Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland -  - E-Book

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland E-Book

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Beschreibung

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) ist eine ganz besondere Landeskirche. Sie hat mit Abstand die meisten Lutherstätten, u. a. Wittenberg, Erfurt, Eisenach, Torgau, Mansfeld, Eisleben und Stotternheim. Mit Schütz, Bach, Telemann und Händel hat diese Region die Kirchenmusik geprägt wie kaum eine andere. Und mit etwa 4.000 Kirchen und Kapellen verfügt sie über die meisten Kirchengebäude aller Landeskirchen – aber in manchen Landstrichen auch über die wenigsten Kirchenmitglieder in der Wohnbevölkerung. Der Band gibt einen Überblick über die wechselvolle Geschichte der EKM und ihrer Vorgängerkirchen, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen und der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen – von der Gründung der ersten Bistümer um 700 n. Chr. bis heute.

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Axel NoackThomas A. Seidel (Hrsg.)

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland

Schlaglichter der Kirchengeschichte

vom frühen Mittelalterbis heute

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2021 by Wartburg Verlag GmbH, Weimar

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Gesamtgestaltung und Satz: Anja Haß, Leipzig

ISBN 978-3-86160-575-1 // eISBN (PDF) 978-3-86160-580-5

eISBN (E-Pub / Mobi) 978-3-86160-581-2

www.wartburgverlag.net

Vorwort

Friedrich Kramer

Hochgeschätzte Leserinnen und Leser,

Sie werden sich vielleicht verwundert die Augen reiben. Eine Geschichte der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) im dreizehnten Jahr nach der Gründung dieser noch sehr jungen Landeskirche und dann vom Mittelalter bis heute? Aber die beiden Vorgängerkirchen, die sich 2009 vereinigt haben, brachten ihre Geschichte mit und diese wiederum folgt einer langen Geschichte, die auf dem geografischen Gebiet, dass die EKM heute umfasst, bis ins 6. Jahrhundert zurückreicht. Wer also die Geschichte unserer Mitteldeutschen Kirche verstehen will, muss unsere ganze Geschichte in den Blick nehmen. Dieses unternehmen die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Buches, wofür ich ihnen und den Herausgebern Axel Noack und Thomas Seidel von Herzen danke.

So viele Kirchengebäude wie keine andere Landeskirche, nämlich 3897 Kirchen und Kapellen, haben wir von unseren Vorfahren geerbt. Die allermeisten konnten, besonders in den letzten dreißig Jahren, restauriert und bewahrt werden. Sie zeugen von einer reichen Geschichte. Dass unsere Kirche daneben auch Regionen umfasst, in denen so wenige Menschen zu ihr gehören wie sonst nirgendwo in Deutschland, zeigt die Wucht eines Transformationsprozesses, der uns erfasst hat und uns vor gewaltige Aufgaben stellt. Dabei bleiben wir fröhlich und getrost, weil wir wissen, dass der Herr selbst seine Kirche baut und unser Tun ohne seinen Segen vergeblich wäre. Die segensreichen, aber auch die in die Irre und in der Bedrückung gegangenen Wege der Kirche in den Blick zu nehmen, regt an, mit diesen vielfältigen historischen Erfahrungen den weiteren Weg der evangelischen Kirche im Kernland der Reformation mitzugehen.

Und so wünsche ich dem Buch eine weite Verbreitung und seinen Leserinnen und Lesern, dass sie durch die Lektüre bereichert werden und Lust bekommen, die Orte der Geschichte zu besuchen und die reichen geistlichen Schätze unserer mitteldeutschen Landschaft zu heben und sich an ihnen zu erfreuen.

Ihr Landesbischof

Friedrich Kramer

Inhalt

Warum dieses Buch?

Axel Noack, Thomas A. Seidel

1600 JAHRE CHRISTLICHER GLAUBE IN MITTELDEUTSCHLAND

Die EKM verstehen – Wichtige Daten ihrer Geschichte

Axel Noack

Zwischen Salzwedel und Suhl – Kirchliche Kunst im Land der Reformation

Bettina Seyderhelm

Mitteldeutsche Kirchenmusik – und die Welt der Musik

Erik Dremel

Stätten der Reformation im Gebiet der EKM

Marianne Schröter

SCHLAGLICHTER DER KIRCHENGESCHICHTE

Die mitteldeutsche Klosterlandschaft

Saskia Jähnigen

Bonifatius und das erste Bistum in Mitteldeutschland

Andreas Lindner

Das Bistum Halberstadt – Gründung ohne Gründer

Stephan Freund

Die Gründung des Erzbistums Magdeburg 968 – oder: Geduld zahlt sich aus

Stephan Freund

Die Altmark – Ausgangspunkt und Teil der Mark Brandenburg

Reinhard Creutzburg

Die Reformation im geteilten Sachsen

Axel Noack

Der Schmalkaldische Bund

Ralf Gebauer

Das Reformwerk Ernsts des Frommen

Stefan Michel

Evangelisch-reformiert in der EKM

Jutta Noetzel

Pietismus und Aufklärung – das Beispiel der Universität Halle

Marianne Schröter

Die Provinz Sachsen formiert sich

Margit Scholz

Die Kirchenprovinz Sachsen und die Veranstaltung von Provinzialsynoden

Hans Seehase

Bekenntnis und Union

Axel Noack

Kirchliche Vielfalt und Einigkeit in Thüringen: Die Situation nach der letzten großen Erbteilung der Ernestiner von 1826

Hannelore Schneider

Das Arnstädter Marienstift und das diakonische Werk

Andreas Müller

Langes Sterben – rasches Ende: Das Ende des „landesherrlichen Kirchenregiments“

Klaus Dicke

Kirche als Notgemeinschaft

Christoph Kähler

Wer regiert die Kirche? Der „Kirchenkampf“ in Thüringen und in der Kirchenprovinz Sachsen

Christopher Spehr

Am Anfang stand der Kompromiss – die Gründung der KPS nach 1945

Axel Noack

Im Übergang der Diktaturen. Kirchliche Neuordnung in Thüringen nach 1945

Thomas A. Seidel

Die Entkirchlichung des Ostens

Christian Dietrich

„Wir geh’n zusammen“ – die Bildung der EKM

Matthias Sens

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Warum dieses Buch?

Axel Noack, Thomas A. Seidel

Weil die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM)1 eine durchaus besondere Landeskirche ist, mit einer überaus reichhaltigen, spannenden und auch spannungsvollen Geschichte. Natürlich gibt es Parallelen und auch Vergleichbares zu anderen evangelischen Landeskirchen, vor allem zur Nachbarlandeskirche Sachsen. Dennoch erkennen wir für diese Kirche in der Mitte Deutschlands mindestens fünf wesentliche Unterscheidungsmerkmale:

1. Die EKM ist „Kirche in Luthers Heimat“. Sie hat mit weitem Abstand die meisten national und international bekannten Lutherstätten. Dazu gehören – um nur die wichtigsten zu nennen – Wittenberg, Erfurt, Eisenach, Torgau, Mansfeld, Eisleben, Stotternheim, Schmalkalden und viele andere.

2. Auf dem Gebiet der heutigen EKM wurde der „reformatorische Choral“ intoniert. Hier lebten und wirkten die bedeutendsten und bis heute weltweit bekannten und verehrten Komponisten und Liederdichter „evangelischer Kirchenmusik“. Zu diesen gehören Johann Walter, Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Philipp Georg Telemann, Georg Friedrich Händel, Paul Gerhardt und viele andere mehr.

3. Die EKM ist ein besonderes Beispiel „konfessioneller Koexistenz“. Nicht nur, dass es in dieser Kirche „evangelische Kirchengemeinden“, „evangelisch-reformierte Gemeinden“ und „evangelisch-lutherische Gemeinden“ nebeneinander gibt. Sie ist auch die einzige Landeskirche, die Vollmitglied in der Evangelisch-lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) und in der Union evangelischer Kirchen (UEK) ist.

4. Die EKM ist „steinreich“. In ihr gibt es – wiederum mit weitem Abstand zu allen anderen evangelischen Landeskirchen und den römisch-katholischen Bistümern – die meisten Kirchengebäude. Etwa viertausend Kirchen und Kapellen gehören zur EKM.

5. Die EKM ist „mitgliedsarm“. In scharfem Kontrast zum „Steinreichtum“ an Kirchen und Klöstern steht das Faktum, dass es hier – in bestimmten Landstrichen, vor allem im Norden der Landeskirche – nach zwei deutschen Diktaturen die wenigsten Kirchenmitglieder gemessen an der Wohnbevölkerung gibt.

Dieses kontrastreiche Bild wird ergänzt durch die wechselvolle Geschichte ihrer Entstehung bzw. der Herausbildung ihrer Vorgängerkirchen, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen (ELKTh) und der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (KPS).

Die Geschichte der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland bietet auf den ersten Blick viel Verwirrendes. Deswegen soll mit diesem Buch der Versuch unternommen werden, einen kompakten Überblick über die Territorialgeschichte der EKM und ihrer Vorgängerkirchen zu geben. Ein Überblick ist kein Kompendium. Wir wollen Schlaglichter der Kirchengeschichte vom frühen Mittelalter bis heute werfen.

Mit einer kommentierten Datenleiste soll Ihnen der Überblick erleichtert werden, bevor im Hauptteil des Bandes einzelne Schlaglichter, historisch folgenreiche Ereignisse, Prozesse und Personen in essayartigen Beiträgen genauer untersucht und erläutert werden. Am Ende der einzelnen Artikel laden einige Literaturhinweise zum weiteren Studium ein.

Der Slogan „Ohne Herkunft keine Zukunft“ ist zwar etwas abgegriffen, trifft aber die Intention der Hausgeber sowie der Autorinnen und Autoren dieses Buches: Wir wollen Interesse und Neugier wecken, den Besonderheiten dieser Kirche in der Mitte Deutschlands nachzugehen. Und wir sind davon überzeugt, dass aus der Kenntnis der Vergangenheit ein tieferes Verständnis für die Gegenwart gewonnen werden kann. Beides, der aufmerksame Blick zurück und die ungeschönte Reflexion dessen, was war und was ist, kann zu einer Haltung evangelischer Klarheit und Gelassenheit führen. Etwa so, wie Klaus-Peter Hertzsch es in seinem Lied besingt: „Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt! Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land.“2

Axel Noack

Vorstandsvorsitzender des Vereinsder Kirchengeschichteder Kirchenprovinz Sachsen e. V.

Thomas A. Seidel

Vorstandsvorsitzender der Gesellschaftfür Thüringische Kirchengeschichte e. V.

1Die Abkürzung „EKM“ ist die gebräuchliche Abkürzung. Dass die Website unserer Kirche mit www.ekmd.de aufgerufen wird, hat schlicht die Ursache darin, dass das Kürzel „ekm.de“ schon vergeben war, als die Website aufgebaut worden ist.

2Evangelisches Gesangbuch (EG 395, 3).

1600 Jahre christlicher Glaube in Mitteldeutschland

„Wir sind es doch nicht,die da könnten die Kirche erhalten,unsere Vorfahren sind es auch nicht gewesen,unsere Nachfahren werden es auch nicht sein.Sondern der ist es gewesen,ist es noch und wird es sein, der da sagt,ich bin bei euch alle Tage.“

Martin Luther

1539

Die EKM verstehen – Wichtige Daten ihrer Geschichte

Axel Noack

Die wichtigsten Daten der Territorialgeschichte der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland verhelfen zu einem ersten Überblick und können illustrieren, aus welchen Gebietsteilen die Mitteldeutsche Kirche schließlich zusammengesetzt worden ist.

531

Schlacht bei Burgscheidungen

Essay

Ausbreitung von Klöstern

ab Seite 64

531: Schlacht bei Burgscheidungen

Die Geschichte der christlichen Kirchen im mitteldeutschen Raum beginnt mit dem Vordringen der Franken. In der Schlacht bei Burgscheidungen besiegt das schon christlich geprägte Frankenreich die noch mehrheitlich „heidnischen“ Thüringer. Zu diesem Zeitpunkt war das Christentum im römischen Reich schon längst zur „Staatsreligion“ geworden. Der Streit um den biblischen Kanon war beendet. Ein einheitlicher Ostertermin war gefunden. Erste gemeinsame Glaubensbekenntnisse waren beschlossen worden.

Die Taufe des Frankenherrschers Chlodwig im Jahre 496 in Reims gilt als die Geburtsstunde des christlichen Europas.

Fortan verbreitet sich das Christentum im Wesentlichen auf zwei Wegen:

a) Durch Ausweitung des Herrschaftsbereiches christlicher Herrscher: Siege über die Sachsen und über slawische Völker. Diese Ausweitung der Herrschaftsbereiche geht mit der Gründung von Bistümern einher.

b) Durch die Ausbreitung von Klöstern. Im mitteldeutschen Raum werden es später vor allem die Zisterzienser sein.

Beide Formen der Ausbreitung geschehen parallel, aber in gewisser Unabhängigkeit voneinander.

741

Gründung des Bistums Erfurt

Essay

Bonifatius

ab Seite 73

741: Gründung des Bistums Erfurt

Der bekannteste Missionar des thüringischen Raumes wird der iroschottische Mönch Winfried Bonifatius (673–ca. 754). Auf ihn geht die Begründung des ersten Bischofssitzes der Region, in Erfurt, im Jahre 741 zurück. Dieses Bistum hat aber keinen Bestand und wird bald mit Mainz vereinigt. Hier ist die Ursache dafür zu suchen, dass es eine jahrhundertelange Verbindung von Mainz und Erfurt gegeben hat.

bis ca.

829

Entstehung des Bistums Halberstadt

Essay

Bistum Halberstadt

ab Seite 85

Bis ca. 829: Entstehung des Bistums Halberstadt

Bis ins Jahre 829 entsteht auch in Halberstadt ein Bistum. Diesem Bischofssitz ist ein längerer Bestand beschieden. Ab 1479 (bis 1566) wird es vom Magdeburger Erzbischof „administriert“, also mitverwaltet.

968

Gründung des Erzbistums Magdeburg

Essay

Erzbistum Magdeburg

ab Seite 92

968: Gründung des Erzbistums Magdeburg

Kaiser Otto I. (912–973) verkündet im Jahre 968 die vom Papst vorgenommene Gründung des Erzbistums Magdeburg. Magdeburg zugeordnet werden die damals ebenfalls neu gegründeten Bistümer (Suffraganbistümer) Merseburg, Meißen und Zeitz (Letzteres bald verlegt nach Naumburg) sowie die bereits zuvor bestehenden Bistümer Havelberg und Brandenburg.

Später wird der Erzbischof auch zu einem weltlichen Herrscher („Fürstbischof“), der dem Erzstift Magdeburg auch politisch vorsteht (bis 1566). Danach traten Administratoren an die Stelle der Erzbischöfe, bis das Erzstift schließlich im Jahre 1680 als säkulares Herzogtum Magdeburg dem Kurfürstentum Brandenburg angegliedert und von Preußen 1815 in die Provinz Sachsen eingegliedert wird.

1415

Die Altmark kommt zu Brandenburg

Essay

Altmark kommt zu Brandenburg

ab Seite 98

1415: Die Altmark kommt an die Hohenzollern

Mit der Belehnung des Hauses Hohenzollern (Stammsitz ist die Burg Hohenzollern, die heute in Baden-Württemberg liegt) mit der Mark Brandenburg durch Kaiser Sigismund (1368–1437) beginnt für die Altmark eine bis 1815 währende politische und kirchliche Zugehörigkeit zur Mark Brandenburg unter der Herrschaft der Hohenzollern. Zu den spezifischen kirchlichen Prägungen während dieser vierhundert Jahre gehört vor allem die vergleichsweise sanfte Reformation unter Kurfürst Joachim II. (1505–1571), die ohne Radikalität eingeführt wird.

1485

Sächsische Teilung

Essay

Sächsische Teilung

ab Seite 105

1485: Sächsische Teilung

Große Teile des Gebietes der heutigen EKM standen unter der Herrschaft des sächsischen Geschlechtes der Wettiner (Stammhaus in Wettin, unweit von Halle). Im 15. Jahrhundert gibt es unter den wettinischen Erben mehrmals Streitigkeiten. Sie führen schließlich zur Teilung des Landes zwischen den wettinischen Söhnen Ernst (1441–1486) und Albrecht (1453–1500). Ein komplizierter Teilungsplan wird verabredet, und es entstehen zwei sächsische Teilstaaten, die nach den Brüdern „Ernst“ (= ernestinisches Sachsen) und „Albrecht“ (= albertinisches Sachsen) benannt werden. Dabei gestaltet sich die Landaufteilung dergestalt, dass die ernestinischen Ländereien vor allem im thüringischen Gebiet und im sogenannten Kurkreis (Wittenberg-Torgau-Delitzsch-Eilenburg) liegen. Die Gebiete des albertinischen Sachsen liegen im Wesentlichen im Territorium des heutigen Freistaates Sachsen, mit Dresden und Leipzig als Zentren.

1495

Reichstag zu Worms

1495: Reichstag zu Worms

Kaiser Maximilian (1459–1519) beginnt auf dem Reichstag zu Worms Reformen, die für die spätere kirchliche Reformation von großer Bedeutung sein werden:

. Versuch der Bildung eines ständigen Reichsregiments

. Ausrufung eines ewigen Landfriedens und Bestimmung des „Landfriedensbruchs“ als Straftatbestand (gilt bis heute: Strafgesetzbuch § 125)

. Beendigung des „Fehdewesens“: Die gewaltsame Konfliktlösung sollte durch juristische Verfahren ersetzt werden (Reichsgerichte als letzte Instanz).

. erstmalig Steuern für das Reich „Gemeiner Pfennig“ etc.

1517

Beginn der Reformation

1517: Beginn der Reformation

Das ernestinische Sachsen wird zum Ursprungsland der Reformation, da der ernestinische Herrscher Friedrich der Weise (1463–1525) und seine Nachfolger sie besonders schützen und fördern. Die albertinischen Sachsen sind zunächst heftige Gegner der Reformation (Herzog Georg der Bärtige (1471–1539), der Vetter von Friedrich dem Weisen).

Zu den Gegnern der Reformation gehört auch Kardinal Albrecht (1490–1545), der als Erzbischof von Magdeburg (= Landesherr des Erzstiftes Magdeburg) und von Mainz zugleich Erzkanzler des Reiches und damit der wohl mächtigste Reichsfürst nach dem Kaiser gewesen ist. Auch sein Bruder, der Kurfürst von Brandenburg, Joachim I. (1484–1535), ist ein erbitterter Gegner der Reformation.

1530

Reichstag in Augsburg

1530: Reichstag in Augsburg

Auf dem Reichstag in Augsburg will der Kaiser die konfessionellen Streitigkeiten befrieden und bittet die Konfliktparteien, ihr Verständnis des Evangeliums darzulegen. Unter anderem gibt auch der ernestinische Kurfürst den Auftrag zur Ausarbeitung einer solchen Vorlage. Melanchthon, Luther und andere machen sich ans Werk: Herausgekommen ist das sogenannte „Augsburger Bekenntnis“ (Confessio Augustana). Es wird zur wichtigsten präzisen Zusammenfassung des evangelischen Glaubens. Allerdings findet der Reichstag keinen Frieden in der Sache. Das Wormser Edikt von 1521 gegen Luther, also der Bann gegen Luther, wird nicht zurückgenommen. Luther bleibt in der Acht.

1531

Gründung des Schmalkaldischen Bundes

Essay

Gründung Schmalkaldischer Bund

ab Seite 111

1531: Gründung des Schmalkaldischen Bundes

In Schmalkalden in Thüringen gründen die evangelischen Reichsstände und die freien Reichsstädte – auch aus Frust über den Augsburger Reichstag von 1530 – den „Schmalkaldischen Bund“. Sie verpflichten sich darin zur gegenseitigen Hilfe bei „Angriffen in Sachen der Religion“.

1547

Schmalkaldischer Krieg

1547: Schmalkaldischer Krieg

Die kaiserlichen Truppen besiegen diesen Bund der Protestanten. Sie werden von Herzog Moritz (1521–1553) aus dem albertinischen Sachsen unterstützt, obwohl der auch evangelisch ist. Damit stehen die beiden Sachsen – Herzog Moritz und Kurfürst Johann Friedrich I. (1503–1554) – in diesem Krieg auf verschiedenen Seiten der Front. Moritz erhält vom Kaiser nach dem Sieg bei Mühlberg an der Elbe (24. April 1547) große Gebiete des ernestinischen Sachsen (zum Beispiel den gesamten Kurkreis um Wittenberg, damit erhält er auch die Kurwürde). Die sächsische Teilung hat also ihren eigentlichen Bestand ziemlich genau zu Lebzeiten Martin Luthers (1483–1546) gehabt. Weil der bisherige ernestinische Kurfürst Johann Friedrich, der Nach-Nachfolger von Friedrich dem Weisen, mit Wittenberg auch „seine“ Universität verloren hat, gründen er und seine Söhne eine neue Universität in Jena (offizielles Gründungsjahr 1558). Der Lebensmittelpunkt der ernestinischen Herrscher verschiebt sich von Torgau-Wittenberg ins thüringische Weimar.

Der gewesene bzw. der „geborene“ Kurfürst Johann Friedrich selbst hat drei Söhne. Sie und ihre Nachkommen teilen ihr Erbe noch häufiger. Zusammen mit der thüringischen Besonderheit der reußischen und schwarzburgischen Fürstentümer, entstehen dadurch eine Vielzahl thüringischer Staaten. Das „Land der Residenzen“ wird geboren. Es gibt bis heute in Thüringen etliche mittelgroße Städte mit eigenem Schloss und Theater: Gera, Weimar, Greiz, Gotha, Meiningen etc.

1548

Kaiserliches „Augsburger Interim“

1548: Kaiserliches „Augsburger Interim“

Der Kaiser versucht nun letztmalig – unterstützt von gewichtigen Theologen – eine vorübergehende Befriedung der konfessionellen Streitigkeiten, indem er einen theologischen Mittelweg durchzusetzen versucht (römisch-katholische Liturgie bei Zugeständnis der Priesterehe). Er erfährt dafür Ablehnung von allen Seiten.

Im albertinischen Sachsen versucht der nunmehrige Kurfürst Moritz – er hatte sich zwischenzeitlich mit dem Kaiser überworfen und bekämpft ihn nun auch militärisch –, ebenfalls eine solche Zwischenlösung zu etablieren, und beauftragt Philipp Melanchthon mit der Ausarbeitung des „Leipziger Interims“. Im evangelischen Lager zerstreiten sich die lutherischen Theologen an ihrer Einstellung zum Interim untereinander völlig. Der den Kompromiss suchende Melanchthon wird zum „Verräter“ und die „Philippisten“ werden zur geächteten Gruppe.

1554

Naumburger Vertrag

1554: Naumburger Vertrag

Im Naumburger Vertrag vom 24. Februar 1554 werden die Regelungen nach dem Schmalkadischen Krieg von 1547 noch einmal ergänzt: Die Kurwürde bleibt bei den Albertinern, wie im Wittenberger Vertrag (1547) vorgesehen. Das ernestinische Sachsen erhält zum Ausgleich Altenburg, Eisenberg, Neustadt, Pösneck und Triptis, die damit später auch zur Kirche in Thüringen gehören werden.

1555

Augsburger Religionsfrieden

1555: Augsburger Religionsfrieden

Im Augsburger Religionsfrieden verzichten Kaiser und Reich auf Festlegungen im konfessionellen Streit (Neutralität des Reiches). Die Landesfürsten und auch die freien Reichsstädte erhalten das Recht, in konfessionellen Fragen selbst zu bestimmen („Cuius regio, eius religo!“). Im Religionsfrieden werden allerdings nur die Römisch-Katholischen und die Lutherischen als Religionsparteien, als unter dem Schutz des Reiches stehend, anerkannt. Die Reformierten werden nicht unter die „Augsburger Konfessionsverwandten“ gerechnet.

1577

Konkordienformel

1577: Konkordienformel

Das auf Initiative des Kurfürsten August von Sachsen entstandene, innerlutheranische Konsenspapier soll die Zerwürfnisse innerhalb der Lutherischen beilegen. Erst damit gelingt es, die Streitigkeiten zu beenden, allerdings um den Preis einer noch heftigeren Abgrenzung von den Reformierten.

1613

Konfessionswechsel des Kurfürsten von Brandenburg

1613: Konfessionswechsel des Kurfürsten in Brandenburg

In Brandenburg wechselt der Kurfürst seine Konfession von lutherisch zu reformiert. Er verlangt allerdings nicht, dass seine Landeskinder ihm folgen müssen. In Brandenburg-Preußen gibt es fortan ein gemischt-konfessionelles Land. Dies führt zu konfessionellen Streitigkeiten und polemischen Kanzeläußerungen, die der Kurfürst und später der preußische König einzudämmen suchen.

1618–1648

Dreißigjähriger Krieg

1618 bis 1648: Dreißigjähriger Krieg

Der Krieg wütet besonders in den mitteldeutschen Gebieten heftig. Es wird davon ausgegangen, dass hier in einigen Gegenden zwei Drittel der Bevölkerung ums Leben gekommen bzw. vertrieben worden sind.

1648: Westfälische Frieden

Im „Westfälischen Frieden“, mit dem nach jahrelangen Verhandlungen in den westfälischen Städten Osnabrück und Münster der so schlimme Dreißigjährige Krieg beendet worden ist, werden nun auch die Reformierten als Religionspartei anerkannt. Die Erfurter Deputierten streben in Osnabrück an, dass Erfurt den Status einer freien Reichsstadt erhalten möge. Das wird ihnen verwehrt. Erfurt verbleibt weiterhin (bis 1803) bei Kurmainz.

1650

Wiederaufbau

Essay

Das Reformwerk Ernsts des Frommen

ab Seite 117

1650: Wiederaufbau

Weit über das eigentliche Herrschaftsgebiet Sachsen-Gotha-Altenburg hinaus gewinnt das Reformwerk (Verwaltung, Schulen, konfessionelle Befriedung etc.) des ernestinischen Herrschers Ernst I., des Frommen (1601–1675), aus Gotha paradigmatische Bedeutung für den Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg.

1680

Die Geburt des Herzogtums Magdeburg

1680: Die Geburt des Herzogtums Magdeburg

Im westfälischen Frieden 1648 wird das Gebiet des alten Erzstiftes Magdeburg dem Kurfürstentum Brandenburg zugesprochen. Das künftige Herzogtum Magdeburg wird zwar mittlerweile längst von evangelischen Administratoren ver waltet, vollzogen wurde die Übernahme allerdings erst im Jahre 1680, nach dem Tod des letzten Administrators, August von Sachsen (1614–1680).

1685

Potsdamer Edikt

Essay

Potsdamer Edikt

ab Seite 123

1685: Potsdamer Edikt

Diese neuen Gebiete waren kriegsbedingt in einem schlimmen Zustand (z. B. Halle). Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst von Brandenburg-Preußen (1620–1688), erlässt am 29. Oktober 1685 ein Edikt, das Potsdamer Edikt, mit dem den vertriebenen französischen Hugenotten besondere „Privilegien“ in Preußen eingeräumt werden. Sie werden eingeladen, ins Land zu kommen und beim Wiederaufbau zu helfen. Die heutigen evangelisch-reformierten Gemeinden der EKM gehen im Wesentlichen auf diese Zuwanderung der vertriebenen Glaubensflüchtlinge zurück.

1694

Gründung der Universität Halle

Essay

Gründung Uni Halle

ab Seite 130

1694: Gründung der Universität Halle

Der Kurfürst von Brandenburg gründet nun – Wittenberg war ja an die albertinischen Sachsen gelangt – eine neue Universität in Halle. Sie wird im mitteldeutschen Raum eine besondere Funktion übernehmen. Während in den „alten“ Universitäten (Leipzig, Wittenberg, Jena) vor allem die lutherische Orthodoxie vorherrscht, werden in Halle die zwei wesentlichen geistigen Strömungen des 18. Jahrhunderts bestimmend werden: der Pietismus und die Aufklärung. Das wird schon an den Gründervätern der Universität sichtbar: August Hermann Francke und Christian Thomasius. Pietismus und Aufklärung gingen in Halle – jedenfalls in den ersten Jahrzehnten – eine fruchtbare Symbiose ein. In Halle entsteht die berühmte „Schulstadt“, die Franckeschen Stiftungen.

Am Anfang des 18. Jahrhunderts beginnt der preußische Staat eine Verwaltungsreform. Das früher als Exklave zum Erzstift gehörende Gebiet um Jüterbog war schon 1635 an Kursachsen gelangt.

Nun werden weitere Gebietsteile getauscht. So gelangt die alte Bischofsstadt Ziesar zum Herzogtum Magdeburg. Zinna und Luckenwalde werden abgegeben. Halle wird zunächst „Hauptstadt“ im Herzogtum Magdeburg, 1714 verliert Halle diese Rolle allerdings an Magdeburg.

1803

Reichsdeputationshauptschluss

1803: Reichsdeputationshauptschluss

Im Reichsdeputationshauptschluss werden auf Anregung Napoleons ehemals geistliche Territorien enteignet und den Fürsten als Entschädigung für Verluste, die ihnen von Napoleon im Rheingebiet zugefügt worden waren, übertragen. Für unsere Kirche ist dabei besonders bedeutsam: Die im thüringischen Raum gelegenen kurmainzischen Gebiete – vor allem Erfurt und das Eichsfeld – werden dem preußischen Staat zugeschlagen, der sie später (1815) in seine Provinz Sachsen eingliedern wird. Die beiden auf unserem Territorium gelegenen Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen gehen ebenso an den preußischen Staat wie das Gebiet des Reichsstiftes Quedlinburg.

1806

Einde des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation

1806: Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation

Napoleons Kriege führen zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Der Kaiser in Wien dankt ab und entlässt alle Bediensteten des Reiches.

1815

Wiener Kongress

Essay

Die Provinz Sachsen formiert sich

ab Seite 136

1815: Wiener Kongress

Nach dem Sieg der Alliierten über Napoleon erhält Preußen im Wiener Kongress einen großen territorialen Zugewinn. Das alte albertinische Sachsen, das nach dem Schmalkaldischen Krieg 1547 größere Gebietszuwächse erhalten hatte, war inzwischen Königreich geworden und territorial nach dem Dreißigjährigen Krieg um die Lausitz erweitert worden. Nun, 1815, verliert es große Gebietsteile an Preußen, so den Kurkreis um Wittenberg, Bitterfeld und Herzberg, ehemalige Stiftsterritorien um Zeitz, und Naumburg und Merseburg, den sächsischen Teil der Mansfelder Grafschaften. Dazu kamen große Teile des „Thüringer Kreises“ mit Sangerhausen, Weißenfels, die Grafschaften Stolberg-Roßla, Stolberg-Stolberg etc.

Fast alle diese neu-preußischen Gebiete bringt der preußische Staat in seine neu gegründete „Provinz Sachsen“ ein. Sie besteht daher zu einem großen Teil aus diesen ehemals sächsischen Territorien. So dürfen diese „Beutepreußen“ ihren Namen mitbringen: Provinz Sachsen. Auch die Altmark wird 1815 – nicht zur Freude der Altmärker! – in die preußische Provinz Sachsen eingegliedert. Die Provinz Sachsen bleibt in ihrer territorialen Gestalt bis 1944 unverändert. Sie deckt sich territorial auch mit der späteren evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen.

Sie gliedert sich in drei Regierungsbezirke: Magdeburg, Merseburg (nicht Halle!) und Erfurt. Kirchlich entsprechen dieser Einteilung drei Generalsuperintendenten, die ihren Wohnsitz allerdings alle in Magdeburg haben. Das provinzsächsische Konsistorium in Magdeburg, am Dom, wird zum zentralen Sitz der Kirchenbehörde.

1817

Wiedereröffnung der Universität Wittenberg

1817

Unionsaufruf des preußischen Königs

Essay

Union in Preußen

ab Seite 149

1817: Wiedereröffnung der Universität Wittenberg

Die Wittenberger Universität, die nach dem Sieg Napoleons bei Jena und Auerstedt 1806 geschlossen worden war, wird wiedereröffnet und fast gleichzeitig mit der Friedrichs-Universität in Halle zusammengelegt. Die erweiterte Universität hat ihren Sitz in Halle und heißt „Vereinte Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg“. Als „Trost“ für Wittenberg begründet der preußische König in Wittenberg das Predigerseminar, das bis heute fortbesteht.

1817: Begründung der Union in Preußen

Das dreihuntertjährige Reformationsjubiläum ist auch in Preußen der Anlass, die schon in ganz Deutschland aufkeimende Hoffnung auf eine Union der der Lutherischen und der Reformierten zu verwirklichen. König Friedrich Wilhelm III. startet am 27. September 1817 einen Aufruf, das Jubiläum am 31. Oktober 1817 mit einem gemeinsamen Gottesdienst zu begehen. Er selbst geht in Potsdam mit gutem Beispiel voran. Dennoch: Die Union in Preußen wird nicht verordnet, sie soll freiwillig sein. Diese Unionsbestrebungen erfahren überall große Zustimmung.

1826

Acht Fürstentümer in Thüringen

Essay

Acht Fürstentümer in Thüringen

ab Seite 156

1826: Acht Fürstentümer in Thüringen

Die territoriale Gliederung im thüringischen Bereich nimmt eine neue Gestalt an. Es entstehen acht Fürstentümer in Thüringen mit jeweils eigenen „Landeskirchen“:

. Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach

. Herzogtum Sachsen-Meiningen

. Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha

. Herzogtum Sachsen-Altenburg

. Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt

. Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen

. Fürstentum Reuß ältere Linie

. Fürstentum Reuß jüngere Linie

Diese territoriale Gliederung des thüringischen Raumes hat fast einhundert Jahre Bestand (bis 1919) und wird zur Ausgangslage für die Bildung des Freistaates und – dieser folgend – für die Gründung der Evangelischen Kirche in Thüringen.

1834

Abspaltung der Altlutheraner

1848

Gründung der Inneren Mission, der Vorläuferin der Diakonischen Werke

Essay

Marienstift

ab Seite 162

1834: Abspaltung der „Altlutheraner“

Mit besonderem Eifer lässt der König – mit engagierter eigener Beteiligung! – eine neue Agende für den Gottesdienst erarbeiten. Nicht zu Unrecht vermuten viele, dass mit dieser Agende die Union durch die Hintertür eingeführt werden soll. Darüber kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen und zur Abspaltung betont lutherischer Gruppen, der sogenannten „separierten Lutheraner“ (Altlutheraner). Das betrifft besonders die preußische Provinz Schlesien. Aber auch in der Provinz Sachsen kommt es zu Abspaltungen.

1852

Einführung der Jugendweihe

1852: Einführung der Jugendweihe

Neben den Abspaltungen einiger konfessioneller Lutheraner (Altlutheraner) gab es – auf der anderen Seite – auch kirchliche Neugründungen von sehr liberalen, sogenannten „Lichtfreunden“ und freien Gemeinden. Das spielte besonders im mitteldeutschen Raum eine große Rolle. 1852 veranstaltet ein evangelischer Pfarrer in Nordhausen die erste Jugendweihe.

1873

Einführung der synodalen Verfassungen

Essay

Einführung der Synoden

ab Seite 142

1873: Einführung der Synoden

Mit der in Preußen eingeführten „Kirchengemeinde- und Synodalordnung“ kommt ein Prozess zur Einführung von Synoden als kirchliches Leitungsinstrument zu einem vorläufigen Ende. Dieser Prozess währte das gesamte 19. Jahrhundert und hat eine noch längere Vorgeschichte.

1918

Novemberrevolution

Essay

Das Ende des landesherrlichen Kirchenregiments

ab Seite 169

1918: Novemberrevolution

Zwanzig gekrönte Häupter, unter ihnen auch Kaiser Wilhelm II., „verschwinden“ innerhalb weniger Tage aus der Weltgeschichte. Für alle evangelischen Landeskirchen endet mit der Novemberrevolution das sogenannte landesherrliche Kirchenregiment. Sie alle verlieren mit den Herrschern ihren „summus episcopus“, also ihren obersten Bischof, und müssen sich nun selbst organisieren.

1919

Geburt des Landes und der Landeskirche Thüringens

Essay

Geburt des Landes und der Landeskirche Thüringens

ab Seite 174

1919: Geburt des Landes und der Landeskirche Thüringens

Parallel zur Bildung des Freistaates Thüringen aus den acht ehemaligen Fürstentümern geschieht auch ein kirchlicher Zusammenschluss der jeweiligen Landeskirchen zur Evangelischen Kirche in Thüringen. Eine bestimmende Rolle spielt dabei die Universität Jena, die schon vorher zur „Hausuniversität“ der Kirchen in den thüringischen Kleinstaaten geworden war. Dabei schließen sich zunächst nur sieben Landeskirchen zusammen. Die Evangelisch-lutherische Kirche von Reuß ältere Linie verweigert ihren Beitritt und wird der Thüringer Kirche erst 1934 auf Druck des dem Nationalsozialismus nahestehenden Reichsbischofs eingegliedert.

Das ehemals ernestinische Gebiet um Coburg geht durch Volksabstimmung nach Bayern. Auch die neue Evangelische Kirche in Thüringen verabschiedet ihre dort lebenden Gemeindeglieder. Zentrum der neuen Landeskirche wird eine herrschaftliche Villa auf dem Eisenacher Pflugensberg, die man zum Landeskirchenamt ausbaut.

1922

Gründung des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes

1922: Gründung des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes

Am Himmelfahrtstag wird in Wittenberg der Deutsche Evangelische Kirchenbund begründet. Als Kirchen auf dem Gebiet der heutigen EKM sind daran beteiligt:

. die Evangelische Landeskirche der älteren preußischen Provinzen (mit ihrer Provinz Sachsen)

. die Thüringer Evangelische Kirche

. die Evangelisch-lutherische Kirche von Reuß ältere Linie

1933

Machtübernahme der Nationalsozialisten

Essay

Der „Kirchenkampf“ in Thüringen und der Provinz Sachsen

ab Seite 181

1933: Machtübernahme der Nationalsozialisten

Über die noch nach Parteien durchgeführten Kirchenwahlen der Jahre 1932/33 gewinnt die dem Nationalsozialismus besonders nahestehende Gruppe der Deutsche Christen (DC) in beiden Gründerkirchen der EKM sehr schnell an Einfluss und „besetzt“ bald die kirchlichen Leitungen. Die Kirchen erhalten deutsch-christliche Bischöfe, obwohl es in beiden Kirchen bis dahin überhaupt keine Bischöfe gegeben hatte. In Thüringen gab es einen „Landesoberpfarrer“. Die Provinz Sachsen wurde von drei Generalsuperintendenten geleitet. In beiden Kirchen regt sich Widerstand und es entsteht eine oppositionelle Bekennende Kirche, die in Thüringen als Lutherische Bekenntnisgemeinschaft firmiert.

1944

Eingliederung von Erfurt und dem Eichsfeld nach Thüringen

1944: Angliederung von Erfurt und dem Eichsfeld an Thüringen

In der NS-Zeit werden Erfurt und das Eichsfeld an Thüringen angegliedert. Das hat zur Konsequenz, dass nach dem Krieg bei Auflösung des Staates Preußen die ehemalige preußische Provinz Sachsen unter Verlust ihrer nun thüringischen Gebiete und unter Erweiterung um das Land Anhalt zum Land Sachsen-Anhalt verändert wird.

1945

Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg

Essay

zum Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg

ab Seite 188 + 195

1945: Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg

Beide Kirchen gelten als zerstörte Kirchen, in denen eine kirchliche Neuordnung nötig ist. In beiden Kirchen nehmen vor allem Kräfte der Bekenntnisbewegung das Zepter in die Hand. Und: Beide Kirchen werden am Ende mit einem Bischof bzw. einem Landesbischof aus der Neuordnung herauskommen.

Auch im Blick auf das kirchliche Bekenntnis, welches – der Name sagt es – in den Bekennenden Kirchen von großer Bedeutung war, wurden Veränderungen vorgenommen. Ab 1948 ändert die Kirche in Thüringen ihren Namen in „Evangelischlutherische Kirche in Thüringen“.

Die Kirchenprovinz Sachsen kennt in ihrer neuen Grundordnung von 1950 nur noch lutherische und reformierte Gemeinden. Die relativ große Zahl der Unionsgemeinden wird unter die evangelischen Gemeinden gezählt.

1947

Gründung des Landes Sachsen-Anhalt

1947: Gründung des Landes Sachsen-Anhalt

Der Staat Preußen wird durch die vier Alliierten aufgelöst, einer der wenigen Beschlüsse, bei dem sich die Alliierten noch einig waren. Es werden neue, künstlich anmutende Länder wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und auch Sachsen-Anhalt gebildet. Die Kirchen spielen bei dieser großen Gebietsreform nicht mit. Sie behalten ihre alten Kirchengrenzen. Das führt dazu, dass die nun im Freistaat Thüringen gelegenen ehemals preußischen Gebietsteile (Erfurt, Eichsfeld, Henneberger Land) kirchlich weiterhin zu Kirchenprovinz Sachsen gehören.

1950/51

Verfassung der Landeskirchen Verabschieden

1950/1951: Verfassungen der Landeskirchen verabschiedet

Fast in zeitlicher Parallele verabschieden die beiden Kirchen ihre Grundordnung bzw. ihre Verfassung: Grundordnung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 30. Juni 1950, Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen vom 2. November 1951. Beide kirchlichen Grundlagentexte wurden im Laufe der Jahre bis 2009 mehrfach geändert und in neuen Fassungen veröffentlicht. Dennoch: Ihre entscheidenden Prägungen erhalten sie in den Jahren 1945 bis 1950 bzw. 1951. Die ehemalige Provinzialkirche Sachsen der Evangelischen Landeskirche der altpreußischen Union wurde – wie die anderen Provinzialkirchen auch – zu einer selbstsändigen Landeskirche der Kirchenprovinz Sachsen umgebildet. Dabei blieb der Verbund der ehemaligen altpreußischen Provinzialkirchen in der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union (APU) bzw. ab 1953 der Evangelischen Kirche der Union (EKU) erhalten. Die Kirche der Provinz Sachsen ist also aus der Aufgliederung der großen preußischen Landeskirche hervorgegangen, die Evangelisch Lutherische Kirche in Thüringen hingegen aus dem Zusammenschluss von acht kleineren Landeskirchen.

1948–51

Kirchliche Neugliederung auf dem Gebiet der DDR

1948–1951: Kirchliche Neugliederung auf dem Gebiet der DDR

Im Ergebnis der kirchlichen Neuordnung entstehen auch auf dem Gebiet der DDR acht Landeskirchen und zwei gliedkirchliche Zusammenschlüsse:

. Die Vereinigte Evangelisch Lutherische Kirche in Deutschland (VELKD). Hierzu gehört die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen.

. Die Evangelische Kirche der altpreußischen Union, ab 1953 Evangelische Kirche der Union (EKU). Hierzu gehört die provinzsächsische Kirche.

Von den nun acht evangelischen Kirchen auf dem Gebiet der DDR gehören drei zur VELKD und vier zur EKU. Später, 1960, wird die Evangelische Kirche in Anhalt auch der EKU beitreten.

1952

Auflösung der Bundesländer in der DDR

Essay

Mitgliederschwund in den Kirchen

ab Seite 202

1952: Auflösung der Länder in der DDR

Ein Parteibeschluss (2. Parteikonferenz der SED) im Sommer 1952 sollte den „Aufbau des Sozialismus“ vorantreiben. Die Republik erfährt eine straffe Zentralisierung. Die Länder werden aufgelöst und fünfzehn Bezirke gebildet. Die Bezirksgrenzen laufen vollkommen quer zu den alten Landesgrenzen und damit auch zu den Kirchengrenzen. Die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen findet sich nun in neun der fünfzehn Bezirke wieder. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen „verteilt“ sich im Wesentlichen auf die Bezirke Erfurt, Suhl und Gera.

1954

Mitgliederschwund in den Kirchen

1954: Mitgliederschwund in den Kirchen