Die Gefangene des Piraten - Karen Robards - E-Book
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Die Gefangene des Piraten E-Book

Karen Robards

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Beschreibung

Er ist ihr Feind, doch das hält ihr Herz nicht davon ab, immer schneller zu schlagen … Mitte des 19. Jahrhunderts. Die junge Lady Catherine ist auf der Heimreise nach England, als ihr Schiff von Piraten überfallen wird und sie in die Hände des berüchtigten Captain Jonathan Hale fällt. Der ebenso unverschämte wie attraktive Hale hat noch eine Rechnung mit der vornehmen Londoner Gesellschaft und Lady Catherines Familie offen. Und so entführt er sie in sein Versteck, auf die exotische Insel Las Palmas. Doch Catherine spürt, dass er nicht mit einer Frau wie ihr gerechnet hat. Ein Tanz mit dem Feuer beginnt, an dessen Ende sich zeigen wird, welche Macht stärker ist: die des Hasses – oder die der Liebe? Dieser historische Liebesroman vor der wunderschönen Kulisse von Las Palmas Gran Canaria wird Fans von Emily Bold und Julia Quinn zum Lesen verführen …

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Seitenzahl: 623

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Über dieses Buch:

Mitte des 19. Jahrhunderts. Die junge Lady Catherine ist auf der Heimreise nach England, als ihr Schiff von Piraten überfallen wird und sie in die Hände des berüchtigten Captain Jonathan Hale fällt. Der ebenso unverschämte wie attraktive Hale hat noch eine Rechnung mit der vornehmen Londoner Gesellschaft und Lady Catherines Familie offen. Und so entführt er sie in sein Versteck, auf die exotische Insel Las Palmas. Doch Catherine spürt, dass er nicht mit einer Frau wie ihr gerechnet hat. Ein Tanz mit dem Feuer beginnt, an dessen Ende sich zeigen wird, welche Macht stärker ist: die des Hasses – oder die der Liebe?

Über die Autorin:

Karen Robards ist die New York Times-, USA Today- und Publishers Weekly-Bestsellerautorin von mehr als fünfzig Büchern. Sie veröffentlichte ihren ersten Roman im Alter von 24 Jahren und wurde im Laufe ihrer Karriere mit zahlreichen Preisen bedacht, unter anderem mit sechs Silver Pens. Sie brilliert in der Spannung ebenso sehr wie im Genre Liebesroman.

Die Website der Autorin: karenrobards.com/

Die Autorin bei Facebook: facebook.com/AuthorKarenRobards/

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin die Thriller »Keiner wird dir helfen«, »Und niemand hört dein Rufen«, die historischen Liebesromane »Die Rose von Irland«, »Die Liebe der englischen Rose«, »Die Gefangene des Piraten« und »Die Geliebte des Piraten« sowie die Exotikromane »Im Land der Zimtbäume« und »Unter der heißen Sonne Afrikas«.

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eBook-Neuausgabe November 2024

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1981 unter dem Originaltitel »Island Flame« bei Leisure Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1988 unter dem Titel »Piraten der Liebe« bei Heyne.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1981 by Karen Robards

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1988 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motives von Mykhaylo / Adobe Stock sowie mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (lj)

ISBN 978-3-98952-459-0

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Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. In diesem eBook begegnen Sie daher möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Diese Fiktion spiegelt nicht automatisch die Überzeugungen des Verlags wider oder die heutige Überzeugung der Autorinnen und Autoren, da sich diese seit der Erstveröffentlichung verändert haben können. Es ist außerdem möglich, dass dieses eBook Themenschilderungen enthält, die als belastend oder triggernd empfunden werden können. Bei genaueren Fragen zum Inhalt wenden Sie sich bitte an [email protected].

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Karen Robards

Die Gefangene des Piraten

Historischer Liebesroman

Aus dem Amerikanischen von Christine Roth

dotbooks.

Widmung

Für Doug in Liebe

Kapitel 1

Lady Catherine Aldley war bildschön, und das wußte sie. Sie wußte auch, welchen Anblick sie bot, als sie jetzt auf dem Oberdeck der ›Anna Greer‹ an der Reling lehnte, wo der Wind mit ihrer rotgoldenen Haarflut spielte, die von der untergehenden Sonne in lodernde Flammen verwandelt wurde. Die frische Seeluft hatte ihre Wangen gerötet; sie bildeten nun einen lebhaften Kontrast zu ihren strahlend blauen Augen.

Catherine war erst siebzehn und Zeit ihres kurzen Lebens behütet und verwöhnt worden. Seit dem Tod ihrer Mutter vor zehn Jahren hatten ihr Kindermädchen und eine ganze Reihe von Gouvernanten sich um ihre Erziehung gekümmert, die hauptsächlich darin bestand, ihrem Zögling all das beizubringen, was für eine junge Lady im Jahre 1842 als wichtig erachtet wurde: die Harfe und das Pianoforte zu spielen, die langweilige Kunst der Aquarellmalerei zu erlernen, ein akzentfreies Französisch zu sprechen und stets ein liebenswürdiges, unbekümmertes und kindliches Benehmen zur Schau zu tragen. Ihren Schützling in letzterer Tugend zu unterweisen, war den ehrenwerten Damen nur bedingt gelungen. Wenn es Cathy gefiel, konnte sie sehr wohl die Rolle der höflichen, wohlerzogenen jungen Lady spielen. Doch wehe, wenn sie schlechter Laune war – dann gebärdete sie sich wie ein Teufel. Ihre Wutausbrüche hatten mehr als eine leidgeplagte Gouvernante dazu getrieben, unter Tränen und mit inbrünstigen Schwüren, dieses Haus nie wieder zu betreten, Hals über Kopf ihre Wirkungsstätte zu verlassen. Und Cathy hatte ihnen keine Träne nachgeweint. Sie war es schon lange überdrüssig, das zu lernen, was in klugen Büchern stand. Sie wollte das Leben erleben, nicht darüber lesen!

»Das Mädchen ist schlicht und einfach ignorant!« hatte ihr Vater bei einer dieser Gelegenheiten geknurrt, und damit absolut recht gehabt. Obwohl jede der zahlreichen Gouvernanten sich wirklich redlich bemüht hatte, ihrem widerspenstigen Zögling die Grundlagen von Anstand und geistiger Reife einzutrichtern, konnte Cathys Bildungsniveau bestenfalls als mittelmäßig bezeichnet werden. Und als man dann entdeckte, daß sie die Früchte des Unterrichts, den man ihr zuteilwerden ließ, nur dazu verwandte, schlüpfrige Romane zu lesen, steckte ihr duldsamer Vater schließlich die Waffen. Die ebenso mühevollen wie vergeblichen Versuche, seiner Tochter Wissen zu vermitteln, wurden eingestellt.

Stattdessen nahm sie Tanzunterricht, und so leichtfüßig wie sie schwebte im Umkreis von Meilen keine andere junge Lady übers Parkett. Sie lernte, mit leicht nach innen gekehrten Zehen zu gehen, so daß ihre Röcke wie Glocken um ihre Waden schwangen. Sie lernte, unter halb geschlossenen Wimpern hinreißend zu lächeln, mit glockenheller Stimme zu lachen und so die jungen Männer um sich zu scharen, die ergeben auf ein freundliches Wort oder – noch sehnsüchtiger – auf einen Kuß von ihr hofften.

Vor allem aber lernte sie, ihre wahre Natur vor den Männern zu verbergen, die sie umschwärmten. In Gesellschaft – vornehmlich in Begleitung interessanter junger Herren – befleißigte sie sich eines Benehmens, das mindestens so anmutig und entzückend war wie die Züge ihres Gesichts. Ihren scharfen Verstand und ihr hitziges Temperament bekam nur ihre Nanny zu spüren, die ihren Schützling inbrünstig ermahnte, diese Untugenden nicht zu zeigen, bis sie einen Ehemann gefunden habe.

Cathys Vater, Sir Thomas Aldley, der neunte Earl von Badstoke und königlicher Gesandter in Portugal, liebte sein einziges Kind abgöttisch. Er sah sie jedoch nur sehr selten und hatte demzufolge keine Ahnung, wie starrköpfig und egoistisch sie in Wirklichkeit sein konnte. Er wußte nur, daß sie charmant und außerordentlich hübsch war und daß sie ihm in seiner Position alle Ehre machte. Unglücklicherweise hatte sie sein zügelloses Temperament geerbt, was sie anscheinend jedoch gut zu kaschieren vermochte. Abgesehen davon war er der Meinung, daß es nicht unbedingt ein Fehler war, wenn eine Frau ein bißchen Feuer besaß; das hielt den Ehemann bei der Stange. Im Großen und Ganzen war sie ein braves Mädchen und hatte ihm erst in jüngster Zeit Anlaß zur Besorgnis gegeben. Denn in den letzten sechs Wochen konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, daß ihr wirklich jeder junge Schnösel in Lissabon den Hof machte – und seine Tochter mit einem Ausländer zu verheiraten, wäre seiner politischen Karriere alles andere als zuträglich gewesen. Sir Thomas spielte daher schon seit geraumer Zeit mit dem Gedanken, seine Tochter aus der Gefahrenzone zu bringen, indem er sie zum Beispiel auf Besuch zu ihrer Tante nach England schickte. Er selbst würde im nächsten Jahr nachkommen, wenn seine Amtszeit als Gesandter hier in Lissabon abgelaufen war. Bis dahin konnte er davon ausgehen, daß sich Cathy kopfüber in den Strudel der Londoner Ballsaison stürzen und keine Zeit haben würde, den portugiesischen Schönlingen nachzutrauern. Zudem setzte er vollstes Vertrauen in seine Schwester Elizabeth, daß diese die neuen Bekanntschaften ihrer Nichte sehr genau unter die Lupe nehmen würde. Ja, Cathy nach England zu schicken, war gewiß eine sehr kluge Entscheidung.

Cathy hatte Zeter und Mordio geschrien, als sie von dem Plan erfuhr, doch ihr Vater konnte, hatte er einmal einen Entschluß gefaßt, mindestens ebenso stur sein wie seine Tochter.

Schließlich gelang es ihm, ihren Widerstand zu brechen und sie mit Unterstützung ihrer Nanny von der Weisheit seiner Entscheidung zu überzeugen. Freilich stimmte es, daß es ihr gefallen würde, am Hofe von Königin Victoria eingeführt zu werden, die im fünften Jahr ihrer Regierungszeit stand und mit ihren dreiundzwanzig Jahren kaum älter war als Cathy. Aber England war so schrecklich weit weg, und seit sie London verlassen hatten, waren bereits sieben Jahre vergangen. Was, wenn die Männer dort sie nicht attraktiv fanden? Vielleicht waren in London dunkelhaarige Frauen en vogue, und nicht charmante Blondinen? Doch ihr Vater und ihre Nanny hatten ihr beide, jeder auf seine Art, versichert, daß ihre außergewöhnliche Schönheit überall Aufsehen erregen würde, wovon Cathy sich denn auch überzeugen ließ. Sie war immer als ausgesprochen hübsch bezeichnet worden, schon in ihrer Kindheit, und sie konnte sich eigentlich nicht vorstellen, daß es einen Mann gab, der sie nicht bewundern würde.

Als der Sturm ihrer Einwände sich schlußendlich gelegt hatte, erlaubte der Earl sich einen Seufzer tiefster Erleichterung. Die notwendigen Schritte, um Cathys Eigentum in salonfähige Bahnen zu lenken, wollte er in einem Jahr nach seinem Eintreffen in England unternehmen, sagte er sich. Einstweilen beruhigt, verwandte er seine Aufmerksamkeit nun darauf, alles Nötige für eine sichere Reise seiner Tochter vorzubereiten – kein leichtes Unterfangen in solch turbulenten Zeiten wie diesen. Erst kürzlich hatte man von einer Bande Piraten gehört, die in den portugiesischen Gewässern ihr Unwesen trieb und unbewaffnete Schiffe ausplünderte. Der Earl erschauderte bei dem Gedanken daran, daß seine Tochter in die Hände von Männern fallen könnte, die gewiß weder Respekt vor ihrer Unschuld noch ihrem hohen Stand haben würden.

Als Sir Thomas dann durch einen Freund erfuhr, daß die ›Anna Greer‹ demnächst nach England absegeln sollte, schien es ihm, als seien seine stillen Gebete erhört worden. Die ›Anna Greer‹ war eine Leihgabe Englands an die portugiesische Kriegsflotte und als solche mit einer beachtlichen Zahl von Kanonen ausgerüstet. Kein Pirat würde es wagen, ein derart respektables Schiff anzugreifen!

Es war überraschend einfach gewesen, für Cathy eine Passage auf der ›Anna Greer‹ zu bekommen. Zusammen mit einer kleinen Gruppe weiterer Passagiere würde sie auf einem Schiff reisen, das bis dahin ausschließlich für militärische Zwecke eingesetzt worden war. Weder der Earl noch seine Tochter machten sich Gedanken darüber, weshalb die ›Anna Greer‹ plötzlich die Erlaubnis bekommen hatte, Zivilisten zu befördern.

Als es an der Zeit war, Abschied zu nehmen, sagte Cathy ihrem Vater fröhlich und ohne eine Träne zu vergießen Lebewohl. Nun, sie war auch viel zu aufgeregt ob der Aussicht, die Londoner Gesellschaft im Sturm zu erobern, als daß es sie über die Maßen betrübt hätte, sich von ihrem Vater zu trennen, den sie ohnehin so selten gesehen hatte. Außerdem wollte er in Kürze nach England nachkommen und hatte ihr versichert, daß bis dahin ihre Tante Elizabeth sie auf der Stelle ins Herz schließen würde.

Daß Martha ihre junge Herrin auf der Reise begleiten sollte, stand von Anfang an fest. In Marthas Gesellschaft würde Cathy gewiß nicht unter Heimweh leiden, und der Earl konnte sicher sein, daß seine Tochter sich in guten Händen befand.

Zwei Wochen später, als die ›Anna Greer‹ sich bereits mitten auf dem Meer befand, verfluchte Cathy den Tag, an dem sie sich dazu hatten hinreißen lassen, dieser Reise zuzustimmen. Ihr war so langweilig, daß sie am liebsten geheult hätte. Die anderen Passagiere waren steinalt, eine Gruppe von Wachsfiguren, die eigentlich ins Museum gehörte, und der Kapitän zeigte mehr Interesse daran, sein Schiff zu manövrieren als sich auf einen kleinen Flirt mit der bezauberndsten Lady an Bord einzulassen. In ihrer Verzweiflung hatte Cathy sogar versucht, gegenüber den Matrosen ihren Charme spielen zu lassen, von denen einige auf ihre rauhe, ungehobelte Art recht interessant schienen; doch Martha, die keine Sekunde von ihrer Seite wich, verdarb ihr selbst diesen kleinen Zeitvertreib.

Das Kinn in die Hände gestützt, stand Cathy an der Reling, starrte mit trostloser Miene auf das endlose Meer und seufzte bitterlich. Wenn doch nur etwas – irgendetwas – passieren würde, um diese grauenvolle Langeweile zu durchbrechen!

Als sich ein Sonnenstrahl glitzernd auf der vorderen Bahn ihres pfauenfarbenen Brokatkleides brach, sah Cathy abwesend an sich herunter. Es war wirklich ein wunderschönes Kleid, dachte sie bei sich, während sie einen Ärmel glattstrich und dabei den raffinierten Schnitt des Spitzenbesatzes bewunderte, der in duftigen Kaskaden über ihren Handrücken fiel. Ja, dies war tatsächlich eines ihrer Lieblingskleider. Das tiefe Blaugrün ließ ihre Augen so dunkel und geheimnisvoll wie das Meer selbst erscheinen, und das enganliegende Oberteil betonte ihre schmale Taille und die runden Brüste. Kein Wunder, daß sie damit die Aufmerksamkeit einer ganzen Reihe von Matrosen auf sich lenkte, die auf Deck ihrer Arbeit nachgingen.

Ungeduldig klopfte Cathy mit den Absätzen ihrer hochhackigen Schuhe auf die hölzernen Planken, und ihr Po, der sich auf die Art und Weise, wie sie sich über die Reling beugte, deutlich abzeichnete, bewegte sich im Takt dazu. Ein stämmiger blonder Matrose, der gerade damit beschäftigt war, Taue zusammenzurollen, ließ unvermittelt die Arbeit ruhen und starrte mit offenem Mund auf die betörende Aussicht, die sich ihm hier so unerwartet bot. Cathy war die Faszination des Mannes freilich nicht entgangen. Eine Weile beobachtete sie ihn verstohlen aus den Augenwinkeln, bevor sie sich mit einem glucksenden Lachen zu ihm umdrehte. Sie schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln und ließ ihre Augen provozierend aufblitzen, in der Absicht, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.

Doch bevor sie noch eine Silbe über die Lippen bringen konnte, zupfte eine feste Hand an ihrem Ärmel.

»Untersteht Euch, mit diesen ungehobelten Kerlen auch nur ein Wort zu wechseln, Lady Cathy!« Martha hatte sich lautlos wie eine Katze von hinten angeschlichen. »Was würde Euer verehrter Herr Papa dazu sagen? Außerdem wißt Ihr selbst sehr wohl, daß Ihr nichts mit diesen Leuten zu schaffen habt. Ihr werdet irgendeinen reichen Herzog oder Grafen oder so jemand heiraten, wenn wir in England sind.«

»Ach, sei doch still, Martha!« zischte Cathy und bedachte die kleine grauhaarige Frau, die immer noch vehement an ihrem Ärmel zerrte, mit einem finsteren Blick. »Ich kann reden mit wem ich will. Außerdem wollte ich den Burschen nur fragen, wie lange es noch dauert, bis wir endlich in England sind.«

»Mindestens noch’ne Woche, Ma'am«, brachte der Matrose in einem seltsamen kehligen Dialekt hervor, wobei er Cathy angrinste und sich von Marthas bitterböser Miene nicht beeindrucken ließe.

»Noch eine ganze Woche!« stöhnte Cathy, senkte geziert ihre dunkel bewimperten Lider und brachte ihre niedlichen Grübchen ins Spiel. »Das klingt ja wie eine Ewigkeit, zumal Seereisen so entsetzlich eintönig sind! Ach, ich wünschte, ich hätte etwas zu tun, um mir die Zeit zu vertreiben.« Sie lächelte den Matrosen vielsagend an, der dieses Lächeln auf seine Weise deutete und sogleich mit einem unverschämten Grinsen beantwortete.

»Aber Miss Cathy, wollt Ihr wohl unverzüglich mit diesen lockeren Reden aufhören!« entrüstete sich Martha, entsetzt über das dreiste Benehmen ihres Zöglings. Sie packte Cathy beherzt am Arm und versuchte, sie wegzuziehen. Doch da Cathy sich empört wehrte, wandte Martha sich in ihrer Verzweiflung an den grinsenden Matrosen.

»Und du, Bursche, wenn du dich nicht gleich um deine Arbeit kümmerst und weiterhin unschuldige junge Ladys belästigst, dann werde ich mich beim Kapitän über dich beschweren. Jawohl, das werde ich!«

Der Matrose schnitt eine freche Grimasse und machte gerade den Mund auf, um eine Antwort loszuwerden, die, dessen war Cathy sich sicher, recht markig ausgefallen wäre, als er zum Glück von einem gebrüllten Zuruf unterbrochen wurde.

»Segel in Sicht!« Die Stimme kam von einem Mann, der hoch oben in der Takelage saß.

»Wo denn?« riefen einige Matrosen zurück.

»Backbord voraus!« schallte es von oben herunter, worauf sich jedermann nach links umdrehte und auf das offene Meer hinausspähte.

Cathy stellte sich auf die Zehenspitzen, um ebenfalls einen Blick auf das sich nähernde Schiff zu erhaschen. Doch außer der endlosen Weite des Meeres, die nur von einzelnen Schaumkronen, die auf den Wellen tanzten, unterbrochen wurde, konnte sie nichts entdecken. Die Sonne, die als glühender Ball hinter den Horizont sank, färbte den Himmel darüber feuerrot, und Cathy war überzeugt, daß in ihrer Nähe kein anderes Schiff segelte.

»Ach, das war bestimmt bloß falscher Alarm«, wandte sie sich enttäuscht an Martha. »Da draußen ist rein gar nichts. Ich kann bis zum Horizont schauen, aber ein Schiff sehe ich nicht.«

Der blonde Matrose drehte sich lächelnd zu Cathy um. »Schon möglich, daß Ihr nichts erkennen könnt, Ma'am. Das Schiff muß noch sehr weit weg sein. Aber wenn Dave sagt, daß da draußen ein Schiff segelt, dann ist da auch eins. Von seinem Ausguck dort oben kann er viel weiter sehen als wir, und außerdem hat er ein Fernrohr. Wir werden dieses Schiff wahrscheinlich erst morgen früh zu Gesicht bekommen. Falls es überhaupt Kurs auf uns hält.«

Offenbar sollte er recht behalten. Cathy stand bis lange nach Sonnenuntergang an der Reling, in der Hoffnung, vielleicht doch noch irgendwo ein Segel ausmachen zu können, aber vergeblich. Schließlich trieben die Kälte und Marthas wiederholte Aufforderungen sie in ihre Kabine zurück. Dort hockte sie sich in eine Wolldecke gewickelt auf die Kante ihrer Koje und wartete bibbernd, bis Martha ihr Bad angerichtet hatte. Unter den mißbilligenden Blicken der alten Nanny schüttete sie eine großzügige Menge Badesalz mit Rosenduft in das heiße Wasser und ließ sich dann bis zu den Schultern in die wohlige Wärme gleiten.

Während sie sich in ihrem Bad räkelte, huschte Martha geschäftig durch die Kabine, sammelte Cathys achtlos hingeworfene Kleidungsstücke auf und faltete sie ordentlich zusammen. Dabei brummte sie mürrisch vor sich hin und schalt Cathy für die Ungehörigkeit, derartig vertraulich mit diesem Matrosen gesprochen zu haben. Und was den Duft des Badewassers anginge, nörgelte sie weiter, schlüge das quasi in dieselbe Kerbe. Sie wüßten schließlich beide, daß nur eine gewisse Sorte Frauen von derartigen Essenzen Gebrauch machte. Martha stieß einen tiefen Seufzer aus und meinte dann kopfschüttelnd zu Cathy, daß deren liebe Mutter sich im Grabe umdrehen würde, wenn sie wüßte, wie vulgär ihre Tochter sich benahm.

Cathy ließ die Schimpftirade mit einem abwesenden Lächeln über sich ergehen, schloß die Augen und rutschte noch ein wenig tiefer in ihr Badewasser. Marthas Gardinenpredigten beeindruckten sie nicht sonderlich; sie war daran gewöhnt und verstand es, das mürrische Gebrabbel einfach zu überhören. Stattdessen überlegte sie sich, welches Kleid sie am nächsten Tag tragen könnte. Sie wollte Eindruck machen, denn sie hatte den kurzen Plausch mit dem Matrosen an Deck überaus genossen und auch die Bewunderung, die in seinen Augen zu lesen war. Morgen wollte sie ihn ein wenig becircen. Vielleicht das blaßgelbe Seidenkleid … dachte sie und schmiedete weiter Pläne, bis sie fast einnickte.

In schlüsselblumenfarbene Seide gehüllt, die rotgoldenen Locken zu einem duftigen Dutt aufgesteckt, bot Cathy am nächsten Morgen einen wahrhaft atemberaubenden Anblick. Sobald sie ihre Toilette beendet hatte, eilte sie an Deck, um nach dem angekündigten Schiff Ausschau zu halten. Und kaum hatte sie die Reling erreicht, da sah sie es auch schon. Es war ein wunderschönes Segelschiff, ganz anders als der unförmige Pott, auf dem sie reiste. Mit den vollen Segeln und dem hohen Bug glitt es graziös wie ein riesiger Vogel durch die Wellen. Hingerissen beobachtete Cathy den Segler, der sich, wie sie sogleich feststellte, der ›Anna Greer‹ mit bemerkenswerter Geschwindigkeit näherte.

»Es … es ist wunderschön«, murmelte sie entzückt, als der blonde Matrose, dem sie am Abend zuvor begegnet war, sich neben sie an die Reling stellte.

»Ja, das ist es«, pflichtete er ihr bei. »Aber Käpt’n Hogg sagt … Nun, ihm ist neu, daß die Franzmänner so ein Schiff unter Segel haben, obwohl es tatsächlich unter französischer Flagge fährt. Eigentlich sieht es eher aus wie einer dieser neuen Schnellsegler, die sie jetzt in Neu-England, in den Kolonien, bauen. Wie auch immer, bis wir Genaueres in Erfahrung gebracht haben, wünscht der Käpt’n, daß die Damen sich in ihre Kabinen zurückziehen. Nur für alle Fälle … «Er setzte ein entschuldigendes Lächeln auf, als Cathy sich ihm zuwandte.

»Was soll das heißen – für alle Fälle? Was glaubt denn unser Kapitän, was es mit diesem Schiff auf sich hat? Das werden doch nicht etwa … Piraten sein!« Ihre Stimme hatte bei dem Wort ›Piraten‹ einen so schrillen Klang angenommen, daß der Matrose sie erschrocken anstarrte. Das letzte, was sie jetzt, da möglicherweise tatsächlich ein Piratenschiff Kurs auf sie hielt, brauchen konnten, war ein hysterisches Frauenzimmer an Bord.

Er schluckte und meinte dann hastig: »Nein, Ma’am, gewiß nicht. Der Käpt’n möchte nur sichergehen … na ja, für alle Fälle eben. Nein, wahrscheinlich ist es nur eins dieser neuen Schiffe, die wir noch nicht kennen. Aber wie gesagt, solange wir es nicht genau wissen, sollten sich die Ladys in ihren Kabinen aufhalten.« Er wandte sich an Martha, die soeben an Deck erschienen war, und wiederholte seine Warnung. Dann entschuldigte er sich auf einen Ruf des Quartiermeisters hin und eilte davon.

»Miss Cathy, wir müssen auf der Stelle nach unten gehen!« drängte Martha, die Cathy bereits am Arm gepackt hatte und versuchte, sie gewaltsam von der Reling wegzuzerren.

»Ich werde nirgendwohin gehen, Martha. Also laß mich auf der Stelle los!« schrie Cathy und schüttelte entschlossen Marthas Hand ab. »Ich bleibe hier auf Deck, wo ich beobachten kann, was auch immer passieren mag. Du weißt selbst nur zu gut, daß wir verrückt werden dort unten in der Kabine, wenn wir nicht wissen, ob das nun Piraten sind oder nicht. Nein, falls es tatsächlich Ärger geben sollte, können wir uns immer noch zurückziehen.« Sie unterstrich ihre Worte mit einem heftigen Kopfschütteln, und Martha, die mit der Sturheit ihres Schützlings nur zu vertraut war, gab es auf, weiter in sie zu dringen. Sir Thomas hätte wirklich schon vor Jahren etwas gegen die Starrköpfigkeit seiner Tochter unternehmen müssen! Jetzt sah es nämlich ganz danach aus, als triebe diese sie beide in den Tod! Martha brummte ärgerlich, wich aber keinen Schritt von Cathys Seite.

Das Schiff kam ziemlich rasch näher, bis Cathy den Namen lesen konnte, ›Margarita‹, der mit dicken schwarzen Lettern auf die Bugwand gemalt war. Sie konnte sogar die Matrosen erkennen, die geschäftig auf Deck herumrannten. Auf dem Achterdeck stand eine einzelne Gestalt, bewegungslos, ein Fernglas auf die ›Anna Greer‹ gerichtet.

Während Cathy fasziniert das Schiff beobachtete, wurde das rechteckige Stück Stoff, das eben noch hoch oben auf dem Flaggenmast der ›Margarita‹ geweht hatte, langsam eingeholt und durch eine schwarze Flagge ersetzt. Auf dieser prangte unübersehbar das Emblem, dessen Bedeutung man Cathy im Kreise nachmittäglicher Teegesellschaften ausführlich beschrieben hatte. Bei diesen Gelegenheiten hatte sie stets mit heroischem Stolz erklärt, daß sie sich nicht vor Piraten fürchte, nein, ganz im Gegenteil, nur zu entzückt sein würde, endlich einmal einen kennenzulernen. Doch jetzt legt sich die Angst wie ein eiserner Ring um ihre Kehle und schnürte ihr den Atem ab.

»Miss Cathy, das sind Piraten! Piraten! O Gott, Jesus und alle Heiligen, beschützt uns! Was sollen wir nur tun!« Marthas Hand war vor Angst eiskalt, als sie Cathy am Arm faßte. »Wir müssen nach unten, Miss Cathy! Es wird bestimmt gleich einen Kampf geben!«

»Warte noch einen Moment, Martha. Ich muß sehen … vielleicht kämpfen sie ja gar nicht.«

Sie hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da zerriß schon das dumpfe Donnern einer Kanone die Stille. Gleich darauf spritzte das Wasser vor dem Bug ihres Schiffes hochauf.

»Sie wollen uns zur Kapitulation zwingen!« kam ein Schrei vom Ausguck.

»Die Fische sollen sich an meinen Gebeinen laben, wenn wir uns ergeben!« brüllte Kapitän Hogg zurück. »Sie wollen einen Kampf? Na gut, den können sie gerne haben!«

Er kletterte vom Achterdeck herunter, marschierte mit grimmiger Miene auf den Geschützmeister zu und bellte dabei seinen Männern kurze Kommandos zu.

»Auf die Positionen! Ladet die Kanonen! Nach diesem Gefecht werden die Kerle wünschen, sie wären zuhause geblieben und hätten Rüben angebaut, das kann ich euch versprechen!«

Als der Kapitän Cathy und Martha entdeckte, die an der Reling standen, als seien sie dort festgefroren, stieß er einen derben Fluch aus. Er kam auf sie zugestapft und musterte sie einen Augenblick schweigend, doch als er dann das Wort an die beiden Damen richtete, besann er sich ganz offensichtlich seiner guten Kinderstube.

»Lady Catherine, Miss Jameson, ich ersuche Euch höflichst, auf der Stelle nach unten zu gehen!« Doch schon im nächsten Moment verließ ihn die Beherrschung. »Verdammt, hier wird es gleich ein Gefecht geben. Mit echten Kanonen und Pulver und Blei! Habt ihr Frauen denn keinen Funken Verstand im Kopf? Ab mit euch unter Deck, und sperrt euch in euren Kabinen ein!«

Um nicht noch ausfallender zu werden, machte er auf dem Absatz kehrt und polterte davon.

Martha zerrte in panischer Angst an Cathys Handgelenk, als auf dem Piratenschiff eine zweite Kanone abgefeuert wurde.

»Miss Cathy, wir müssen verschwinden! Ihr habt doch gehört, was der Kapitän gesagt hat. Sie fangen schon an zu schießen! Bitte, Miss Cathy!«

Martha klang völlig verängstigt, was Cathy ihr nicht verdenken konnte. Auch ihr war alles andere als wohl in ihrer Haut, und sie ließ sich jetzt widerstandslos von Martha zu der offenen Luke zerren. Kaum hatten sie die erreicht, da donnerten die Kanonen auf beiden Schiffen gleichzeitig. Cathy unterdrückte ein erregtes Seufzen. Was für eine wunderbare Geschichte würde sie später in einem der Londoner Salons zum Besten geben können, dachte sie. Natürlich würde sie ihre heroische Tapferkeit dabei nur ganz bescheiden anklingen lassen … Doch was geschah, wenn die Piraten dieses Schiff tatsächlich eroberten? Würde man sie alle umbringen – oder gar noch Schlimmeres mit ihnen anstellen?

In jüngster Zeit waren die unmenschlichen Gräueltaten von Piraten gegenüber Passagieren und Besatzungen gekaperter Schiffe ein beliebtes Gesprächsthema bei den Damenkränzchen der portugiesischen Gesellschaft gewesen.

Hinter vorgehaltener Hand wurde von Frauen berichtet, die die Piraten auf der Suche nach Schmuck und Geld nackt ausgezogen hatten und die anschließend von der ganzen Mannschaft vergewaltigt worden waren. Die jungen, hübschen Frauen wurden bisweilen am Leben gelassen, erzählte man sich, und später in irgendeinem Hafen ausgesetzt. Andere jedoch einfach über Bord geworfen, nachdem die Unholde sich an ihnen verlustiert hatten. Damals waren Cathy, während sie diesen Geschichten lauschte, wohlige Gruselschauer über den Rücken gekrochen. Doch jetzt … jetzt konnte sie ein ähnliches Schicksal ereilen! Plötzlich erschien ihr diese Aussicht alles andere als aufregend – sie war grauenvoll.

»Lieber Gott«, betete sie im Stillen, »bitte hilf mir. Ich werde auch immer gut sein, wenn Du mir nur hilfst.«

»Oh, die Piraten werden bestimmt nicht gewinnen«, versuchte sie sich zu beruhigen, zum ersten Mal aufrichtig dankbar dafür, daß ihr Vater darauf bestanden hatte, daß sie auf einem Kriegsschiff wie der ›Anna Greer‹ reiste. Es war sicherlich völlig unmöglich, daß eine Horde Seeräuber ein so schwer bewaffnetes Schiff kapern konnte!

Martha, die vor Angst nervös kicherte, scheuchte Cathy in die Kabine, die sie miteinander teilten. Cathy ging geradewegs auf eine der schmalen Schlafkojen zu und ließ sich aufs Bett fallen, indes Martha sich in hektische Betriebsamkeit stürzte, zuerst sorgfältig die Tür verriegelte und dann alle beweglichen Möbelstücke, deren sie habhaft werden konnte, davor auftürmte. Trotz ihrer mißlichen Lage mußte Cathy laut lachen. Dieses Bollwerk aus Tischen und Stühlen sah wirklich zu komisch aus. Martha bedachte sie mit einem ihrer scharfen Blicke.

»Sie werden doch jetzt nicht einen hysterischen Anfall bekommen, Miss Cathy? Es gibt nicht den geringsten Grund zur Panik. Es ist äußerst unwahrscheinlich, daß diese Unholde auch nur einen Fuß auf unser Schiff setzen.«

Doch noch während Martha sprach, strafte das schrille Knirschen, als Holz an Holz schrammte, ihre so überzeugend vorgebrachte Prophezeiung Lügen. Die Piraten versuchten tatsächlich, das Schiff zu kapern. Heisere Schreie übertönten das metallische Scheppern, als sie eiserne Enterhaken auswarfen, um ihre Beute festzumachen, als sie sich an Bord hangelten und dann die gesamte Schiffsmannschaft der ›Anna Greer‹ auf einem Haufen zusammentrieben. Das Donnern der Kanonen brachte beide Schiffe zum Erzittern. Cathy spürte, wie sich die ›Anna Greer‹ gefährlich nach Backbord neigte, nachdem eine Kanonenkugel ihr Ziel, die Breitseite des Bugs, getroffen hatte. Dann erhob sich ein Geräusch, das wie Regen klang, der auf ein Blechdach trommelte. In Wirklichkeit waren es die Teile eines explodierenden Geschosses, die auf Deck einschlugen. Todesschreie von Männern, die ganz offensichtlich zur Deckmannschaft der ›Anna Greer‹ gehörten, drangen an ihre Ohren. Cathy wurde leichenblaß, worauf Martha sofort heftig in die Hände klatschte.

»Hör nicht hin, mein Kleines. Hör bloß nicht hin«, wiederholte sie mit singender Stimme und wiegte dabei ihren Schützling liebevoll in den Armen. Cathy brach in Tränen aus. Sie klammerte sich verzweifelt an ihre alte Nanny, vergrub ihren Kopf an ihrem üppigen Busen und schluchzte, als wäre sie ein siebenjähriges Mädchen und nicht eine junge Lady von siebzehn. Martha hielt Cathy fest umschlungen, die sich mit der kindlichen Gewißheit tröstete, daß ihr nichts Schlimmes geschehen könne, solange Martha bei ihr war.

Der Kampf an Deck schien schon eine Ewigkeit anzudauern. In der räumlichen Enge der Kabine verloren Cathy und Martha jegliches Zeitgefühl. Als sie die Schreie und das Klirren der Waffen nicht mehr ertragen konnten, versteckten sie ihre Köpfe unter den dicken Federkissen. Doch irgendwann, ganz abrupt, erstarb jeglicher Laut.

Nach langen, quälenden Minuten, in denen beide Frauen angespannt auf etwaige Geräusche horchten, die ihnen den Ausgang des Gefechtes verrieten, sprang Cathy plötzlich auf und stellte sich mit geballten Fäusten, die sich immer wieder öffneten und schlossen, mitten in die Kabine. Sie mußte es wissen. Sie hielt es nicht mehr länger aus. Wie eine Schlafwandlerin begann sie zur Tür zu gehen. Martha stürzte alarmiert hinter ihr her, versuchte sie um die Taille zu packen und in die sichere Koje zurückzuziehen.

»Laß mich gehen!« schrie Cathy. »Ich muß hier raus! Ich werde sonst verrückt. Bitte, laß mich los!«

Mit aller Kraft versuchte sie, sich aus Marthas Griff zu lösen, doch die ließ sich nicht abschütteln.

Da hallten in dem Gang vor der Kabine plötzlich Schritte. Beide Frauen bleiben wie angewurzelt stehen, alle Sinne zur Tür gerichtet. In ihren Köpfen hämmerte dieselbe Frage: Wer hatte gewonnen, die Mannschaft der ›Anna Greer‹ oder die Piraten?

Der eiserne Riegel schepperte, als jemand von außen an der Tür rüttelte.

»He, Quincy, die hier is' verriegelt. Komm her!« rief eine heisere Stimme.

Cathy schluckte krampfhaft und spürte, wie die Knie plötzlich unter ihr nachgaben. Sie ließ sich auf ihre Schlafkoje fallen und hielt sich verzweifelt an Martha fest. Diese Stimme mit dem näselnden Klang gehörte zweifellos niemandem von der Mannschaft der ›Anna Greer‹. Also hatten die Piraten das Schiff gekapert!

»Alles wird gut werden, Miss Cathy«, wisperte Martha ihr eindringlich zu. »Dafür wird unser Herrgott schon sorgen. Ihr müßt jetzt nur ganz ruhig bleiben. Versteckt Euch rasch in dem Schrank hier. Ich werde mich um alles weitere kümmern.«

Cathy protestierte unter Tränen, doch Martha schob sie resolut zu dem großen Eichenschrank und stieß sie unsanft hinein. Taumelnd stolperte Cathy in die stickige Dunkelheit. Im Inneren war kaum genug Platz, um aufrecht stehen zu können, doch Martha hatte die Schranktür bereits ohne das geringste Geräusch zugemacht, und Cathy hörte nur noch ein leises Klicken, als der Riegel außen einrastete. Sie wimmerte wie ein kleines verängstigtes Tier. Durch das dünne Holzpanel flüsterte Martha ihr beruhigend zu: »Alles wird wieder gut werden, mein Liebes. Ihr werdet sehen. Bleibt nur ganz ruhig. Ihr könnt Euch auf mich verlassen. Euch wird nichts geschehen.«

Cathy hörte, wie sich Marthas Schritte entfernten. Jetzt war sie allein in diesem dunklen Gefängnis. Vor lauter Angst begann sie wie Espenlaub zu zittern und mußte beide Hände auf den Mund pressen, um ihr verzweifeltes Schluchzen zu dämpfen. Ihr Herz schlug so heftig, daß sie glaubte, es würde ihr jeden Augenblick aus der Brust springen. Die Piraten draußen im Korridor hämmerten an die Tür.

»Aufmachen!« befahl die Stimme mit dem schleppenden Akzent. Ein heftiger Stoß erschütterte die Kabine. Die Piraten waren dabei, die Tür aufzubrechen!

Cathy sank in die Knie. Ihre Beine fühlten sich an, als hätten sie sich plötzlich in Watte verwandelt, und ihre Zähne begannen vor Angst zu klappern.

»Bitte, lieber Gott«, betete sie in ihrer Furcht. »Bitte, bitte, so hilf mich doch!«

Ein zweiter Stoß erschütterte die Kabine … dann noch einer und noch einer. Als schließlich das Splittern von Holz ihr klarmachte, daß die Tür nachgegeben hatte, glaubte Cathy, ohnmächtig zu werden. Nur die Angst davor, diesen Wilden hilflos in die Hände zu fallen, gab ihr die Kraft, bei Bewußtsein zu bleiben. Die Tränen rannen ihr in Strömen über die Wangen. Sie griff nach ihrem Rock und stopfte sich den Stoff in den Mund, damit man ihr Schluchzen nicht hören konnte.

Ich muß ganz ruhig bleiben, ermahnte sie sich streng.

Wenn ich nur das geringste Geräusch mache, finden sie mich sofort.

Hinter der dünnen Holztür hörte sie jetzt das Getrampel schwerer Männerstiefel, als die Piraten in die Kabine stürmten. Und sie hörte Martha, die mit ängstlich schriller Stimme die Eindringlinge anfuhr: »Werdet ihr wohl augenblicklich verschwinden, ihr Barbaren!« kreischte sie. »Der Herrgott wird euch für diese Untat mit seinem Schwert erschlagen!«

»Oh, lieber Gott, nein!« murmelte Cathy, die Martha am liebsten geholfen hätte, obwohl sie wußte, daß dies völlig sinnlos gewesen wäre.

Von Martha kam kein einziger Laut mehr. Hilflos mußte Cathy zuhören, wie die Piraten die Kabine auf den Kopf stellten. Sie ließen nichts unangetastet auf ihrer Suche nach Wertgegenständen, und Cathy wußte, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis sie in den Schrank schauen würden. Sie versteckte sich so gut es ging hinter den Kleidern, die dicht an dicht auf Bügeln hingen, doch ihr war klar, daß derjenige, der die Schranktür öffnete, sie auf den ersten Blick entdecken würde.

Und als sie schließlich Schritte näherkommen hörte, machte sie sich auf das Schlimmste gefaßt. So, das war’s, dachte sie.

Die Schranktür wurde aufgerissen. Helles Licht fiel herein, und Cathy blinzelte in das gerötete, bärtige Gesicht eines alten Mannes, der ihr Großvater hätte sein können. Mit großen Augen starrte er sie an. Seine Zähne, die er bei einem breiten Grinsen entblößte, waren nur noch verfaulte Stummel. Zitternd drückte Cathy sich in die hinterste Schrankecke, und als der Alte seine schrundige Hand um ihren Arm schloß und sie aus ihrem Versteck zerrte, schrie sie wie am Spieß.

Doch er schnalzte ob ihres Geschreis nur mißbilligend mit der Zunge, zog sie ganz dicht an sich und versuchte, seine nassen Lippen auf ihren Mund zu pressen. Sein Atem stank so scheußlich, daß es Cathy schier den Magen umdrehte. Sie wehrte sich heftig, nun aber ohne einen Laut. Ihr war vor Angst und Ekel so übel, daß sie für einen Schrei keine Kraft mehr fand. Der alte Pirat, den ihre kläglichen Abwehrversuche sichtlich amüsierten, kicherte ein wenig und hielt sie auf Armlänge von sich entfernt. Dabei musterte er sie mit lüsternen Blicken von Kopf bis Fuß.

»Is’ das nich’ne Schönheit?« fragte er über die Schulter hinweg einen anderen Mann, der sich, wie Cathy jetzt sah, über Marthas zusammengekauerten Körper gebeugt hatte. Auf die Worte seines Kumpanen hin richtete er sich auf und starrte Cathy mit unverhohlener Begierde an.

»Verdammt, Quincy, da hast du recht! Wir sollten uns beeilen und sie uns schnappen, bevor der Käp’t n’en Blick auf sie geworfen hat.’ne zweite Chance werden wir dann wohl nich’ mehr kriegen!«

»Du sprichst mir aus der Seele, Mann!« jubelte Quincy, der sofort Cathys Arm losließ, aber nur, um mit der freien Hand an den Ausschnitt ihres Kleides zu greifen und ihn nach unten zu reißen.

Die dünne Seide gab mit einem trockenen, knisternden Geräusch nach, und das feine Musselinhemd darunter zerriß ebenfalls. Beinahe bis zur Hüfte entblößt stand Cathy da und starrte die beiden grinsenden Männer mit vor Schreck geweiteten Augen an. Dann war es also wahr, was Frauen passierte, die in die Hände von Piraten fielen … dachte sie noch, als Quincy schon seine Hand ausstreckte und nach ihren Brüsten griff. Der Schrei, den Cathy ausstieß, klang wie der eines bedrohten Tieres, und sie wehrte sich nach Leibeskräften. Der Mann ließ in Erwartung des bevorstehenden Vergnügens wieder sein hämisches Kichern hören, und sein Kumpan feuerte ihn unter dröhnendem Gelächter an, sich gefälligst zu beeilen.

Das ließ sich Quincy nicht zweimal sagen. Er zog Cathy an seine Brust, drehte ihr die Arme auf den Rücken, hielt sie mit einer Hand fest und grapschte mit der anderen nach ihren Brüsten. Dann versuchte er sie wieder zu küssen, wobei seine Zunge eine klebrige Spur über ihr Gesicht zog. Cathy glaubte, sich jeden Augenblick übergeben zu müssen.

»Zum Teufel nochmal, nun mach schon!« drängte der andere Mann heiser. Er leckte sich die Lippen und glotzte dabei gierig auf Cathys nackten Oberkörper.

Quincy zerrte sie zur Koje und wollte sie aufs Bett schubsen, doch Cathy wehrte sich mit einer Kraft, wie sie nur Angst und Verzweiflung hervorzubringen vermochten. Sie biß ihn, schlug ihre Zähne tief in seine Hand, und als er zurückwich, gelang es ihr, eine Hand loszureißen und ihm ihre langen Fingernägel mit dem Prankenhieb einer Tigerin quer übers Gesicht zu ziehen. Laut fluchend ballte er eine Hand zur Faust, bereit, sie bewußtlos zu schlagen und dem Kampf ein Ende zu setzen. Verzweifelt stieß Cathy einen letzten, gellenden Schrei aus.

»Was zum Teufel geht hier vor?« ertönte die strenge Stimme eines Mannes.

»Verdammt, Quincy, das ist der Käpt’n!« stieß der andere erschrocken hervor, worauf der alte Mann so abrupt von Cathy abließ, als habe er sich an ihrer Haut verbrannt.

Begleitet von einem erstickten Schluchzer hielt Cathy den Atem an, holte aus, ließ ihre Hand in einem weiten Bogen herumschnellen und traf den Alten genau unterm Ohr. Der jaulte auf wie ein Hund und sprang zurück. Cathy stürzte ihm nach, um ihm noch einen Schlag zu verpassen, da spürte sie, wie ihr jemand von hinten die Hände mit einem eisernen Griff festhielt; in wilder Panik trat und stieß sie um sich.

»Das reicht jetzt!« sagte der Mann hinter ihrem Rücken mit scharfer Stimme, und die Hände, die sich wie Schraubstöcke um ihre Handgelenke geschlossen hatten, schüttelten sie so heftig, daß sie glaubte, ihr würde der Kopf von den Schultern fliegen. Als sie schließlich aufhörte, um sich zu treten, hörte auch das Schütteln auf. Sie drehte sich um und starrte in die kältesten und unbarmherzigsten Augen, die sie je gesehen hatte. Sie waren so grau wie Granit und ebenso hart und funkelten sie bedrohlich an. Das Gesicht, zu dem diese Augen gehörten, war nicht minder furchteinflößend. Cathy lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Als der Mann sah, daß sie sich vorerst nicht wieder rühren würde, richtete er seinen unnachgiebigen Blick auf die beiden Männer. Cathy stand einfach da und starrte ihn an.

Sein lockiges Haar war kohlrabenschwarz, und auch seine Haut war sehr dunkel, was diese eisgrauen Augen besonders stark zur Geltung brachte. Der Mund unter seiner langen, hochmütigen Nase war nur eine schmale, grausame Linie. Er mußte um die Dreißig sein, und der Griff, mit dem er Cathys Hände noch immer festhielt, zeigte von enormer Kraft. Seine Arme und Schultern schienen nur aus Muskeln zu bestehen, zudem war er ungewöhnlich groß. Und einer der attraktivsten Männer, die Cathy je zu Gesicht bekommen hatte.

Die zwei Matrosen duckten sich förmlich unter seinem Blick, während er sie schweigend und mit bedrohlicher Gelassenheit musterte. Quincy faßte sich als erster ein Herz, stammelte ein paar Worte, schwieg aber sofort wieder, da sich die Miene des Kapitäns zusehends verfinsterte. Nach einer Weile drehte er sich zu Cathy um, die hastig den Blick senkte. Seine grauen Augen wurden, als ihm ihre Schönheit bewußt wurde, eine Spur schmaler und saugten sich an dem Anblick fest, den ihre entblößten Brüste boten. Cathy, die sehr genau wußte, worauf der Mann starrte, lief vor Scham dunkelrot an. Doch da sie nichts besaß, womit sie sich hätte bedecken können, war sie seinem Blick wehrlos ausgeliefert. Nach einer Weile, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, wandte er endlich seine Augen von ihr ab.

»Quincy, O’Halloran, – ich habe Befehl gegeben, alle Gefangenen rücksichtsvoll zu behandeln. Mit ›Rücksicht‹ meinte ich nicht die Schändung junger Mädchen. Und ich meinte damit auch nicht tätliche Gewalt gegen wehrlose alte Frauen«, fügte er hinzu, nachdem er Martha bemerkt hatte, die auf dem Boden lag und jetzt zum ersten Mal leise stöhnte. Sofort riß Cathy sich los und rannte zu ihrem alten Kindermädchen. Der Kapitän beobachtete sie, wandte sich dann aber wieder an seine Männer.

»Aber, Käpt’n, wir wollten doch bloß … «, winselte Quincy und wich dann angesichts der Wut, die in den Augen seines Kapitäns aufblitzte, einen Schritt zurück.

»Halt den Mund!« sagte er kalt und brüllte dann: »Harry!«

Ein junger Mann in der tadellosen Uniform eines Zweiten Offiziers der Britischen Marine kam durch die Tür geeilt und salutierte korrekt.

»Jawohl, Sir!«

»Eskortiere diese Männer zurück auf die ›Margarita‹. Was mit ihnen geschehen soll, entscheide ich später.«

»Jawohl, Sir!« Harry salutierte abermals und gab Quincy und O’Halloran ein Zeichen, die ihm daraufhin wie zwei geprügelte Hunde durch die zerschmetterte Tür folgten.

Cathy lauschte den sich rasch entfernenden Schritten der Männer mit äußerst gemischten Gefühlen. Einerseits war sie natürlich froh, Quincy und seinen Kumpan los zu werden, andererseits behagte es ihr keineswegs, der Gnade dieses Mannes ausgeliefert zu sein. Die Skrupellosigkeit, die er ausstrahlte, gab ihr deutlich zu verstehen, daß er, wenn er ihr Angreifer gewesen wäre, sich von nichts und niemand an seinem Vorhaben hätte hindern lassen.

»Ich muß mich bei Euch für das Benehmen meiner Männer entschuldigen«, sagte er an Cathy gewandt, die neben Martha auf dem Boden kniete, und verbeugte sich dabei mit vollendeter Höflichkeit. »Kapitän Jonathan Hale, stets zu Euren Diensten.«

»Ich nehme Eure Entschuldigung an, Kapitän«, erwiderte Cathy würdevoll, raffte das zerrissene Kleid über ihrem Busen zusammen und erhob sich. Als sie dann vor ihm stand, musterte sie ihn mit einem argwöhnischen Blick. Seine unerwartete Zuvorkommenheit hatte sie mißtrauisch gemacht. Sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als wollte er sie damit in irgendeiner Weise prüfen. Nun, es war wohl am vernünftigsten, zunächst einmal seinem Beispiel zu folgen, entschied sie und streckte ihm ihre schmale Hand entgegen.

»Ich bin Lady Catherine Aldley, die Tochter des Earls von Badstoke.«

»Es ist mir eine große Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen, Ma'am.« Er nahm ihre Hand mit genau dem richtigen Maß an Galanterie und preßte sie an seine Lippen. Der Druck seines harten Mundes auf ihrem Handrücken löste ein seltsames Kribbeln auf ihrer Haut aus. Sein distinguiertes Gehabe ließ ihre Angst und ihren Zorn soweit schwinden, daß sie es wagte, einen etwas herrischeren Tonfall anzuschlagen.

»Eure Wüstlinge haben meine Zofe verletzt«, erklärte sie. »Sie benötigt dringend ärztliche Hilfe.«

»Ich werde mich sofort darum kümmern«, versprach er mit ernster Miene, lachte dann aber plötzlich laut und streckte ihr seine Hand entgegen.

»Demnach muß es also ›Mylady‹ heißen, nicht wahr?« Grinsend musterte er sie von Kopf bis Fuß, während er langsam auf sie zuschlenderte, bis er direkt vor ihr stand. Sie mußte den Kopf in den Nacken legen, um in seine Augen sehen zu können.

»Wie alt seid Ihr eigentlich, Mylady?«

Spielerisch ließ er einen Finger an ihr Kinn schnippen. Ihre Augen schossen himmelblaue Zornesblicke auf ihn ab, aber er lachte nur, als sei sie das drolligste Wesen, das ihm je begegnet war.

»Ihr tätet gut daran, mir zu antworten, meine Süße, bevor ich mich zu fragen beginne, ob Ihr nicht vielleicht älter seid als Ihr ausseht und auch entsprechend – hm – erfahren.«

Seine spöttischen Worte brachten sie derart in Rage, daß sie ihm mit ihrem zierlichen Fuß wütend gegen das Schienbein trat. Er zuckte zusammen, packte sie dann an den Schultern und zog sie unsanft an seine Brust. Als sie dazu ansetzte, auch ihn ihre scharfen Fingernägel spüren zu lassen, wehrte er mit einer schnellen Bewegung ihre Hände ab und hielt sie hinter ihrem Rücken fest. Dabei setzte er ein gelangweiltes Lächeln auf, sah auf ihr wutverzerrtes Gesicht hinunter und ließ seine freie Hand lässig über die sanften Rundungen ihrer Brüste gleiten.

Ihre Haut fühlte sich an, als stünde sie in Flammen! Unwillkürlich richteten ihre Brustspitzen sich unter dieser Berührung auf, und die körperliche Erregung, die sie durchfuhr, entlockte ihr einen heftigen Seufzer. Sie drehte und wand sich, versuchte mit aller Kraft, sich von ihm freizumachen, aber er hielt sie scheinbar mühelos fest, hörte nicht auf, ihre Brüste zu streicheln und sah sie dabei von oben herab mit einem Ausdruck an, der nun kein Lächeln mehr war.

»Also, wie alt seid Ihr denn, Schätzchen?« fragte er noch einmal. Seine Stimme klang sanft, und als sie immer noch nicht antwortete, strich er mit den Fingerspitzen leicht über ihre harten Brustwarzen. In Cathys Unterleib regte sich ein Gefühl, das beinahe schmerzhaft war. Erschrocken realisierte sie, was da vorging. Sie war eine Lady, noch Jungfrau selbstverständlich, die Tochter einer der angesehensten Familien Englands. Und als dieses Tier, dieser Wüstling es wagte, ihre nackte Haut zu berühren, da hatte sie nicht aufgeschrien und war auch nicht in Ohnmacht gefallen, wie es sich für eine Lady geziemte, sondern war ruhig stehengeblieben und hatte es einfach geschehen lassen! Eine Welle aus Wut und Scham, stärker als jedes Gefühl, das sie je zuvor empfunden hatte, schlug über ihr zusammen, und bevor sie noch einen weiteren Gedanken fassen konnte, spuckte sie ihm mitten in sein hämisch grinsendes Gesicht.

Er reagierte zunächst nicht, doch dann zog er drohend die Brauen zusammen, und in seinen grauen Augen funkelte die blanke Wut. Betont langsam wischte er sich den Speichel ab. Cathy erschauderte unter seinem Blick; sie war von ihrer Tat nicht weniger schockiert als er.

O Gott, jetzt bringt er mich bestimmt um! dachte sie.

Lange Zeit betrachtete er sie schweigend, und Cathy spürte, wie das bißchen Mut, das sie sich noch bewahrt hatte, sie allmählich verließ. Vor Angst begann sie am ganzen Leib zu zittern. Angesichts ihrer offensichtlichen Panik entspannten sich die Muskeln um seinen Mund, und ein Teil seiner Wut schien zu verrauchen.

»Was Ihr braucht, ist eine gründliche Lektion, Lady«, meinte er gedehnt und zog sie brutal an sich. Sein Mund senkte sich auf den ihren, hart und heiß und fordernd, und er küßte sie, wie sie noch nie zuvor von einem Mann geküßt worden war. Die ein, zwei züchtigen Küßchen, die sie bisher bekommen hatte, waren nichts dagegen gewesen und hatten bei ihr genaugenommen ein verächtliches Gefühl für die jungen Kavaliere hinterlassen, die sich deshalb gleich in zitternde, stammelnde Nervenbündel verwandelten. Aber jetzt wurde sie von einem richtigen Mann und nicht von einem Jüngling geküßt, und nun war sie es, die zitterte.

Als seine heiße Zunge ihre Lippen teilte und ihre Mundhöhle erforschte, glaubte Cathy jeden Moment ohnmächtig zu werden. Vergeblich versuchte sie ihn wegzustoßen, wobei ihr gleichzeitig heiß und kalt wurde. Er vergrub eine Hand in ihrem Haar, um sie festzuhalten, und wenn sie sich bewegte, zerrte er sie so grob an den Haarwurzeln, bis sie sich schließlich gegen ihn lehnte und sich widerstandslos seiner Umarmung überließ. Mit kundigen Fingern liebkoste er ihre bebenden Brüste und streichelte zärtlich die aufgerichteten Spitzen. Auf einmal spürte Cathy eine unbekannte, pulsierende Glut aus ihrem tiefsten Innersten aufsteigen. Erschrocken unternahm sie einen letzten, verzweifelten Fluchtversuch, doch er zog sie so derb an den Haaren, daß sie laut aufstöhnte.

Seine Lippen, die sich noch immer auf die ihren preßten, ließen ihr kaum Gelegenheit zum Atmen und Cathy spürte schon ihre Sinne schwinden. Die Kabine verschwamm vor ihren Augen und begann sich wie ein Karussell zu drehen. Unwillkürlich machte sie die Augen zu und klammerte sich an den fremden Mann, der im Augenblick der einzige statische Punkt in dieser kreiselnden Welt schien. Er zog sie noch näher an sich und dabei spürte sie seine harte Männlichkeit, die sich an ihren Bauch preßte.

Diese Berührung, diese primitive männliche Nähe erweckte ähnlich primitive Instinkte in ihr. Sie fühlte sich plötzlich so eigenartig, als sei sie nicht mehr sie selbst. Sie haßte und fürchtete ihn, doch gleichzeitig ließen seine Hände auf ihrem Körper sie erglühen, als habe sie Fieber. Ein Schauer durchfuhr sie, und ohne daß sie es bewußt wollte, schlangen sich ihre Arme um seinen Nacken, und sie erwiderte seine Küsse.

Als er sich schließlich von ihr abwandte, zitterte sie so heftig, daß sie kaum stehen konnte. Mit einer Miene, die nichts verriet, sah er auf sie herunter. Cathy errötete unwillkürlich unter seinem ausdruckslosen Blick und schlug hastig die Augen nieder.

»Ihr seid also doch nicht mehr so unerfahren, wie ich dachte, Mylady«, meinte er gedehnt. Cathy begann vor Verlegenheit zu schwitzen.

Ich hasse ihn, ich hasse ihn, dachte sie. Ihr war so erbärmlich zumute. Welcher Teufel hat mich nur geritten, mich so zu benehmen?

Er starrte sie noch eine ganze Weile schweigend an, dann packte er sie und hob sie hoch. Das kam so unerwartet, daß Cathy jeglicher Protest im Halse steckenblieb. Er hielt sie wie eine Braut, die man über die Schwelle trägt, und stieg mit ihr über die zersplitterten Reste der Kabinentür. Draußen im Gang sah Cathy den Körper eines Mannes liegen, der einst einem Matrosen der ›Anna Greer‹ gehört hatte. Sein Kopf war säuberlich von den Schultern getrennt, und er lag in einer Lache aus Blut. Zitternd wandte sie sich von dem schauerlichen Anblick ab. Sie fühlte sich in den Armen des Kapitäns seltsam geborgen.

Das hat er getan! dachte sie dann entsetzt, und ihr Körper versteifte sich. Und jetzt schleppt er mich weg und stellt Gott weiß was mit mir an!

Sie drehte und wand sich in seinem festen Griff. »Ihr habt mich gedemütigt – Mörder!« zischte sie, während sie vergeblich versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Er ignorierte ihr Gezappel, das ihn nicht im Geringsten zu stören schien. In ihrer Verzweiflung schlug sie ihm ihre spitz zugefeilten Fingernägel ins Gesicht und hinterließ eine Kratzspur von der Schläfe bis zum Kiefer, in der sich sogleich winzige Blutstropfen bildeten. Die unverhohlene Wut, die daraufhin in seinen Augen aufblitzte, ließ sie ängstlich innehalten, doch er unternahm keinen Versuch, sich für diese Verletzung zu revanchieren. Stattdessen warf er sie mit einer schnellen Bewegung über die Schulter. Diese unwürdige und unbequeme Lage, kopfüber hing sie da wie ein Mehlsack, machte sie so wütend, daß sie aus Leibeskräften zu kreischen anfing. Da holte er aus und schlug ihr mit der flachen Hand auf ihr exponiertes Hinterteil. Cathy stockte vor Schmerz und Überraschung der Atem. Niemand hatte es je zuvor gewagt, sie zu schlagen!

Das ließ sie sich nicht gefallen! Sie trat mit ihren spitzen Schuhen nach ihm, traf ihn genau in der Magengrube und lächelte zufrieden, als sie sein unterdrücktes Stöhnen hörte. Doch schon im nächsten Augenblick versetzte er ihr einen so harten Hieb auf den Hintern, daß sich der erste Schlag dagegen wie ein zärtliches Tätscheln ausnahm.

Sie wimmerte schmerzlich und strampelte heftig, um irgendwie auf den Boden zu gelangen, erntete jedoch nur einen weiteren ordentlichen Hieb. Laut schreiend betitelte sie ihn mit allen unflätigen Ausdrücken, an die sie sich erinnern konnte, und als ihr schließlich die Luft und die Schimpfwörter ausgingen, trommelte sie mit den Fäusten wie besessen auf seinen Rücken ein. Er bearbeitete dafür ihr Hinterteil mit einer Reihe harter Schläge und hörte auch nicht damit auf, als er mit seiner zappelnden Last die schmale Treppe hinaufstieg.

Als sie das Hauptdeck erreichten, lag Cathy ganz artig über seiner Schulter. Tränen rannen ihr über die Wangen, und ihr Allerwertester fühlte sich an, als stünde er in Flammen. Aber viel schlimmer noch berührte sie der Anblick der verstümmelten Leichen, die überall auf dem Boden herumlagen. Sie machte die Augen zu, und nur mit größter Willensanstrengung gelang es ihr, ein Schluchzen zu unterdrücken. Was sie noch an Kraft und Gefühlen besaß, verwandelte sich in grenzenlosen Haß auf den Mann, der ihr – ihnen allen – das angetan hatte. Sie war keines klaren Gedankens mehr fähig, spürte nur noch, wie ein ohnmächtiger Haß in ihrem Innersten brodelte und sich mit einem Gefühl der Wut und der Scham vereinigte.

Kapitel 2

Jonathan Hale trug nicht allzu schwer an seiner süßen Last. Er nahm zwei Treppenstufen auf einmal und schlenderte dann lässig über das Hauptdeck auf das halbe Dutzend seiner Männer zu, die die versammelte Mannschaft und die Passagiere der »Anna Greer« bewachten. Das Mädchen hing bewegungslos über seiner Schulter. Fürs erste schien sie tatsächlich gebändigt, dachte Jon mit einem halben Lächeln auf den Lippen. Er begehrte sie mehr, als er sich eingestehen wollte. Unter anderen Umständen hätte es ihm größtes Vergnügen bereitet, sie zu zähmen, doch Tatsache war, daß es ihm in den acht Jahren unter der schwarzen Flagge hauptsächlich deshalb gelungen war, sich einer Verhaftung zu entziehen, weil er sich strikt an sein Prinzip gehalten hatten, das lautete: Niemals Gefangene machen. Gefangene machten einem mehr Ärger als Vorteile. Aber vielleicht sollte er im Falle dieses Mädchens doch einmal eine Ausnahme machen.

Jon blieb abrupt stehen, hob den federleichten Körper von seiner Schulter und ließ ihn recht unsanft auf die harten Holzplanken fallen. Cathy rappelte sich in eine sitzende Position hoch, hob ihre tränenblinden Augen zu ihm und starrte ihn trotzig an. Ihr sorgfältig aufgesteckter Dutt hatte die grobe Behandlung nicht überstanden; das Haar fiel ihr jetzt in kupfernen Strähnen über den Rücken. Die Tränen hatten auf ihren Wangen schmale Spuren hinterlassen, und sie preßte die Lippen fest aufeinander, damit er nicht merkte, daß sie zitterten. Die rosigen Rundungen ihrer Brüste waren gut sichtbar, obgleich sie mit beiden Händen das zerrissene Oberteil zusammenhielt. Jon mußte sich eingestehen, daß er noch nie eine so begehrenswerte Frau gesehen hatte.

»Paß auf sie auf«, knurrte er einem seiner Matrosen zu, der in der Nähe stand, und überquerte dann das Deck, um das Umladen der Fracht von der ›Anna Greer‹ in die Stauräume der ›Margarita‹ zu überwachen.

Das Frachtgut bestand aus einer beträchtlichen Menge Silberbarren – die Anzahlung für sechs Fregatten, die die portugiesische Regierung in England in Auftrag gegeben hatte. Von der Transaktion hatte Jon durch einen bezahlten Informanten Kenntnis erhalten, der als Sekretär in der portugiesischen Botschaft in England arbeitete. Der interessanteste Teil dieser Information bestand darin, daß das Silber nahezu unbewacht auf den Weg geschickt werden sollte. Auf den sonst üblichen Geleitschutz hatte man in diesem Fall verzichtet.

Jon hatte zunächst seine Zweifel, als ihm diese Neuigkeit zugetragen wurde. Er konnte sich nicht vorstellen, daß eine Regierung so töricht wäre, eine so große Menge Silber unbewacht über das Meer zu schicken. Zur Sicherheit hatte er genaueste Nachforschungen anstellen lassen, die aber nichts Gegenteiliges ergaben. Der Grund für das sorglose Handeln der portugiesischen Regierung war, wie sich herausstellte, daß die verantwortlichen Herren der Ansicht waren, je weniger Aufsehen dieser Transport erregen würde, desto sicherer wäre er vor etwaigen Angriffen. Die ursprüngliche Idee war gewesen, das Silber auf einem ganz gewöhnlichen Passagierschiff ohne jegliche Bewaffnung zu transportieren. Das aber erschien den Verantwortlichen dann doch zu riskant, und man entschloß sich zu einem Kompromiß: Das Silber sollte auf einem armierten Schiff ohne Geleitschutz befördert und der Anschein geweckt werden, es handle sich um eine Routinefahrt. Zu diesem Zweck wurde schließlich die ›Anna Greer‹ ausgewählt, und man hatte darauf bestanden, daß sie zusätzlich einige Passagiere an Bord nahm, um die Reise so harmlos wie möglich erscheinen zu lassen.

Die ›Anna Greer‹ zu erobern, war kein leichtes und vor allem kein ungefährliches Unterfangen gewesen. Tagelang war die ›Margarita‹ dem Schiff gefolgt, um zu beobachten, ob sich in der Umgebung der ›Anna Greer‹ etwas Ungewöhnliches tat. Man hatte nichts derartiges feststellen können. Es schien, als ob die Informationen korrekt wären, doch hatte Jon immer noch Zweifel. Irgendetwas an dem Ganzen machte ihn stutzig

Erst an diesem Morgen hatte er sich zu einer Entscheidung durchringen können: Sie würden die ›Anna Greer‹ angreifen. Der späte Nachmittag, wenn die heiße Sonne und die harte Arbeit an Bord die Besatzung der ›Anna Greer‹ schläfrig gemacht hatten, schien ihm die beste Zeit dafür. Die ganze Operation sollte nicht länger als eine Stunde dauern, und die ›Margarita‹ im Anschluß daran schnell das Weite suchen. Mit etwas Glück würde keiner der Passagiere und höchstens eine geringe Zahl von Besatzungsmitglieder dabei zu Schaden kommen.

Bis jetzt war die Aktion auch ziemlich reibungslos verlaufen. Freilich hatte sich die ›Anna Greer‹ nicht sofort ergeben, aber das hatte Jon eigentlich auch nicht erwartet. Die Verluste auf Seiten der ›Margarita‹ waren unerheblich, und im Augenblick waren die meisten seiner Männer fröhlich pfeifend damit beschäftigt, soviel an Plünderungsgut wegzuschleppen, wie sie tragen konnten. Sobald sie einen sicheren Hafen erreicht hatten, würden sie die Beute unter sich aufteilen, wobei jedes Mitglied der Mannschaft den gleichen Anteil erhielt. Ihm als Kapitän stand ein Fünftel des Ganzen zu. Ja, die Eroberung der ›Anna Greer‹ würde diese Reise äußerst profitabel für ihn machen.

»He, bewegt euch ein bißchen, – Harley, Thomson!« brüllte Jon, verärgert über die Trägheit zweier Männer, die gerade eine Ladung Silber über eine improvisierte Brücke zwischen der ›Margarita‹ und ihrem Beuteschiff schleppten. Beide fielen beinahe von den schmalen Holzplanken, so emsig versuchten sie, dem zornigen Befehl ihres Kapitäns nachzukommen. Jon beobachtete eine Weile das Verladen, dann wandte er sich den Passagieren zu, die man von der Mannschaft getrennt hatte und die von nur zwei seiner Männer bewacht wurden.

Abgesehen von dem Mädchen war das eine ausgesprochene unattraktive Gesellschaft. Da war ein Mann mittleren Alters, dem Anschein nach ein begüterter Kaufmann mit seiner fetten, schluchzenden Gattin; ein geckenhafter englischer Lord in Begleitung seines Dieners, der keine Miene verzog; die stämmige Gouvernante des Mädchens, die jetzt näherkam und ängstlich ihren Schützling anstarrte, sowie eine ältliche Dame in einem häßlichen, violetten Kleid, das vielleicht einmal vor zwanzig Jahren der letzte Schrei gewesen war.

Beileibe keine Augenweide, nein, ganz und gar nicht, dachte Jon, wobei er das Mädchen natürlich ausnahm. Doch jeder einzelne von den Leuten mußte Geld oder in irgendeiner Weise gute Beziehungen haben.

Die würden ein fettes Lösegeld einbringen, überlegte er weiter und bedauerte dabei wie schon des Öfteren seine eiserne Grundregel, was Gefangene betraf. Er schüttelte bekümmert den Kopf. Gefangene machten einem einfach viel zu viele Unannehmlichkeiten, besonders die weiblichen, die verursachten nur Ärger innerhalb der Mannschaft. Und trotzdem war es schade. Er hätte wirklich zu gern ein wenig Zeit mit dem Mädchen verbracht …

»Großer Gott, Käpt’n! Seht nur, Steuerbord voraus!« keuchte einer der Matrosen aufgeregt. »Da kommt eine ganze verdammte Kriegsflotte angesegelt!«

Jon wirbelte herum und spähte aufs Meer hinaus. Am Horizont tauchte jetzt ein Schiff nach dem anderen auf, und alle hielten sie Kurs auf die ›Anna Greer‹. Im stillen verfluchte Jon sich, daß er so töricht gewesen war. Wissentlich hatte er seine innere Stimme ignoriert, die ihn eindringlich gewarnt hatte, und war blind in die Falle getappt. Es gab nicht den leisesten Zweifel daran, daß die ›Anna Greer‹ ein bewußt ausgelegter Köder war.

Um irgendeinen Idioten zu fangen, der dem Honigtopf nicht widerstehen konnte, dachte Jon wütend, bevor er sich auf dem Absatz umdrehte und seinen Männern einige Kommandos zubrüllte.

»Seht zu, daß ihr das Silber an Bord bringt! Aber schnell, wenn euch euer Leben lieb ist!« Seine Stimme klang so scharf, daß die Männer mit wilder Hast seinem Befehl nachkamen. Dann wandte er sich an Harry, der gerade neben ihn getreten war und ihn furchtsam anstarrte.

»Mach den Kapitän der ›Anna Greer‹ ausfindig und bring ihn zu mir!«

Jons Verstand arbeitete fieberhaft, während er darauf wartete, daß der Kapitän des gekaperten Schiffes zu ihm gebracht wurde. Die ›Margarita‹ konnte den Fregatten ohne Zweifel davonsegeln, wenn sie genügend Vorsprung hatte. Aber die Flotte war kaum weniger als eine Stunde von ihnen entfernt und näherte sich mit großer Geschwindigkeit. Und schon ein paar ihrer mächtigen Kanonen würden ausreichen, um ihr kleines Piratenschiff von den Wellen zu blasen und zu versenken. Das Einzige, was ihnen jetzt noch half, diese mißliche Lage unbeschadet zu meistern, war ein wohlüberlegter Plan. Jon hatte gerade einen Entschluß gefaßt, als Harry mit der Kapitän der ›Anna Greer‹ zurückkehrte.

»Harry, schnapp dir das fette Paar dort, dann noch die alte Lady und das Mädchen, und bring die vier an Bord der ›Margarita‹. Wir nehmen sie als Geiseln mit, um sicherzugehen, daß die Fregatten keine Dummheiten machen.«