Die etwas anderen Taxigeschichten. Oder: Helfen sie mir jemanden umzubringen! - Marco Milosevic - E-Book

Die etwas anderen Taxigeschichten. Oder: Helfen sie mir jemanden umzubringen! E-Book

Marco Milosevic

5,0

Beschreibung

Was sich in einem Taxi im Allgemeinen abspielt, weiß jeder. Jeder? Nein! Jeder weiß, man setzt sich hinein, nennt das Ziel, der Fahrer fährt dort hin, und am Ende der Fahrt wird der Fahrpreis dem Fahrer bezahlt. Fertig. Das ist das, was jeder weiß, ABER was passiert denn sonst so? Wenn der Fahrpreis zur Nebensache wird? Wenn der Fahrgast nicht sagen kann, wohin er möchte? Wenn er gar nicht weiß, wohin er möchte? Wenn er nicht mal ein Taxi wollte?? Oder aber das Taxi die letzte Rettung für den Fahrgast ist?!? Hier schreibe ich Kurzgeschichten abseits der Normalität, die ich mit verzweifelten, ängstlichen, kranken, glücklichen, panischen oder einfach verrückten Menschen in meinem Taxi erlebte. Einfach das, was nicht jeder weiß, ...

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Was passiert eigentlich so alles in einem Taxi?

Abgesehen von den Standard-Fahrten erzähle ich

kurze & kleine Erlebnisse mehr oder weniger völlig

abseits der „normalen“ Taxifahrt.

Traurig & lustig,

langweilig & spannend,

einfach & schwierig.

Einfach das ganz normale Leben.

Jedes einzelne Erlebnis ist wahr,

wurde nicht erfunden, und hat sich in

meinem Ulmer Taxi abgespielt.

Vorwort

Das Taxifahren begann ich in den 90ern mit 21 Jahren. Ich hatte damals (wie sicherlich jeder von uns in diesem Alter) chronischen Geldmangel. Und dabei ging es mir jeden Monat immer wieder ähnlich. Immer wenn die Kohle aus ging war noch so viel Monat übrig. Wer kannte das früher nicht? War damals aber auch kein Wunder, denn neben den Hobbys wie dem Auto und dem Motorrad war ich an mehreren Tagen in der Woche auf Tour mit den Kumpels. Das geht bekanntlich gewaltig in´s Geld. An Sparen wollte ich zu dieser Zeit (natürlich) nicht denken, also blieben nicht viele Alternativen übrig, als dass eben mehr Geld hereinkommen musste. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern schon einige Jahre in Ulm zwei Taxikonzessionen mit jeweils einem Taxi betrieben und ich somit praktisch meinen Nebenjob direkt vor der Haustüre beginnen konnte. Eines der beiden Taxen stand jede Nacht vor der Türe, war nicht mit einem Fahrer besetzt und ich musste mich nur reinsetzen, ein wenig im Kreis fahren, schon hatte ich wieder ein paar Kröten mehr im Geldbeutel. Der Plan, den ich mir damals ausmalte, war folgender: Ich gehe einen Abend in der Woche nicht mehr weg zum Feiern und werde stattdessen an diesem einen Tag Geld dazu verdienen. Somit spare ich nicht nur das Geld welches ich in dieser einen Nacht ausgegeben hätte, sondern verdiene mir noch etwas dazu! Kann man jetzt als naiv oder unsinnig sehen, in der Praxis war es jedenfalls so, dass ich am Ende von diesem Tag doppelt so viel im Geldbeutel hatte wie sonst. Einmal das Gesparte was flöten gegangen wäre für das Feiern gehen plus das was eben durch das Taxi fahren dazu kam. Die Rechnung ging auf. Ziemlich gut sogar. Gegen Ende eines jeden Monat war mein Konto deutlich entspannter als zuvor. Meine Geldsituation hatte sich also ab diesem Tag erheblich gebessert. Dieses „System“ habe ich beibehalten und seit damals fahre ich eine Nacht in der Woche mit dem Taxi im Kreis spazieren. Was mir zusätzlich noch eine willkommene Abwechslung zu meinem eigentlichen Beruf ist. Außerdem fahre ich äußerst gerne Auto, liebe meine Geburtsstadt und unterhalte mich gerne mit anderen Menschen. Mir sagt man nach ich sei kontaktfreudig, ich glaube, das trifft ganz gut auf mich zu. Alles zusammen ist das Taxifahren also ziemlich ideal für mich.

Einen gravierenden Nachteil hatte das Ganze natürlich auch! Jedes Mal wenn ich mir eine erfolgreiche Schicht ausmalte, konnte ich nicht mit den Freunden zum Feiern gehen. Denn genau dann, wenn die ganze Stadt am Feiern ist, wie zum Beispiel an Silvester, und sich die Menschen amüsieren, genau dann ist das Taxifahren am Lukrativsten. So war ich immer sehr hin und her gerissen. Gehe ich mich mit den Freunden amüsieren oder mache ich ein gutes Geschäft? Jedes Mal hatte ich den sprichwörtlichen kleinen Engel und den kleinen Teufel auf meinen Schultern sitzen und musste mit mir selber und der Entscheidung ringen. Feiern oder Geld verdienen. Ich saß buchstäblich mit meinem Hintern auf zwei unbequemen Stühlen. Eher hölzerne Barhocker als gepolsterte Sofasessel. Die Siege von den beiden auf meinen Schultern hielten sich in der Waage, mal gewann das Vergnügen, mal die Kohle.

Nachdem ich Taxi fahren begonnen hatte musste ich jedoch nach wenigen Wochen feststellen, dass ich von meiner „eigenen“ Stadt ein völlig falsches Bild hatte. Natürlich war ich viel, sogar sehr viel unterwegs in den Nächten in Ulm und den anderen Städten in der Gegend. Wir fuhren in Kneipen, Diskotheken, Spielcenter, Freizeitparks und was uns noch so anmachte. Habe mich eben zusammen mit den Freunden nächtelang durch die Gegend getrieben. Meist natürlich in meiner Heimatstadt Ulm.

Und als ich mit dem Taxi fahren begann, ging die große Erkenntnis los. Denn plötzlich kam ein großes „Aber“, denn das was ich nachts im Taxi kennenlernte, das war nochmal etwas ganz Anderes als das was ich bereits kannte! Es ist eine völlig andere Welt. Nicht vergleichbar mit dem gewöhnlichen fortgehen und amüsieren, Arm in Arm singend durch die Gassen zu ziehen und sich zu amüsieren. Es ist als ob sich alles, wirklich alles verändert. Eine völlig andere Stadt erscheint dir. In der dir alles vertraut und doch völlig neu vorkommt. Eine sehr seltsame Mischung.

Wenn die Sonne untergeht, die Dämmerung einsetzt, die gelblichen Straßenlaternen die Stadt in ein warmes gelb rötliches Licht tauchen, die Straßen sich leeren, die großen Plätze, auf denen sich tagsüber Hunderte von Menschen tummeln, plötzlich völlig leer sind und selbst die vereinzelten noch umherirrenden Menschen nicht dieselben sind wie die, die sich tagsüber auf den Straßen sehen lassen, dann ist es so weit. Der Vorhang geht auf und das große Nachtspiel der sonnenlichtscheuen Gestalten beginnt. Die umherstreifenden Personen werden plötzlich etwas dunkler, die einzelnen Spaziergänger noch etwas einsamer, die vereinzelten Pfandflaschensammler fallen plötzlich auf, die Straßen werden leerer, die Streifenwagen der Polizei teilen sich den Asphalt mit den Taxen untereinander auf, die Leuchtreklamen stechen plötzlich in den Augen, weil sie so grell wirken und selbst das Blaulicht von den Einsatzwagen der Rettungsdienste und der Polizei stören plötzlich in der Nacht in den Augen. Was macht es aus? Warum kommt mir meine Stadt aus meinem Taxi so fremd und gleichzeitig vertraut vor? Sind es die einzelnen Personen am Straßenrand, in denen ich plötzlich bei jedem einen potenziellen Kunden sehe und somit Umsatz und Bargeld? Ist es, weil ich sonst um solch eine Uhrzeit entweder im Bett bin oder zumindest nicht mehr ganz nüchtern? Ich weiß es nicht.

Man könnte meinen die ganze Stadt verwandelt sich geradezu in einen großen Spielplatz. Einen Spielplatz für Taxifahrer. Es wird jeder Kollege zum Spielkamerad, zum „Gegner“ im Spiel um Kundschaft, Geld, Erfolg und um die Poleposition. Jede rote Ampel ist geradezu eine Aufforderung die Leistung der Dieselmotoren von den Kollegen zu messen. Herrlich. Es kommt ständig zum Kräften messen, zu einem Spielkampf um Fahrgäste und um das besser, schneller, erfolgreicher zu sein. Fast wie bei naiven Primaten. Ein Schwanzvergleich unter Halbstarken ist Kindergarten dagegen. Und das bei jeder Gelegenheit. Vor den Diskotheken, vor den Taxiständen, an den noch eingeschalteten Ampeln, selbst an jedem Straßenrand an dem ein Kunde winkt und ein Taxi möchte. Und das Spielbrett ist die ganze Stadt! Eine seltsame Mischung aus Spielbrett und Spielplatz. Wie Monopoly. Es geht um Geld, um Straßen und darum wer am Ende mehr gemacht hat in seiner Schicht. Sogar die Streifenwägen der Polizei haben eine Funktion wie Ereignisfelder auf dem Monopoly. Man hält ständig Ausschau nach ihnen, versucht ihnen aus dem Weg zu gehen und sein Spiel ohne Überraschungen zu machen. Sobald eines erkannt wird und in die Nähe kommt, verhält man sich so unauffällig wie möglich. Bloß nicht unnötig reizen. Denn das Spiel soll ja noch weitergehen, und nicht enden mit: „Gehe in das Gefängnis, begib dich direkt dorthin, gehe nicht über Los, ziehe nicht 2000 Euro ein!“

Vielleicht ist es so, vielleicht auch nicht. Vielleicht kommt diese Veränderung durch die andere Sichtweise, aber vielleicht auch weil ich plötzlich Dinge sah und erlebte mit denen ich nicht rechnete. Und das ist die zweite Seite wenn ich nachts unterwegs bin in meinem Taxi.

Wenn ich mit meinen Leuten unterwegs war, war ich ja in der Regel immer wieder in den gleichen Locations und hatte viele Einrichtungen überhaupt nicht auf dem Schirm, in die ich ja auch mal hätte gehen können. Man sah also nach gewisser Zeit immer das Gleiche. Im Taxi jedoch kommt man ÜBERALL hin, in buchstäblich alle Etablissements, ohne Ausnahme. Von der Studentenparty bis zu den Swinger-Häusern, von den Sozialhilfeempfängern bis zu den super Reichen, Einrichtungen, in denen nur eine bestimmte Gruppe verkehrt wie z.B. nur Jugos, Russen, Türken oder was auch immer, Rockerkneipen bzw. ihre Klubhäuser, Punker- oder Gruftitreffen, Schwulen- und Lesbentreffen, es ist einfach wirklich alles dabei und die Liste könnte man beinah unendlich und noch deutlich weiterführen. Alles bekommt man zu sehen, jede soziale Schicht, jede noch so irrsinnige Lebenseinstellung, jedes Alter und das ganze ohne Ausnahmen. Und damit hatte ich anfangs nicht gerechnet. Oder einfach nicht darüber nachgedacht. Und so bekam ich von meiner Stadt, in der ich glaubte mich auszukennen und zu wissen „was so geht“, plötzlich ein völlig anderes Bild, und mir wurde klar, ich hatte von meiner Stadt nicht die geringste Ahnung. Ich war öfter einfach nur völlig baff. Auch wenn ich zum Beispiel zu „geheimen“ Adressen fuhr, also die nicht so ganz offiziellen, an denen einfach nur ein Namensschild an der Türe stand und innendrin hättest meinen können, findet gerade das Fußball-WM-Viertelfinale statt, so viele Leute waren dort. Das sind dann „Partys“ am Rande der Legalität, oder auch mal darüber. Von Treffen einzelner Gruppierungen die es eigentlich gar nicht geben dürfte, Verteilung von Waren oder Geschäften die nicht erlaubt sind, Sexpartys die besser niemand weitererzählt, und nicht selten von Personen gefeiert werden, die nur noch im Schutze der Dunkelheit auf die Straße gehen.

In einigen Fällen war ich so erstaunt über die Situation, dass ich mir nach einem der folgenden einzelnen kleinen Erlebnisse dachte, dass man das doch zu Papier bringen sollte. Und das Ergebnis mit einer kleinen Auswahl aus dem erlebten haltet ihr nun in der Hand.

Ich komme eigentlich aus einer völlig anderen Branche und habe bis jetzt noch nichts Vergleichbares gemacht. Trotzdem hoffe ich natürlich die Geschichten sorgen beim Lesen für Kurzweile.

Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen.

Inhaltsverzeichnis

Entschuldigung, wo bin ich?!?

„Chelfen sie mir jemandem umsubringen!!“

Fünf Euro für eine Antwort

Der Tod und die Geburt

Der Mann an der Ecke

Der Möbelpacker

Schnee-Chaos, ohne Navi und dann noch München!

Die Kelle

Kann ich dich buchen?

Wohin? Bsssssssss!!

Ich will ihn noch einmal lebend sehen, bitte!

Das mit dem Trinkgeld

Entschuldigen Sie die Störung, können Sie mich Heim fahren?

„Braucht ihr zufällig ein Taxi?“

Heim!

Geisterfahrer

Mein Mann ist bei seiner Geliebten, wir haben also ein paar Stunden Zeit für uns alleine, Schatz!

Hallo?!? Ihr seid doch gleich zu Hause!

Immer´s gleiche mit den Jungs.

Machen Sie auch Fernfahrten?

Gas!!!

Geldregen

Der Klassiker

Gummibärchen

Karlstraße Ecke Friedenstraße

I wart auf a Taxi aber s´kummt net kummt net

Du bist ja cool, krieg ich deine Nummer? NEIN!

Sagen wir 150?

Winter T-Shirt

Einfach nur völlig daneben

Das liebe Trinkgeld

Ich bin der gleichen Meinung wie du!

Hat dir schon mal einer in dein Taxi gekotzt?

Einmal voll machen bitte

Kuck mal in der Hecke.

In den Michel-Erhart-Weg, bitte. Gibt´s net

Fahrrad-Kette

Die Normalos

Der Wanderer

Die häufigsten Fragen der Kundschaft

Läuft der Taxameter nach Strecke oder nach Zeit?

Ihr seid doch alle Studenten, richtig?

Was heißt Tarif 1 (2/3) im Taxameter

Wie funktionier das mit der Anfahrtsgebühr?

Was habt ihr für einen Tarif in Ulm?

Wie funktionier das mit den Taxikonzessionen?

Gibt es noch deutsche Unternehmer?

Wie viele Taxen gibt es in Ulm?

Was verdient man im Taxi?

Müsst ihr die Taxen selber kaufen?

Wie lange geht denn so eine Schicht?

Habt ihr viel Wartezeit?

Läuft das Geschäft noch so gut wie früher?

Wem gehören die ganzen Taxen?

Ist der Taxischein schwer zu machen?

Nachwort

01 - Entschuldigung, wo bin ich?!?

Es war Sommer, etwa gegen 0.00 Uhr und sehr milde Temperaturen in dieser Samstagnacht. Der Himmel war klar, der Wind still und das Geschäft rollte noch nicht so wirklich an. Ich stand am Ulmer Hauptbahnhof, etwa an fünfter Stelle. Die Fenster hatte ich alle offen und lümmelte mehr oder weniger in meinem Fahrersitz und vertrieb mir die Zeit wie so oft mit Lesen von verschiedenen Zeitungen und Fachzeitschriften. Die Langeweile ist in manch solchen Momenten lästig und wurde in dieser Wartezeit nur unterbrochen von einem leichten Lüftchen, das hin und wieder durch die geöffneten Fenster durch mein Taxi streifte. Der Bahnhofsplatz war bis auf ein paar wenige Ausnahmen menschenleer. Im Augenwinkel fiel mir ein junger Mann auf, der etwas hilflos auf dem Bahnhofsplatz umherlief. Er war vielleicht gerade mal 18, höchstens 20 Jahre alt und bekleidet mit Lederhose und kariertem Hemd wie frisch von dem Oktoberfest in München. Ich legte meine Zeitung zusammen und lehnte mich auf meinen Türrahmen, um ihn zu beobachten. Das mache ich gerne. People-Watching auf Neu-Deutsch nennt man das glaube ich. Dabei schaute ich ihn direkt an und grinste in mich hinein. Denn falls er eine Frage hatte und schüchtern oder verunsichert wäre, würde er sich so sicherlich leichter überwinden, zu mir zu kommen, um sich an mich zu wenden. Er war etwas zerknittert im Gesicht und offensichtlich von einer Sauf- oder Partytour auf dem Rückweg, denn er war doch schon ein wenig gezeichnet. Er lief immer wieder auf und ab, jedoch offensichtlich ohne Ziel und ohne Sinn und erinnerte beim Auf- und Abgehen eher an eine verlegte Henne als an eine überlegte Handlung. Ich überlegte was wohl in seinem Kopf vorging und ob bzw. was er denn für Sorgen hatte, aber ich konnte mir keinen sinnvollen Reim machen. Er lief erst noch ein weiteres Mal den Platz auf und ab, ehe er mich bemerkte. Kaum hatte er mich gesehen wie ich ihn beobachtete, ihm mit einem Grinsen im Gesicht nachsah, kam er auch ziemlich schnell und zielstrebig auf mich zu: „Entschuldigung, aber wo bin ich?!?“ Ich musste erst mal lachen. Ich: „Wie bitte? Wie meinst du das, du stehst hier auf dem Bahnhofsplatz, mitten drin! Hinter dir ist der Haupteingang des Bahnhofs! Über der Türe steht es doch: HAUPTBAHNHOF:“ Er drehte sich um und las die riesigen Blockbuchstaben. Er antwortete eher unbeholfen: „Ja ja, das ist mir schon klar, aber in welcher Stadt?“ Poff, das hat gesessen denn das wurde ich noch nie gefragt und das hatte ich auch nicht erwartet. „Ähm, bitte was? Du bist in Ulm!?!Was dachtest du denn wo du bist?“ Darauf sagte er erst mal eine ganze Weile nichts und er schaute sehr erstaunt durch die Nacht. Sein Blick schweifte umher aber machte an keinem Punkt halt. Ich weiß nicht was er suchte, sicherlich einen Anhaltspunkt für die Stadt Ulm wie z.B. den Münsterturm oder so. Aber er erkannte wohl nichts in dieser Nacht das ihm bekannt vorkam, zumindest hatte er einen sehr leeren Blick aufgelegt. „Ich muss im Zug eingeschlafen sein, ich komme aus Stuttgart und wollte eigentlich in Geislingen aussteigen!“ Uiui, tja, das erklärte natürlich einiges und da hatte er aber nun ein kleines Problem, denn vor morgen früh war an einen Zug für die Rückfahrt nicht zu denken. Inzwischen war ich vorgerückt bis an erster Stelle und so fragte ich ihn (natürlich) ob er denn nun ein Taxi nach Geislingen brauchen könnte. Schließlich will man ja helfen, … ;-) Wir machten nach kurzer Unterhaltung schnell einen Festpreis aus und mein Umsatz war schon etwas gesicherter als noch vor wenigen Minuten. Er war sichtlich froh doch noch nach Hause zu kommen und nicht erst wieder (!) in Friedrichshafen aufzuwachen. Auf der Fahrt erzählte er mir wo er mit seinen Kumpels überall in Stuttgart unterwegs war und wie chaotisch der ganze Abend schon war und er deshalb mit so einem „Ende“ schon fast rechnete. Auf der Fahrt erholte er sich Zusehens und die Unterhaltung war sehr angenehm. Wir hatten einiges zu lachen beim zügigen Fahren über die freien Landstraßen, bei seinen teilweisen sehr detaillierten Geschichten über seine Erlebnisse. Jedenfalls hatte ich nun auch etwas von seinem tiefen Schlaf im Zug, … ;-)

02 – „Chelfen sie mir jemandem umsubringen!!“

Es war eine Vorbestellung am Abend, bestellt auf 23.15 Uhr zu einer großen Kette einer Autovermietung in Ulm-Söflingen. Ich fuhr mit geöffneten Fenstern da es noch sehr mild draußen war und fuhr erst an der Eingangstüre der Filiale vorbei, drehte in einem Zug auf der sehr breiten Straße um und stand anschließend direkt vor dem Eingang. Schon beim Vorbeifahren winkte mir eine Dame wild mit den Armen rudernd vor dem Eingang dieser Autovermietung zu und machte schon durch ihren Körpereinsatz klar, dass ich ihr Taxi sei. Offensichtlich kein Zweifel. Als ich mein Taxi anhielt, kam die Dame sofort und zielstrebig und mit deutlichem Elan auf mein geöffnetes Fenster zu. Ich schätzte sie auf circa 50 Jahre, sie war groß, sicherlich einen halben Kopf größer als ich, sehr stämmig, bestimmt einen Zentner mehr als ich und auffällig stark geschminkt. Sie war außerdem bunt aber elegant gekleidet und mit ordentlichem Goldschmuck behangen. So als ob es heute noch auf eine größere Festlichkeit ginge. Spanische Hochzeit oder so etwas Ähnliches dachte ich mir noch. Sie sprach mich sofort in fehlerfreiem Deutsch durch mein geöffnetes Fenster meiner Fahrertüre an. Aber mit einem auffälligen, erkennbaren Akzent aus dem Balkan. Als sie mit ihren laut klackernden Damenschuhen an meiner Türe ankam, ballte sie ihre Hände zu Fäusten, stemmte sie in ihre Hüften und holte erst mal ordentlich Luft. Ihre „Begrüßung“ war jedoch nicht, guten Abend, Hallo, oder was man ebenso zur Begrüßung sagt, sonders ihr entfuhr es regelrecht und ziemlich lautstark:

„Chelfen Sie mir jemandem umsubringen!!“, dabei rollte sie mit ihren Augen und wackelte mit dem Kopf hin und her und schrie mich an als ob ich ihre Erlösung sei! Jedenfalls hätte ich meine Fenster auch geschlossen lassen können! Und das Ganze hörte sich außerdem sehr entschlossen an! Ähm, bitte was? Ich sollte ihr helfen jemanden zu ermorden!?!? Ich stutzte. Ich wurde schon um vieles gebeten, aber Beihilfe zum Mord?!? Das war neu. Ich musste mich erst mal etwas sammeln, alleine schon wegen dem Pfeifton in meinem linken Ohr nach dieser „Begrüßung.“ Nachdem ich wieder etwas gefasst war, erklärte ich ruhig aber bestimmt, dass ich das sicherlich nicht machen kann! OK, viele Taxifahrer sind käuflich, da wird einiges gemacht was man sonst nicht machen würde, aber so weit geht es dann doch nicht. Die Dame hörte mir nicht zu, ging auch nicht darauf ein und bekräftigte stattdessen ihre Absichten erneut! Na gut. Dann neues, anderes Thema. Ich fragte, ob sie denn die Kundin sei die ein Taxi auf 23.15 Uhr bestellt hat. Denn in diesem Augenblick wusste ich ja schließlich noch nicht, ob sie zufällig dort stand und einfach gerade jemanden bräuchte einen Mord zu begehen oder ob sie mich wirklich bestellt hatte. Hätte sein können, meine eigentliche Kundschaft stünde noch irgendwo um die Ecke und wartete auf mich. Aber dem war nicht so. Sie sagte, dass sie das Taxi bestellt habe, aber zuvor eben erst noch jemanden umbringen müsste! Ob ich das nicht kapieren würde?!? Oh Mann du. Und schon waren wir wieder am Anfang. Jedenfalls ging es ohne nennenswerte Unterbrechungen gleich ohne Punkt und Komma weiter in dieser unglaublichen Lautstärke! Sie brüllte mich mit ihren Fäusten in der Hüfte durch mein geöffnetes Fenster an und sie schilderte mir in allen erdenklichen Einzelheiten was sie mit dem Mistkerl alles machen wird! Praktisch nebenbei erklärte sie, dass sie einen Leihwagen heute hatte und der sollte eigentlich bei ihr Zuhause um 18.00 Uhr abgeholt werden, aber niemand ist erschienen. Ich kam nicht mehr zu Wort. Selbst auf Nachfragen bei der Autovermietungs-Zentrale im Norden von Deutschland sagte man ihr am Telefon man könne nichts machen und sie sollte eben den Leihwagen in der Filiale abgeben. Immer wieder setzte ich an etwas zu sagen, aber mir blieben meine Worte im Hals stecken. Sie fuhr weiter: Aber da war natürlich um diese Uhrzeit niemand mehr und sie wusste nicht was sie denn nun machen sollte. Nun bekam sogar ich selber ein schlechtes Gewissen warum ich den Wagen nicht selbst um 18.00 Uhr bei ihr abholte. Außerdem fuhr sie in dieser Nacht in Urlaub an die Adria und war die nächsten zwei Wochen nicht mehr hier in Ulm. Was sollte sie denn zwei Wochen mit einem Leihwagen machen, wenn sie gar nicht hier, sondern im Urlaub sei, fragt sie mich. Nun ja, es war diese eine Gelegenheit überhaupt mal wieder zu Wort zu kommen, aber erklären konnte ich ihr das natürlich auch nicht. Ich nutzte die kleine Pause ihrer Ansprache und setzte gleich neu an. Denn etwas Anderes konnte ich ihr doch noch erklären. Ich bemühte mich sehr leise, langsam und deutlich zu sprechen. Meine Erfahrungen in der Vergangenheit zeigten mir, dass ich auf diese Art und Weise auf sehr schnellem Wege die aufgebrachten Menschen wieder beruhigen kann. Ich sagte ihr, dass es einen Nachttresor für Fahrzeugschlüssel neben dem Eingang gibt und sie solle doch einfach den Autoschlüssel dort einwerfen. Sie schlitzte ihre dunkel geschminkten Augen zu menschlichen Schießscharten, zog ihre Mundwinkel noch etwas weiter nach unten und schaute mich misstrauisch von oben herab an. Sie glaubte mir kein Wort. Das war eindeutig in ihrem Gesicht zu lesen. Ihre Fäuste hatten schon weiße Knöchel, so sehr presste sie ihre Hände zusammen. Gleich fange ich eine Schelle die sich wahrscheinlich gewaschen hatte. In der Vorahnung, dass es gleich ziemlich klatschen könnte, zog ich meinen Kopf etwas ein. Ihre großen schwarzen Augen schwenkten zur Seite. Sie sah zum Eingang dieser Autovermietung ohne dabei ihren Kopf von mir abzuwenden. Die glaubte mir kein Wort. Jetzt war ich mir sicher. Sie vermutete bestimmt, dass ich mich vom Acker machen würde sobald ich außer „Reichweite“ ihrer Arme war. Nun ja, mit dem Gedanken spielte ich schon, … Wenn die tatsächlich ausholen sollte hätte ich bestimmt danach ein Knalltrauma. Ihre Hände hatten das Format von Klodeckeln! Sie schaute mir wieder in die Augen. „Zeige mir diesen Kasten!“ Sie wich mir nicht von der Türe bis ich den Motor abstellte. Ich öffnete die Türe einen Spalt, erst dann gab sie den Weg frei. Puh, erster Schritt getan. Wenn ich ihr nun noch meine Glaubwürdigkeit beweisen könnte, hätte ich es bestimmt geschafft. Wir gingen um mein Taxi herum zu diesem