Die Rose von Irland - Karen Robards - E-Book

Die Rose von Irland E-Book

Karen Robards

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Beschreibung

Hinter grünen Hügeln verborgen liegt ihr neues Zuhause … Irland, 1784: Als Junge hat man viel weniger im Leben zu befürchten, weiß Caitlyn O'Malley, und trägt deswegen lieber Hosen statt Röcke. Doch ihre Verkleidung wird ihr plötzlich zum Verhängnis, als der charmante Connor sie in sein Versteck auf einer Farm mitnimmt, in der Hoffnung, sie in seine Räuberbande aufzunehmen. Als ihr Geheimnis ans Licht kommt, muss sie sich eingestehen, dass es ihr gar nicht so viel ausmacht, längst hat sie sich Hals über Kopf in Connor verliebt. Eine Zeitlang genießt das junge Paar sein Glück. Doch dann wird Caitlyn von Connors Widersacher, dem grausamen Sir Edmund entführt – und muss um ihr Leben fürchten … • Die junge Caitlyn O'Malley verliebt sich in den vogelfreien Connor – doch dann gerät sie in die Fänge des gnadenlosen Sir Edmund ... • Handlungsort und -zeit: Irland, 1784 • Ein historisches Romantik-Highlight für die Fans von Kristin McIver

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Über dieses Buch:

Irland, 1784: Als Junge hat man viel weniger im Leben zu befürchten, weiß Caitlyn O'Malley, und trägt deswegen lieber Hosen statt Röcke. Doch ihre Verkleidung wird ihr plötzlich zum Verhängnis, als der charmante Connor sie in sein Versteck auf einer Farm mitnimmt, in der Hoffnung, sie in seine Räuberbande aufzunehmen. Als ihr Geheimnis ans Licht kommt, muss sie sich eingestehen, dass es ihr gar nicht so viel ausmacht, längst hat sie sich Hals über Kopf in Connor verliebt. Eine Zeitlang genießt das junge Paar sein Glück. Doch dann wird Caitlyn von Connors Widersacher, dem grausamen Sir Edmund entführt – und muss um ihr Leben fürchten …

Über die Autorin:

Karen Robards ist die New York Times-, USA Today- und Publishers Weekly-Bestsellerautorin von mehr als fünfzig Büchern. Sie veröffentlichte ihren ersten Roman im Alter von 24 Jahren und wurde im Laufe ihrer Karriere mit zahlreichen Preisen bedacht, unter anderem mit sechs Silver Pens. Sie brilliert in der Spannung ebenso sehr wie im Genre Liebesroman.

Die Website der Autorin: karenrobards.com/

Die Autorin bei Facebook: facebook.com/AuthorKarenRobards/

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin die Thriller »Keiner wird dir helfen«, »Und niemand hört dein Rufen«, die historischen Liebesromane »Die Rose von Irland«, »Die Liebe der englischen Rose«, »Die Gefangene des Piraten« und »Die Geliebte des Piraten« sowie die Exotikromane »Im Land der Zimtbäume« und »Unter der heißen Sonne Afrikas«.

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eBook-Neuausgabe November 2024

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1988 unter dem Originaltitel »Dark of the Moon« bei Avon Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1990 unter dem Titel »Im Zauber des Mondes« bei Heyne.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1988 by Karen Robards

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1990 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motives von ana / Adobe Stock sowie mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-98952-562-7

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Karen Robards

Die Rose von Irland

Roman

Aus dem Englischen von Miriam Mayr

dotbooks.

Kapitel 1

Es war ein nebliger Nachmittag im April 1784, und niemand, der Caitlyn O’Malley durch die engen Straßen Dublins stromern sah, wäre darauf gekommen, daß sie ein Mädchen war. Sie war jetzt fünfzehn, und seit acht Jahren spielte sie die Rolle eines Jungen so erfolgreich, daß sie manchmal selbst ihr wahres Geschlecht vergaß. Ihr dichtes schwarzes Haar reichte ihr fast bis zu den Schultern, und ihre feinen Gesichtszüge wurden von einer dicken Schmutzschicht nahezu verdeckt. Ihre leuchtendblauen Augen mit den dichten Wimpern wirkten riesig in dem schmalen, von Hunger gezeichneten Gesicht, aber auch sie gingen in dem Schmutz beinahe unter. Ihre Hosen waren wenigstens zwei Nummern zu groß, und der Mantel, den sie um ihren dürren Körper schlang, war alt und abgegriffen. So getarnt, sah sie wie irgendein zerlumpter zwölfjähriger Junge aus, genau wie ihr Freund, nur daß es bei ihm keine Tarnung war.

»O Gott, O’Malley, riech doch mal!« Willie Laha blieb stehen und sog gierig den Geruch der frischen Fleischpasteten ein, die ein Händler gerade auf die Theke seines Wagens gestellt hatte. Sie waren so frisch, daß noch Dampf von ihnen aufstieg. Caitlyn starrte auf die goldbraunen Krusten. Ihr köstlicher Duft stieg ihr in die Nase, und das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Vor Hunger verkrampfte sich ihr Magen. Weder Willie noch sie hatten seit gestern mittag etwas gegessen; jetzt war es schon wieder spät nachmittags, und das Abendessen würde wahrscheinlich auch nicht gerade üppig ausfallen. In diesem Viertel machten so viele Diebe und Bettler die Straßen unsicher, daß die Händler alle bewaffnet waren. Selbst für den Diebstahl eines Apfels konnte man schon mit dem Leben bezahlen. Obwohl auf den Straßen Jahrmarkt war und die Hafenarbeiter jeden Abend durch das Viertel drängten, war die Ausbeute nicht besonders. Jeder paßte auf seinen Geldbeutel auf, und die Händler wachten mit Adleraugen über ihre Waren. Erst letzte Woche war Tim O’Flynn gehängt worden, weil er zwei Pflaumen und ein Stückchen Brot gestohlen hatte. Er hatte auch zu ihrer losen Bande gehört. Die Jungen waren so etwas wie eine Familie für Caitlyn, alles, was sie seit dem Tod ihrer Mutter noch hatte. Die Sache mit O’Flynn hatte ihr zugesetzt, seither war sie übervorsichtig; aber langsam wurde der Hunger stärker. Wenn sie nicht stahl, würde sie nichts zu essen haben.

»Ihr da! Verschwindet, oder ich lasse meinen Stock auf eurem Hinterteil tanzen!« Der Händler hatte ihr Interesse bemerkt und starrte sie jetzt wütend an, einen Stock drohend in der Hand. Caitlyns Entgegnung war eine nicht gesellschaftsfähige Geste, aber sie wehrte sich nicht, als Willie sie weiterzog. Auf beiden Seiten der Straße standen Händler mit ihren Karren, und es gab alles, von Fleischpasteten bis zu Lederschuhen.

»Am besten, wir warten auf Doyle und die anderen. Zu zweit sind unsere Chancen nicht so gut.«

Willies Vorsicht reizte Caitlyn, und sie verzog verärgert das Gesicht. O’Flynns Tod machte feige Waschweiber aus ihnen. Willie und ein paar der anderen waren fest davon überzeugt, daß seither das Unglück über ihrer kleinen Gruppe hing wie ein böser Fluch. Das war natürlich Unsinn. O’Flynn war einfach nicht vorsichtig genug gewesen – oder nicht schnell genug. Die Lektion bestand also nicht darin, nicht mehr zu stehlen, sondern sich nicht dabei erwischen zu lassen. Und das hatte sie nicht vor. Sie war schon immer vorsichtig gewesen, und sie war schnell, die Schnellste von ihnen. Sie würde sich nicht von einem dieser fetten Händler fangen lassen, so wie O’Flynn. Und Jamie McFinnian, den sie einen Monat vor O’Flynn geschnappt hatten, war schon immer ungeschickt gewesen. Ein Wunder, daß er überhaupt so lange überlebt hatte.

»Schau mal da!« Mit einer Kopfbewegung lenkte sie Willies Aufmerksamkeit weiter die Straße hinauf. Ein hochgewachsener, elegant gekleideter Herr bahnte sich mit lässiger Unbekümmertheit seinen Weg durch die schmutzigen Hafenarbeiter. Während sie ihn beobachteten, zog er eine goldene Taschenuhr hervor, schnippte den Deckel mit einem polierten Daumennagel auf und warf einen kurzen Blick darauf, ehe er sie zurücksteckte. Angewidert verzog Caitlyn das Gesicht. Ganz offensichtlich war der Gentleman ein Neuankömmling aus England, und niemand hatte daran gedacht, ihn vor dem gefährlichen irischen Viertel zu warnen. Er schlenderte die Straße entlang, als ob die Welt für ihn in schönster Ordnung wäre, und bemerkte nicht einmal die düsteren Blicke der Menschen um sich herum.

»Dieses Huhn will gerupft werden, Willie, mein Junge.« Caitlyns Augen glänzten vor Vorfreude. »Den hat uns der Himmel geschickt. Wenn die Jungs hier mit ihm fertig sind, wird er froh sein, wenn er noch Schuhe anhat. Wir sollten uns besser ranhalten, solange es noch etwas zu holen gibt.«

Willie sah sich nervös um. Unter dem Schmutz verbargen sich Sommersprossen und rote Haare, aber er hatte nichts von dem Temperament, das man Rothaarigen nachsagt. Er war besonnen und vorsichtig, und O’Flynns Schicksal hatte diese Eigenschaften noch verstärkt.

»Nicht jetzt, O’Malley, hier sind zu viele Leute. Man wird uns ganz bestimmt erwischen!«

»Sei nicht albern, Willie, es ist auch nicht anders als sonst«, sagte sie ungeduldig. »Wir haben seine Taschen ausgeräumt und sind weg, ehe er überhaupt merkt, daß etwas fehlt.«

»Er ist ziemlich groß!« Willie sah ebenso zweifelnd aus, wie er sich anhörte.

»Mein Gott, Willie, und du willst mit dem schwarzen Rebellen reiten? Er würde niemals so einen Feigling aufnehmen!« Caitlyn brachte den Namen von Irlands gefürchtetstem Straßenräuber absichtlich ins Spiel. Es war schon lange Willies Traum, einmal zu seiner Bande zu gehören, auch wenn dieser Traum so diffus war wie die Nebel Irlands. Immerhin war der Mann ein Nationalheld. Im irischen Viertel sprach man nur mit der größten Hochachtung von ihm, und von den Engländern wurde er gefürchtet. Seine Beliebtheit bei der Bevölkerung kam daher, daß er nur die verhaßten englischen Unterdrücker überfiel und beraubte, und es hieß, daß er seine Beute mit den Armen teilte. Sein Zeichen war das irische Kreuz, das er als silbernen Anhänger um den Hals trug. Damit zeigte er den Leuten, daß er ebenso ein Ire war wie sie. Niemand kannte seine wahre Identität oder konnte mit Sicherheit sagen, ob er wirklich existierte. Aber sein Name hatte einen großen Einfluß auf Willie.

»Ich bin kein Feigling! Er würde mich ganz sicher mit sich reiten lassen! Paß mal auf!« Willie bahnte sich bereits seinen Weg zu dem Gentleman. Caitlyn folgte ihm mit etwas Abstand, ein Grinsen auf dem Gesicht. Der Name des schwarzen Rebellen wirkte auf Willie wie ein Schlag mit der Peitsche.

»Bitte, Eure Lordschaft, habt Ihr nicht einen Copper übrig? Nur einen Copper für einen hungrigen Jungen.« Willie verbeugte sich unterwürfig und rasselte dabei seine Litanei herunter.

»Bettle nicht, Junge«, sagte ihr Opfer unfreundlich. »Bewahre dir deine Würde.«

Ein wirklicher Gentleman, dachte Caitlyn höhnisch, als sie näherkam. Der Junge ist am Verhungern, und er sorgt sich um seine Würde! Sie würde ihn gerne sehen, wenn er gezwungen wäre, zu betteln und zu stehlen und einfach alles zu tun, nur für ein Stück Brot. Aber so, wie er aussah, hatte er wohl keine Ahnung, was es hieß, zu hungern. Sein Haar war so schwarz wie ihres, nur lockig und so sauber, daß es bläulich schimmerte. Im Nacken wurde es von einer Schleife zusammengehalten. Er hatte ein schmales, attraktives Gesicht, aber seine Haut war weiß gepudert und sah so glatt und weich aus wie die einer Frau. Er trug einen flaschengrünen Überrock aus feiner Wolle, und seine Weste war blendend weiß. Ein Zeremonienschwert hing in einer mit Juwelen besetzten Scheide an seiner Hüfte. Er trug helle Kniehosen, und seine Strümpfe schienen aus Seide zu sein. Sie waren fleckenlos weiß, und das sagte einiges darüber aus, wie er seinen Tag verbracht hatte. Seine Schuhe waren aus schwarzem Leder und hatten ausgerechnet rote Absätze.

»Bitte, verzeihen Sie ...« Willie verbeugte sich weiter, er leierte seinen Spruch herunter und versperrte dem Gentleman den Weg. Caitlyn tat so, als würde sie über einen losen Pflasterstein stolpern und fiel schwer gegen ihn. Ihre Hände bewegten sich mit geübter Schnelligkeit. Während sie noch eine Entschuldigung murmelte, verschwand ihre Hand in seiner rechten Tasche und kam mit einer zufriedenstellend schweren Geldbörse wieder heraus. Sie schwankte noch einmal, als ob sie ihr Gleichgewicht noch nicht ganz wiedererlangt hätte, und ihre Finger schlossen sich um seine Uhr. Sie lächelte leicht, als sie ihre Hand zurückzog. Diese Engländer waren doch ebenso blöde, wie sie gemein waren.

»Moment mal!« Die Stimme war ruhig, aber so bestimmt, daß es ihr kalt den Rücken hinunterlief. Sie machte ihr mehr Angst als die Hand, die sich mit stählernem Griff um ihr Handgelenk schloß. Verdammt, sie war gefangen!

»Lauf, Willie!« schrie sie. Willies Augen weiteten sich. Einen Moment lang starrte er sie an, und das Entsetzen stand ihm klar ins Gesicht geschrieben. Dann drehte er sich um und lief.

»Loslassen!« In panischer Angst zerrte sie an der Hand, die sie gefangenhielt, und sie fühlte ihr Herz in der Brust hämmern. Wenn sie sich nicht befreien konnte, würde sie hängen.

Verzweifelt stürzte sie sich auf ihn. Sie trat ihm gegen das Schienbein, und ihre freie Hand holte zu einem mächtigen Schlag aus, der, hätte er getroffen, ihm wahrscheinlich die Nase gebrochen hätte. Aber er war groß und brachte seinen Kopf mit einer schnellen Bewegung außer Reichweite, so daß ihre Faust nur seinen Hals streifte. Er verstärkte seinen Griff um ihr Handgelenk, bis die Uhr aus ihren tauben Fingern fiel und sie auf die Knie gezwungen wurde. Es kostete sie alle Kraft, nicht zu wimmern. Er beugte sich vor und hob seine Uhr auf, ohne dabei seinen eisernen Griff zu lockern. Sie kniete auf dem Boden, das Gesicht weiß vor Schmerz und immer größer werdender Panik. Trotzdem blickte sie ihm stolz ins Gesicht, das jetzt gar nicht mehr so weich wirkte. Caitlyn O’Malley bettelte nicht um Gnade, niemals.

»Dann ruf doch die Polizisten, du verdammtes Schwein!« zischte sie. Seine Augen wurden schmal. Sie hatten eine seltsame Farbe, eine Mischung aus Blau und Grün, fast schon türkis, mit einem dunklen Ring um die Iris. Sie schauderte und dachte: Teufelsaugen. Nur die Tatsache, daß sie ihre Furcht nicht zeigen wollte, hinderte sie daran, das Zeichen zu formen, das den bösen Blick bannte.

»Hab keine Angst, Junge. Wir werden doch nicht einen von uns an diese verdammten Engländer übergeben!« Der so redete, war ein kräftiger Mann aus der kleinen Gruppe der Hafenarbeiter und ihrer Frauen, die sich um sie versammelt hatten. Caitlyn musterte ihre wütenden Gesichter mit neuer Hoffnung. Hätte sie einen von ihnen bestohlen, würden sie keine Gnade zeigen, aber bei einem dieser verdammten Engländer ... Vielleicht würde sie dem Henker doch noch ein Schnippchen schlagen!

Der Fremde zog sie auf die Füße und ließ seine Augen über die wütende Menge wandern. Er mußte Angst haben, da er den Haß in den Augen der unterdrückten Menschen um sich herum sah, aber man merkte ihm nichts an. Er musterte sie ruhig und gelassen.

Caitlyn versuchte, seine heikle Lage auszunützen, und zerrte heftig an seiner Hand. Sofort verstärkte er den Druck um ihr Handgelenk, und der Schmerz ließ ihre Knie nachgeben. Unwillkürlich zuckte sie zusammen, und ein Grollen ging durch die Menge. Der Mann, der sich eingemischt hatte, trat einen Schritt nach vorne. Wie beiläufig nahm der Engländer ihr Handgelenk in seine linke Hand und legte die rechte auf den Schwertgriff. Dann zog er blitzschnell die Waffe. Das war kein Zeremonienschwert, das war ein rasiermesserscharfes Rapier.

»Bereit, für den Jungen zu sterben?« Die Frage war an niemand Bestimmten gerichtet, aber seine Augen fixierten den Mann. Caitlyn wußte aus eigener Erfahrung, daß man am besten mit einer feindlichen Gruppe fertig wurde, indem man ihren Anführer ausschaltete. Sie hatte es selbst schon oft genug getan. Aber jetzt, wo der Engländer abgelenkt war ... Gerade holte sie mit dem Fuß aus, um ihn in die Kniekehle zu treten, als eine andere Stimme sie unterbrach.

»Was geht hier vor?« Zwei stämmige Polizisten bahnten sich ihren Weg durch die aufgebrachte Menge. Als Caitlyn ihre blauen Uniformen sah, verließ sie jeder Mut. Jetzt würde sie nichts mehr vor O’Flynns Schicksal bewahren können.

»Nur ein kleines Mißverständnis. Nichts, was wir nicht unter uns regeln könnten.« Caitlyn war verblüfft. Warum übergab er sie nicht an die Polizisten? Mißtrauisch musterte sie ihn, aber sie sagte nichts.

»Besser, Sie halten sich aus diesem Teil der Stadt fern, Sir«, warnte ihn einer der Polizisten. Die Gruppe, von der Caitlyn sich soviel versprochen hatte, löste sich langsam auf. Caitlyn konnte sie sogar verstehen. Es war etwas anderes, es mit einem einzelnen Engländer aufzunehmen, als den vollen Haß dieser Unterdrücker auf sich zu laden. Die Engländer waren Metzger. Wenn zwei von ihren Polizisten etwas zustoßen würde, wäre ihre Rache sicher fürchterlich; einige Iren würden dafür mit dem Leben bezahlen müssen.

»Das werde ich in Zukunft. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.« Er steckte das Rapier wieder in die Scheide, nickte den beiden Polizisten freundlich zu und setzte sich in Bewegung. Caitlyn zog er hinter sich her, und ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm ohne Gegenwehr zu folgen. Nichts konnte schlimmer sein als der Galgen, nicht einmal, wenn er der Teufel persönlich wäre. Schaudernd dachte sie an seine seltsamen Augen. Als niemand es sehen konnte, formte sie das Zeichen gegen den bösen Blick. Sofort fühlte sie sich etwas besser.

Der Engländer zog sie auf den Bachelors Walk, der entlang des Flusses Liffey verlief. Das Bild, das sich ihnen dort bot, unterschied sich auffallend von der O’Connell Street. Die Menschen hier waren gut gekleidet und gehörten zur herrschenden protestantischen Schicht. Vor etwa hundert Jahren waren sie von England hierhergekommen, und Oliver Cromwell (verflucht sei sein Name!) hatte mit seinem blutigen Gemetzel unter der irischen Bevölkerung ihre jetzige Machtposition geschaffen. Für sie waren die Iren nur Barbaren ohne Kultur und Verstand. Die Gesetze, die sie erlassen hatten, verweigerten den irischen Katholiken praktisch jedes menschliche Recht. Sie verboten ihnen, Land zu besitzen, eine Ausbildung zu erhalten, zur Wahl zu gehen, ein Geschäft zu eröffnen und ihre Religion auszuüben. Darüber hinaus mußten die Iren auch noch eine jährliche Abgabe an die anglikanische Kirche bezahlen. Kein Wunder, daß die Iren die Engländer mit jeder Faser ihres Herzens haßten. Caitlyn war da keine Ausnahme.

Sobald sie aus dem Blickfeld der Polizisten verschwunden waren, zerrte sie kräftig an seiner Hand, aber sein Griff lockerte sich nicht. Er verlangsamte seinen Schritt und musterte sie. Seine Größe war wirklich beeindruckend, aber so leicht ließ Caitlyn sich nicht einschüchtern, und sie funkelte ihn an. Auch die Tatsache, daß er sie nicht an die Polizisten übergeben hatte, konnte ihren Haß nicht mildern.

»Verdammter Engländer!« zischte sie, und seine Augen wurden schmal. Er wog bestimmt doppelt soviel wie sie, und er überragte sie um einiges, aber Zurückhaltung war noch nie ihre Stärke gewesen.

Er blieb stehen, drehte sich zu ihr um und hielt ihr seine freie Hand hin. »Meine Geldbörse, bitte.«

»Das Geld ist von den Iren gestohlen, genau wie ihr verdammten Schweine unser Land stehlt!« Wütend starrte sie ihn an. Sie wußte sehr wohl, daß ihn zu verärgern das Dümmste war, was sie tun konnte, aber es gelang ihr nicht, sich zu zügeln.

Er streckte ihr nur wortlos seine Hand entgegen, und ihr blieb nichts anderes übrig, als in den weiten Taschen ihres Mantels nach seiner Geldbörse zu kramen. Sie gab sie ihm nur widerwillig. Er dankte ihr mit einem kühlen Nicken und steckte die Börse weg, ohne auch nur einen weiteren Blick darauf zu werfen. Dann musterte er sie wortlos. Wütend starrte sie zurück, aber es fiel ihr schwer, dem Blick seiner hellen Augen standzuhalten.

»Da habe ich mir also einen irischen Dieb eingefangen.« Mit diesem Satz trieb er sie fast zur Weißglut.

»Und die dreckigsten sind die, die von den Iren stehlen!« Wütend funkelte sie ihn an. Ihr Stolz hatte einen schweren Schlag erlitten, sie hatte Angst, und zu allem Überfluß war sie auch noch diesem verdammten Engländer mit seinen Teufelsaugen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Er schüttelte den Kopf. »Heißblütig wie alle Iren«, sagte er gelassen. »Das wird dich schneller umbringen als das Stehlen. Wenn du so weitermachst, lebst du nicht mehr lange genug, um dich das erste Mal zu rasieren. Oder mit deinem ersten Mädchen zu schlafen.«

»Und was zum Teufel geht das dich eigentlich an? Was weißt du schon, du verdammtes englisches Schwein?«

»Paß auf, was du sagst! Ich werde mir nicht noch mehr Unverschämtheiten gefallen lassen, und schon gar nicht von einer halben Portion, die meine Geldbörse stehlen wollte.« Er musterte sie mit gerunzelter Stirn. Caitlyn starrte zurück. Es freute sie, daß sie es endlich geschafft hatte, ihn zu reizen. Ihr Triumph war jedoch von kurzer Dauer, denn ihr Magen begann ohne Vorwarnung laut zu knurren.

»Du hast Hunger, nicht?« Seine Stirn glättete sich. »Was meinst du, wenn ich dir etwas zu essen gebe, wirst du es dann schaffen, dich einer zivilisierten Sprache zu bedienen?«

»Mit so einem wie dir würde ich nicht einmal das Brot brechen, wenn ich am Verhungern wäre!« Ihr Stolz war getroffen. »Außerdem habe ich gerade gegessen. Frisches Brot mit Butter, Kartoffeln, Fisch ...«

»Ja, und ich bin St. Patrick«, entgegnete er freundlich. Seine Antwort kam so unerwartet, daß sie überrascht blinzelte. Bevor sie ihm noch antworten konnte, zog er sie schon weiter. Kurz hinter den steinernen Bögen von Christchurch hielt er an und deutete mit dem Kopf auf das Schild eines Gasthofs.

»Ich gehe jetzt etwas essen«, sagte er. »Du bist herzlich eingeladen. Ich denke, wenn ich dir etwas Anständiges zum Essen kaufe, dann bleibt dir der Galgen vielleicht noch einen Tag erspart.« Dann ließ er ihre Hand los, nickte ihr freundlich zu, wie um zu sagen, daß sie es sich aussuchen konnte, und überquerte die Straße. Caitlyn stand wie vom Blitz getroffen. Er hatte sie ziehen lassen, sie war frei! Jetzt konnte sie zurückgehen und Willie suchen. Dann würden sie ein anderes Opfer ausfindig machen, das sie erleichtern konnten. Der Gedanke allein jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie wollte nicht wie O’Flynn enden und mit blau angelaufenem Gesicht erstickend im Wind schwingen. Aber sie hatte solchen Hunger.

Der Engländer hatte angeboten, ihr etwas zum Essen zu kaufen.

Ihr Stolz kämpfte mit dem Hunger, Neugierde mit Vorsicht. Ihr Haß hieß sie die schmerzende Leere in ihrem Magen zu ignorieren. Aber Engländer oder nicht, sie brauchte dringend etwas zu essen. Und wenn sie so darüber nachdachte, schien es ihr nur gerecht, daß einer dieser verdammten Engländer ihren Hunger stillen sollte. Schließlich war das alles ja auch ihre Schuld.

Kapitel 2

Immer noch in Gedanken, überquerte sie die Straße und wurde dabei fast von einem Farmer auf seinem Karren überfahren. Vor der Tür des Gasthauses zögerte sie. Jeder wußte, daß man einem Engländer nicht trauen konnte. Aber was konnte er ihr an einem öffentlichen Platz wie diesem schon tun? Und nach dem Essen würde sie verschwinden. Nähme sie seine Einladung nicht an, müßte sie selbst für etwas zu essen sorgen. Und ihr Selbstvertrauen war nach dem mißglückten Anschlag auf seinen Geldbeutel ziemlich erschüttert.

Zögernd stieß sie die Tür auf. Der Gasthof wirkte einladend im sanften Licht der Talgkerzen. Die verfluchten Engländer waren überall, und ihre verhaßten Stimmen füllten den Raum. Es roch sogar anrüchig hier, wie nach dem Parfüm einer Hure.

»Was willst du denn hier? Los, verschwinde!« Eine stämmige Frau mit einer weißen Schürze über ihrem schwarzen Kleid kam hinter der Theke hervorgestürzt und drohte Caitlyn mit einem Besen. »Ihr verdammten Baptisten! Mach, daß du wegkommst, sofort!«

Caitlyns Augen glühten. Sie ballte die Fäuste. Ihr Verstand riet ihr zwar, schnellstens von hier zu verschwinden, aber sie war wütend.

»Einen Moment, der Junge gehört zu mir.« Der Gentleman ging an der Frau vorbei und packte Caitlyn am Arm. Gerade rechtzeitig, denn sie wollte soeben auf die Frau losgehen.

»Ich werde nicht in einem Raum mit diesen verfluchten Engländern essen!«

»Und wir wollen hier kein irisches Gesindel haben«, kam die prompte Antwort von der Wirtin.

Hätte der Mann sie nicht festgehalten, sie hätte die Frau in diesem Moment angesprungen und in Stücke gerissen. Aber so wurde sie schimpfend und protestierend aus dem Pub gezogen. Die Frau folgte ihnen und verfluchte besenschwingend diese elenden Baptisten. Caitlyns Antwort war sehr ausführlich und sehr vulgär.

»Genug jetzt!« Er sprach ruhig, aber mit solcher Autorität, daß es ihr die Sprache verschlug. Sie versuchte, den Arm zu befreien, an dem er sie hinter sich herzog.

»Verfluchter Engländer!« Die Beleidigungen der Wirtin hatten ihren Haß, den der Hunger etwas betäubt hatte, wieder auflodern lassen.

Diese seltsam hellen Augen blickten sie an. »Ich bin müde und hungrig, und ich habe es satt, mir deine Beschimpfungen anzuhören, Junge. Jetzt mach, daß du hier reinkommst, und halte gefälligst den Mund, sonst werde ich nachhelfen.«

Ehe sie noch etwas tun oder sagen konnte, saß sie schon in einem kleinen, verräucherten englischen Pub. Vorsichtig sah sie sich um, aber niemand schenkte ihnen auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Sie begegnete seinen Augen, und sein Blick ließ sie tatsächlich schweigen, bis er für sie beide bestellt hatte.

Als die Bedienung gegangen war, musterte sie ihr Gegenüber mißtrauisch, aber in dem schwachen Kerzenlicht konnte sie sein Gesicht nur undeutlich erkennen. Trotzdem dachte sie, ein amüsiertes Glitzern in seinen Augen entdeckt zu haben. Aber bevor sie noch etwas sagen konnte, sprach er sie an.

»Hast du auch einen Namen, Kleiner?«

»Was geht das Sie an?«

Zu ihrer Überraschung grinste er breit. »Was für ein charmanter junger Mann! Du kannst deinem Schutzengel danken, daß ich eine Schwäche für struppige kleine Kampfhähne wie dich habe!«

Das Essen kam; Stew mit Rindfleisch, dazu Brot und zwei Gläser schäumendes Bier. Caitlyns verräterischer Magen knurrte laut, als ihr der köstliche Duft in die Nase stieg. Verlegen musterte sie ihr Gegenüber, aber er schien nichts gehört zu haben.

»Ich werde auf keine Weise dafür bezahlen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Er hatte gerade die erste Gabel Stew in den Mund geschoben und ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Dabei kaute er genüßlich und spülte dann alles mit einem Schluck Bier hinunter. Sie starrte ihn an. Sie würde sich nicht einmal erlauben, an das Essen zu denken, bis zwischen ihnen alles geklärt war.

»Iß nur, Junge. Es sind keine Bedingungen damit verbunden. Ich weiß, was es heißt, Hunger zu haben.«

»Sie?« Ungläubig starrte sie ihn an. Dann gewann ihr Stolz die Oberhand. »Na ja, so hungrig bin ich nun auch wieder nicht. Wie gesagt, meine Freunde und ich, wir haben erst gegessen. Kartoffeln und ...«

»Ich bin sicher, du wirst noch etwas hinunterbekommen. Nur aus Höflichkeit.«

Sie musterte ihn vorsichtig, aber der köstliche Geruch der Stews ließ sich nicht verleugnen.

»Nun gut, ich denke, das bin ich Ihnen schuldig. Schließlich hätten Sie mich vorhin auch an die Polizisten übergeben können.«

»Das stimmt«, sagte er trocken, aber sein Gesicht blieb dabei so ausdruckslos, daß sie keinen Grund hatte, sich angegriffen zu fühlen.

Sie warf ihm noch einen mißtrauischen Blick zu, dann begann sie zu essen. Es war seit Wochen ihr erstes warmes Essen, und es schmeckte so gut, daß sie den Engländer völlig vergaß und es hungrig hinunterschlang. Mit dem letzten Stück Brot wischte sie noch den Rest der Soße aus dem Teller, dann lehnte sie sich zufrieden zurück. Erst jetzt bemerkte sie, daß er sie beobachtete. Sie merkte, wie sie rot wurde.

»Wenn du weiter Geldbörsen stiehlst, wirst du bald hängen. Du bist nicht gut genug«, sagte er im Ton einer unpersönlichen Warnung.

Verletzt riß sie die Augen auf. »Ich bin verdammt gut! Ich mach das schon seit Jahren, und ich bin noch nie erwischt worden! Zuvor, meine ich.«

»Du bist langsam, und ich habe deine Hand wie ein Stück Blei in meiner Tasche gefühlt. Wenn sie dich noch nie erwischt haben, war das Glück, nicht mehr.«

»Was zum Teufel verstehen Sie denn schon davon?«

»Ich merke, wenn mich ein schlechter Dieb bestiehlt. Ein schlechter Dieb und ein dummer noch dazu. Denn du wirst nicht damit aufhören, bis sie dich hängen, nicht wahr?« Er hörte sich angewidert an.

»Nun, dann können Sie ja kommen und mit der Menge jubeln, nicht? Verdammtes englisches Schwein!« Das letzte Wort schrie sie schon fast. Wütend sprang sie auf. Die Leute in dem Pub begannen sich nach ihr umzudrehen. Der Gentleman lehnte sich zurück und musterte sie aus schmalen Augen. Dann griff er wortlos über den Tisch, packte sie vorne am Mantel und zog sie kräftig, daß sie plötzlich wieder auf der schmalen Holzbank saß.

»Zügle dein Temperament, Junge, sonst werde ich es für dich tun. Mit hitzköpfigen Jungs wie dir habe ich jede Menge Erfahrung.« Er machte eine kurze Pause und musterte sie. Dann sagte er plötzlich: »Verstehst du was von Schafen?«

»Was gibt es da denn schon zu verstehen?« sagte sie schnippisch.

»Beantworte meine Frage!«

Caitlyns Augen wurden schmal. »Ich liebe die kleinen Biester, als wären sie meine Kinder.« Das war eine ziemlich unverschämte Lüge, aber er hatte es verdient. Sie hatte einmal in einem Stall mit einem Schaf geschlafen, aber mehr hatte sie noch nie mit diesen Tieren zu tun gehabt.

»Kannst du Torf stechen und einen Stall ausmisten?«

»Kommt darauf an, warum ich es tun soll.«

Er beschloß, ihre unverschämte Bemerkung zu überhören. »Ich habe eine Schaffarm in County Meath. Ich könnte noch einen Jungen gebrauchen, falls er bereit ist, hart zu arbeiten und sich zu benehmen. Natürlich hatte ich mir jemand Kräftigeren vorgestellt, aber ...«

»Ich bin stark wie in Ochse!«

»Ich biete drei warme Mahlzeiten täglich, ein Bett in der Scheune und viel Arbeit an der frischen Luft. Wenn ich nicht irre, ist das mehr, als du hier hast.«

»Sie bieten mir einen Job an? Warum? Ich habe Ihnen gerade die Geldbörse gestohlen – fast jedenfalls.« Mißtrauisch musterte sie ihn, aber aus seinem Gesicht konnte sie nichts lesen.

»Weil ich einmal einen Jungen kannte, der dir sehr ähnlich war. Aufbrausend und zu allem bereit. Ich mochte ihn.«

Der Blick, den er ihr zuwarf, schien ehrlich zu sein. Aber sie hatte schon viele ehrliche Blicke gesehen und die meisten von den größten Lügnern in der Gegend.

»Kein Interesse.«

Er zuckte mit den Schultern und stand auf. »Ganz wie du willst. Ich bin im Brazen Hotel in der Lower Bridge Street. Ich breche morgen bei Sonnenaufgang auf. Wenn du einen ehrlichen Job willst, sei dort. Wenn nicht, wünsch ich dir viel Glück.«

Er legte ein paar Münzen für das Essen auf den Tisch, nickte ihr zu und ging.

Caitlyn biß nervös auf ihren Lippen herum. Er hatte ihr einen Job angeboten. Sie hatte noch nie einen Job gehabt. Und dreimal am Tag warmes Essen. Lautes Lachen von der Bar riß sie aus ihren Gedanken. Es war nicht gut, als Ire allein in einem englischen Pub zu sein.

Als sie aufstand, fielen ihre Augen auf die Münzen, die auf dem Tisch lagen. Zögernd sah sie sich um, aber niemand beachtete sie. Blitzschnell steckte sie das Geld ein und verschwand aus dem Gasthof.

»O’Malley! Ich habe dich schon hängen sehen!« Willie stand auf, um Caitlyn zu begrüßen, als sie in die kleine Hütte kam, die ungefähr acht Jungen als Zuhause diente. Sie hatten sie selbst aus alten Brettern und Blechresten gezimmert. Sie schmiegte sich neben vielen ähnlichen Hütten gegen die Rückseite des Royal Hospitals. Immer wieder wurden sie von den Dragonern abgerissen und von ihren Bewohnern wieder aufgebaut.

»Du kennst doch das Glück der Iren, Willie!« Sie genoß Willies Erstaunen über ihre Flucht, als sie sich zitternd neben das kleine Feuer kauerte, um sich zu wärmen. Das Feuer qualmte mörderisch, aber sie bemerkte es kaum. Von klein an war sie dem Gestank der Dubliner Slums ausgesetzt gewesen. Abwässer liefen durch die Gossen, und der Müll verrottete in den Straßen. Es gab riesige Ratten und Küchenschaben, die so groß waren wie fette Mäuse. Nach ihrem Aufenthalt im protestantischen Teil Dublins fühlte sie noch stärker, worum sie von den Engländern betrogen wurden. Dort gab es breite, saubere Straßen, hübsche Ziegelhäuschen und Läden und zumindest so etwas Ähnliches wie Gesetz und Ordnung. Im katholischen Dublin trieben Banden von Dieben und Bettlern ihr Unwesen. Die Pinkindies, wie sie genannt wurden, strichen nachts durch die Straßen. Sie ermordeten und beraubten ihre Opfer, vergewaltigten Frauen und brachen wahllos in Läden und Häuser ein. Obdachlosigkeit, Hunger und Brutalität der schlimmsten Sorte waren Bestandteil des täglichen Lebens. Tausende ohne Arbeit waren Tag für Tag nur damit beschäftigt, zu überleben, und das machte sie gefährlich wie wilde Hunde.

»Doyle und die anderen sind in einem Pub. Ich ... ich wollte nicht mitgehen. Verdammt, ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen, O’Malley.«

»Heilige Maria, jetzt heul doch nicht, Willie! Du solltest wissen, daß so ein Engländer mich nicht kriegt.«

Willie lächelte verzerrt. »Ja, ich hätte es wissen sollen. Wie bist du weggekommen?«

Caitlyn stand auf, und ihre Hand fuhr in die Tasche, in der sie die Münzen verstaut hatte. Sie wußte, daß sie niemandem davon erzählen sollte. Sie wäre die Münzen los, ehe sie noch »verfluchtes England« sagen könnte, und wahrscheinlich würde man ihr auch noch den Hals dafür durchschneiden. Aber Willie war ihr Freund. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte er sich ihrer angenommen. Er war zwar jünger als Caitlyn, aber er hatte sein ganzes Leben auf der Straße verbracht und kannte sich dort aus. Alles, was er wußte, hatte er ihr beigebracht. In der ersten Zeit hatte Caitlyn sehr unter der Erinnerung an ihre geliebte Mutter gelitten. Man hatte sie aus ihrer Stellung als Magd in Dublin Castle entlassen, weil ihre Schwangerschaft immer deutlicher zu sehen war. Dabei war es noch nicht einmal ihre Schuld gewesen, sie war von einem betrunkenen Lord vergewaltigt worden. Beschämt, schwanger und ohne ein Zuhause zog sie mit ihrer kleinen Tochter durch die Straßen, gebeutelt von Hustenanfällen, bis sie so blaß und abgemagert war, daß man schon fast durch sie hindurchsehen konnte. Vor etwa acht Jahren war sie dann in eben diesem Royal Hospital gestorben, an dem jetzt Caitlyns Hütte lehnte. Auf ihrem Totenbett in der Armenstation, voll Sorge und gequält von Schmerzen, hatte sie darauf bestanden, daß Caitlyn sich als Junge kleiden solle, um den Nachstellungen der Männer zu entgehen. Caitlyn, voller Angst vor dem Schicksal ihrer Mutter, hatte nicht widersprochen. Als sie Willie kennenlernte, der damals unter einer Brücke sein Lager aufgeschlagen hatte, dachte sie selbst nur noch selten daran, daß sie eigentlich ein Mädchen war. Willie und die anderen hatten davon keine Ahnung.

Damals war Caitlyn fast jede Nacht wach gelegen und hatte geweint; Willie hatte seine dünnen Ärmchen um sie gelegt und sie getröstet, während die anderen lachten. Als sie so ihren Gedanken nachhing, hatte sie Willie gemustert, und plötzlich schien das blasse Gesicht ihrer Mutter vor ihr zu schweben.

»Wahrscheinlich ist das die einzige Chance, die du kriegen wirst. Ergreif sie, Caitie!« Sie zuckte zusammen. Sie hatte die Worte so deutlich gehört, als wären sie wirklich gesprochen worden. Schnell bekreuzigte sie sich, und nur Willies tränenüberströmtes Gesicht überzeugte sie davon, daß es Einbildung gewesen sein mußte. Erst traf sie diesen Engländer mit den Teufelsaugen, und jetzt sah sie schon Gespenster. Es war irgendwie beunruhigend.

»Komm mit, Willie, ich habe eine kleine Überraschung für dich.« Sie legte ihm den Arm um die Schultern und führte ihn aus der Hütte. »Ich muß etwas mit dir besprechen.«

Kapitel 3

Unsicher stand Caitlyn am nächsten Morgen vor dem Brazen Head. Die wenigen Leute auf der Straße waren meist Bedienstete, die Feuer machten oder sich um Tiere kümmerten. Es wurde nur zögernd hell; die Sonne schien sich zu scheuen, ihr Gesicht durch den grauen Nebel zu stecken. Es sah nach Regen aus. Die Wolken hingen so tief, daß sie fast auf den Häuserdächern zu liegen schienen, und die Luft war feucht.

Ein Connemara-Pony, das einen schwerbeladenen Farmwagen zog, hielt ganz in ihrer Nähe. Ein älterer Stallknecht stieg vom Kutschbock und band das Pony an. Dann drehte er sich zu ihr um und musterte sie mißbilligend.

»Hast du hier etwas zu tun, Junge?«

»Genausoviel wie Sie.«

»So, so. Ich muß noch mal zurück und ein Pferd holen. Wenn etwas auf diesem Wagen nicht mehr so ist, wie es war, dann weiß ich, wo ich suchen muß.«

Caitlyns Antwort war nicht halb so grob wie die Handbewegung, mit der sie sie begleitete. Der Mann spuckte vor ihr aus, dann ging er zu den Ställen hinter dem Gasthof.

Caitlyn musterte den Wagen interessiert. Von selbst wäre sie gar nicht auf den Gedanken gekommen, ihn zu stehlen, aber so schlecht war die Idee gar nicht. Allein für das Pony würde sie einen Haufen Geld bekommen, ganz zu schweigen von dem Wagen und seiner Ladung. Vielleicht sollte sie das Angebot des Engländers vergessen und stattdessen mit dem Wagen abhauen. Von dem Erlös könnte sie eine Weile leben, und nicht schlecht dazu. Aber dann durfte sie jetzt nicht länger zögern.

In diesem Moment kam der Engländer aus dem Brazen Head. Heute trug er schwarze Kniehosen und einen schwarzen Überrock, dazu wieder ein schneeweißes Hemd. Die Schuhe mit den roten Absätzen hatte er gegen schwarze Reitstiefel eingetauscht.

Er blieb vor dem Gasthof stehen und blickte die Straße hinauf und hinunter. Dann runzelte er die Stirn, und seine dichten dunklen Brauen berührten sich über diesen Teufelsaugen. Wahrscheinlich hatte er sie nicht gesehen, weil sie im Schatten stand. Oder vielleicht wußte er ja auch nicht mehr, wer sie war. Plötzlich wurde ihr klar, wie sehr sie auf sein Angebot vertraut hatte. Die Möglichkeit, aus diesem Drecksloch Dublin herauszukommen, ein Bett zu haben und regelmäßig zu essen, ohne eines Tages dafür hängen zu müssen, erschien ihr auf einmal unwiderstehlich.

»Ah, Eure Lordschaft, ich bin schon da.« Der Alte von vorhin kam mit einem großen schwarzen Pferd ums Eck und steuerte auf den Engländer zu. »Fharannain wollte sich heute gar nicht satteln lassen.«

»Das will er nie.« Er übernahm die Zügel des Pferdes und strich ihm geistesabwesend über die Nüstern. Skeptisch musterte er den Himmel. »Am besten, wir machen uns gleich auf den Weg, Mickeen. Vielleicht entgehen wir dem schlechten Wetter ja doch noch mal.«

Der Stallknecht band das Pony los und warf Caitlyn einen düsteren Blick zu. Wenn sie vorhatte, sich bemerkbar zu machen, dann war die Zeit jetzt gekommen. Plötzlich wurde sie nervös. Was, wenn er sein Angebot schon längst vergessen hatte? Sie wollte sich nicht vor einem Engländer zum Narren machen, und Caitlyn O’Malley bat um nichts. Trotzdem, er hatte von ehrlicher Arbeit gesprochen, und sie würde ihn beim Wort nehmen.

»He, Sie. Erinnern Sie sich noch an mich?« Sie trat aus dem Schatten und marschierte auf den Engländer zu. Er drehte sich um und musterte sie mit gerunzelter Stirn. Dann lächelte er langsam.

»Ja, doch. Und, willst du’s mit den Schafen versuchen?«

»Ja. Ansehen kann ich’s mir ja mal.«

»Gut. Klettere zu Mickeen auf den Wagen. Wir haben ein schönes Stück Weg vor uns, und ich möchte los.«

Mickeen musterte seinen Herrn. »Ihr wißt, daß wir auf Donoughmore niemanden mehr brauchen. Wir haben schon fast mehr, als wir versorgen können.«

»Halt den Mund, Mickeen, und steig auf den Wagen. Dir und Rory sind in der letzten Zeit öfter Schafe weggekommen, und das kann ich mir wirklich nicht leisten. Vielleicht schaffen dann drei die Arbeit von zwei Leuten.«

Mickeen sah von dem Engländer zu Caitlyn, dann spuckte er auf die Pflastersteine. »Nun gut. Macht, was Ihr wollt, wie immer. Also los, Junge, komm auf den Wagen! Aber benimm dich gefälligst, ja?«

Zögernd nahm sie ihr Bündel. Sie schluckte trocken und musterte den Mann, der alles verkörperte, was sie gelernt hatte zu hassen. Es fiel ihr nicht leicht, ihn um einen Gefallen zu bitten.

»Äh ... es gibt da noch etwas, was ich Ihnen sagen muß.« Der Engländer hatte einen Fuß schon im Steigbügel und wollte sich gerade aufs Pferd schwingen. Er hielt inne und sah sie an. »Ich habe einen Freund.«

Herausfordernd starrte sie ihn an, den Kopf zur Seite geneigt, und ihre Augen funkelten. Der Engländer musterte sie aus zusammengekniffenen Augen und schwang sich in den Sattel. Dann sagte er resignierend: »Wo ist er?«

»Willie, komm raus!«

Willie kam langsam aus dem Schatten eines Gebäudes und stellte sich neben Caitlyn. Ängstlich blickte er zu dem Engländer auf, der das Gesicht verzog.

»Ach, der kleine Bettler. Ich hätte es mir denken können. Und du willst also auch einen Versuch mit den Schafen unternehmen?«

»Aye, Sir. Wenn es möglich ist.«

»Wir beide sind ein Team«, sagte Caitlyn herausfordernd. Der Engländer warf ihr einen Blick zu. Der Ausdruck seiner Augen war nicht zu deuten.

»In Ordnung. Steigt auf, ihr beide, und laßt uns fahren, ehe wir hier ersaufen.«

Er schnalzte seinem Pferd zu und begann die Straße hinabzureiten. Caitlyn und Willie starrten ihm nach. Hatte er tatsächlich nicht mehr dazu zu sagen, daß er noch ein Maul mehr zu füttern hatte?

»Der Himmel sei uns gnädig! Ehe wir’s uns versehen, hat er da draußen ein verdammtes Waisenhaus eröffnet. Als ob er nicht auch schon so genügend Sorgen am Hals hätte!« Sie sahen beide den Pferdeknecht an. Er runzelte die Stirn, spuckte und deutete auf den Wagen. »Ihr habt’s gehört, steigt auf!«

Willie jauchzte und kletterte auf den Wagen. Caitlyn folgte ihm langsam. Allmählich entspannte sie sich. Sie war die ganze Zeit mit geballten Fäusten dagestanden, und wenn es nötig gewesen wäre, hätte sie für Willie gekämpft. Sie hatte ihm gestern erzählt, daß sie in Zukunft auf einer Farm leben würde, mit einem Bett und zu essen, ohne dafür stehlen zu müssen. Daraufhin hatte er sie mit einem Blick angesehen, der sie zutiefst gerührt hatte. Gott sei Dank hatte der Engländer zugestimmt, ihn zu nehmen. Sie wußte nicht, was sie sonst getan hätte.

Während sie noch darüber nachdachte, machte sie es sich auf der schmalen Holzbank so bequem wie möglich. Ihr Bündel hatte sie sorgfältig unter dem Öltuch verstaut, das den Inhalt des Wagens bedeckte. Mickeen schimpfte leise vor sich hin, während er neben Willie auf den Kutschbock kletterte. Abgesehen von Mickeens unverständlichem Gebrummel verließen sie Dublin schweigend.

Wenig später begann es zu regnen. Zitternd drückten sich Caitlyn und Willie aneinander, ihre Mäntel über den Kopf gezogen. Mickeen zog seine Mütze tiefer ins Gesicht und fluchte ununterbrochen vor sich hin; so passierten sie Clonee und Dunshaughling, ehe es am frühen Nachmittag aufhörte zu regnen.

Zögernd streckte Caitlyn den Kopf unter dem Mantel hervor. Weder sie noch Willie waren je zuvor außerhalb Dublins gewesen, und die größte Grünfläche, die sie kannten, war der Phoenixpark. Der Anblick der smaragdgrünen Hügel, die sich bis zum Horizont erstreckten, war für sie überwältigend. Gelegentlich sahen sie auch eine Schafherde oder ein paar Häuser, die eine Stadt darstellen sollten. Sie waren von der Landschaft fasziniert, aber nach einer Weile gewann körperliches Unbehagen bei Caitlyn die Oberhand. Die Holzbank war doch ziemlich hart, und ihr Hinterteil tat langsam weh. Wahrscheinlich hatte sie schon überall blaue Flecken. Vor ihnen ritt der Engländer, unermüdlich und ohne eine Pause einzulegen. Fharannains dicke Hufe bahnten sich scheinbar mühelos ihren Weg durch den Schlamm, der Wagen hingegen schaukelte wie ein Schiff auf See, und seine Räder machten seltsam schmatzende Geräusche. Caitlyn biß die Zähne zusammen und beschloß, es zu ertragen. Caitlyn O’Malley bat nicht.

Als der Engländer schließlich am späten Nachmittag Rast machte, schaffte sie es fast nicht mehr, würdevoll von dem Karren zu klettern. Willie erging es nicht viel besser, und beide rieben sie ihre schmerzenden Hinterteile.

Etwas weiter weg stand der Engländer mit Mickeen, und sie beratschlagten. Schließlich nahm der Engländer ein Bündel von Fharannains Sattel und warf es Mickeen zu, der darüber nicht sehr begeistert wirkte.

Der Engländer stieg auf, nickte den beiden Jungen zu und ritt weiter. Mickeen kam mit gerunzelter Stirn und dem Bündel unterm Arm zu ihnen zurück.

»Wir sollen hier etwas essen und das Pony ruhen lassen, dann weiterfahren.«

»Was ist mit ihm?« fragte Caitlyn mit einer Kopfbewegung in Richtung auf den Engländer.

»Wenn du damit Seine Lordschaft meinst, er wird mit dem Essen warten, bis er zu Hause ist. Er hat nämlich den Imbiß, den der Koch vom Brazen Head für ihn zusammengepackt hat, für euch dagelassen. Meinte, ihr hättet es nötiger als er, aber da bin ich mir nicht so sicher. Seine Lordschaft, er ist wirklich ein feiner Mann. Und ihr seid nur ein paar lausige Bettler.«

»Was heißt hier Bettler? Wir bekommen unser Brot genauso von dem verdammten Engländer wie du!« fuhr Caitlyn auf und ballte wütend die Fäuste. Willie hielt sie zurück.

»Um Himmels willen, O’Malley, tu das nicht«, sagte er ihr ins Ohr. »Er läßt uns hier stehen, jede Wette.«

Wütend versuchte Caitlyn ihn abzuschütteln. Mickeen hob einen Stock auf und drohte ihr damit.

»Wenn du hier etwas anfängst«, sagte er warnend, »werde ich dir den Schädel spalten.«

»Komm schon, O’Malley. Beachte den Alten am besten gar nicht, und laß uns essen. Er sucht doch nur einen Grund, uns hierzulassen«, flüsterte Willie und schüttelte sie. Caitlyn mußte zugeben, daß er recht hatte. Sie beschloß, Mickeen nicht weiter zu beachten. Sie schüttelte Willies Griff ab und suchte sich eine weiche Stelle im Gras. Willie setzte sich mit dem Bündel, das Mickeen ihm gegeben hatte, zu ihr. Der Alte beobachtete die beiden mißtrauisch, den Stock noch in der Hand, aber sie beachteten ihn gar nicht. Hungrig fielen sie über Brot, Fleisch und Käse her. Nach einer Weile ließ er den Stock fallen und setzte sich ein Stück von ihnen weg zum Essen. Nur ab und zu warf er ihnen einen mißtrauischen Blick zu.

Kaum hatte er die letzten Krümel verdrückt, fuhr er sich mit dem Ärmel über den Mund und verkündete: »Ich fahre weiter.« Dabei musterte er sie mit offener Abneigung. Langsam kamen die beiden auf die Füße und tauschten vielsagende Blicke aus. Sie kletterten auf den Wagen, und Caitlyn stöhnte leise, als ihr Hinterteil den ersten schmerzhaften Kontakt mit der Holzbank hatte.

Willie, der schneller vergab als Caitlyn, fragte: »Wo fahren wir eigentlich hin?«

Mickeen musterte den rothaarigen Jungen, der ihn mit unverhohlener Neugierde anstarrte. Sein Blick wanderte zu dem Schwarzhaarigen, der den Rothaarigen wütend musterte. Dann drehte er den Kopf zur Seite und spuckte aus.

»Donoughmore«, sagte er.

»Ist das eine Stadt?«

Er brummelte vor sich hin, dann sagte er mürrisch: »War mal ‘ne Burg. Jetzt ist es nur noch ‘ne Schaffarm.«

»Gehört sie ihm?«

»Wem?«

»Dem Engländer.« Eigentlich wollte Caitlyn ja unbeteiligt wirken, aber das war ihr so herausgerutscht.

Mickeen musterte sie mit deutlichem Mißfallen. »Paß auf, was du sagst, Junge. Du sprichst über Connor d’Arcy, Seine Lordschaft, den Earl von Iveagh, und du zeigst besser etwas Respekt. Er ist genausowenig ein Engländer wie du oder ich, sondern so irisch wie die gute, grüne Erde hier. Ein direkter Nachkomme von Brian Boru väterlicherseits und Owen Roe O’Neill mütterlicherseits.«

»Er ist ein Ire?« Caitlyns Augen wurden groß. »Aber ...«

»Du darfst eben nicht allem trauen, was du hörst oder siehst. Seine Lordschaft wurde auf Wunsch seines Vaters im Trinity College erzogen, zusammen mit den verfluchten Protestanten. Er kann sie ganz gut imitieren, wenn er es will.«

»Aber warum ...«

»Ah, das reicht jetzt aber. Einem Bettlerjungen wie dir steht es wohl kaum zu, über Seine Lordschaft zu sprechen.« Caitlyns Augen glühten, als er sie einen Bettlerjungen nannte, aber Willie stieß sie so heftig in die Rippen, daß sie den Mund hielt. Im Grunde hatte er ja recht, es würde nichts bringen, sich mit dem Alten anzulegen.

Kapitel 4

Kurz vor Sonnenuntergang bekamen sie die Burg zum ersten Mal zu sehen. Mickeen mußte anhalten, weil eine Herde Schafe die Straße überquerte. Die Tiere blökten und ließen sich reichlich Zeit, während Mickeen fluchend auf dem Kutschbock saß. Caitlyn mußte grinsen, und als sie aufsah, bemerkte sie die Burg. Sie war auf einen Hügel gebaut und überblickte die steilen Ufer des Boyne. Die vier runden Steintürme zeichneten sich majestätisch gegen den rötlichen Abendhimmel ab. Der Wagen setzte sich wieder in Bewegung, aber Caitlyn konnte ihre Augen nicht losreißen. Donoughmore war mindestens ebenso groß wie Christchurch in Dublin, das beeindruckendste Gebäude, das Caitlyn bisher gesehen hatte. Auch Willie starrte gebannt zu der Festung hinauf.

»Lebt er hier?« Caitlyn konnte sich die Frage nicht verkneifen.

»Für dich immer noch Seine Lordschaft«, meinte Mickeen schlecht gelaunt und warf ihr einen unfreundlichen Blick zu. Dann fügte er hinzu: »Nein. Auf der Farm. Obwohl Seine Lordschaft und seine Brüder dort geboren wurden und seine Mutter dort starb. Genau wie der alte Lord, aus dem Fuinneog an Mhurdair, damals, als Donoughmore in Brand gesetzt wurde.«

»Dem was? Fuen ...og?« Caitlyn hätte sich so gerne in würdevolles Schweigen gehüllt, aber sie war so fasziniert, daß sie sich nicht zurückhalten konnte.

»Du kannst also kein Gälisch«, sagte er, als ob er sich das schon gedacht hätte. »Das Fuinneog an Mhurdair. Das Mörderfenster. Wird so genannt, weil der alte Lord aus ihm in den Tod gestürzt wurde.«

»Er wurde ermordet?« fragte Willie aufgeregt.

»Ja, wegen des Landes. Diese dreimal verdammten Gesetze verbieten einem Anhänger der wahren Kirche, Land zu besitzen. Der alte Earl gehörte zur wahren Religion, und auch seine Frau hatte diesen Glauben angenommen. Aber ihre Mutter, Lady Ferman, gehörte zu den Anglikanern, und sie nützte ihren Einfluß, um zu verhindern, daß Donoughmore beschlagnahmt wurde. Sie starb wenige Tage, bevor der alte Earl ermordet wurde. Wahrscheinlich dachten sie, es wäre einfacher, einem kleinen Jungen das Land zu stehlen als einem alten Fuchs wie dem Earl. Aber der hatte das schon vorausgesehen. Also ließ er Seine Lordschaft, den jetzigen Earl, als Protestanten eintragen und erziehen, obwohl es ihm fast das Herz brach. Ja, der alte Earl liebte sein Land mehr als seinen Gott, und jetzt bezahlt er sicherlich dafür. Aber Donoughmore gehört immer noch den d’Arcys, wie schon seit Brian Borus Zeiten, und ich schätze, der alte Earl würde sagen, das sei die Höllenqualen schon wert.«

»Wer hat den alten Earl denn ermordet?« fragte Caitlyn.

»Ah, das wissen wir nicht, obwohl es ein paar ... Aber wenn Seine Lordschaft es sicher wüßte, hätte er seinen Vater schon längst gerächt. Und wäre dafür wahrscheinlich gehängt worden. Also ist es ganz gut, daß wir es nicht wissen.«

»Und wer hat das Schloß in Brand gesetzt?«

»Auch das wissen wir nicht so genau. Wir wurden im Schlaf überrascht, wißt ihr, und diese anglikanischen Feiglinge trugen Masken. Sie versuchten uns auszuräuchern. ›Tod den Baptisten!‹ schrien sie, während sie töteten und zerstörten. Sie haben den alten Earl ermordet und viele andere, die es sahen, aber nicht, ehe er seine Söhne in Sicherheit schicken konnte. Wahrscheinlich wollten sie die Kinder auch umbringen, aber das ist ihnen nicht gelungen. Seine Lordschaft war damals erst zwölf, aber er hat sich um seine kleinen Brüder gekümmert, in jener Nacht und der Zeit danach. Seit dreizehn Jahren ist er jetzt Vater und Mutter für sie, und aus ihnen sind stattliche junge Männer geworden, wenn sie auch ihre Sorgen haben. Aye, aber den möchte ich sehen, der Seiner Lordschaft heute noch sein Land wegnehmen könnte.«

»Aber ...«

»Pfui, ihr zwei plappert ja wie Eichhörnchen.« Aber der böse Blick, den er ihnen zuwarf, galt dieses Mal nicht ihnen. Er drückte nur Mickeens Wut aus auf die maskierten Protestanten, die nachts auszogen, um die irischen Katholiken mit ihren blutigen Anschlägen das Fürchten zu lehren. Aber auch die Iren hatten ihre Banden, die ›Strohmänner‹. Sie hießen so, weil die ärmeren Iren sich natürlich keine großartige Verkleidung leisten konnten. Darum tarnten sie sich mit Stroh, und sie sahen wie wandelnde Strohgarben aus. Caitlyn hatte sie einmal gesehen, als sie auf Dublin Castle marschiert waren. Sie war damals noch klein gewesen, aber es hatte einen bleibenden Eindruck auf sie gemacht.

Als der Wagen weiterrumpelte, sah Caitlyn, daß das Gebäude tatsächlich nicht mehr als eine ausgebrannte Ruine war. In seinem grasbewachsenen Innenhof weideten Schafe, und in einem der vier Türme klaffte ein großes Loch. Caitlyn blickte schaudernd zu den schmalen, hoch über dem Erdboden angebrachten Fenstern auf und fragte sich, welches wohl das Fuinneog an Mhurdair war. Die vom Feuer schwarzgefärbten Steine zeugten noch von jener schrecklichen Nacht. Als der Wagen weiterfuhr, sah sie, daß gegen die Rückseite der Burg Hütten lehnten. Dort wohnten wahrscheinlich die Leute, die auf der Farm arbeiteten. Frauen saßen in den offenen Türen und beobachteten ihre kleinen Kinder beim Spielen. Schafe grasten auf dem Hügel, der sich zum Boyne neigte; eine niedrige Steinmauer unterteilte die Wiese, dahinter waren Arbeiter beim Torfstechen.

»Ist das hier die Farm?« fragte Willie leise. Offensichtlich hatte ihn Mickeens Erzählung genauso tief beeindruckt wie Caitlyn.

Mickeens Gesicht wurde bitter, als er auf das Bild, das vor ihnen lag, starrte. »Aye. Die Farm. Connor d’Arcy, Nachkomme des ersten Königs von Irland, wahrer Sohn Taras, Lord Earl of Iveagh, ein Schafzüchter! Sein Vater würde sich im Grab umdrehen. Aber wie sagt man so schön: Wenn einer vom Teufel getrieben wird, macht er vor nichts mehr halt. Und daß der Teufel Seine Lordschaft treibt, das steht fest.«

Caitlyn schauderte, und sie dachte an seine Augen. Wenn er tatsächlich vom Teufel besessen war, dann saßen Willie und sie ganz schön in der Patsche. Da war sie knapp dem Henker entkommen, nur um dafür im ewigen Höllenfeuer zu braten. Sie warf einen Blick auf ihre Reisegefährten, aber keiner der beiden beachtete sie. Schnell bekreuzigte sie sich und hoffte, daß das als Schutz genügen würde.

Der Blick auf den Boyne war überwältigend. Wie eine silberne Peitschenschnur zog er sich durch das Tal und trennte das Land der d’Arcys von dem Waldgebiet, das dahinter lag. Sein stetes Rauschen, das Blöken der Schafe und das rhythmische Geräusch der Sensen untermalten die Szenerie vor ihnen.

Erst als sie weiter bergab, auf den Fluß zufuhren, bemerkte Caitlyn das Herrenhaus. Es stand geschützt zwischen uralten Eichen. Verglichen mit dem Schloß wirkte es klein und bescheiden, aber als sie näherkamen, merkte Caitlyn, daß es doch ganz beachtlich war. Es hatte zwei Stockwerke und war aus solidem Stein gebaut. Hinter dem Haus standen zwei Scheunen und ein kleinerer Schuppen. Vor den Scheunen kratzten Hühner, und auf der Treppe zum Haus putzte sich eine Tigerkatze. Seitlich neben dem Haus lag ein schlafender Hund. Die Farm wirkte ordentlich und gepflegt, und Caitlyn gefiel sie auf Anhieb.

Als sie sich dem Haus näherten, kam der Hund schwerfällig auf die Beine, bellte und wedelte mit dem Schwanz. Die Katze sah auf und verschwand.

Die zwei Männer, die auf einem frisch umgegrabenen Stück Land zwischen dem Haus und der ersten Scheune standen, blickten auf. Angewidert warf einer von den beiden den Stock weg, mit dem er ein davon wenig beeindrucktes Schaf bearbeitet hatte, und kam auf sie zu. Der andere versuchte inzwischen weiter, die blökenden Kreaturen von dem Land zu verscheuchen, aber ohne Erfolg. Offensichtlich waren ein paar Schafe in den Küchengarten eingedrungen, und die beiden Männer hatten es nicht geschafft, sie wieder zu vertreiben. Der eine Mann kam näher, und Caitlyn hatte den Eindruck, daß er ganz froh war, dieser mühsamen Aufgabe zu entkommen.

»Mickeen! Gott sei Dank bist du wieder da. Vielleicht schaffst du es, diese blöden Biester aus dem Garten zu bekommen. Rory und ich haben einfach kein Glück damit. Connor kann jeden Moment aus dem Stall kommen, und dann macht er uns die Hölle heiß. Du weißt ja, er ist der Meinung, daß jeder ein geborener Schafzüchter ist – man muß sich nur bemühen.«

»Und damit hat er wahrscheinlich auch recht. Weder du noch dein Bruder schenken der Schafzucht die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Und wenn Schafe für Seine Lordschaft gut genug sind, dann solltest du auch nichts daran auszusetzen haben, Cormac d’Arcy.«

Caitlyn dachte daran, wie traurig Mickeen es gefunden hatte, daß seine Lordschaft zum Schafzüchter gesunken war, und mußte über seine Standpauke grinsen. Als Mickeen mühsam vom Wagen kletterte, wandte der junge Mann seine Aufmerksamkeit ihr und Willie zu.

»Wen haben wir denn da?« Er war einen halben Kopf größer als Mickeen, aber man merkte ihm an, daß er noch nicht ausgewachsen war. Seine dunklen Locken, nachlässig im Nacken zusammengebunden, wiesen ihn als einen Bruder des Lords aus.

Mickeen warf einen mißmutigen Blick zurück. »Ich weiß nicht, wie sie heißen. Dein Bruder hatte Mitleid mit ihnen, er hat sie in Dublin aufgelesen. So wie es aussieht, haben wir hier bald auch noch ein verdammtes Waisenhaus.«

»Ich bin Willie Laha.« Willie sprang vom Wagen und sah erwartungsvoll zu Cormac d’Arcy auf. »Wir sollen hier als Knechte anfangen.«

Caitlyn stieg langsam vom Wagen und musterte ihren Freund skeptisch. Er floß ja buchstäblich über vor Dankbarkeit. Sie traute diesen Leuten nicht, auch nicht Seiner Lordschaft, trotz Mickeens rührender Geschichte. Diese Menschen waren Fremde, warum sollten sie mit ihr oder Willie teilen? Nach ihrer Erfahrung versuchte jeder zu behalten, was er hatte. Also warum?

»Und wie ist dein Name?« fragte Cormac sie. Ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen, und seine Augen schienen immer zu lachen. Sie gab keine Antwort, sondern musterte ihn düster. Solch offene Freundlichkeit machte sie erst recht mißtrauisch.

»Das ist O’Malley. Er ist etwas aufbrausend, aber sonst ein guter Kerl«, sagte Willie und gab ihr einen Stoß in die Rippen. Caitlyn warf ihm einen Blick zu, der ihn fast für immer zum Schweigen gebracht hätte.

»Ich kann für mich selbst sprechen«, sagte sie und musterte Cormac herausfordernd. Sie schätzte ihn etwa zwei Jahre älter, als sie es war, also auf siebzehn. Als er ihren Blick bemerkte, zog er die Augenbrauen hoch und pfiff spöttisch. Caitlyn schmollte.

»Seine Lordschaft muß vorübergehend geistig umnachtet gewesen ein, mehr kann ich dazu nicht sagen. Der da ist ein richtiger Hitzkopf«, grummelte Mickeen und spuckte auf den Boden. Dann meinte er zu Cormac: »Komm, laß uns die Schafe aus dem Garten treiben, ehe Connor sieht, was passiert ist.«

Er ging voraus, und Cormac folgte ihm. Mickeen sagte über die Schulter zu ihnen: »Ihr könnt genausogut mitkommen und euch nützlich machen. Hat keinen Sinn, daß ihr hier herumhängt.«

Willie eilte ihm nach. Caitlyn folgte ihm langsam. Sie hatte den nagenden Verdacht, daß sich zu allen ihren Sorgen noch eine weitere gesellt hatte. Sie hatte das deutliche Gefühl, daß sie Schafe nicht ausstehen konnte.

Als sie zu dem kleinen, von einer niedrigen Mauer umgebenen Garten kam, hatten die anderen die Schafe bereits zusammengetrieben und lenkten sie jetzt in Richtung auf das offenstehende Tor. Dahinter befand sich die Wiese, auf der die Schafe sich offensichtlich aufhalten sollten. Als Willie, Cormacs Beispiel folgend, wild die Arme schwenkte, brach eines der Schafe aus und kam laut blökend genau auf Caitlyn zu.

»Du! O’Malley! Halt sie auf! Treib sie zurück!« schrien die anderen ihr zu, als drei weitere Schafe dem Anführer folgten. Caitlyn stand wie angewurzelt, während die Schafe genau auf sie zurannten. Ihr Anführer war ein enormes Biest, und es hatte Hörner.

Genug war genug. Sie hatte nicht vor, Leib und Leben für ein blödes Schaf zu riskieren. Sie versuchte aus dem Weg zu springen, rutschte aber aus und landete mit dem Gesicht voraus im Dreck.

Vor Schreck stockte ihr der Atem; dann bekam sie einen Schlag auf die Schulter. Das blöde Schaf war direkt über sie drübergelaufen. Sie stieß einen Schmerzensschrei aus, und ihr Mund füllte sich mit schwarzem Schlamm.

Als sie schlammspuckend hochkam, standen die vier da und lachten aus vollem Hals. Caitlyn fühlte, wie die Wut in ihr aufstieg. Sie lachten über sie, Caitlyn O’Malley! Sogar das dämliche Schaf, das mit seinen drei Kameraden in der anderen Ecke stand, schien zu lachen, als es den Kopf schüttelte.

»Ach, ihr wollt euch also über mich lustig machen?« Sie kam auf die Füße und schüttelte die Hände; Schlammbrocken flogen durch die Gegend. Sie fuhr sich übers Gesicht, aber damit verteilte sie nur den Dreck. Sie war von oben bis unten voller schwarzem Schlamm, und sie kochte innerlich. Am liebsten hätte sie die vier erwürgt. Sie ballte die Fäuste und griff an.

»Vorsicht! Paßt auf!« Immer noch lachend, spritzten die vier auseinander. Caitlyn verfolgte Cormac, der am lautesten lachte. Er floh im Zickzack, von Lachen gebeutelt. Caitlyn machte einen Satz; sie erwischte Cormac um die Hüfte und riß ihn mit sich zu Boden. Er lachte so heftig, daß er fast wehrlos war. Auf den Bauch gerollt, hielt er die Arme schützend über den Kopf, während Caitlyn seinen Kopf und Rücken mit den Fäusten bearbeitete.

»Hör auf, O’Malley, aufhören!« Er war größer als Caitlyn, aber sein Lachanfall hinderte ihn an einer wirkungsvollen Gegenwehr, und Caitlyn war in den Jahren auf der Straße hart geworden. Die Schläge, die sie austeilte, waren nicht von schlechten Eltern, aber alles, was Cormac tat, war zu lachen und seinen Kopf vor ihren Hieben zu schützen. Das machte sie noch wütender.

Mickeen kam mit einem Stock in der Hand auf sie zugestürzt. »Hör jetzt auf, O’Malley, hörst du? Hör sofort auf!«

Caitlyn wußte, wenn er sie erwischte, würde sie Schläge beziehen, aber es war ihr egal. Rory balancierte auf der Steinmauer und lachte fast noch mehr als sein Bruder. Willie am anderen Ende des Gartens bekam plötzlich einen ängstlichen Gesichtsausdruck.