abgelehnt haben, dass die Kosten von 150 Dollar einfach zu hoch seien.

In ihrem Nachruf schrieb damals die New York Times: »Nur die Tatsache, dass Mrs. Green eine Frau war, machte ihre Karriere zum Gegenstand endloser Neugier und Kommentare. Sie hatte den Mut, so zu leben, wie es ihr gefiel«.

Mark Twain– Derheimliche Räuberbaron

© Topical Press Agency/Hulton Archive/Getty Images

Als Schriftsteller erlangte er Weltruhm, undmit seinen humorvollen und satirischen Büchern wie »Tom Sawyer« oder »Die Abenteuer des Huckleberry Finn« verdiente er Millionen. Kaum bekanntist das andere Leben von Mark Twain: Er war Spekulant,Unternehmer und Erfinder, getrieben von der Gier nach dem schnellenReichtum. Noch heute werden seine bissigen Kommentare über die Börsean der Wall Street zitiert.

So kennt die Welt den Erfolgsschriftsteller Mark Twain: Als scharfzüngigen Kritiker des »American Way of Life« und der Verlogenheit der bürgerlichen Gesellschaft. In seinen Büchern und Reportagen schilderte er bissig und entlarvend das Leben der Armen in den USA, prangerte die religiöse Heuchelei, die Polizeiübergriffe auf Minderheiten, die bestechlichen und betrügerischen Politiker an. Er brandmarkte die Gier nach Macht und die »Geldlust«, die er als Amerikas Krankheit bezeichnete.

Sein Leben war eine aufregende Achterbahnfahrt durch das Amerika der industriellen Revolution. Der prominente Gesellschaftskritiker verfolgte im Stil eines Räuberbarons kompromisslos sein Ziel, ein Superreicher zu werden. Er machte ein Vermögen in der Welt des Big Business. Aber er verlor es auch wieder mit riskanten Spekulationen.

Die faszinierende, aber selten erzählte Seite seines bunten und abenteuerlichen Lebens: Twain hatte ein eigenes Verlagshaus gegründet und mit den Memoiren des Bürgerkriegsgenerals und späteren Präsidenten General Ulysses S. Grant 2,5 Millionen Dollar verdient, er war ein Wagniskapitalgeber, der sich an rund 20 Start-ups beteiligte, er war ein Wall-Street-Investor mit einem beträchtlichen Aktien-Portfolio, er war ein genialer Verkäufer und Erfinder, der sogar seine Arbeiten an Huckleberry Finn unterbrach, um sich auf seine Erfindungen zu konzentrieren. Er war ein gewiefter Geschäftsmann, der Tycoons wie Andrew Carnegie oder Henry Rogers, Rockefellers rechte Hand, zu seinen Freunden zählte.

Berühmt sind auch seine satirischen Bonmots zum Thema Börse, die noch oft zitiert werden. Zum Beispiel: »Oktober ist ein besonders gefährlicher Monat für Aktien-Spekulationen. Die anderen gefährlichen Monate sind Juli, Januar, September, April, November, Mai, März, Juni, Dezember, August und Februar.« Von den Banken hielt er nicht viel: »Ein Banker ist ein Mensch, der dir seinen Regenschirm leiht, wenn die Sonne scheint – aber der den Schirm zurückhaben will, wenn es zu regnen beginnt.«

Mark Twain, der mit bürgerlichem Namen Samuel Langhorne Clemens hieß, kam 1835 als sechstes Kind einer verarmten Familie zur Welt. Die Familie wohnte in der Hafenstadt Hannibal am Mississippi, sie diente ihm später als Kulisse für sein Buch »Tom Sawyer«. Samuel war elf, als sein Vater starb. Er musste deshalb die Schule abbrechen und begann zunächst eine Lehre als Schriftsetzer, arbeitete später als Drucker, Journalist und Autor von Glossen im Verlag seines Bruders und verbrachte viel Zeit in öffentlichen Bibliotheken, um seine Allgemeinbildung zu verbessern.

1857 heuerte er als Lotse auf einem Mississippi-Dampfer an. Ein geachteter und einträglicher Beruf, der junge Samuel verdiente jetzt im Monat mehr als ein Arbeiter in einem ganzen Jahr. Aus dieser Zeit stammte auch sein Künstlername: Der Ausdruck Mark Twain bedeutet in der Sprache der Flussschiffer eine Wassertiefe von zwei Faden (3,69 Meter). Dies war die sichere Tiefe für die großen Raddampfer, um in dem flachen und trüben Fluss nicht auf Grund zu laufen.

Der Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs bedeutete das vorläufige Ende der Schifffahrt. Samuel, nun arbeitslos geworden, meldete sich als Freiwilliger bei der Konföderierten Kavallerie, quittierte aber nach zwei Wochen bereits den Dienst für die Südstaatenarmee und setzte sich nach Nevada ab.

Das große Abenteuer lockte ihn jetzt. Es war die Zeit, als Amerika vom Goldfieber infiziert wurde. Zehntausende gaben damals ihre Jobs auf und zogen – teilweise samt ihren Familien – in den Südwesten der USA, wo sie nach Gold schürften. Auch Samuel Clemens erlag den Verlockungen des schnellen Geldes und suchte in der neu gegründeten Siedlung Virginia City in der Sierra Nevada als Goldgräber sein Glück. Er stellte aber schnell fest, dass die Arbeit in den Minen hart und der Verdienst gering war.

Ab 1862 arbeitete er als Reporter für die Zeitung Territorial Enterprise in Virginia City und schrieb Klatschgeschichten aus den Saloons der Goldgräberstadt. Aber bereits ein Jahr später musste er nach einem Streit die Stadt fluchtartig verlassen. Er zog nach San Francisco, schrieb unter dem Pseudonym Mark Twain sein erstes Buch (»Der berühmte Springfrosch von Calaveras County«) und machte erstmals die Literaturwelt auf sich aufmerksam.

Er verdiente nun sein Geld als Vortragsredner und Reiseschriftsteller, unternahm zwei Europareisen, die ihn 1878 auch nach Deutschland führten. In seinem Buch »Bummel durch Europa« schilderte er die Eigenheiten und Schwierigkeiten der deutschen Sprache. In einer auf Deutsch gehaltenen Rede vor dem Heidelberger Bürgermeister sagte er: »Die deutsche Sprache sollte sanft und ehrfurchtsvoll zu den toten Sprachen abgelegt werden, denn nur die Toten haben Zeit, diese Sprache zu lernen.«

In den 1870er- und 1880er-Jahren erschienen viele seiner bekanntesten Bücher wie »Tom Sawyer« oder »Die Abenteuer des Huckleberry Finn«, in denen er bissig die Welt der Armen und der unteren sozialen Schichten beschrieb. Die Bücher waren so entlarvend, dass sie für die Jugendausgaben entschärft oder gekürzt werden mussten.

Das Manuskript für »Huckleberry Finn« schrieb er übrigens auf einer Remington-Schreibmaschine, die er in Boston gekauft hatte. Er war der erste Autor, der seinem Verlag ein maschinengeschriebenes Buchmanuskript abgeliefert hatte.

Mark Twain war jetzt ein sehr erfolgreicher Autor, er kassierte große Summen für seine Buchmanuskripte, Zeitungsartikel und seine Auftritte als Redner. Aber das war ihm nicht genug, er wollte unbedingt Teil der High Society sein. Er kaufte ein Haus, beschäftigte Diener, veranstaltete Feste. Aber er erkannte schnell, dass er ein Superreicher werden musste, um von den vornehmen Kreisen wirklich akzeptiert zu werden.

Er fing an, die Schriftstellerei zu vernachlässigen, und suchte stattdessen nach dem Mega-Deal, der ihn so reich machen würde, dass er sich einen extravaganten Lifestyle leisten und einen Platz in der feinen Gesellschaft sichern könnte. So Twains Biograf Peter Krass.

Seine Karriere als Kapitalist begann 1869. Er kaufte Anteile an der Zeitung Buffalo Express, beteiligte sich später am Verlag Charles Webster, dessen Biografie von General Grant zum Bestseller wurde und Mark Twain zum Millionär machte.

Seine größte Fehlspekulation war das Investment in eine automatische Setzmaschine, den »Paige Compositor«, der die Druckindustrie revolutionieren sollte. Mark Twain beteiligte sich mit 300.000 Dollar (nach heutigem Wert rund sechs Millionen Dollar) – er riskierte nicht nur seine Ersparnisse aus der Schriftstellerei, sondern auch einen großen Teil der Erbschaft seiner Ehefrau Olivia. Die Maschine erreichte nie Serienreife, weil die Entwicklung 14 Jahre dauerte. Als sie schließlich fehlerfrei funktionierte, waren längst bessere und billigere Konkurrenzprodukte auf dem Markt. Mark Twain hatte zu hoch gepokert und gegen ein ehernes Börsengesetz verstoßen, dass man nie mehr Geld investieren sollte, als man auch verlieren könne.

Weitere Fehlspekulationen folgten. So finanzierte er beispielsweise die Entwicklung einer neuen Dampfmaschine, die nie funktionierte. Auch seine Verlagsbeteiligung erwies sich nach einem guten Start schließlich als Fehlinvestition. Mit 59 Jahren war der Bestseller-Autor bankrott. Er hatte Schulden in Höhe von über 144.000 Dollar.

»Ich war noch nie so verzweifelt in meinem Leben«, schrieb er später. »Und zwar aus einem guten Grund, denn ich habe keinen Penny mehr.«

Eine Riesenchance, mit der Investition in ein Start-up wieder zu großem Reichtum zu kommen, verpasste er. Graham Bell hatte ihm persönlich angeboten, in seine neue Erfindung, das Telefon, zu investieren. Twain antwortete, er sei nicht interessiert, er hätte sich mit riskanten Beteiligungen schon zu oft die Finger verbrannt.

Twain erinnerte sich später, dass ein alter Lebensmittelhändler in Hartford, wo er inzwischen wohnte, für 5000 Dollar eine große Menge dieser Telefon-Aktien gekauft hätte. »Das waren die gesamten Ersparnisse dieses Mannes. Es ist schon eigenartig, wie dumm die Menschen sein können und auf welch ruinöse Risiken sie sich einlassen …«

Als Twain nach einer 14-monatigen Europareise wieder in Hartford ankam, sah er als Erstes, wie der alte Händler in einer prächtigen Kutsche mit livrierten Dienern herumgefahren wurde. »Seine Telefon-Aktien haben ihm so viele Dollarnoten auf sein Grundstück gespült, dass er sie nur noch mit einer Schaufel wegtransportieren konnte.« Und verbittert fügte er hinzu: »Es ist schon eigenartig, wie die Dummen und Unerfahrenen so oft und so unverdient zu Erfolg kommen, während die Erfahrenen verlieren.«

1891 reiste Twain erneut nach Europa. Er blieb neun Jahre, ging auf Vortragstournee, um seine Schulden abzuzahlen. Er lebte mehrere Monate in Berlin (»Eine wundervolle Stadt … ein leuchtendes Zentrum der Intelligenz«), wo eine Gedenktafel im Tiergarten an seinen Aufenthalt erinnert, zog dann weiter nach Wien, wo er vom österreichischen Kaiser Franz Joseph I. in einer Audienz empfangen wurde.

Mark Twain kehrte nach seiner Europareise in die USA zurück. Der Bankrotteur von einst war inzwischen wieder rehabilitiert, seine Schulden hatte er bis auf den letzten Penny zurückbezahlt, die renommierte Yale Universität verlieh ihm 1901 die Ehrendoktorwürde. Sogar ein Asteroid trägt seinen Namen.

Twain starb 1910. Ernest Hemingway sagte über ihn: »Die gesamte amerikanische Literatur stammt von einem Buch von Mark Twain namens Huckleberry Finn. Vorher gab es nichts. Seitdem gab es nichts, was dem gleichkommt.«

John Pierpont Morgan– Der Jupiter der WallStreet

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Er war der mächtigste Bankier der Welt und schufim 19. Jahrhundert das erste wirklich globale Finanzunternehmen. Und erging in die Geschichte ein als der Mann, der dieWall Street vor dem Kollaps rettete.

In der Geschichte der Wall Street hat kaum ein anderer Tycoon die öffentliche Meinung so polarisiert wie John Pierpont Morgan. Für seine Bewunderer war er der Prototyp des ehrbaren, altmodischen Bankiers, ein »Gentleman Banker« nach britischem Vorbild, auf dessen Wort Verlass war und der seine Deals mit einem Handschlag besiegelte. Seine Gegner sahen in ihm einen heuchlerischen Tyrannen, einen skrupellosen und machtgierigen Finanzier, der Unternehmen schikanierte, mit fremden Staaten konspirierte und Amerika aus Profitgier in einen Krieg trieb.

Pierpont Morgan – er selbst benutzte nie den Vornamen John – war denn auch ein Mann mit widersprüchlichen Eigenschaften und Qualitäten. Äußerlich eine imposante Erscheinung mit breiten Schultern, buschigem Schnurrbart und den massigen Händen eines Boxers. Aber Morgan, der extrem auf Bewunderung aus war, hatte als Folge der Hautkrankheit Rosazea eine verformte, purpurrote Knollennase, die ihn so sehr quälte, dass er keine Öffentlichkeit mochte und es hasste, fotografiert zu werden. Porträts mussten deshalb retuschiert werden.

Schon als Kind litt er unter Rheuma und verbrachte als 14-Jähriger mehrere Monate zur Kur auf den Azoren. Mit 20 traten zum ersten Mal Depressionen auf, die sich später noch verstärken sollten.

Pierpont begann seine Karriere mit 19 in der Londoner Filiale der angesehenen New Yorker Bank von George Peaboy, nachdem ihn sein Vater, ein Bankier und Finanzier, unter anderem in das Institut Sillig am Genfer See und sechs Monate an die Georg-August-Universität Göttingen geschickt hatte, um Deutsch zu lernen. Er liebte das frivole Treiben in den Göttinger Studentenklubs, kleidete sich wie ein Dandy und trug mit Vorliebe gepunktete Westen, grelle Krawatten und karierte Hosen.

1861 begann der Amerikanische Bürgerkrieg. Für die Wall Street auch eine Chance, profitable Deals abzuschließen. Der junge Pierpont – er hatte sich wie die meisten Söhne reicher Eltern der Einberufung zur Armee durch die Bezahlung von 300 Dollar entzogen – kaufte über Strohmänner 500 veraltete Karabiner des Typs Hall, die in einem New Yorker Zeughaus gelagert waren, zum Preis von 3,50 Dollar das Stück und verkaufte sie drei Monate später für 22 Dollar an den Kommandeur der Unionstruppen in Missouri.

Dieses anrüchige Geschäft hing Pierpont noch lange nach. Es war offenkundig, dass er den Bürgerkrieg als Gelegenheit sah, Profite zu machen. Und nicht, um seinem Land zu dienen.

Aber Pierpont hatte noch eine andere, eine weiche Seite. 1861 hatte er eine Affäre mit Amelia Sturges, einem zarten, hübschen Mädchen, dessen Vater eine Kunstschule leitete. Mimi, wie er sie nannte, war zu diesem Zeitpunkt bereits unheilbar an Tuberkulose erkrankt. Er heiratete sie trotzdem und reiste mit ihr anschließend ans Mittelmeer in der Hoffnung, dass das warme Klima ihr Leiden lindern könne. Vier Monate später starb Mimi in Nizza.

Pierpont Morgan gründete 1871 mit dem aus Philadelphia stammenden Bankier Anthony Drexel die Bank Drexel, Morgan & Co. Nach dessen Tod wurde das Haus 1895 schließlich zur J. P. Morgan & Company.

Pierpont Morgan war zu diesem Zeitpunkt schon ein einflussreicher Bankier. Er machte Geschäfte mit vielen prominenten Familien in Amerika. Den Astors, Guggenheims, du Ponts und Vanderbilts. Und er brüstete sich stets damit, dass 96 der 100 größten Unternehmen Amerikas seine Kunden seien – und dass er zwei der verbleibenden vier Firmen nicht für geschäftswürdig halte.

Nach dem Ende des Bürgerkriegs 1865 wurde das Land von einem wahren Eisenbahnrausch erfasst. Innerhalb von acht Jahren verdoppelten sich die Gleisanlagen, die Spekulationen mit Eisenbahn-Aktien gerieten außer Rand und Band. In den 1880er-Jahren tobte zudem ein erbitterter und ruinöser Konkurrenzkampf unter den mehr als 100 großen und kleinen Eisenbahnunternehmen. Dies führte zu massiven Kursverlusten der Eisenbahnaktien an der Londoner Börse – es waren vor allem englische Investoren, die die enormen Investitionen in den Schienenverkehr finanziert hatten. London befürchtete sogar einen Börsen-Crash.

In dieser dramatischen Situation bewies Morgan, dass er nicht nur ein genialer Finanzier war, sondern auch mit massivem Druck die Umstrukturierung und Sanierung von in Not geratenen Unternehmen erzwingen konnte: So schaffte er es Ende der 1880er-Jahre, die zersplitterten Eisenbahngesellschaften in sechs großen Unternehmen zusammenzufassen und in die Gewinnzone zurückzuführen. Seine Unternehmen kontrollierten 1901 die Hälfte des Streckennetzes.

Diese Art, in Not geratene Unternehmen zu übernehmen und zu zerschlagen, wurde damals als »Morganisierung« bezeichnet. »Heute würde man sagen, Pierpont Morgan war der erste Investmentbanker der Finanzgeschichte, er organisierte Venture Capital und agierte wie eine Private-Equity-Firma«, schrieb Die Zeit.

Die Wall Street hatte ihm längst den Spitznamen Jupiter verliehen, den Namen des größten Planeten im Sonnensystem.

Morgan war für einige der größten Fusionen verantwortlich, die damals die amerikanische Wirtschaft prägten. So rette er 1892 den Glühbirnenhersteller General Electric vor dem Bankrott und schuf einen Mischkonzern, der bis heute besteht. Offensichtlich profitierte Morgan auch privat von diesem Deal: Sein Haus an der Madison Avenue 219 war das erste elektrisch beleuchtete Privathaus in New York.

Sein größter Coup aber war die Schaffung des weltgrößten Stahlkonzerns. Morgan kaufte 1901 dem Stahlmagnaten Andrew Carnegie dessen Unternehmen ab, um es mit seiner Firma Federal Steel und anderen Wettbewerbern zur United States Steel Corporation zusammenzuführen. Es war die auf den heutigen Geldwert umgerechnet größte Unternehmensfusion überhaupt.

Pierpont Morgan hatte die Stadt New York dreimal vor dem Bankrott bewahrt, er rettete 1895 den Goldstandard, als die amerikanischen Goldreserven dramatisch zusammenschmolzen und er eine 65 Millionen Dollar schwere Anleihe organisierte, um den Ausverkauf von Gold zu stoppen. Er war Amerikas Finanz-Botschafter, ein globaler »Power Broker«, der oft als inoffizieller Vertreter der Regierung an Konferenztischen mit Königen, Präsidenten und Päpsten saß.

Legendär aber war seine Rolle bei der Bankpanik von 1907. Damals brach der amerikanische Aktienmarkt ein und löste damit eine globale Kettenreaktion aus: In Amerika wollten die Bankkunden massiv Gelder abziehen, weil sie um die Sicherheit ihrer Einlagen fürchteten, in Japan gingen die Banken gleich reihenweise Pleite, französische Großinvestoren warfen panikartig ihre US-Aktien auf den Markt und mehreren großen amerikanischen Banken ging das Geld aus.

Die Wall Street stand vor dem Kollaps.

Der alte Pierpont, eigentlich schon halb im Ruhestand, demonstrierte noch einmal seine Macht und seine clevere Verhandlungstaktik. Er versammelte 50 Bankiers in der mit schwarzem Mahagoni ausgekleideten Black Library seines Privathauses, verriegelte die Tür und versteckte den Schlüssel. Niemand durfte gehen, bevor nicht ein Plan zur Rettung der in Not geratenen Finanzinstitute beschlossen worden war. Um 4:45 Uhr morgens hatten alle Bankiers den Plan unterzeichnet. Die Panik war gestoppt, an den Märkten kehrte das Vertrauen zurück.

Morgan war damals so mächtig, wie es heute nur der Vorsitzende der Notenbank Federal Reserve ist, die erst 1913 gegründet wurde. »Das frühe Haus Morgan war eine Art Mischung zwischen einer Zentralbank und einer Privatbank«, schreibt Ron Chernow in seiner Biografie der Bankiersdynastie »The House of Morgan«.

Aber Morgan war nicht unumstritten. Vor allem die Demokratische Partei führte zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen wahren Kreuzzug gegen ihn und machte ihn für all die wirtschaftlichen Probleme der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich. Eine Karikatur zeigte ihn auf einem Haufen Goldmünzen und Dollarscheinen sitzend, in den Händen Miniaturen von Industrieanlagen und Bürogebäuden. Die Bildunterschrift lautete: »Ich habe nicht die geringste Macht.«

Morgan beteiligte sich kurz vor seinem Tod an einem Schifffahrtstrust, zu dem auch die Titanic gehörte. Als Vorstandschef des Trusts sollte er eigentlich im April 1912 auf der Jungfernfahrt an Bord sein – er hatte auf der Titanic sogar eine persönliche Luxus-Suite. Eine Erkrankung hinderte ihn jedoch daran. Die Titanic, damals das größte Passagierschiff der Welt, sank bekanntlich im Nordatlantik nach einer Kollision mit einem Eisberg.

Pierpont Morgan starb 1913 im Alter von 75 Jahren im Grand Hotel in Rom. Sein Gesundheitszustand hatte sich in den letzten Jahren ständig verschlechtert und zwang ihn jeden Monat während mehrerer Tage ins Bett. Er qualmte jeden Tag Dutzende von dicken Zigarren, pflegte üppig zu tafeln, trank viel und verabscheute jede Form von körperlicher Ertüchtigung.

Der mächtige Finanzier hinterließ weniger Vermögen, als gemeinhin angenommen wurde, nämlich gerade mal 68,3 Millionen Dollar. Seine Kunstsammlung war zusätzlich rund 50 Millionen Dollar wert. Der Stahl-Magnat Andrew Carnegie, einer von Pierponts Zeitgenossen, reagierte überrascht: »Kaum zu glauben, dass er nicht mal ein reicher Mann war …«

John D. Rockefeller– Kapitalist imNamen Gottes

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John D. Rockefeller war Amerikas erster Milliardär.Er baute ein Ölimperium auf, das zeitweise rund 90 Prozentdes amerikanischen Raffineriegeschäfts kontrollierte. Seine Konkurrenten trieb er mit rüdenMethoden in den Ruin. Aber er war ein gläubiger Protestant,der beruflichen Erfolg für seine Pflicht vor Gott hielt. AmSonntag, nach dem Gottesdienst, fegte er gelegentlich die Kirche.

Sein Vermögen, so errechnete das Wirtschaftsmagazin Forbes, betrug zu Beginn des letzten Jahrhunderts (unter Berücksichtigung der Inflation) rund 300 Milliarden Dollar. Aber nichts deutete darauf hin, dass Rockefeller, der 1839 als Nachfahre des 1723 aus Altwied (Rheinland-Pflanz) nach Amerika ausgewanderten Johann Peter Roggenfeller geboren wurde, einmal einer der reichsten Männer der Geschichte werden sollte.

Johns Vater, ein »Kräuterdoktor« und Hausierer, gab sich in den Dörfern gelegentlich als Arzt aus. Seine Mutter war eine gottesfürchtige Bauerntochter. Das Geld war knapp, John war so schäbig gekleidet, dass er nicht aufs Klassenfoto durfte. »Ich erinnere mich nicht, jemals vernachlässigtere Kinder gesehen zu haben«, erinnerte sich später ein Nachbar.

John war kein guter Schüler. Lediglich in Mathematik hatte er sehr gute Zeugnisse. Mit 16 trat er in Cleveland eine Stelle als Lehrling bei einer Speditionsfirma an, wurde später Buchhalter mit einem Monatsgehalt von 50 Dollar. Der Umgang mit Zahlen faszinierte ihn. Oft war er am Morgen bereits um halb sieben im Büro, gelegentlich verbrachte er die halbe Nacht mit dem Addieren von Zahlen.

Neben der Arbeit war der Glaube sein zweiter Lebensinhalt. Am Sonntag ging er zur Kirche, er protokollierte die Sitzungen des Pfarrgemeinderats und las den Kindern aus der Bibel vor. Nach dem Gottesdienst fegte er die Kirche.

Aus Enttäuschung über eine verweigerte Gehaltserhöhung kündigte Rockefeller und gründete als 19-Jähriger zusammen mit einem Freund ein eigenes Handelshaus. Das Geschäft boomte, Millionen Einwanderer strömten damals nach Amerika, und der beginnende Bürgerkrieg steigerte noch die Nachfrage. Rockefeller drückte sich mit einer Spende vor der Einberufung zum Militär, handelte erst mit Fleisch und Getreide, investierte dann in das Geschäft mit Erdöl aus Pennsylvania, mit dem die bisher meist mit Walfischtran betriebenen Lampen befüllt wurden.

Rockefeller kaufte eine kleine Raffinerie. Er glaubte, dass mit der Umwandlung von Erdöl in Kerosin höhere Gewinne zu erzielen seien als mit der Suche nach Ölquellen. Die Raffinerie warf so hohe Gewinne ab, dass er immer mehr Raffinerien kaufte und die Expansion mit Krediten finanzierte. Zins und Tilgung bezahlte er pünktlich, aber sein Geschäftspartner drängte ihn zu einem langsameren Wachstum. Er nannte Rockefeller »den größten Schuldenmacher, dem ich je begegnet bin«. Es kam zum Bruch, Rockefeller ersteigerte schließlich die Firma für 72.500 Dollar. Ihm war klar, dass jetzt die Zeit gekommen war, in der man als Unternehmer entweder wächst oder untergeht. Später pflegte er zu sagen: »Ich verweise immer auf diesen Tag als Anfang des Erfolgs, den ich im Leben hatte.«

1870 entstand aus dem Unternehmen die Standard Oil Company, die erste Erdölgesellschaft der USA. Es besaß zwar die größte Raffinerie in Cleveland. Aber überall in Amerika entstanden jetzt Konkurrenzunternehmen – Rockefeller erkannte, dass Standard Oil schnell wachsen musste, denn nur so konnte das Unternehmen in dem umkämpften Markt günstiger einkaufen, günstiger produzieren und schließlich die billigsten Preise anbieten. Er setzte auf die Macht der Masse und wandte zur Erreichung seiner Ziele alle Mittel an: Er trieb Konkurrenten in den Ruin oder übernahm sie, er setzte Spione und Strohmänner ein, arbeitete mit Bestechung, bildete mit anderen Raffineriebesitzern ein Kartell, um bei den Eisenbahngesellschaften die Transportpreise für Öl zu drücken.

Innerhalb eines Jahres übernahm er fast alle Konkurrenten in der Region. Standard Oil war jetzt ein Großkonzern. Er verkaufte das Petroleum bis nach Europa und Asien. John D. Rockefeller war gerade mal 33 Jahre alt. Er kontrollierte 90 Prozent des amerikanischen Raffineriegeschäfts.

Trotz seines Reichtums lebte er anspruchslos, ja geradezu asketisch. Er rauchte und trank nicht, ging nicht ins Theater, seine fünf Kinder erhielten weniger Taschengeld als ihre Mitschüler.

Später, als Pipelines die Eisenbahnen als Transportmittel für Erdöl ablösten, kaufte Rockefeller ganze Landstriche, um zu verhindern, dass die Konkurrenz dort Rohre verlegte. So errichtete er in Pennsylvania riesige eigene Pipeline-Netze, darunter eine über 6000 Kilometer lange Pipeline von Ohio nach Pennsylvania. Rockefellers Biograf Chernow schrieb später: »Sobald ein Ölsucher auf Öl stieß, war Standard Oil da, um seine Quellen anzuschließen. Das sicherte die Existenz des Ölproduzenten ebenso wie seine unwiderrufliche Abhängigkeit vom Konzern«.

Bisher hatten die Eisenbahngesellschaften 40 Prozent ihres Umsatzes mit dem Transport von Rockefellers Öl gemacht. Der Pipeline-Boom führte jedoch dazu, dass ein Drittel der 360 Eisenbahngesellschaften des Landes bankrottgingen. Die große Depression nach dem Crash an der New Yorker Börse im Jahr 1873 überstand Rockefeller schadlos. Für ihn war die Krise eine Gelegenheit, seine wenigen verbliebenen Konkurrenten zu Schnäppchenpreisen seinem Imperium einzuverleiben.

Um die Jahrhundertwende, als ein Arbeiter in den USA durchschnittlich acht bis zehn Dollar pro Woche verdiente, wurde Rockefeller unermesslich reich. Aber Amerikas Öffentlichkeit reagierte zunehmend mit Wut auf die rücksichtslosen und zum Teil ungesetzlichen Methoden des Monopolisten Standard Oil. Das Unternehmen stand symbolhaft für »Big, bad business«. Die Anti-Trust-Gesetze, die 1890 vom Kongress erlassen wurden, hatten hauptsächlich Rockefellers Aktivitäten im Visier. Es kam zu einem Gerichtsverfahren, aber es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis schließlich 1911 der Oberste Gerichtshof der USA die Zerschlagung des Konzerns anordnete. Standard Oil wurde in 34 Teile zerlegt, aus denen Ölkonzerne wie Exxon, Chevron, Mobil und Amoco hervorgehen sollten.

Der Aktienkurs von Standard Oil brach massiv ein. Aber Rockefeller setzte auf eine Kurserholung und kaufte in großem Stil Aktien seines Unternehmens auf. Er sollte recht behalten: Das Automobil ersetzte jetzt den Pferdekarren und in Europa begann der Erste Weltkrieg – das katapultierte den Bedarf an Erdöl in unvorstellbare Dimensionen, und Rockefeller verdiente dank der beginnenden Börsenhausse rund 200 Millionen Dollar.

Rockefeller hatte sich bereits 1897 aus dem Management zurückgezogen. Vor seinem Tod im Jahr 1937 spendete er fast die Hälfte seines Vermögens für wohltätige Projekte. Er unterstützte die medizinische Forschung, finanzierte die Gründung der University of Chicago, stiftete Schulen, Museen und Bibliotheken. Wohl nicht aus schlechtem Gewissen, sondern aus religiösen Gründen. Er war stets der Meinung, dass Gottes Gunst sich am Geld ablesen ließe, am Lohn für die Fleißigen und Sparsamen. Aber er glaubte auch, dass er die Milliarden, die ihm der Herr gab, nicht für sich behalten dürfe.

Rockefeller über Arbeit und Reichtum

Wenn du erfolgreich sein willst, dann musst du neue Wege einschlagen und nicht auf den ausgetretenen Wegen des gemeinhin akzeptierten Erfolgs marschieren.

Eine Freundschaft auf geschäftlicher Basis ist besser als ein Geschäft auf freundschaftlicher Basis.

Es ist besser, einen Tag im Monat über sein Geld nachzudenken, als einen ganzen Monat dafür zu arbeiten.

Wer den ganzen Tag arbeitet, hat keine Zeit, Geld zu verdienen.

Ich arbeite nach dem Prinzip, dass man niemals etwas selbst tun soll, was ein anderer für einen erledigen kann.

Wohltätigkeit ist schädlich, es sei denn, sie hilft dem Empfänger, von ihr unabhängig zu werden.

Bernard Baruch–Vom einsamen Wolf zum Freund der Mächtigen

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Er war stolz darauf,ein »Spekulant« zu sein: Bernard Baruch machte zu Beginn des20. Jahrhunderts als Außenseiter ein riesiges Vermögen an der WallStreet. Als Politikberater kannte er fast alle bedeutenden Staatsmänner undWirtschaftsführer der westlichen Welt und leitete die amerikanische Kriegsproduktion inzwei Weltkriegen.

Baruch – er stammte aus einer gut situierten Arzt-Familie – war in South Carolina aufgewachsen und kultivierte zeitlebens den aristokratischen Lifestyle der reichen Südstaaten-Amerikaner. Als er elf Jahre alt war, zog die Familie nach New York. Mit 21 begann er, für das Bankhaus A. A. Housman zu arbeiten, erst als Lehrling, dann als Broker und schließlich als Partner. In dieser Zeit machte er bereits ein Vermögen, was es ihm ermöglichte, sich als selbstständiger Börsenhändler an der Wall Street zu etablieren. Diese Lizenz kostete damals 18.000 Dollar, dies entspricht heute ungefähr einer halben Million. Dank seiner erfolgreichen Spekulationen – vor allem auf dem Zuckermarkt – war er zur Jahrhundertwende bereits dreifacher Millionär. Er war damals gerade 30 Jahre alt.

Die rasante Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft am Ende des 19. Jahrhunderts bot Anlegern goldene Möglichkeiten, um schnell reich zu werden. Eisenbahnfirmen, Stahl- und Ölunternehmen schlossen sich zusammen, die Börse boomte.

1903 gründete er seine eigene Broker-Firma. Seine Weigerung, als Teilhaber in eines der großen Finanzhäuser an der Wall Street einzutreten, brachte ihm den Ruf eines Außenseiters, eines einsamen Wolfs ein. Er rühmte sich, ein Spekulant zu sein, wettete oft gegen kurzfristige Marktbewegungen, denen andere Anleger hinterherliefen. »Folge nie der Masse« war eine seiner Börsenweisheiten. Und: »Wenn gute Nachrichten über die Börse auf der Titelseite der NewYorkTimes erscheinen, dann ist es Zeit, zu verkaufen.«

Baruch hielt nichts von der These, dass Erfolg an den Märkten etwas damit zu tun habe, den richtigen Moment zum Kauf oder Verkauf von Aktien zu erwischen. »Das perfekte Timing gibt es nicht«, sagte er. »Wer das sagt, der lügt«. Auf die Frage nach seinem Erfolgsgeheimnis antwortete er einst: »Ich habe mein Geld verdient, indem ich zu früh verkauft habe.«

Trotzdem: Baruch hatte ein gutes Gespür dafür, wann es Zeit war, große Wetten einzugehen – oder wann der Moment gekommen war, um zu verkaufen. Er lud dann oft seinen Freund Jesse Livermore, eine andere Wall-Street-Legende des frühen 20. Jahrhunderts, zur Gänse- und Moorhuhnjagd auf seine Farm in South Carolina ein. Ein Zeichen dafür, dass sich ein Bärenmarkt abzeichnete und dass es ein guter Moment war, erst mal Ferien von der Börse zu nehmen.

Baruch, fast zwei Meter groß, gutaussehend und von athletischer Gestalt, war ein harter Arbeiter. Er las endlos dicke Wälzer über Wirtschaftstrends und versuchte, neue Entwicklungen zu erahnen. »Ein Spekulant ist ein Mann, der die Zukunft im Auge behält und handelt, bevor sie eintritt.« Und diese Zukunftsentwicklungen versuchte er zu erahnen. So investierte er in den 1920er-Jahren in Radiotechnik und Autos, in Industriezweige also, die erst noch vor ihrem Siegeszug standen.

Baruch liebte Geld und Einfluss. Aber er war nicht geizig (er spendete u. a. für die Rettung der Hochglanz-Magazine Vogue und Vanity Fair) und auch nicht machthungrig. Er war ein Meister ironischer Bonmots, er genoss das Leben in seiner ganzen Fülle, lebte großzügig in Hotelsuiten oder auf seinem Landsitz im Süden, spielte leidenschaftlich gerne Karten, verlor einmal beim Baccara 10.000 Dollar, er war Jäger und Pferdenarr (»Noch nie hat jemand, der ein Pferd besitzt, Selbstmord begangen«) und genoss den Umgang mit Künstlern und schönen Frauen.

Später, mit 40, begann seine zweite Karriere. Nicht mehr ums Geld drehte sich jetzt sein Leben. Schließlich war sein Vermögen inzwischen auf rund eine Milliarde Dollar angestiegen. Er wurde jetzt zum Berater der Mächtigen dieser Welt, er kannte fast alle wichtigen Staatsmänner und Wirtschaftsführer in den USA und Europa, er organisierte die Kriegsproduktion Amerikas in beiden Weltkriegen und beeinflusste den Ausgang dieser Kriege.

1912 begegnete er Präsident Woodrow Wilson – es war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Fünf Jahre später, mitten im Ersten Weltkrieg, berief ihn Wilson an die Spitze des Rates, der die Rüstungswirtschaft organisieren und die Waffenproduktion hochfahren sollte. Die NewYorkTimes schrieb damals: »Er bekommt faktisch die Kontrolle über die ganze Wirtschaft.« Ein Jahr später hatte das kaiserliche Deutschland den Krieg verloren. Feldmarschall von Hindenburg, der Chef der obersten Heeresleitung, sah damals in dem ehemaligen Börsenspekulanten den eigentlichen Sieger über das deutsche Heer: »Deutschland wurde von Baruch besiegt.«

Er nahm mit Präsident Wilson an der Friedenskonferenz von Versailles teil, mahnte zu einer versöhnlichen Haltung gegenüber Deutschland und warnte vergeblich vor hohen Reparationszahlungen.

In den nächsten Jahrzehnten entwickelte sich Baruch immer mehr zu einem politischen Schwergewicht, wurde zu einem der berühmtesten und einflussreichsten Amerikaner seiner Zeit. Er beriet Präsident Roosevelt, war befreundet mit Winston Churchill (den er übrigens 1929 beim großen Börsenkrach mit klugen Ratschlägen vor dem finanziellen Ruin bewahrt hatte). Selbst Lenin und Stalin baten ihn um Hilfe. Baruch lehnte dankend ab. Stalin bezeichnete ihn später als alten Gauner, der die Kriegshysterie in den USA anheize, »damit die Kanonenfabriken wieder ihre Geldsäcke füllen können«.

Angesichts des Siegeszugs des Nationalsozialismus und des steigenden Antisemitismus riet er ab 1934 zum Krieg gegen Deutschland, trat aber nach 1945 für die deutsche Wiedervereinigung ein, ohne die es keinen Weltfrieden geben könne.

Noch 1946 – Baruch war bereits 76 – entsandte ihn Präsident Truman als Vertreter der USA in die UN-Atomenergiekommission. Dort schlug er vor, die Herstellung von Atomwaffen zu verbieten und die Einhaltung dieses Verbots von einer Weltpolizei überwachen zu lassen. Sein Vorschlag scheiterte am Widerstand der Sowjets. In einer Rede vor der UN-Vollversammlung prägte er die Formel vom »Kalten Krieg«.

Baruch starb 1965 im Alter von 94 Jahren. Eine Bank im Lafayette Park gegenüber dem Weißen Haus in Washington trägt jetzt seinen Namen. Hier hatte er oft gesessen und mit einfachen Menschen über die große Politik diskutiert. Er, der immer ein Regierungsamt abgelehnt hatte, nannte diese Parkbank »mein Büro«.

Bernard Baruchs zehn Investment-Regeln

1. Spekuliere nie, wenn du es nicht zu einem Vollzeitjob machen kannst.

2. Hüte dich vor Friseuren, Taxifahrern, Kellnern – vor all jenen, die dir Insider-Informationen oder Börsentipps verraten wollen.

3. Bevor du eine Aktie kaufst, solltest du alles über das Unternehmen, sein Management, seine Konkurrenten, seine Gewinne und seine Wachstumsperspektiven in Erfahrung bringen.

4. Versuche nie, Aktien an ihrem Tief zu kaufen und an ihrem Hoch zu verkaufen. Das funktioniert nie. Wer das Gegenteil behauptet, ist ein Lügner.

5. Lerne, Verluste schnell abzuhaken. Erwarte nicht, mit deinen Investments immer richtigzuliegen.

6. Kaufe nicht zu viele unterschiedliche Werte. Es ist besser, nur wenige Werte zu halten, die du auch überwachen kannst.

7. Unterziehe deine Investments in regelmäßigen Abständen einer Neubewertung, um zu prüfen, ob neue Entwicklungen ihre Erfolgschancen verändert haben.

8. Mach dich mit deiner Steuersituation vertraut – um zu wissen, zu welchem Zeitpunkt du am besten verkaufen kannst.

9. Halte immer einen guten Teil deines Kapitals als Cash-Reserve. Investiere nie alles an der Börse.

10. Konzentriere dich bei deinen Investments auf Branchen, die du kennst.

Jesse Livermore–Der König der Spekulanten

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Jesse Livermore, einBauernsohn ohne ordentliche Schulbildung, spekulierte schon mit 15 Jahren erfolgreichmit Aktien. Das war im Jahr 1892. In den darauffolgendenJahrzehnten erzielte der wohl schillerndste Trader aller Zeiten vorallem mit Leerverkäufen atemberaubende Gewinne. Beim Crash von 1907 verdienteer an einem Tag drei Millionen Dollar. Und als Amerika1929 nach dem Schwarzen Freitag in die große Depression fiel,gehörte er zu den Profiteuren und kassierte sagenhafte 100 MillionenDollar. Die Schattenseite: Viermal musste Livermore Konkurs anmelden. 1940 wählteer den Freitod.

Livermore kam 1877 in Massachusetts als Sohn eines einfachen Bauern zur Welt. Eine richtige Schulbildung hatte er nicht genossen. Sein Leben war hart, die Familie war arm, und für Jesse kam eigentlich kein anderer Beruf in Frage als Bauer. Aber der Junge hatte ehrgeizige Träume – er wollte später mal reich und berühmt werden.

Mit 14 riss er zuhause aus und verdingte sich als Tafelschreiber bei der Bostoner Niederlassung der Maklerfirma Paine Webber. Die Welt der Börsen faszinierte ihn. Während er die aktuellen Kurse mit Kreide auf die Tafel schrieb, fragte er sich, wie sich wohl die einzelnen Werte entwickeln würden. Er führte Buch über seine Vermutungen bezüglich der zukünftigen Marktpreise und prüfte sie später hinsichtlich ihrer Richtigkeit. Da er ein feines Gespür für die Kursfluktuationen an den Märkten bewies, überredete ihn ein Freund, richtiges Geld zu investieren.

Er war gerade mal 15, als er für 5 Dollar Burlington-Aktien kaufte. Mit seinem ersten Trade machte er gleich einen Gewinn von 3,15 Dollar. Jetzt begann er ernsthaft zu handeln. In der Mittagspause wettete er in den damals sehr populären Bucket Shops, einer Art Wettbüro für Aktien, auf die künftigen Kursbewegungen und war so erfolgreich, dass er bereits mit 16 über ein Vermögen von tausend Dollar verfügte – für die damalige Zeit eine hohe Summe.

Während dieser Zeit entstand auch sein Spitzname »Boy Plunger«: der wild spekulierende Junge, der »Zockerknabe«.

Die Bucket Shops wollten schließlich mit Livermore keine Geschäfte mehr machen, sie befürchteten, dass der junge Trader sie mit seinen Gewinnen ruinieren würde. Livermore zog kurzerhand nach New York. Er war jetzt 20 Jahre alt. Die Wall Street lockte und das große Geld – es war an der Zeit, seine Jugendträume zu verwirklichen. Er hatte 2500 Dollar gespart und begann nun, ernsthaft zu spekulieren. An der Wall Street galt er als »einsamer Wolf«, er war ein Selfmademan, der selbstkritisch aus Gewinnen und Verlusten seine Lehren zog.

Livermore hatte schon früh begriffen, von welchen Gefühlen sich Anleger leiten lassen. Jeder von ihnen befinde sich ständig auf dieser emotionalen Achterbahn zwischen Hoffnung und Gier: »Der größte Feind des Anlegers ist die Ungeduld. Der Drang, in kürzester Zeit Millionen zu verdienen, ist genau das, was den Erfolg verhindert.« Diese Emotionen zu kontrollieren, war deshalb ein wichtiger Teil seiner Handelsstrategie.

Livermore hatte schon früh grundlegende Regeln und Muster im Aktienhandel erkannt und sie als Leitfaden genutzt. Handle nie gegen den Haupttrend, begrenze Verluste frühzeitig, zeige Disziplin – das waren einige seiner wichtigen Grundsätze. Er kaufte Aktien, auch wenn sie gerade neue Höchststände erreicht hatten, und er versuchte nicht, den Einstiegspreis zu drücken, indem er Aktien billiger nachkaufte. »Verkaufen Sie niemals eine Aktie, weil ihr Kurs jetzt besonders hoch aussieht. Umgekehrt kaufen Sie niemals eine Aktie aufgrund der Tatsache, dass sie von ihrem vorherigen Hochpunkt stark gefallen ist«, sagte er. Er verkaufte seine Positionen schon bei kleinen Verlusten, erhöhte jedoch sein Engagement, wenn die Kurse stiegen.

Wie kaum ein anderer Trader folgte Livermore seiner Philosophie, nur die stärksten Aktien aus den stärksten Branchen zu kaufen. Er hielt nichts von Depotstreuung. Wenn er eine Leader-Aktie entdeckt hatte, setzte er einen Großteil seines Kapitals auf diese Spekulation. »Trade only the leaders« war seine Devise.

Für jeden Trade setzte Livermore zwei unterschiedliche Limits – ein Kurslimit und ein Zeitlimit. Nach einer Woche entschied er, ob er eine Aktie, deren Kurs sich nicht gemäß seinen Vorstellungen entwickelte, halten oder verkaufen sollte. Er gab also jeder Aktie, die er gekauft hatte, ein Zeitfenster von fünf Handelstagen. Mit dieser Strategie hielt er sein Kapital ständig im Umlauf. Es gab auch Zeiten, in denen er sich ganz aus dem Markt zurückzog und abwartete, in welche Richtung sich der Markt entwickeln würde.

Livermore war vielleicht der beste Trader, den es je gegeben hat. Schon zu Lebzeiten wurde er zur Wall Street-Legende und war so berühmt wie Warren Buffett heute. Sein Lifestyle war opulent. Er besaß gleich mehrere Luxusvillen, eine Yacht, mit der er nach Europa zu reisen pflegte, er beschäftigte einen persönlichen Friseur und er fuhr standesgemäß einen Rolls Royce. 1918 hatte er in zweiter Ehe ein blendend aussehendes 18-jähriges Showgirl der berühmten Revuetruppe Ziegfeld Follies geheiratet. Die Ehe ging nach 14 Jahren in die Brüche. Mit 56 heiratete Livermore ein weiteres Mal. Für Harriet Metz, seine neue Frau, war es bereits die fünfte Heirat. Sie hatte alle ihre Ehemänner durch Selbstmord verloren. Livermore sollte keine Ausnahme werden.

Seine ersten spektakulären Gewinne fuhr Livermore 1907 ein, im Jahr des großen Kurssturzes an der New Yorker Börse. Der Crash hatte, wie fast immer, mit einem Boom begonnen. Das Jahrhundert war noch jung, überall herrschte Begeisterung für die neuen technischen Entwicklungen. An der Börse herrschte Party-Stimmung: Der gerade gegründete Dow-Jones-Index erlebte eine spektakuläre Hausse, vor allem Eisenbahnwerte gehörten zu den Gewinnern und erreichten atemberaubende Kurse. Auch Neuemissionen schienen keine Grenzen nach oben zu kennen. Anleger nährten das Kursfeuerwerk mit Krediten, genauso wie Kleinanleger, die ihre Aktien auf Pump finanzierten.