Die Erneuerung des Heiligen Geistes - Georg Kühlewind - E-Book

Die Erneuerung des Heiligen Geistes E-Book

Georg Kühlewind

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Beschreibung

Georg Kühlewind zeichnet die Grundzüge einer neuen Epoche in der Geschichte der Erde und des Menschen nach. Was dem Menschen durch das Christentum an neuen Entwicklungsmöglichkeiten zuteil wird, besteht darin, dass er selbst schafft, was ihm durch Gnade gegeben wird. Der Mensch wird selbst zum Mitschöpfer der Welt.

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Georg Kühlewind

Die Erneuerung des Heiligen Geistes

Gnade, Teilhabe und geistige Aktivität

Verlag Freies Geistesleben

Traute und Fred Maltry in Dankbarkeit und Freundschaft

Inhalt

Cover

Titel

Himmelsnähe

Das Fleisch

Der Logos im Seelenbereich

Die Wandlung des Heiligen Geistes

Die Ausbreitung des Heiligen Geistes

Die Taufe

Der geöffnete Himmel26

Geist und Leib

Die Erlösung des Denkens

Auferstehung

Verlassenwerden und Verheißung des Geistes

In der Wolke

Nach Himmelfahrt

Die Sprachen und die Sprache

Heilendes und pfingstliches Sprechen

Der neue Erkenntnisweg

Die Auflösung

Die Wandlung im Begriffsleben

Der Widerstand

Die Zeichen

Das Neue

Anfang des Weges

Das Herz in der Bibel

Die Wärme des Denkens

Zum erkennenden Fühlen

Überschuss

Die Wurzel des Daseins

Vollkommenheit

Seligkeit

Die Kräfte der Traurigkeit

Trost

Erfahrung

Die oberen Gefühle

Noch einmal: Trost

Adaequatio

Aufsteigen

Durchlässigkeit

Gesang

Die neue Gottheit

Wortwesen

Frage

Schweigende Ursprache

Reinigung der Himmel

Der unbewachte Weg der kosmischen Intelligenz

Neuer Himmel, neue Erde

Anmerkungen

Nachwort – Nahe der Schwellevon Andreas Neider

Impressum

Leseprobe: Georg Kühlewind – Das Reich Gottes

Himmelsnähe

«Das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen» – diese in jeder Zeit bestürzende Botschaft erklingt zuerst aus dem Munde Johannes des Täufers (Matth. 3,1); sie wird in der ersten Predigt des Herrn (Matth. 4,17) erneuert, um dann durch die Jünger wiederholt zu werden (Matth. 10,7). Das Reich oder Königtum (griech. basileia) der Himmel oder Gottes ist das Ziel, wonach das Christentum schon in seinem Geborenwerden strebt; es heißt von ihm: «Es ist nahe.» Der äußerlich Beobachtende kann jedoch diese Nähe in der Zeit nicht finden, weder als das Christentum geboren wurde, noch in den seither verflossenen Jahrtausenden, noch heute. Es muss die «Nähe» etwas anderes als zeitliches Bevorstehen bedeuten, ebenso wie das oft wiederholte Wort Rudolf Steiners über die Nähe oder das Überschreiten der Schwelle durch die Menschheit in unserer Zeit. Vom Reich der Himmel wird gesagt (Luk. 17,21), es sei «inwendig in euch»; das kann ein Wegweiser sein.

Die Schwierigkeit, obige Botschaft zu verstehen, liegt in der Erfahrung, dass es immer schwieriger scheint, sich den «Reichen der Himmel», den überbewussten Quellgebieten des menschlichen Bewusstseins zu nähern; der Abgrund, der das Alltagsbewusstsein von diesen Bereichen trennt, scheint immer tiefer und tiefer zu werden, und er wird darüber hinaus von den Kräften des immer stärker werdenden Unterbewussten bewohnt. Wer zum anderen Ufer des Abgrundes strebt, muss im Überqueren diesen Kräften begegnen. Es ist die gleiche, eine Schwelle, die den Menschen sowohl von den unterbewussten wie auch von den überbewussten Kräften abschirmt: Ob ihr Überschreiten in den Himmel oder in die Hölle führt, hängt davon ab, wie er sie überschreitet.

Ist das Himmelreich «nahe» und «inwendig in euch», so muss diese Nähe mit den zentralen Veränderungen zusammenhängen, die durch das Christentum in den seelisch-geistigen Strukturen der Menschen stattgefunden haben. Diese Veränderung heißt die Fleischwerdung des Logos.1

Das Fleisch

Im Ausdruck «Fleischwerdung» ist Fleisch natürlich nicht im heutigen gewöhnlichen Sinn zu nehmen, etwa im Sinne von «Muskeln»; es wird vielmehr in der Bibel als ein Fachausdruck gebraucht für die Gebrechlichkeit oder Schwäche der menschlichen Seele, für ihr Hängen und Haften am Leib, am Fleisch.2 So heißt es (Matth. 26,41; Mark. 14,38): «Der Geist ist willig, das Fleisch aber ist schwach.» Paulus, im Hinblick auf das Fleisch ein Leidender und deshalb Wissender, kann schreiben (Röm. 8,1-7): «So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind; die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist. Denn das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christo Jesu, hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Denn was dem Gesetz unmöglich war (sintemal es durch das Fleisch geschwächt ward), das tat Gott und sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches und der Sünde halben und verdammte die Sünde im Fleisch. Auf dass die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist. Denn die da fleischlich sind, die denken die Sachen des Fleisches; die aber geistlich sind, denken die Sachen des Geistes. Denn der Gedanke des Fleisches ist der Tod, der Gedanke des Geistes ist jedoch das Leben und der Friede. Denn der Gedanke des Fleisches ist Gott feindlich, sintemal das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht gehorcht, es auch nicht kann.»

Noch schärfer wird das «Fleisch» im Galaterbrief beschrieben (5,17-20): «Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch; dieselben sind widereinander, dass ihr nicht tut, was ihr wollt. Regiert euch aber der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetz. Offenbar sind aber die Werke des Fleisches, als da sind Ehebruch, Hurerei, Unreinigkeit, Unzucht, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Neid, Zorn, Zank, Zwietracht, Rotten, Hass, Mord, Saufen, Fressen und dergleichen …»

Die geschilderte Bedeutung von «Fleisch» ist nicht durchgehend in der Bibel (siehe Anmerkung 2). Wie kann man wissen, ob dieses Wort an der entscheidenden Stelle, nämlich im Prolog des Johannes-Evangeliums, im gleichen Sinne gebraucht wird wie in den obigen Textbeispielen? Eine Antwort auf diese Frage gibt der 13. Vers des Prologs, in dem, gerade vor dem Höhepunkt dieses einzigartigen Textes (Vers 14: «Und der Logos ward Fleisch») von den Kindern Gottes die Rede ist, die «nicht aus dem Geblüt, nicht aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind». Gerade in dieses Fleisch, aus dem die Gotteskinder nicht geboren werden können, kommt der Logos: in die Seelenschwäche des Menschen, so wie Er auch zu den Sündern, Kranken und Armen kommt und nicht zu den Reichen, Schriftgelehrten und Gesunden.3

So ist nun auch auf dem hiesigen Ufer des Abgrundes ein Logosfunke zu finden. Dass die Fleischwerdung in diesem Sinne verstanden wurde, wird durch Paulus bestätigt (1 Tim. 3,16): «Gott ist geoffenbart worden im Fleisch, als gerecht erwiesen im Geist …» Im Kolosserbrief heißt es (1,22): «Euch … hat er jetzt trotzdem versöhnt vermöge seines Fleischesleibes durch den Tod.»

Für Johannes ist die Anerkenntnis oder Leugnung der Fleischwerdung geradezu das Kriterium dafür, ob ein Geist von Gott oder vom Antichrist ist (1 Joh. 4,2-3): «Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, stammt von Gott; und jeglicher Geist, der da nicht bekennt, dass Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist nicht von Gott.»

Der Logos im Seelenbereich

Dass der Logos, Gottes Wort in den Reichen der Himmel – heute würden wir sagen im Überbewussten – zu finden ist, war in allen vorchristlichen Traditionen bekannt. Mit dem Christentum ist er nun in das Seelische eingezogen, hat «sein Zelt in uns aufgeschlagen» (Joh. 1,14). Die Folgen der Tatsache, dass der Logos von da an auf beiden Ufern des Abgrundes heimisch ist, sind mannigfaltig. Vor allem ist der Mensch dadurch in die Lage gekommen anzufangen, er hat die Fähigkeit zum Uranfang – in dem der Logos anwesend ist (Joh. 1,1) –, ohne das Schwachseelische ablegen oder zum Stillschweigen bringen zu müssen. Das ist die Fähigkeit des Schaffens aus dem Nichts. Solcher Anfang ist jede wahrhaft neue menschliche Gebärde. Nicht nur Kunst- oder Gedankenwerke, sondern jede intuitive Handlung des Pädagogen oder des Arztes und ganz besonders die Gebärde des Verzeihens machen die Frage nach dem «warum» sinnlos und nicht zu beantworten. Kann man sie beantworten, dann handelt es sich nicht um ein wirkliches Verzeihen. Der Anfang ist in diesem Sinne das wichtigste Kennzeichen der Ich-Wesen. Wenn es daher heißt (Jud. 1,6), dass die gefallenen Engel ihren Anfang verloren haben, so bedeutet das zugleich, dass sie ihren Ursprung verloren haben.

Durch die Anwesenheit des Logosfunkens in der Alltagsseele ist es möglich, dass der Mensch aus dieser heraus sich auf den inneren Weg begibt, ohne das Alltags-Ich erst abdämpfen oder aussondern zu müssen, wie das in den vorchristlichen Einweihungswegen der Fall war. Aus demselben Grund wird der persönliche geistige Führer oder Guru überflüssig. Seine Rolle bestand hauptsächlich darin, dem Menschengeist nach dem Zurücklassen des Alltagsbewusstseins über den Abgrund zu helfen, ihn im Jenseits zu orientieren und ihm bei der Rückkehr in das Alltagsbewusstsein beizustehen.

In Freiheit ein Quell von Ideen zu werden, dazu muss der Mensch vom unmittelbaren Einfluss der Himmel, in die er mit seinem überbewussten Geistig-Seelischen hineinragt, abgeschirmt werden. Das geschieht durch die Ausbildung jenes Seelenbereiches, den Rudolf Steiner als das «Eigenleben des Geistes»4 charakterisiert, indem hier der Geist nicht in der Hingabe lebt – was seinem Wesen entspricht –, sondern in sich webt, in seinem «Hause» ist. Andererseits ist aber zum Anfangen auch der Logosfunke in diesem «Haus» notwendig. Die letztere Bedingung wurde durch die Fleischwerdung, die erste durch den Sündenfall erfüllt. Beide zusammen sichern dem Menschen die Freiheit als Möglichkeit des Anfangens.

Die Einwohnung oder Fleischwerdung des Logos im Erdenmenschen spiegelt sich im Übergang des göttlichen Wohnsitzes von bestimmten «Orten» – Bergeshöhen, Tempel, Heiligtümer – in den menschlichen Leib, der im Neuen Testament wiederholt «Gottes Tempel» genannt wird.5

Durch die Beheimatung des Logos im Schwachmenschlichen kann das Denken erlöst werden;6 mit anderen Worten, es kann gesichert werden, dass das Denken, von oben her kommend, unten im menschlichen Bewusstseinszustand unverzerrt ankommt, unverzerrt entgegengenommen wird. Damit beginnt die Erlösung des Erdenmenschen, des Fleisches und dadurch der Erde selbst, des Bereiches, der bisher dem «Fürsten dieser Welt» untertan war.

Der Christus-Impuls bedeutet, dass das Alltags-Ich seinen Weg zur Vereinigung mit dem wahren, höheren Ich beginnt – ermöglicht durch den Logoskeim, der in das Alltags-Ich gekommen ist. Dadurch wird eine Kontinuität des Weges geschaffen, es ist keine «Verrückung» mehr notwendig, das Bewusstsein kann aus- und eingehen und verbindet damit den Himmel immer fester mit der Erde. Das alles bewirkt, dass die Meditation in unserer Zeit als «gedankenkräftiges Verhalten der Seele» charakterisiert werden kann.7

Es ist die Kraft des Logos, wodurch er selbst in der Welt und zugleich in der menschlichen Seele wahrgenommen werden kann. Was bei Heraklit der Einzelfall eines Auserwählten war, dass er nämlich sagen konnte: «Der Seele ist ein Logos eigen, der von sich aus zunimmt», wird im Christentum allgemein-menschliche Möglichkeit. Was in dem auserwählten Jesus von Nazareth bei der Taufe am Jordan stattgefunden hat, war wirksam-krafterfülltes Vorbild, das sich nach der Auferstehung in schnell wachsenden Menschengruppen verbreitete – «Und das Wort des Herrn nahm zu» (Apg. 6,7; 12,24; 19,20), wie eine Idee, die, von einem Menschen erfasst, bald vielen anderen zugänglich wird. Der Herr ist wie ein erhabenes Vorbild – oder Urbild. Dass der Logosfunke in einer menschlichen Seele aufwacht, auflodert, ist die freie Tat dieser Seele, gerade durch die Anwesenheit des Logoskeimes in ihr möglich, so paradox das klingt. Durch das bewusste Gewahrwerden dieses Keimes wird man Christ. Und die oft verzweifelte «religiöse» Ablehnung oder Abweisung der geistigen Wirklichkeit urständet in dem nicht zur Bewusstheit reifenden Gefühl der Logosanwesenheit in der eigenen Seele und geschieht mit der missbrauchten Kraft des Logos. Das ist die Sünde gegen den Heiligen Geist, die von außen nicht vergeben werden kann, weil sie mit derselben Kraft des Geistes zustande kommt; nur der Mensch kann in diesem Fall den «Sinn ändern».8

Nun sind die Reiche der Himmel wirklich nahe herbeigekommen, von der anderen Seite her, in der sie früher nicht aufgesucht werden konnten. Im Schwachmenschlichen sind sie anwesend; unter der Asche des Alltags, der Gewohnheiten lebt eine kleine Glut des Anfanges. Sie auflodern zu lassen heißt, mit dem neuen Heiligen Geist begnadet werden.

Das Alltagsbewusstsein ist nun verantwortlich für diesen versteckten Lebenskeim. Die Meditation darüber könnte lauten: «Ich pflege meinen Schöpfer.» Der Logos ist ja mein Schöpfer. Dass ein Menschenwesen seinen Schöpfer pflegt, das führt uns zum Bild der Gottesmutter. Im letzten Gesang der Divina Comedia, vor der Gottesschau Dantes, wendet sich sein Lehrer, der Heilige Bernhard von Clairvaux, in einem Gebet zur Madonna, um Dante beizustehen. Die Anfangsterzinen des Gebets drücken das Verhältnis der menschlichen Seele zu dem ihr innewohnenden Logosfunken aus (Übersetzung von Philalethes):

Jungfräul’che Mutter, Tochter deines Sohnes,

Mehr, denn sonst ein Geschöpf, hehr und voll Demut,

Vorausbestimmtes Ziel des ew’gen Rates,

Du bist’s, durch die die menschliche Natur so

Geadelt ward, dass es verschmäht ihr Schöpfer

Nicht hat, sein eigenes Geschöpf zu werden.

Der Impuls des Christentums kann im Lichte des Fleischwerdung-Motivs so gesehen werden: Durch den Logosfunken im Alltags-Ich kann die Seele nun anfangen und beginnen, sich dem höheren oder wahren Ich zu nähern. Diese Bewegung ist gleichbedeutend mit der Pflege des Logos-Keimes in der Seele, so dass dieser zunimmt und aufblüht. Das Auflodern der aschenbedeckten Glut bedeutet das Erscheinen des neuen Heiligen Geistes, das Begnadetwerden mit ihm.

Im Sinne des Logosfunkens in der menschlichen Seele ist der Schlüsselsatz der Bergpredigt (Matth. 5,3) zu verstehen: «Selig sind die Armen am Geiste, denn ihrer ist das Reich der Himmel.» Diese «Armen» sind es, denen der Geist nicht von oben her gegeben wird, sondern die von unten her, vom Schwachmenschlichen her den Weg nach oben betreten. Dieser Unterschied ist zugleich charakteristisch, wenn man den Heiligen Geist im Sinne des Alten – und teilweise auch des Neuen – Testamentes vergleicht mit dem «neuen» Heiligen Geist, wie er nach der Auferstehung beschrieben wird.

Das Neue Testament weiß von diesem Unterschied. Im Titusbrief des Paulus kann man lesen (3,5): «Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan haben, sondern nach seiner Barmherzigkeit hat er uns gerettet durch das Bad der Wiedergeburt und durch die Erneuerung (anakainoseos) des Heiligen Geistes.»

Die Wandlung des Heiligen Geistes

Im Neuen Testament wird das Kommen des Heiligen Geistes den Jüngern versprochen und vorausgesagt9 und mit dem Hingang (oder Fortgehen) des Herrn in Zusammenhang gebracht (Joh. 16,7). Indessen ist der Heilige Geist schon vor dieser Verheißung durch den Herrn wirksam, so bei der Empfängnis Mariae10 und bei der Jordantaufe Jesu11. Es gab Menschen, die vom Heiligen Geist geführt waren (Luk. 2,25-27), und auch im Alten Testament kann man viele Hinweise auf seine Wirksamkeit finden.12 Auf die Frage, was der Unterschied zwischen dem «versprochenen», nach der Auferstehung des Herrn erscheinenden und dem früheren Heiligen Geist sei, wird schon im Alten Testament eine Antwort gegeben: Es wird in einem großen Versprechen das Kommen des Geistes als allgemeine Begnadetheit des ganzen Volkes und nicht bloß einzelner Auserwählter vorgezeichnet. So ist zum Beispiel bei dem Propheten Joel (3,1) zu lesen: «Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch; und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Ältesten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen; auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen.»13 Im Lukas-Evangelium wird der Heilige Geist «das Versprechen des Vaters» genannt (24,49). Dem entspricht die vielfältige Beschreibung der Ausgießung des Geistes in der Apostelgeschichte.

Die neue Begnadung mit dem Geist geschieht durch die Aktivierung des Logosfunkens, der durch die Fleischwerdung in die menschliche Seele, in die Schwäche des Menschen gezogen ist. Diese Aktivierung erfolgt meistens nach der Taufe durch die Apostel und durch Handauflegung, manchmal aber auch ohne Handauflegung und sogar vor der Taufe.

Der Schritt aus dem alten zu dem neuen Zustand des Seelisch-Geistigen, man könnte sagen vom Alten zum Neuen Testament, spiegelt sich in den – nicht immer genau gebrauchten14 – Ausdrücken «Kinder Gottes» und «Söhne Gottes» oder «Sohnschaft». Die Wandlung wird im Prolog des Johannes-Evangeliums angedeutet. In Vers 13 wird über die Kinder Gottes berichtet (vergleiche oben S. 9), dann geht in Vers 14 die Entwicklung weiter: «Und der Logos ward Fleisch.» Es beginnt die Einwohnung des Logos. Die Einwohnung aber ist die Möglichkeit des Begnadetwerdens mit dem Heiligen Geist, und der also Begnadete heißt «Sohn Gottes». Die Sohnschaft zu erlangen ist die große Ermahnung des Apostels Paulus, die durch seine Briefe durchklingt. Die klarste Angabe über die Sohnschaft findet man im Römerbrief (8,14): «Denn die der Geist Gottes treibt, die sind die Söhne Gottes.» Ähnlich heißt es im Galaterbrief (4,4-6): «Da aber die Zeit erfüllet ward, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz getan, auf dass er die, so unter dem Gesetz waren, erlöste, dass wir die Sohnschaft empfingen. Weil ihr denn Söhne seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen.» Im Römerbrief (8,23) wird die Sohnschaft mit der Erlösung, das heißt Auferstehung des Leibes in Zusammenhang gebracht, wie es schon im Lukas-Evangelium geschieht (20,36): «Denn sie (die die Auferstehung erlangen) können hinfort nicht sterben; denn sie sind den Engeln gleich und Gottes Söhne, dieweil sie Söhne der Auferstehung sind.» Auf die alttestamentarische Verheißung wird Bezug genommen im Römerbrief (9,26): «An dem Ort, da zu ihnen gesagt ward: Ihr seid nicht mein Volk, sollen sie die Söhne des lebendigen Gottes genannt werden.» Die Bezugsstelle ist Hosea 2,1.

Die alten Begnadeten mit dem Heiligen Geist sind «Kinder Gottes»; sie beziehen die Inspiration von oben her, sie werden aus Gott geboren. Die neuen Begnadeten sind «Söhne Gottes» infolge der Fleischwerdung, der Möglichkeit nach alle Menschen, zunächst das ganze auserwählte Volk, dann aber auch die «Heiden». Diese Begnadeten gehen aus dem «Fleisch» aus, dessen Wille durch die Anwesenheit des Logosfunkens in ihm verwandelt werden kann. Sie sind befähigt, auch die Auferstehung des Fleisches zu erleben.

Die Ausbreitung des Heiligen Geistes