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Mit den Freiheiten eines historischen Romans erzählt Feuchtwanger das Leben des jüdischen Geschichtsschreibers Flavius Josephus (37 - 100 u.Z.), der vom brennenden Ehrgeiz erfüllt ist, beides zu sein: Jude und Römer, Israelit und Weltbürger. Doch die Gegensätze drohen ihn zu zerreißen und zerstören seine Familie. Er verläßt das einst so umworbene Rom und kehrt zurück an seinen Ursprung ...
Diese spannungsvolle Trilogie gehört in die erste Reihe der Weltliteratur.
"Feuchtwanger macht süchtig." Süddeutscher Rundfunk.
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Seitenzahl: 2185
Lion Feuchtwanger
Die Josephus-Trilogie
Roman in drei Bänden
»Der jüdische Krieg«
»Die Söhne«
»Der Tag wird kommen«
Textgrundlage:
Lion Feuchtwanger, Gesammelte Werke in Einzelbänden,
Band 2–4 (Josephus-Trilogie),
Aufbau-Verlag GmbH, Berlin 1991
Die »Josephus«-Trilogie umfasst die Romane
Der jüdische Krieg
Die Söhne
Der Tag wird kommen
Aufbau Digital,
veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, Mai 2013
© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin
Die Originalausgabe erschien 1959 bei Aufbau-Verlag Berlin
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.
ISBN 978-3-8412-0619-0
Umschlaggestaltung Anika Wien unter Verwendung eines Motivs von © asimetric / iStockphoto
E-Book Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, www.le-tex.de
www.aufbau-verlag.de
Inhaltsübersicht
Cover
Impressum
»Der jüdische Krieg«
Erstes Buch Rom
Zweites Buch Galiläa
Drittes Buch Cäsarea
Viertes Buch Alexandrien
Fünftes Buch Jerusalem
»Die Söhne«
Erstes Buch Der Schriftsteller
Zweites Buch Der Mann
Drittes Buch Der Vater
Viertes Buch Der Nationalist
Fünftes Buch Der Weltbürger
»Der Tag wird kommen«
Erstes Buch Domitian
Zweites Buch Josef
Zu den Bänden der Josephus-Trilogie
Informationen zum Buch
Informationen zum Autor
Lion Feuchtwanger
Der jüdische Krieg
Roman
Sechs Brücken führten über den Fluß Tiber. Blieb man auf der rechten Seite, dann war man gesichert; hier waren die Straßen voll von Männern, die man schon an ihren Bärten als Juden erkannte; überall sah man jüdische, aramäische Inschriften, und mit einem bißchen Griechisch kam man leicht durch. Aber sowie man eine der Brücken überschritt und sich auf die linke Seite des Tiber wagte, dann war man wirklich in der großen, wilden Stadt Rom, ein Fremder, hoffnungslos allein.
Dennoch schickte Josef den Knaben Cornel, seinen beflissenen kleinen Führer, an der Emiliusbrücke zurück; er wollte endlich allein zurechtkommen, schon um sich seine Eignung und Geschicklichkeit zu beweisen. Der kleine Cornel hätte seinen Fremden gern noch weiter begleitet. Josef schaute ihm nach, wie er zögernd über die Brücke zurückschritt, und unvermittelt, mit scherzhaft liebenswürdigem Lächeln, streckte er, der Jude Josef, den Arm mit der geöffneten Hand aus, grüßte den Knaben auf römische Art, und der Judenknabe Cornel, lächelnd auch er, gab gegen das Verbot des Vaters den Gruß auf römische Art zurück. Dann bog er links ein hinter das hohe Haus, und jetzt war er fort, und jetzt war Josef allein, und jetzt wird sich zeigen, wieweit sein Latein stichhält.
So viel weiß er: hier vor ihm ist der Rindermarkt, und rechts dort ist die Große Rennbahn, und dort irgendwo, auf dem Palatin und dahinter, wo die vielen kribbelnden Menschen sind, baut der Kaiser sein neues Haus, und links hier durch die Tuskerstraße geht es zum Forum, und Palatin und Forum sind das Herz der Welt.
Er hat viel über Rom gelesen, aber es nützt ihm wenig. Der Brand vor drei Monaten hat die Stadt sehr verändert. Er hat gerade die vier Bezirke im Zentrum zerstört, über dreihundert öffentliche Gebäude, an sechshundert Paläste und Einfamilienhäuser, mehrere tausend Miethäuser. Es ist ein Wunder, wieviel diese Römer in der kurzen Zeit schon neu gebaut haben. Er mag sie nicht, die Römer, er haßt sie geradezu, aber das muß er ihnen lassen: Organisationstalent haben sie, sie haben ihre Technik. Technik, er denkt das fremde Wort, denkt es mehrmals, in der fremden Sprache. Er ist nicht dumm, er wird diesen Römern von ihrer Technik etwas abluchsen.
Er schreitet energisch los. Schnuppert neugierig und erregt die Luft dieser fremden Häuser und Menschen, in deren Belieben es steht, ihn hochzuheben oder unten zu halten. Bei ihm zu Hause, in Jerusalem, ist dieser Monat Tischri auch in seiner letzten Woche noch sehr heiß; aber hier in Rom heißt er September, und heute jedenfalls atmet es sich frisch und angenehm. Ein leichter Wind lockert ihm das Haar auf, er trägt es etwas lang für römische Verhältnisse. Eigentlich sollte er überhaupt einen Hut aufhaben; denn es gehört sich für einen Juden in seiner Stellung, im Gegensatz zu den Römern, nur mit bedecktem Kopf auszugehen. Ach was, hier in Rom laufen die meisten Juden genauso barhaupt wie die andern, zumindest wenn sie die Tiberbrücken hinter sich haben. Seine jüdische Gesinnung wird nicht lauer, auch wenn er keinen Hut trägt.
Jetzt steht er vor der Großen Rennbahn. Hier ist alles voll von Trümmerwerk, hier war der Ursprung des Brandes. Immerhin, die Steinteile der Grundform sind intakt. Eine Riesensache, diese Große Rennbahn. Man braucht an die zehn Minuten, um ihre Länge auszuschreiten. Das Stadion in Jerusalem und das in Cäsarea sind wahrhaftig nicht klein, aber vor diesem Bauwerk wirken sie wie Spielzeug.
Im Innern der Rennbahn schichtet es sich, Steine und Holz, es wird gearbeitet. Neugierige treiben sich herum, Kinder, Bummler. Josef hat seine Garderobe noch nicht ganz der Hauptstadt angepaßt; dennoch, wie er so einherschlendert, jung, schlank, stattlich, mit Augen, die nach allem greifen, wirkt er elegant, nicht knauserig, ein Herr. Man drängt sich an ihn, bietet ihm Amulette an, Reiseandenken, eine Nachahmung des Obelisk, der fremd und feierlich in der Mitte der Rennbahn steht. Ein autorisierter Fremdenführer will ihm alle Einzelheiten zeigen, die kaiserliche Loge, das Modell des Neubaus. Aber Josef winkt mit gespielter Lässigkeit ab. Er steigt allein herum zwischen den Steinbänken, als sei er hier bei den Rennen ständiger Zuschauer gewesen.
Das hier unten sind offenbar die Bänke der Hocharistokratie, des Senats. Niemand wehrt ihm, sich auf einen dieser vielbegehrten Sitze niederzulassen. Man sitzt gut hier in der Sonne. Er lockert seine Haltung, stützt den Kopf in die Hand, schaut blicklos nach dem Obelisk in der Mitte.
Eine bessere Zeit für sein Vorhaben als diese Monate jetzt nach dem großen Brand hätte er nicht erwischen können. Die Leute sind gut aufgelegt, empfänglich. Die Energie, mit der der Kaiser sich an den Wiederaufbau der Stadt gemacht hat, wirkt belebend auf alle. Überall regt es sich, ringsum ist Zuversicht und Geschäft, helle, frische Luft, sehr anders als die schwierige, stickige Atmosphäre Jerusalems, in der er nicht weiterkam.
In der Großen Rennbahn, auf der Bank des Senats, in der angenehmen Sonne dieses faulen Frühnachmittags, inmitten des Lärms des wieder aufzubauenden Rom überprüft Josef leidenschaftlich und doch kühl wägend seine Chancen. Er ist sechsundzwanzig Jahre alt, er hat alle Voraussetzungen einer großen Laufbahn, Herkunft aus adligem Haus, gründliche Bildung, staatsmännisches Geschick, rasenden Ehrgeiz. Nein, er will nicht in Jerusalem versauern. Er ist seinem Vater dankbar, daß der an ihn glaubt und ihm erwirkt hat, daß man ihn nach Rom schickte.
Seine Mission hier ist allerdings recht fragwürdig. Juristisch betrachtet, hat der Große Rat von Jerusalem weder Anlaß noch Legitimation, in dieser Sache einen Sondergesandten nach Rom abzuordnen. Josef hat auch aus allen Winkeln seines Hirns Argumente zusammenkratzen müssen, bis die Herren in Jerusalem zögernd nachgaben.
Also: die drei Mitglieder des Großen Rats, die der Gouverneur Anton Felix vor nunmehr zwei Jahren als Aufrührer an das Kaiserliche Tribunal nach Rom geschickt hat, sind zu Unrecht zu Zwangsarbeit verurteilt. Gewiß, die drei Herren waren in Cäsarea gewesen, als dort die Juden während der Wahlunruhen die kaiserlichen Insignien vor der Residenz des Gouverneurs herunterholten und zerbrachen: aber sie selber hatten sich an dem aufrührerischen Akt nicht beteiligt. Wenn der Gouverneur gerade diese drei hochgestellten Greise herausgegriffen hatte, so war das Willkür gegen Unschuldige, ein skandalöser Übergriff, eine Beleidigung des gesamten jüdischen Volkes. Josef sah hier die ersehnte große Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Er hat neue Zeugen für die Unschuld der drei aufgetrieben, er hofft, am kaiserlichen Hof ihre Rehabilitierung oder wenigstens ihre Begnadigung durchzusetzen.
Die römischen Juden freilich, das hat er gemerkt, werden sich nicht übermäßig anstrengen, ihm bei seiner Mission zu helfen. Der Möbelfabrikant Cajus Barzaarone, Präsident der Agrippenser-Gemeinde, bei dem er wohnt und an den er gute Empfehlungen seines Vaters mitbringt, hat ihm in Andeutungen, schlau, wohlwollend und vorsichtig die Situation erklärt. Den hunderttausend Juden in Rom geht es nicht schlecht. Sie leben in Frieden mit der übrigen Bevölkerung. Sie sehen mit Unbehagen, wie in Jerusalem die nationale, Rom feindliche Partei der »Rächer Israels« zu immer größerem Einfluß kommt. Sie denken gar nicht daran, ihre angenehme Lage zu gefährden, indem sie sich einmengen in die ständigen Reibereien der Jerusalemer Herren mit Rom und der kaiserlichen Verwaltung. Nein, das Wesentliche wird Josef selber schaffen müssen.
Vor ihm schichtete es sich, Stein und Holz, Ziegel, Säulen, Marmor jeder Farbe. Das Bauwerk stieg empor, sichtbarlich fast. Wenn er nach einer halben Stunde oder einer Stunde hier weggeht, dann wird es gewachsen sein, nicht um viel, um ein Tausendstel vielleicht seines bestimmten Maßes, aber eben das genaue für diese Stunde bestimmte Maß wird erreicht sein. Aber auch er hat etwas erreicht in dieser Zeit. Sein Drang nach vorwärts ist heißer geworden, brennender, unwiderstehlich. Jeder Schlag, jedes Hämmern und Sägen, das von den Bauleuten herdringt, schlägt, hämmert, sägt an ihm, während er scheinbar gelassen, ein Bummler wie die vielen andern, in der Sonne hockt. Er wird viel zu schaffen haben, bis er seine drei Unschuldigen aus dem Kerker herausholt, aber er wird es schaffen.
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