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Feuchtwangers weltberühmter Familienroman
Sie sind erfolgreich und angesehen: Gustav, der Schriftsteller und Seniorchef, Martin, der Geschäftsmann, und Edgar, der Arzt. Doch dann ist das Unfassbare eingetreten: Die Nazis haben ihr Regime mit Mord und Brand errichtet. Den Oppermanns entgleitet die Heimat. Sie müssen ihre Häuser und ihre Freunde verlassen, denn sie sind jüdischer Abstammung.
»Die wirkungsvollste, meistgelesene erzählerische Darstellung der deutschen Kalamität.« Klaus Mann
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Seitenzahl: 561
Schlüsselroman über das Leben deutscher Emigranten
Wie viele »Unpolitische« verkannten die Oppermanns des Charakter der braunen Barbaren. Gustav, Publizist, flieht erst nach dem Reichstagsbrand. Martin, Chef des angestammten Möbelhauses, wird verhaftet, Edgar, der jüngste Bruder, von SA-Leuten aus der Klinik gejagt. Sie und andere Angehörige können sich später retten, aber Berthold, Martins einziges Kind, treibt ein Nazilehrer in den Freitod. Zum politischer Widerstand entschlossen, kehrt Gustav illegal nach Deutschland zurück. Sein hoffnungsloser Versuch endet im Konzentrationslager.
Lion Feuchtwanger schrieb diesen ersten Roman über die Judenverfolgung im Dritten Reich hellsinnig bereits im Spätsommer 1933, als ein Holocaust im aufgeklärten 20. Jahrhundert noch jede menschliche Vorstellungskraft überstieg.
Lion Feuchtwanger
Die GeschwisterOppermann
Roman
Inhaltsübersicht
Informationen zum Buch
Erstes Buch – Gestern
Zweites Buch – Heute
Drittes Buch – Morgen
Zu diesem Band
Über Lion Feutwanger
Impressum
Das Menschenpack fürchtet sich vor nichts mehr als dem Verstand. Vor der Dummheit sollten sie sich fürchten, wenn sie begriffen, was fürchterlich ist.
Goethe
Als Dr. Gustav Oppermann an diesem 16. November, seinem fünfzigsten Geburtstag, erwachte, war es lange vor Sonnenaufgang. Das war ihm unangenehm. Denn der Tag wird anstrengend werden, und er hatte sich vorgenommen, gut auszuschlafen.
Von seinem Bett aus unterschied er ein paar karge Baumwipfel und ein Stück Himmel. Der Himmel war hoch und klar, kein Nebel war da wie sonst oft im November.
Er streckte und dehnte sich, gähnte. Riß, nun er einmal wach war, mit Entschluß die Decke des breiten, niedrigen Bettes zurück, schwang elastisch beide Beine heraus, stieg aus der Wärme der Laken und Decken in den kalten Morgen, ging hinaus auf den Balkon.
Vor ihm senkte sich sein kleiner Garten in drei Terrassen hinunter in den Wald, rechts und links hoben sich waldige Hügel, auch jenseits des ferneren, baumverdeckten Grundes stieg es nochmals hügelig und waldig an. Von dem kleinen See, der unsichtbar links unten lag, von den Kiefern des Grunewalds wehte es angenehm kühl herauf. Tief und mit Genuß, in der großen Stille vor dem Morgen, atmete er die Waldluft. Fernher kam gedämpft das Schlagen einer Axt; er hörte es gern, das gleichmäßige Geräusch unterstrich, wie still es war. Gustav Oppermann, wie jeden Morgen, freute sich seines Hauses. Wer, wenn er unvorbereitet hierher versetzt wurde, konnte ahnen, daß er nur fünf Kilometer von der Gedächtniskirche entfernt war, dem Zentrum des Berliner Westens? Wirklich, er hat sich für sein Haus den schönsten Fleck Berlins ausgesucht. Hier hat er jeden nur wünschbaren ländlichen Frieden und dennoch alle Vorteile der großen Stadt. Es sind erst wenige Jahre, daß er dies sein kleines Haus an der Max-Reger-Straße gebaut und eingerichtet hat, aber er fühlt sich verwachsen mit Haus und Wald, jede von den Kiefern ist ein Stück von ihm; er, der kleine See und die sandige Straße dort unten, die glücklicherweise für Autos gesperrt ist, das gehört zusammen.
Er stand eine Weile auf dem Balkon, den Morgen und die vertraute Landschaft ohne viel Gedanken einatmend. Dann begann er zu frösteln. Freute sich, daß er bis zu seinem täglichen Morgenritt noch eine kleine halbe Stunde Zeit hatte. Kroch zurück in die Wärme seines Bettes.
Allein er fand keinen Schlaf. Dieser verdammte Geburtstag. Es wäre doch klüger gewesen, er wäre von Berlin fortgereist und hätte sich dem ganzen Trubel entzogen.
Nun er einmal hier war, hätte er wenigstens seinem Bruder Martin den Gefallen tun können, heute ins Geschäft zu gehen. Die Angestellten, wie sie schon sind, werden gekränkt sein, daß er ihre Glückwünsche nicht persönlich entgegennimmt. Ach was. Es ist zu ungemütlich, dazuhocken und sich die verlegenen Glückwünsche der Leute anzuhören.
Ein richtiger Seniorchef müßte so was freilich in Kauf nehmen. Seniorchef. Quatsch. Martin ist nun einmal der beßre Geschäftsmann, von Schwager Jacques Lavendel und den Prokuristen Brieger und Hintze ganz zu schweigen. Nein, es ist schon richtiger, daß er sich dem Geschäft so fern wie möglich hält.
Gustav Oppermann gähnt geräuschvoll. Ein Mann in seiner Situation hätte eigentlich die verdammte Pflicht, an seinem fünfzigsten Geburtstag besser aufgelegt zu sein. Sind diese fünfzig Jahre nicht gute Jahre gewesen? Da liegt er, Besitzer eines schönen, seinem Geschmack angepaßten Hauses, eines stattlichen Bankkontos, eines hochwertigen Geschäftsanteils, Liebhaber und geschätzter Kenner von Büchern, Inhaber des Goldenen Sportabzeichens. Seine beiden Brüder und seine Schwester mögen ihn, er hat einen Freund, dem er vertrauen kann, zahllose erfreuliche Bekannte, Frauen, soviel er will, eine liebenswerte Freundin. Was denn? Wenn einer Ursache hat, an einem solchen Tag guter Laune zu sein, dann er. Warum, verflucht noch eins, ist, er’s nicht? Woran liegt es?
Gustav Oppermann schnaubt verdrießlich, wirft sich auf die andere Seite, klappt entschlossen die schweren Lider über die Augen, hält den großen, fleischigen, männlichen Kopf unbewegt auf dem Kissen. Er wird jetzt schlafen. Aber der ungeduldige Entschluß nützt nichts, er findet keinen Schlaf.
Er lächelt spitzbübisch, jungenhaft. Er wird es mit einem Mittel versuchen, das er seit seiner Jugend nicht angewandt hat. Es geht mir gut, besser, am besten, denkt er. Und immer wieder mechanisch: Es geht mir gut, besser, am besten. Wenn er das zweihundertmal gedacht hat, wird er eingeschlafen sein. Er denkt es dreihundertmal und ist nicht eingeschlafen. Dabei geht es ihm doch wirklich gut. Gesundheitlich, wirtschaftlich, seelisch. Er hat, das darf er wohl sagen, mit seinen fünfzig Jahren das Aussehen eines frühen Vierzigers. Und so fühlt er sich. Er ist nicht zu reich und nicht zu arm, nicht zu weise und nicht zu töricht. Leistungen? Der Dichter Gutwetter wäre nie durchgedrungen ohne ihn. Das ist schon einiges. Auch dem Dr. Frischlin hat er auf die Beine geholfen. Was er selber publiziert hat, die paar Schriften über Männer und Bücher des achtzehnten Jahrhunderts, es sind saubere Bücher eines musischen Menschen, nicht mehr, er macht sich nichts vor. Immerhin, für den Seniorchef eines Möbelhauses ist es allerhand. Er ist ein Mann mittleren Formats, ohne besondere Begabung. Das Mittlere ist das Beste. Er ist nicht ehrgeizig. Oder doch nicht sehr.
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