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Lion Feuchtwanger

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Beschreibung

Ein packender Zeitroman. Der Münchner Museumsdirektor Martin Krüger hat sich unbeliebt gemacht. Er hat Gemälde gekauft, die nicht allen gefallen. Einige Leute wären ihn gerne los. Der Meineidprozess, den man ihm anhängt, geht deshalb auch nicht gut für ihn aus und er landet im Gefängnis. Doch er hat Freunde, die seine Unschuld zu beweisen versuchen ... "Der Roman ›Erfolg‹ ist mehr als nur ›das Buch Bayern‹, er weitet sich zu einer Geschichte der allgemeinen deutschen Zustände in der Epoche des beginnenden Nazismus aus." Victor Klemperer.

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Seitenzahl: 1282

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Lion Feuchtwanger

Erfolg

Drei Jahre Geschichteeiner Provinz

Roman

Impressum

Mit einer Nachbemerkung von Gisela Lüttig

Textgrundlage:

Lion Feuchtwanger, Gesammelte Werke in Einzelbänden,

Band 6, Aufbau-Verlag GmbH, Berlin 1993

Die „Wartesaal“-Trilogie umfasst die Romane

Erfolg

Die Geschwister Oppermann

Exil

ISBN 978-3-8412-0616-9

Aufbau Digital,

veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, Februar 2013

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Bei Aufbau erstmals 1948 erschienen; Aufbau ist eine

Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.

Umschlaggestaltung capa design, Anke Fesel

unter Verwendung eines Fotos von ullstein bild

E-Book Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, www.le-tex.de

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Innentitel

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Informationen zum Autor

Impressum

Inhaltsübersicht

Erstes Buch - Justiz

1. Josef und seine Brüder

2. Zwei Minister

3. Der Chauffeur Ratzenberger und die bayrische Kunst

4. Kurzer Rückblick auf die Justiz jener Jahre

5. Herr Hessreiter demonstriert

6. Das Haus Katharinenstraße 94 sagt aus

7. Der Mann in Zelle 134

8. Rechtsanwalt Dr. Geyer stellt anheim

9. Politiker der bayrischen Hochebene

10. Der Maler Alonso Cano (1601–1667)

11. Der Justizminister fährt durch sein Land

12. Briefe aus dem Grab

13. Eine Stimme aus dem Grab und viele Ohren

14. Die Zeugin Krain und ihr Gedächtnis

15. Herr Hessreiter diniert am Starnberger See

16. Ein Schlafzimmer wird berochen

17. Ein Brief aus Zelle 134

18. Gnadengesuche

19. Ein Plädoyer und eine Stimme aus der Luft

20. Ein paar Rowdys und ein Herr

Zweites Buch - Betrieb

1. Ein Waggon der Untergrundbahn

2. Einige abwegige Bemerkungen über Gerechtigkeit

3. Besuch im Zuchthaus

4. Der Fünfte Evangelist

5. Fundamentum regnorum

6. Eine Legitimation muß sein

7. Herr Hessreiter diniert in München

8. Randbemerkungen zum Fall Krüger

9. Ein graubrauner Bräutigam

10. Ein Brief im Schnee

11. Die Puderdose

12. Tamerlans lebendige Mauer

13. Tod und Verklärung des Chauffeurs Ratzenberger

14. Einige historische Daten

15. Der Komiker Hierl und sein Volk

16. Die Hochzeit von Odelsberg

17. Der Reliquienschrein des Cajetan Lechner

18. Eine keramische Fabrik

19. David spielt vor König Saul

20. Und dennoch: es ist nichts faul im Staate Bayern

21. Die Funktion des Schriftstellers

22. Der Chauffeur Ratzenberger im Fegefeuer

23. Die Nachtwandler

Drittes Buch - Spaß. Sport. Spiel

1. Stierkampf

2. Ein Bayer in Paris

3. Kasperl im Klassenkampf

4. Projekt einer Katzenfarm

5. Klenk ist Klenk und schreibt sich Klenk

6. Hundemasken

7. Sechs Bäume werden ein Garten

8. Von der Würde

9. Einhundertfünfzig Fleischpuppen und ein Mensch

10. Bayrische Lebensläufe

11. Sieht so ein Mörder aus?

12. Ein König im Herzen seines Volkes

13. Bayrische Patienten

14. Johanna Krain zieht sich für ein Fest an

15. Das Apostelspiel in Oberfernbach

16. Kasperl und der Torero

17. Konsultation in Gegenwart eines Unsichtbaren

18. Für einen jeden sein Spinnerts

19. Der Mann am Schalthebel

20. Von der Demut

21. Herr Hessreiter diniert in Berlin

22. Johanna Krain lacht ohne Grund

23. Vorkriegsvater und Nachkriegssohn

24. Johanna Krain badet in dem Fluß Isar

25. Die Bilder des Erfinders Brendel-Landholzer

26. Vom Glück der Unpersönlichkeit

Viertes Buch - Politik und Wirtschaft

1. Panzerkreuzer Orlow

2. Der Steinbock

3. Leben auf dem Lande

4. Das Land Altbayern

5. Von den sieben Stufen menschlicher Freude

6. Der Dollar schaut ins Land

7. Guten Abend, Ratte

8. Noch vor der Baumblüte

9. Aus der Geschichte der Stadt München

10. Die Tarnkappe

11. Der nordische Gedanke

12. Gescheit oder dumm: meine Heimatstadt

13. Der Handschuh

14. Bevölkerungspolitik

15. Gedenket des Bäckergesellen

16. Von der Fairneß

17. Kaspar Pröckl verbrennt Das Bescheidene Tier

18. Einer klettert am Gitter seines Käfigs

19. Der unsichtbare Käfig

20. Der Fluß Ruhr

21. Herr Hessreiter diniert zwischen Vlissingen und Harwich

22. Charakterköpfe

23. Caliban

24. Ein Brief in der Nacht

25. C + M + B

26. Johanna Krain und ihre Maske

27. Rechtsanwalt Geyer schreit

28. Zeichen am Himmel

29. Die Baumblüte

30. Franz Flauchers gewünschte Stunde

31. Ein Silberstreif

32. De profundis

Fünftes Buch - Erfolg

1. Polfahrt

2. Die Toten sollen das Maul halten

3. Deutsche Psychologie

4. Opus ultimum

5. Der Marschall und sein Trommler

6. Coriolan

7. Nordische List gegen nordische List

8. Cajetan Lechners rauhester Tag

9. Zufall und Notwendigkeit

10. Eine Wette kurz vor dem Morgen

11. Wie das Gras verwelkt

12. Der wasserlassende Stier

13. Johanna Krains Museum

14. Herr Hessreiter diniert im Juchhe

15. Kaspar Pröckl verschwindet gegen Osten

16. Die Familie Lechner kommt hoch

17. Seid ihr noch alle da?

18. Jacques Tüverlin erhält einen Auftrag

19. Die Welt erklären heißt die Welt verändern

20. Otto Klenks Erinnerungen

21. Die Tante Ametsrieder greift ein

22. Das Buch Bayern

23. Ich hab’s gesehen

Information

Zu diesem Band

Erstes BuchJustiz

1Josef und seine Brüder

In der staatlichen Sammlung moderner Meister in München hing im ersten Jahr nach dem Krieg mehrere Monate hindurch im Saal VI ein großes Gemälde, vor dem sich oft Leute ansammelten. Es stellte dar einen kräftigen Mann in mittleren Jahren, der, ein starkes Lächeln um die festen Lippen, aus langen, tiefliegenden Augen auf eine Schar von Männern schaute, die gekränkt vor ihm standen. Es waren ältere Männer von gehaltenem Aussehen, die Gesichter verschieden: offen, verkniffen, gewalttätig, behaglich. Eines aber hatten alle gemeinsam. Sie standen fest und satt da, bieder, überzeugt von sich und ihrer Sache. Es war offenbar ein übler Mißgriff vorgekommen, so daß sie mit Recht beleidigt, ja erbittert waren. Nur ein ganz junger Mensch unter ihnen, trotzdem ihn die Polizisten im Hintergrund besonders scharf beobachteten, hatte nicht diese gekränkte Miene. Vielmehr schaute er aufmerksam und vertrauend auf den Mann mit den langen Augen, der hier sichtlich als Herr und Richter fungierte.

Die Menschen des Bildes und ihre Erlebnisse muteten bekannt an und fremd zugleich. Ihre Kleider konnten auch heute getragen werden, doch war mit Sorgfalt alles Modische vermieden, so daß man nicht erkannte, welchem Volk und welcher Zeit sie angehörten. Suchte man im Katalog nach dem Bild, so fand man unter Nummer 1437 als den Maler einen Franz Landholzer, als Bezeichnung des Bildes:

Josef und seine Brüder

oder: Gerechtigkeit

(310 x 190)

Von dem Maler Franz Landholzer waren andere Werke nicht bekannt. Der Erwerb des Bildes durch den Staat hatte Lärm gemacht. Der Maler war nicht sichtbar geworden. Er sei ein Sonderling, hieß es, lebe vagabundierend auf dem Land, habe unangenehme, aggressive Manieren.

Die zünftige Kritik hatte mit dem Bild nicht viel anzufangen gewußt. Es war schwer einzuregistrieren. Ein Rest von Dilettantismus, von Nichtroutine war unverkennbar, schien mit Absicht ans Licht gestellt. Die seltsam außermodische, klobige Art der Malerei, trotzdem sie so wenig sensationell war wie der Gegenstand, brachte manchen Kritiker auf. Auch der Untertitel »Gerechtigkeit« wirkte aggressiv. Die konservativen Blätter lehnten ab. Die Neuerer verteidigten das Werk, ohne Schwung.

Ehrliche sprachen aus, daß die fraglos starke Wirkung mit dem üblichen Vokabular der Kunstkritik nicht zu erklären sei. Viele Beschauer kamen immer wieder vor das Bild zurück, viele dachten über den Gegenstand nach, viele schlugen die Bibel auf. Da fanden sie die Geschichte von dem Spaß, den Josef mit seinen Brüdern macht, nachdem sie ihn, weil er ihnen bei ihrem Vater im Wege steht und weil er überhaupt anders ist als sie, verkauft haben, und nachdem er ein großer Herr geworden ist, Ernährungsminister des reichen Landes Ägypten. Sie kommen zu ihm, erkennen ihn nicht und wollen ein Getreidegeschäft mit ihm machen. Er aber läßt den Heimkehrenden einen silbernen Becher in ihr Gepäck hineinpraktizieren und die Unschuldigen wegen Diebstahls verhaften. Worauf sie mit Recht empört sind und beteuern, sie seien anständige Leute.

Diese anständigen Leute also hatte der Maler des Bildes Nummer 1437 gemalt. Sie stehen da. Sie sind erbittert und verlangen ihr Recht. Sie sind gekommen, mit einem hohen Staatsbeamten einen für beide Teile vorteilhaften Abschluß zu tätigen. Nun traut man ihnen zu, sie hätten einen silbernen Becher mitgehen lassen. Sie haben vergessen, daß sie einmal einen gewissen Knaben verkauft haben, der ihr Bruder war; denn das ist lange Jahre her. Sie sind sehr empört, aber sie benehmen sich würdig. Und der Mann lächelt sie an aus seinen langen Augen, und im Hintergrund die Polizisten stehen dienstwillig und etwas stumpf, und das Bild heißt »Gerechtigkeit«.

Übrigens verschwand Nummer 1437 nach einigen Monaten wieder aus der staatlichen Galerie. Ein paar Zeitungen brachten Glossen über dieses Verschwinden, viele Besucher vermißten »Josef und seine Brüder« mit Bedauern. Aber dann verstummten die Zeitungen, allmählich verstummten auch die Fragen der Besucher, und das Bild wurde wie sein Maler vergessen.

2Zwei Minister

Der Justizminister Dr. Otto Klenk schickte trotz des Regens das wartende Auto nach Hause. Er kam aus dem Abonnementskonzert der musikalischen Akademie, angenehm erregt. Er wird jetzt etwas spazierengehn, später vielleicht noch ein Glas Wein trinken.

Den Lodenmantel, den er liebte, um die Schultern, die Brahmssche Sinfonie noch im Ohr, die Pfeife wie stets im Mund, trottete der kräftige, hochgewachsene Mann behaglich durch den gleichmäßigen Regen der Juninacht. Er bog in den weitläufigen Stadtpark ein, den Englischen Garten. Die alten, großen Bäume trieften, der Rasen roch erquicklich. Es ging sich angenehm in der reinen Luft der bayrischen Hochebene.

Der Justizminister Dr. Klenk nahm den Hut von dem braunroten Schädel. Er hat einen arbeitsvollen Tag hinter sich, aber jetzt hat er etwas Musik gehört. Gute Musik. Die Nörgler mögen sagen, was sie wollen, gute Musik macht man in München. Er hatte seine Pfeife im Mund, eine Nacht ohne Geschäfte vor sich. Er fühlte sich frisch wie auf seiner Jagd im Gebirg.

Eigentlich ging es ihm gut, ausgezeichnet ging es ihm. Er liebte es, Bilanz zu machen, festzustellen, wie es um ihn stand. Er war siebenundvierzig Jahre alt, kein Alter für einen gesunden Mann. Seine Nieren sind nicht ganz in Ordnung, vermutlich wird es einmal sein Nierenleiden sein, an dem er abkratzt. Aber fünfzehn, zwanzig Jahre hat das noch Zeit. Seine beiden Kinder sind gestorben, von seiner Frau, der dürftigen, gutmütigen, eingetrockneten Geiß, hat er Nachwuchs nicht mehr zu erwarten. Aber draußen der Simon, der Bams, den er von der Veronika hat, die jetzt auf seiner Besitzung Berchtoldszell im Gebirg den Haushalt führt, gedeiht ausgezeichnet. Er hat ihn in der Filiale der Staatsbank in Allertshausen untergebracht. Dort wird er Karriere machen; er, der Minister, wird noch gutgestellte Enkel erleben.

Soweit ging es ihm weder gut noch schlecht. Allein in seinem Beruf, da ging es besser als mittelmäßig, da fehlte sich nichts. Seit einem Jahr jetzt hat er sein Ministerium inne, verwaltet er die Justiz des Landes Bayern, das er liebt. Es war mächtig vorangegangen in diesem Jahr. Wie er durch den riesigen Körper, durch den langen, rotbraunen Schädel herausstach aus seinen zumeist kleinen, rundköpfigen Ministerkollegen, so auch fühlte er sich durch Herkunft, Manieren, Gehirn ihnen überlegen. Es war hergebracht seit der Überwindung der Revolution, daß die besseren Köpfe der herrschenden Schicht sich von der Regierung des kleinen Landes zurückhielten. Sie schickten subalterne Leute ins Kabinett, begnügten sich, aus dem Hintergrund zu dirigieren. Man hatte sich gewundert, daß er, von großbürgerlicher Herkunft, ein guter Kopf, in die Regierung eintrat. Aber er fühlte sich sauwohl darin, raufte sich voll Passion herum mit den Gegnern im Parlament, trieb volkstümliche Justizpolitik.

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