Die Frauen vom Nikolaifleet – Die Schätze der weiten Welt - Katharina Lansing - E-Book

Die Frauen vom Nikolaifleet – Die Schätze der weiten Welt E-Book

Katharina Lansing

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Beschreibung

Drei Frauen, drei Generationen und ein Kolonialwarenladen in der Hamburger Speicherstadt Hamburg, 1955: Nach den Entbehrungen der Kriegsjahre wollen sich die Leute wieder satt essen: Masse statt Klasse ist die Devise, und ein Delikatessladen wie Konradi & Grieve hat es da schwer. Als Eliane, Leonores Enkelin, probeweise ihre köstlich duftenden Törtchen im Laden anbietet, ist abends zum ersten Mal seit langem das Schaufenster leer und die Kasse gefüllt. Eliane steigt in die Geschäfte ein und sprudelt vor Ideen, aber wird sie es damit schaffen, den Laden aus der Krise zu retten? 

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Die Frauen vom Nikolaifleet – Die Schätze der weiten Welt

Die Autorin

KATHARINA LANSING ist geborene Westfälin und lebt seit vielen Jahren in Niedersachsen. Hamburg und das besondere Flair dieser Stadt haben sie schon immer fasziniert. Sie erzählt leidenschaftlich gerne von Frauen, die heute wie damals für ihre Träume kämpfen.

Von Katharina Lansing sind in unserem Hause bereits erschienen:Die Frauen vom Nikolaifleet – Der Traum von ÜberseeDie Frauen vom Nikolaifleet – Der ferne Glanz

Katharina Lansing

Die Frauen vom Nikolaifleet – Die Schätze der weiten Welt

Roman

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage März 2021© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021Umschlaggestaltung: bürosüd° GmbH, MünchenTitelabbildung: Arcangel / © Joanna Czogala (Frau);akg-images (Hamburg, Jungfernstieg um 1940); www.buerosued.deE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.comAlle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-8437-2455-5

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Personen

Die Konradis

Weitere Figuren

Die Schätze der weiten Welt

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

Rezepte

Nachwort

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Personen

Widmung

Für Henrik,der viel zu früh gehen musste

Motto

Die Zukunft hat viele Namen.Für Schwache ist sie das Unerreichbare,für die Furchtsamen das Unbekannte,für die Mutigen die Chance.

– Victor Hugo –

1.

Hamburg im Oktober 1955

Eliane Konradi legte den Kopf schief und betrachtete die dreistöckige Hochzeitstorte, die vor ihr auf dem Tisch stand.

Hier und da noch ein paar Zuckerrosen, und sie war fertig.

Hübsch war die Torte geworden, sehr hübsch sogar. Das Brautpaar würde Augen machen.

August Dahlmann, Elianes Chef, kam zu ihr in die Backstube und wischte sich die Hände an seiner Schürze ab. »Und? Zufrieden?«

Sie nickte.

»Dann ab mit dir, Eliane. Feierabend. Du warst heute wieder die Erste in der Backstube.« Er schlurfte zum Ofen, um ein Blech mit Butterkuchen herauszunehmen.

Mit geübten Handgriffen räumte sie Puderzucker, Mehl, bunte Zuckerkügelchen, Schalen und Spatel weg, fegte den Boden und wischte die Tischplatte sauber.

Dann schlüpfte sie in ihren Mantel, rief »Bis morgen!« durch die Backstube und ließ kurz darauf die Seitentür hinter sich zufallen, die das Personal benutzte.

Draußen vor dem Haus holte Eliane tief Luft, um die stickige, mehlgeladene Luft aus ihren Lungen zu vertreiben, und machte sich summend auf den Rückweg. Beim Gehen probierte sie ein paar neue Tanzschritte aus, die sie letzte Woche gelernt hatten.

Drei laut schwatzende und kichernde junge Frauen, die sich gegenseitig untergehakt hatten, kamen ihr entgegen.

Kannte sie nicht eine von ihnen aus der Tanzschule? Wie hieß sie doch gleich? Marianne Pietsch? Nein, Monika. Sie war eine begabte Tänzerin, der Eliane gern dabei zusah, wie sie über das blank gewienerte Parkett schwebte. Wobei man selten wusste, wer gerade führte, sie oder ihr Tanzpartner.

Sie blieb stehen und lächelte Eliane an. »Tag, Fräulein Konradi.«

»Fräulein Pietsch.« Eliane erwiderte das Lächeln.

»Wohnen Sie hier in der Gegend?«

Eliane schüttelte den Kopf. »Nein, ich arbeite in der Konditorei Dahlmann.« Sie zeigte hinter sich.

»Man sieht Ihnen gar nicht an, dass Sie in einer Konditorei arbeiten.«

Die anderen Frauen lachten, und auch Eliane musste lachen.

»Sehen wir uns morgen Abend beim Tanzen?«

Als Eliane nickte, zwinkerte Monika ihr zu.

»Wenn Sie den Königs- und den langsamen Walzer irgendwann satthaben, müssen Sie unbedingt mal in den Tanzklub nach St. Pauli fahren.«

»Dort waren wir letzten Sonnabend.«

»Und? Wie hat es Ihnen gefallen?«

»Es war spitze.« Sofort kam Eliane wieder ins Schwärmen. »Es ist nur ein Jammer, dass mein Freund sich nichts aus Tanzen macht.«

»Ach du grüne Neune, Sie sind mit einem Nichttänzer geschlagen!« Die junge Frau lachte. »Deshalb also die Tanzstunden. Sie hoffen, dass er doch noch Gefallen daran finden könnte.«

»Allerdings. Ich hab mit Engelszungen auf ihn eingeredet, dass wir den Tanzkurs machen.«

»Wir müssen weiter.« Eine der jungen Frauen zupfte Monika am Mantelärmel.

»Dann bis morgen, Fräulein Konradi.«

Die Frauen winkten ihr zu und zogen schwatzend davon.

Eliane blickte ihnen kurz nach, dann ging sie weiter.

Monika war ihr gleich am ersten Tag in der Tanzschule aufgefallen, weil sie so viel Fröhlichkeit und Unbefangenheit ausstrahlte. Sie schien sich nichts aus der Meinung anderer zu machen, was Eliane sehr imponierte.

Als sie gerade die Straße überqueren wollte, war hinter ihr die Stimme ihrer Kollegin Annemarie zu hören. »Lilly! Deine Handtasche!«

Eliane blieb stehen und verdrehte die Augen. Ständig ließ sie ihre Handtasche irgendwo liegen, es grenzte an ein Wunder, dass sie sie bisher immer mit vollständigem Inhalt zurückbekommen hatte.

»Vielleicht solltest du dir einen Knoten ins Taschentuch machen«, schlug Annemarie vor, als sie ein wenig atemlos ankam. »Meine Oma macht das immer so.«

»Wahrscheinlich würde ich mich dann fragen, wieso zum Kuckuck ich einen Knoten im Taschentuch habe. Danke, Annemarie. Ich bin ein fürchterlicher Schussel. Bis morgen!«

Eliane nahm ihre Handtasche und lief über die Straße.

Sie überlegte, gleich zur Bushaltestelle zu gehen, beschloss jedoch dann, rasch noch bei ihrer Mutter im Feinkostladen vorbeizuschauen. Bis zur Deichstraße war es nicht mehr weit.

Ihre Großmutter hatte den Laden, der früher ein Kolonialwarenladen gewesen war, von ihrem Urgroßvater übernommen und ein Feinkostgeschäft daraus gemacht, das nun beide gemeinsam führten: Großmutter und Mutter.

Eliane hatte von klein auf im Laden gestanden und mitgeholfen. Als sie dreizehn oder vierzehn gewesen war, hatte sie die Leidenschaft fürs Backen gepackt, und sie hatte unbedingt Konditorin werden wollen.

Sie übte wieder ein paar Tanzschritte und erntete dafür das amüsierte Schmunzeln eines älteren Mannes, der im Vorbeigehen seinen Hut hob.

Sie war gerade in eine Querstraße eingebogen, als zwei Hände aus einem Hauseingang hervorschossen und sie packten. Sie hatte aufgeschrien, im selben Moment aber gewusst, wer ihr da aufgelauert hatte. »Max! Musst du mich so erschrecken!«

Er zog sie in den Hauseingang und küsste sie auf die Stirn. »Ich wollte dich abholen.«

»Und da versteckst du dich in einem Hauseingang und erschreckst mich halb zu Tode? Schäm dich!« Sie zwickte ihn. »Hast du schon Feierabend?«

Max war Uhrmacher wie sein Vater und auch sein Großvater. Eines Tages würde er das Geschäft übernehmen.

Er nickte. »Es war nicht viel zu tun. Den Rest erledigt mein Vater allein.« Er verzog das Gesicht. »Die Leute wollen sich wieder richtig satt essen, für Uhren und Schmuck sitzt das Geld nicht so locker.«

»Das kommt schon noch, wirst sehen. Erst wollen sie alle wieder satt werden und dann schick aussehen.«

Er grinste. »Da könntest du recht haben.«

Sie gingen gemeinsam weiter.

Vor zwei Jahren hatten sie sich kennengelernt. Eliane war gerade dabei, im Feinkostladen ein Regal einzuräumen.

Als Max eintrat, hatte sie den Kopf gedreht, und ihr war, als hätte sie der Blitz getroffen. Was für ein gut aussehender junger Mann! Groß und schlank, mit weizenblondem Haar und einem gewinnenden Lächeln. Normalerweise bedienten ihre Mutter und ihre Großmutter, diesmal aber war sie zum Tresen gegangen. Mit kieksender Stimme hatte sie ihn gefragt, was sie für ihn tun könne.

»Ich hab Sie hier noch nie gesehen.« Ein wenig schüchtern hatte er sie angelächelt.

»Ich Sie auch nicht«, hatte sie erwidert.

Am Tag darauf war er wiedergekommen. Da hatte sie bereits hoffnungs- und erwartungsvoll mit wild pochendem Herzen hinter einem Regal gestanden, die Tür im Blick.

Sie waren miteinander ausgegangen, und schon am ersten Abend hatte Eliane gewusst, dass sie verliebt war. Bis über beide Ohren.

Jetzt hob Max den Kopf und schaute in den Himmel. »Es wird bald regnen.«

»Glaubst du?« Sie hatte ebenfalls nach oben geblickt und schließlich gleichmütig mit den Schultern gezuckt. »Soll mir recht sein. Mich stört Regen nicht. Komm, ich will noch schnell im Laden vorbeischauen.«

Über sein Gesicht huschte ein erfreutes Lächeln. »Müsste heute nicht die Senflieferung kommen?«

Max half im Laden, wann immer es seine Zeit erlaubte. Er räumte Kisten und Kartons aus und packte auf dem Speicher mit an. Mit dem Warensortiment und den geschäftlichen Gepflogenheiten kannte er sich längst besser aus als sie.

»Wenn du das sagst …«

Schweigend spazierten sie weiter, bis er sich räusperte. »Ich würde gern … Ich möchte …«

Eliane musste lachen. »Mich küssen?«

»Das auch.« Er druckste herum. »Nein, es geht um etwas anderes.«

Sie hakte ihn unter. »Du machst mich neugierig. Nun sag schon, Max!«

»Nicht hier.« Er schüttelte den Kopf und blickte sich um, als könnte sie jemand belauschen.

»Wo dann?«

»Ich dachte, wir gehen kurz zu mir.« Er blieb plötzlich stehen. »Nein, ich tu’s jetzt und hier.« Er griff in seine Jackentasche und zog ein kleines Kästchen aus Samt hervor.

Eliane blieb das Herz stehen. Was hatte er vor? Er wollte doch nicht …?

»Eliane Konradi. Willst du meine Frau werden?« Es klang atemlos und auch ein wenig verunsichert, vielleicht sogar ängstlich.

»Hast du Töne! Ein Heiratsantrag.« Sie schluckte. »Max, ich … Ja, natürlich will ich deine Frau werden!« Sie fiel ihm um den Hals.

Er vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge und stieß ein lautes, erleichtertes Seufzen aus. »Gott sei Dank!«

Er machte sich los, öffnete das kleine Kästchen und steckte ihr mit zittriger Hand einen Ring mit einem kleinen dunkelblauen Stein an den Finger.

»Falscher Finger!« Sie schob ihn auf den Ringfinger.

»Gefällt er dir?«

»Und wie! Er ist traumschön, Max.« Eliane nahm sein Gesicht in beide Hände und gab ihm einen Kuss. »Jetzt sind wir verlobt, und ich darf dich auf offener Straße küssen, wenn mir danach ist. Ich liebe dich, Max Borgner, du bist das Beste, was mir passieren konnte.«

Er zog sie an sich und wollte sie gar nicht wieder freigeben. »Ja, jetzt sind wir verlobt.«

Langsam schlenderten sie weiter, Eliane hatte den Kopf an seine Schulter gelehnt. »Am liebsten würde ich es jedem erzählen, dem wir begegnen.« Sie stieß ein tiefes Seufzen aus. »Es fühlt sich himmlisch an, oder?« Plötzlich machte sie sich los, nahm seine Hand und zog ihn mit sich. »Komm, als Erstes sagen wir es meiner Mutter!«

Doch die war gar nicht da. »Sie ist bei der Bank, um einen Kredit zu beantragen«, erzählte ihre Großmutter, als sie kurz darauf im Laden ankamen.

Eliane schnupperte. Heute duftete es hier nach Zimt und Kaffee. Fiel es nur ihr auf, dass der Duft im Laden immer anders war? Mal roch es intensiv nach Gewürzen, dann nach süßem Obst und am nächsten Tag nach Kaffeebohnen.

Als Kind hatte sie geglaubt, es würde ständig nach Lakritze riechen. Das hatte vermutlich aber nur daran gelegen, dass sie Lakritze so geliebt hatte.

Eliane küsste ihre Großmutter auf die Wange. »Einen Kredit? Und wofür?«

»Unsere Reserven sind längst aufgebraucht, und wir müssen dringend neue Regale anschaffen und das Sortiment aufstocken.«

Ihre Großmutter war vor wenigen Tagen fünfundsiebzig geworden. Aufrecht und schlank wie eh und je stand sie hinter dem Tresen, das Haar inzwischen schneeweiß.

»Bist du so lieb und vertrittst mich hier, bis deine Mutter wieder da ist?«, fragte sie nun. »Ich würde mich gern einen Moment ausruhen.«

Max ging zu ihr und spreizte den Ellbogen ab. »Ich bringe Sie nach oben, Frau Konradi.«

»Du bist ein wahrer Kavalier.« Sie legte die Hand auf seinen Arm. »Würdest du mir auch einen Tee machen?«

»Selbstverständlich.«

Eliane blickte den beiden nach und lächelte. Wie gut sie sich verstanden. Max passte wunderbar in ihre Familie. Umgekehrt war es genauso, seine Eltern hatten sie vom ersten Tag an ins Herz geschlossen.

Eliane war ohne Vater aufgewachsen. Als sie ihre Mutter nach ihm gefragt hatte, bekam sie zur Antwort: »Er hat sich der Verantwortung für ein Kind nicht stellen wollen.«

»Aber wer war er? Und wie war er, Mama?«

»Toni war ein sehr netter Mann; gebildet und höflich.« Ihre Mutter hatte ihn in Berlin kennengelernt, wo sie als junge Frau ein paar Jahre verbracht hatte. »Wir waren anfangs sehr verliebt, aber dann war es irgendwann vorbei.«

Eliane hatte es dabei belassen. Vielleicht würde sie irgendwann mehr erfahren, und wenn nicht, würde sie versuchen, mehr herauszufinden. Auch wenn sie nicht wusste, wie.

Sie stellte sich hinter den Tresen und strich gedankenverloren über das dunkle Holz. Die Kasse hatte früher geblitzt und gefunkelt. »Inzwischen hilft kein Putzen und Polieren mehr«, hatte ihre Mutter gemeint.

Neben der Kasse standen Körbchen und Schächtelchen mit Sonderangeboten, eine Tradition, die ihre Großmutter in jungen Jahren eingeführt hatte. Heute lagen Lakritz- und Fruchtbonbons und kleine Schokoladentäfelchen in den Körben, und Eliane griff nach einem Lakritzbonbon und wickelte es aus. Sie mochte Lakritze noch immer.

Eliane ging ins Kontor und ließ die Tür offen, damit sie die Ladenglocke hörte.

Ich bin verlobt! Und bald werde ich verheiratet sein. Eliane Borgner.

Nach dem Tod ihres Großvaters vor anderthalb Jahren waren sie und ihre Mutter zu ihrer Großmutter gezogen. Die Wohnung über dem Laden wurde seitdem nur noch selten genutzt. Dann zum Beispiel, wenn es sehr spät geworden war und sie nicht mehr nach Borgfelde fahren wollten.

Es war die perfekte Wohnung für ein junges Paar.

Eliane lächelte. Neue Tapeten, ein paar neue moderne Möbel und vielleicht hier und da eine schicke Lampe, dazu ein großer Gummibaum – und fertig ist unsere eigene Wohnung.

Sie setzte sich an den klobigen Schreibtisch, ein wahres Ungetüm und uralt. Ihre Mutter hatte es noch nicht übers Herz gebracht, ihn gegen einen neuen, moderneren auszutauschen.

Sie wippte mit dem Fuß, während sie nachdenklich aus dem Fenster schaute. Wenn ihre Großmutter nicht mehr im Laden stehen könnte, würde ihre Mutter ihn allein führen müssen.

Wie immer, wenn sie daran dachte, bekam sie ein schlechtes Gewissen. Sie mochte den Laden, half auch gern mit, aber sie war mit Leib und Seele Konditorin.

Sie warf einen Blick auf die Wanduhr. Wo blieb ihre Mutter nur?

2.

Ada Konradi machte die Tür der Bankfiliale hinter sich zu und lehnte sich für einen Augenblick dagegen, die Augen geschlossen. Geschafft! Sie war bereit gewesen, ganze Überzeugungsarbeit zu leisten, und hatte verblüfft feststellen dürfen, dass Werner Klapprodt ihr freundlich und überaus geduldig zugehört hatte. »Die Zeiten stehen auf Veränderung, Fräulein Konradi, ganz Hamburg spürt das. Ich weiß, dass Sie und Ihre Mutter …« Er hatte sich geräuspert. »Es war nicht leicht für Sie. Es waren schwere Zeiten. Für uns alle, nicht wahr?«

Er hatte mit den Unterlagen vor sich auf dem Tisch geraschelt, sie zu einem Stapel zusammengeschoben und ihr einen Stift gereicht. »Umso wichtiger, dass wir die Signale für einen Aufbruch sehen. Es wird aufwärtsgehen, Fräulein Konradi, davon bin ich fest überzeugt.«

»Ich auch, Herr Klapproth.« Ada hatte rasch unterschrieben.

Jetzt zog sie ihr Kopftuch aus der Manteltasche und band es sich um. Es hatte wieder zu nieseln begonnen, auch gestern hatte es den ganzen Tag geregnet. Ada machte Regen nichts aus, nur mochte sie es nicht besonders, wenn ihr Haar dann noch krauser wurde. Deshalb hatte sie sich angewöhnt, immer ein Kopftuch – inzwischen auch ein modisches Accessoire – in der Handtasche zu haben.

Sie ging über die Straße. Ein Omnibus fuhr an ihr vorbei durch eine Pfütze, und sie musste sich an ein Schaufenster drücken, um nicht nass zu werden. Mit einem Blick auf ihre Nylonstrümpfe stellte sie fest, dass sie sauber geblieben waren. Gott sei Dank, sie besaß nur noch dieses eine Paar. Nylonstrümpfe kosteten ein kleines Vermögen, und bevor sie sich neue leisten würde, brachte sie sie lieber ins Kaufhaus, wo es eine Repassiermaschine gab.

Ada lief die Straße entlang, ihre Pfennigabsätze klapperten auf dem Pflaster. Ein wenig wehmütig blickte sie zwei jungen Frauen mit schwingenden Röcken nach, die tuschelnd und lachend an ihr vorbeigingen.

Jung müsste man noch mal sein, mit einer Zukunft wie ein unbeschriebenes Blatt Papier. Ich würde vieles anders und wahrscheinlich auch besser machen.

Als sie in die Deichstraße einbog, beschleunigte sie ihre Schritte. Mit einem Mal hatte sie es sehr eilig, ihrer Mutter die Neuigkeiten zu erzählen.

Endlich neue, hübschere Regale! Und ein größeres Warensortiment.

Das Kaufverhalten der Leute hatte sich verändert. Sie wollten vor allem viel essen, wieder richtig satt werden. Sonntags tischten die Hausfrauen üppige Braten auf, mit Kartoffeln, viel fetter Soße und Gemüse, vorher gab es eine Suppe, und hinterher durfte ein Dessert nicht fehlen.

»Wir müssen uns ganz auf die Bedürfnisse der Hausfrauen einstellen«, hatte ihre Mutter erst gestern noch gemeint. »Sie wollen ihre Ehemänner verwöhnen.«

Kurz darauf betrat Ada den Laden und stutzte.

Max Borgner, der Freund ihrer Tochter, hockte auf allen vieren vor einem der Regale und räumte die neuen Senfgläser ein. »Max?«

Er wirbelte herum und stand auf. »Frau Konradi. Ich dachte, ich packe schon mal die Senflieferung aus.«

Ada ging zu ihm und nahm ihr Kopftuch ab. »Sie haben den ganzen Tag in der Werkstatt und im Geschäft gestanden, Max.«

»Das macht nichts.« Er winkte ab. »Ich helfe gern, wirklich.«

Seit er und ihre Tochter sich kannten, hatte er viele Stunden hier im Laden zugebracht. Manchmal hatte Ada ihn sogar bremsen müssen, und je mehr er sich ins Zeug legte, desto größer wurde ihr schlechtes Gewissen.

Ihre Tochter kam um die Ecke. »Da bist du ja endlich! Oma hat schon zweimal nach unten gerufen, wo du denn nur bleibst.«

»Ich laufe gleich hoch und gebe ihr Bescheid.«

»Vorher würden wir dir gern etwas sagen.« Eliane kam näher und wedelte mit einem hübschen, funkelnden Ring vor ihrem Gesicht herum. »Wir haben uns verlobt!«

Ada umarmte ihre Tochter stürmisch. »Das ist ja wunderbar! Ich freue mich so für euch.« Sie umarmte auch ihren zukünftigen Schwiegersohn. »Meinen Glückwunsch, ihr zwei!«

Sie betrachtete die beiden und rang das mulmige Gefühl nieder, das sie trotz aller Freude überkommen wollte. Sie musste es ihrer Tochter endlich sagen. Eliane sollte endlich erfahren, wer ihre leibliche Mutter war.

In den vergangenen Jahren hatte es unendlich viele Momente und Gelegenheiten gegeben, die Ada hatte verstreichen lassen, ohne mit der Sprache herauszurücken. Sie hatte es einfach nicht geschafft und es wieder und wieder hinausgeschoben.

Und nun würde Eliane bald heiraten und wusste immer noch nichts von ihrer wahren Herkunft, ihren Wurzeln.

Ich bin ein so erbärmlicher Feigling, dachte Ada.

»Was hast du denn?« Ihre Tochter legte den Arm um sie.

»Nichts, Schatz, gar nichts. Ich freue mich unglaublich, dass ihr heiraten werdet. Habt ihr euch schon einen Termin überlegt?«

»Vielleicht im Mai?« Eliane sah Max fragend an, und der nickte zustimmend. »Wir könnten im Garten feiern.«

»Das klingt wirklich sehr schön.« Ada ging ins Kontor, um ihren klammen Mantel auszuziehen.

Eliane war ihr gefolgt. »Oma weiß es noch nicht. Ich wollte, dass du es zuerst erfährst.«

Ada drehte sich zu ihr um. »Wir können gleich zusammen nach oben gehen und auf eure Verlobung anstoßen.«

Sie würde eine Flasche vom teuersten Sekt spendieren.

Nachdem Eliane und Max sich verabschiedet hatten und Ada mit Aufräumen fertig war, ging sie wieder nach oben, um ihrer Mutter Bescheid zu geben.

Sie saß im Sessel, die Füße auf einem Hocker, neben sich auf dem Tisch eine leere Tasse und ein aufgeklapptes Buch. Der Zauberberg, ihr Lieblingsbuch.

Und Papas, dachte Ada traurig. »Ich bin so weit, Mama. Wollen wir?«

Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Ich möchte heute hierbleiben.«

Ada kniete sich neben sie und griff nach ihrer kalten Hand, die mit Altersflecken übersät war. »So erschöpft?«

»Eher müde. Ich schlafe zurzeit nicht sehr gut.«

»Dann mache ich dir schnell noch eine Kleinigkeit zu essen.« Ada war aufgestanden und zur Tür gegangen. »Ich fahre am Wochenende übrigens nach Berlin.«

Es war ihr am Nachmittag spontan in den Sinn gekommen. Normalerweise fuhr sie jedes Jahr im Mai dorthin und besuchte das Grab von Elianes leiblicher Mutter. Dieses Jahr war etwas dazwischengekommen, und sie hatte es verschieben müssen.

»Soll ich Lilly fragen, ob sie einspringen kann? Sie hat am Sonnabend frei. Max hilft bestimmt auch gern aus.«

Ihre Mutter betrachtete sie ernst. »Du wirst mit ihr reden, nicht wahr? Jetzt, wo sie bald heiratet.«

Ada nickte matt. Wie oft schon habe ich gesagt, dass ich endlich mit Lilly sprechen werde. Sie hatte entsetzliche Angst vor dem Gespräch, vor Elianes Reaktion. Wenn man mit über zwanzig erfuhr, dass man nicht die war, für die man sich gehalten hatte, war das ein schwerer Schlag. Es würde Elianes Leben völlig auf den Kopf stellen.

3.

Am Tag darauf

Tanzlehrerin Gisela Wieland stellte sich neben Max und Eliane. »Herr Borgner.« Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Sie halten Ihre Partnerin, als wäre sie ein Sack Zement.«

Eliane musste lachen und versuchte es zu unterdrücken. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Monika ihr zuzwinkerte und die Augen verdrehte.

»Passen Sie auf.« Die Tanzlehrerin machte es vor. »Gerade Haltung, Kopf hoch. Und eins, zwei, drei …« Sie schwebte mit Eliane über das blank gewienerte Parkett. »Haben Sie gesehen? Und nun Sie.« Sie wartete, bis Max Eliane vorschriftsmäßig in den Armen hielt. »Wenn Sie sie weiterhin so fest halten, werden Sie ihr über kurz oder lang die Luft abschnüren. Haben Sie etwa Angst, dass sie Ihnen wegläuft, Herr Borgner?«

Die anderen Tanzschüler lachten, Max dagegen blieb ernst. »Nein, überhaupt nicht. Sie wird ja bald meine Frau sein.« Nur das Funkeln in seinen Augen verriet ihn.

»Na dann …« Gisela Wieland murmelte noch etwas, klatschte in die Hände und forderte die anderen auf, nicht herumzustehen, sondern weiterzutanzen. »Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Fräulein Kilian und Herr Brommel, was glauben Sie, ist das hier? Eine Tanzschule oder ein Militärgelände? Und Sie, Herr Gärtner, brauchen gar nicht so frech zu grinsen. Glauben Sie, ich würde nicht sehen, wie Ihre Tanzpartnerin dauernd das Gesicht verzieht, weil Sie ihr auf die Zehen steigen?«

Das Gelächter verebbte, nur hier und da war vereinzelt ein verschämtes Kichern zu hören. Ihre Tanzlehrerin konnte ungeheuer streng und unerbittlich sein, und sie strahlte eine erstaunliche Autorität aus, gleichgültig, wie klein und zierlich sie war. Sie trug ihr pechschwarzes Haar hoch aufgetürmt und meistens mit einem schwarz-weiß gepunkteten Tuch fixiert, war stets perfekt gekleidet und geschminkt.

Und wenn sie über den Tanzboden schwebte, war es, als würde man einer Elfe zusehen.

Ihre Tanzlehrerin legte eine neue Schallplatte auf; diesmal Caterina Valentes Ganz Paris träumt von der Liebe.

Eliane war kaum zu halten, am liebsten würde sie mit Max bis zum Sonnenaufgang weitertanzen.

Als kleines Mädchen wollte sie Balletttänzerin werden, war oft tanzend durch die Wohnung gehüpft oder hatte vor dem Radio in der Stube gesessen, wenn Musik gespielt wurde, die sie besonders liebte. Sie durfte sogar ein paar Ballettstunden nehmen, hatte jedoch ziemlich schnell gemerkt, dass das Tanzen zwar wunderbar, aber auch harte Arbeit war. Außerdem konnte man sich schnell ernstlich verletzen, und die Zehen taten ihr oft so weh, dass sie kaum auftreten konnte.

Und dann hatte ihre Mutter in einer Zeitschrift ein Rezept für einen köstlich aussehenden Kuchen entdeckt, und sie hatte es ausprobiert und aus dem leckeren, aber eher schlichten Ananas-Kokos-Kuchen eine Ananas-Kokos-Sahnetorte gezaubert. Ihre Mutter hatte ihren Augen nicht trauen wollen. »Die hast wirklich du gebacken, Lilly?«

Seitdem war es um sie geschehen.

»Sehr schön, Fräulein Pietsch!«, rief die Tanzlehrerin Monika zu, deren Tanzpartner fast einen Kopf kleiner war als sie.

Max zog Eliane wieder so fest an sich, dass sie nach Luft schnappte. »Max«, raunte sie. »Ich bin kein Zementsack.«

»Nicht quasseln, tanzen, meine Herrschaften!« Gisela Wieland stand plötzlich neben ihnen und schaute sie streng an. Ihre Brille war ein wenig in Schieflage geraten, was sie zerstreut aussehen ließ.

»Ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit, wenn ich bitten darf!«, rief ihre Tanzlehrerin. »Und das gilt für alle hier im Raum!«

»Puh!« Max seufzte. »Ich dachte schon, sie hat uns heute auf dem Kieker.«

Nach der Tanzstunde tranken sie wie immer eine kleine Erfrischung am Tresen im Eingangsbereich. Danach holte Max ihre Mäntel und hielt Eliane die Glastür auf.

Es nieselte, und ein unangenehmer Wind zerrte an ihrer Kleidung, als sie ins Freie kamen.

Nach wenigen Schritten trat Eliane in eine Pfütze und spürte sofort, wie das Wasser in ihre flachen Schuhe stieg. Außerdem fror sie in dem dünnen Rock, ihre Beine waren schon jetzt eiskalt. »Was für ein scheußliches Wetter!«, schimpfte sie.

Max nahm ihre Hand. »Komm, es ist dunkel, und uns kann niemand sehen, wie wir Hand in Hand durch die Straßen laufen.«

»Mir wäre es egal und dir doch auch. Außerdem sind wir jetzt verlobt.«

Er blieb abrupt stehen, und sie prallte gegen ihn. »Trotzdem. Bis zur Hochzeit werde ich dich im Dunkeln küssen. Ist doch auch viel romantischer, oder etwa nicht?«

Sie lächelte atemlos. »Stimmt.«

Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie erst auf die Stirn, dann auf jedes Augenlid, die Nasenspitze und schließlich auf den Mund. Zunächst sacht, als wären ihre Lippen aus Glas, und dann ein wenig fester.

Eliane wurde gegen die Hauswand gedrückt, genoss seine Küsse aber. »Jetzt ist’s genug, Max«, murmelte sie nach einer ganzen Weile. »Mir bleibt die Luft weg.«

»Das macht nichts.« Er küsste sie weiter.

Lachend machte sie sich los. »Meine Mutter fährt am Wochenende nach Berlin. Sie hat mich gefragt, ob wir Sonnabend im Laden aushelfen können.«

»Na, und ob.« Max strahlte.

»Gib’s zu, du würdest viel lieber im Laden arbeiten als bei deinem Vater im Geschäft.«

An seiner Reaktion merkte sie, dass sie vielleicht nicht ganz unrecht damit hatte. »War nur Spaß, Max.«

»Ach so.« Er tat unbekümmert, aber inzwischen kannte sie ihn gut genug. Hatte sie einen wunden Punkt berührt? War er womöglich wirklich sehr viel lieber im Laden?

Sie sah ihn prüfend an. »Ich hab geflachst, du aber nicht, oder?«

Er wich ihrem Blick aus. »Komm! Wer als Erster an der Haltestelle ist, hat gewonnen.«

»Und was?«

»Das wirst du schon sehen.«

4.

In Berlin

Wann immer Ada in Berlin war, wohnte sie bei ihrer Schwester. Greta lebte in einer traumhaft schönen, geräumigen Wohnung mit hohen Stuckdecken und Schiebetüren mit bunten Mosaikfenstern. In diesem Jahr hatte sie sich fast komplett neu eingerichtet, Nierentische in verschiedenen Größen gekauft, eine Vitrine mit Glasaufsatz, zwei schicke Klubsessel, die urgemütlich waren, und für jedes Zimmer farblich passende Stehlampen.

Greta arbeitete als Kinderärztin an der Charité. Kurzzeitig hatte sie von einer eigenen Praxis geträumt, den Traum aber irgendwann begraben, als ihr klar geworden war, wie sehr sie ihre Arbeit im Krankenhaus liebte und die Kinder dort sie brauchten.

Sie war wohlhabend, was sich auch an der Wohnungseinrichtung und in ihrem Kleidungsstil ausdrückte, die Bodenhaftung hatte sie aber nie verloren.

Den Traum von einer eigenen Familie hatte sie ebenfalls begraben. Es hatte nie einen Mann gegeben, der ihr Herz so erobert hatte, dass sie sich vorstellen konnte, ihn zu heiraten und Kinder mit ihm zu bekommen.

Greta hatte den Wohnungsschlüssel bei einer Nachbarin im Haus abgegeben, wo Ada ihn am frühen Nachmittag in Empfang nahm.

Ein bisschen träge von der Reise, stellte sie ihre Reisetasche im Flur ab und wusch sich die Hände im Bad. Beim Blick in den Spiegel runzelte sie die Stirn. Die fünfzig sah man ihr inzwischen an. Vielleicht sollte sie doch etwas mehr aus sich machen, wie Eliane kürzlich gemeint hatte. »Warum sperrst du dich nur so gegen ein bisschen Make-up und eine moderne Frisur?«

»Weil ich Make-up nie besonders gemocht habe, und mein Haar …« Sie hatte mit einer Hand hineingegriffen. »Ein moderner Schnitt? Damit?«

»Warum denn nicht? Ingrid sagt, ein guter Friseur macht aus jedem Haar etwas.«

Ingrid, Elianes Freundin, hatte eine Friseurlehre gemacht und arbeitete bei ihrem Onkel im Salon.

Ada schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse und ging in die Küche, um Kaffeewasser aufzusetzen. Auch die Küche hatte Greta aufhübschen lassen – und wie! Es gab Hänge- und Unterschränke in Lindgrün und Weiß und eine große Spüle. Der Herd war ebenfalls neu, genau wie der weiße Holztisch mit vier hellgrünen Stühlen.

Ada setzte sich auf einen Stuhl, der so weich gepolstert war, dass sie glaubte, vorerst nicht mehr aufstehen zu wollen. Auf dem Tisch lag ein Zettel: Fühl Dich wie zu Hause, Schwesterherz! Ich sehe zu, dass ich pünktlich da sein kann.

Während der Kaffee durchlief, dachte sie darüber nach, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie geheiratet hätte.

Sie hatte von klein auf im Laden ihrer Mutter gestanden, bereitwillig und gern. Bis ihr irgendwann Zweifel gekommen waren, ob das wirklich ihr Leben, der einzige Weg für sie war. Sie wollte herausfinden, wer sie war, was sie wirklich wollte.

Sie war nach Berlin gegangen und hatte Paul kennengelernt, einen Schriftsteller, der von der großen Karriere träumte. Zum ersten Mal war sie so verliebt, dass sie sich vorstellen konnte, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Doch Paul sah in ihr nicht das, was sie sich gewünscht hätte. Er wollte nach Amerika und dort ganz groß rauskommen, während sie bereits überlegt hatte, nach Hamburg zurückzukehren.

In Berlin hatte sie auch Lisbeth kennengelernt, die ein Zimmer in ihrer großen Wohnung vermietete. Was als Zweckgemeinschaft gedacht war, entpuppte sich schon bald als enge Freundschaft. Sie und Lisbeth wurden unzertrennlich.

Als Ada erfuhr, dass sie keine Kinder bekommen konnte, war es Lisbeth, die sie tröstete. Und als sie sich von Paul trennte, stand Lisbeth ihr bei.

Irgendwann wurde Lisbeth schwanger, von Toni, in den sie sich Jahre zuvor Hals über Kopf verliebt hatte. Die beiden waren sich zufällig wieder über den Weg gelaufen, und es kam zu dieser bedeutungsvollen Nacht. Doch Toni war wie Paul, auch er sah in Lisbeth nicht das, was sie sich wünschte. Und so erfuhr er nie, dass Lisbeth ein Kind von ihm erwartete.

Und ich habe Lisbeths Geschichte zu meiner gemacht,

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Personen

Die Konradis

Leonore (Nora)

, Inhaberin von

Konradi Feinkost

Ada

, ihre Tochter, Mitinhaberin und Geschäftsführerin

Eliane

, ihre Enkelin

Weitere Figuren

Max

(Maximilian)

Borgner

, Elianes Ehemann

Ingrid

, Elianes Freundin

August Dahlmann

, Konditor und ihr Chef

Johannes

, ihr Patenonkel

Greta

, ihre Tante, Adas ältere Schwester

Helga Schmidtke, geb. Bannert

, Adas Freundin

Heinrich Fassbinder

, Adas große Liebe

Gustav Meier und Theo Koslowsky

, Freunde aus Berlin

 

1955–1959