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Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Das Universitätsgelände lag still in der Mittagssonne. Auf dem Rasenstück vor dem großen hellen Gebäude plätscherte der große Springbrunnen, dessen Wasserfontäne hoch in den blauen Himmel stieg, um dann wie schwere gläserne Tropfen in die stufenförmigen weißen Steinbecken zu fallen. Das Geräusch versprach Kühlung. Doch kaum jemand ging derzeit durch die hohe Tür des Gebäudes, denn die Vorlesungen waren noch nicht zu Ende. Regina spazierte nervös um das große Brunnenbecken, das nur wenige Meter vor dem Eingang zur Universität lag. Sie wartete auf Adam, den Chauffeur ihres Papas. Adam hätte längst wieder da sein müssen. Er wollte nur kurz in die Autowerkstatt fahren, um etwas abzuholen, hatte er gesagt, während Regina sich in der Zwischenzeit die Uni von innen ansehen wollte. Bald würde auch sie hier aus und ein gehen. Zwei Stunden waren seitdem vergangen. Sie hätten längst daheim sein müssen. Papa würde wütend sein, und Berta, die Köchin, musste das Essen warm stellen. Tante Charlotte wartete auch. »Es verbrutzelt alles, wenn man es warm halten muss!«, würde die kleine rundliche Schwester des Grafen jammern. Sie war ein Jahr älter als der Hausherr, eine ältere Dame mit grauem Haar und wasserhellen blauen Augen. Der Chef des Hauses Hohensteinbach, das bereits seit dem Mittelalter existierte, war Karl Friedrich von Hohensteinbach. Aber der gute Geist des Hauses war Charlotte, seine Schwester. Papa war sicher wütend. Und das fürchtete Regina am meisten, denn wenn er richtig böse war, zog er die Augenbrauen zusammen, dass sie wie ein schwarzer Strich über den graugrünen Augen lagen.
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Seitenzahl: 142
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Lord Cameron liebte die frühen ruhigen Morgenstunden. Schon als Kind war er ein Frühaufsteher gewesen. Damals war er auf seinem Pony durch das Gelände geritten. Sein Großvater Shane MacGregor hatte ihn immer begleitet. Da er wieder in Irland weilte, nahm Lord Cameron diese Gewohnheit wieder auf. Er hoffte, dass in einigen Jahren sein Enkel oder seine Enkelin ihn begleiten würden. Wenn der Lord daran dachte, atmete er immer tief durch. Der Gedanke gab ihm Hoffnung und Stärke, obwohl es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand. Er hatte sich dazu durchgerungen, sich einer Stammzellentherapie zu unterziehen. Seine Tochter Florence und ihr Halbbruder David hatten sich testen lassen, ob sie geeignete Spender wären. Vielleicht würde sich dabei herausstellen, dass David sein Sohn war und damit Florences Bruder. Aber die Verwandtschaftsverhältnisse waren nebensächlich. Für Cameron zählte nur, dass er eine Chance hätte, wieder gesund zu werden, und noch viele glückliche Jahre mit seiner unehelichen Tochter verbringen könnte. Seit sie bei ihm auf MacGregor Manor lebte, stellten sie jeden Tag mehr fest, wie ähnlich sie sich waren. Der frische feuchte Morgenwind wehte ihm ins Gesicht, als er den Weg am Waldrand entlangritt. Von weitem sah er einen Reiter. Er erkannte ihn sofort. Es war Quinn Walsh, sein alter Verwalter, der am Tag zuvor mit seiner Frau Kathy aus dem Ruhestand nach Culraid zurückgekommen war. Sie ritten aufeinander zu, hielten die Pferde an und stiegen ab. »Noch kühl«
Das Universitätsgelände lag still in der Mittagssonne. Auf dem Rasenstück vor dem großen hellen Gebäude plätscherte der große Springbrunnen, dessen Wasserfontäne hoch in den blauen Himmel stieg, um dann wie schwere gläserne Tropfen in die stufenförmigen weißen Steinbecken zu fallen. Das Geräusch versprach Kühlung.
Doch kaum jemand ging derzeit durch die hohe Tür des Gebäudes, denn die Vorlesungen waren noch nicht zu Ende.
Regina spazierte nervös um das große Brunnenbecken, das nur wenige Meter vor dem Eingang zur Universität lag. Sie wartete auf Adam, den Chauffeur ihres Papas. Adam hätte längst wieder da sein müssen. Er wollte nur kurz in die Autowerkstatt fahren, um etwas abzuholen, hatte er gesagt, während Regina sich in der Zwischenzeit die Uni von innen ansehen wollte. Bald würde auch sie hier aus und ein gehen.
Zwei Stunden waren seitdem vergangen. Sie hätten längst daheim sein müssen. Papa würde wütend sein, und Berta, die Köchin, musste das Essen warm stellen. Tante Charlotte wartete auch. »Es verbrutzelt alles, wenn man es warm halten muss!«, würde die kleine rundliche Schwester des Grafen jammern. Sie war ein Jahr älter als der Hausherr, eine ältere Dame mit grauem Haar und wasserhellen blauen Augen.
Der Chef des Hauses Hohensteinbach, das bereits seit dem Mittelalter existierte, war Karl Friedrich von Hohensteinbach. Aber der gute Geist des Hauses war Charlotte, seine Schwester. Papa war sicher wütend. Und das fürchtete Regina am meisten, denn wenn er richtig böse war, zog er die Augenbrauen zusammen, dass sie wie ein schwarzer Strich über den graugrünen Augen lagen. Sein Motto: »Die Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige!« Und wehe, die Familie hielt sich nicht daran. Bruder Jonas konnte ein Lied davon singen. Ihn hatte Papa einige Male vom Tisch weg zum Essen in die Küche verbannt. Das war allerdings schon ein paar Jahre her. Jonas war inzwischen erwachsen, jedenfalls dem Alter nach, und studierte Medizin. Er würde der erste Arzt in der Familie derer von Hohensteinbach sein, und Regina war stolz auf ihren Bruder. Aber noch schlimmer hatte früher Großmama auf solche Verstöße reagiert. Das war zwar schon lange her, und Regina konnte sich nur noch vage an sie erinnern, aber vieles, das sie sich gemerkt hatte, war nicht sehr erfreulich.
Besonders anstrengend waren die täglichen Besuche in der düsteren Schlosskapelle gewesen, bei der die kleine Regina zum Abendgebet immer mitgehen musste. Das hieß eine Stunde lang knien und in dieser gruftähnlichen Umgebung den Rosenkranz beten. Im flackernden Licht der Kerzen schienen die Statuen aus weißem Marmor zu leben und flößten der kleinen Regina Angst ein.
Großmama konnte aber auch wundersame Geschichten aus der Zeit erzählen, als sie selbst noch ein junges Mädchen war. Von Prinzen und Prinzessinnen, von Grafen, Fürsten und Herzoginnen, berichtete sie.
Und von einem Reich, in dem die Sonne nicht unterging. Weil damals sogar Mexiko den österreichischen Habsburgern gehörte. Und die kamen für Großmama gleich nach dem lieben Gott. Als Bürgerliche hatte sie den Stolz auf das Land ihrer Väter mit in ihre preußische adelige Ehe genommen.
Großmama besaß noch einige Maria Theresia Taler, die sie von ihrer Familie geerbt hatte. Als Maria Elisabeth Bratfisch war sie sehr stolz auf diesen bürgerlichen Namen gewesen, denn sie war mit dem Leibfiaker Bratfisch des Kronprinzen Rudolph verwandt. Und Rudolph sollte einmal Kaiser von Österreich werden.
Die Familie Bratfisch hatte damals in Wien ein Fuhrunternehmen. Als »Fiaker« in Wien besaß die Familie als einzige Pferde, die im gleichen Takt laufen konnten. Prächtige Rappen, die vor eine Kutsche gespannt, als Taxi der damaligen Zeit fungierten.
Als der verheiratete Prinz Rudolph von Habsburg sich in die 16jährige Mary Vetsera verliebte, brachte der Fiaker Bratfisch die Baroness in seiner Kutsche zu ihrem heimlichen Treffen in das Schloss nach Mayerling. Es war das Liebesnest des Kronprinzen mit der jungen Baroness. Das Glück dauerte nicht lange. Der Kronprinz war verheiratet und streng katholisch erzogen worden. Der Hof reagierte empört über diese Mesalliance.
Und in einer Winternacht geschah das Unfassbare: Bratfisch und der Leibdiener des Kronprinzen waren mit in Mayerling, als das Liebespaar starb. Man sagte durch die Hand des Kronzprinzen. Aber was wirklich geschah, wussten nur Bratfisch und der persönliche Diener des Kronprinzen. Beide mussten schwören zu schweigen. »Und sie hielten sich daran!« Das und viel mehr erzählte Großmama stolz ihrer kleinen Enkelin. Und Großmama hatte es geschafft, in den Adel einzuheiraten. Allerdings nur in den preußischen. »Aber Adel ist Adel!«, sagte Großmama.
Regina lächelte, als sie an Großmama dachte, denn sie konnte sich diese betagte, ziemlich herrische und voluminöse Dame niemals als Sissi vorstellen. Aber so hatte ihr Mann die junge Gräfin damals allen vorgestellt: »Meine Sissi!«
Doch die große alte Dame gab es nicht mehr. Sie lag schon lange in der Gruft unter der kleinen Kapelle, in deren Nischen eine große Anzahl der Grafen von Hohensteinbach lagen. Und Regina wusste nun auch, dass »mea culpa« meine Schuld heißt. Denn Großmama hatte es täglich kniend vor dem Altar der Kapelle gebetet und sich dabei mit ihrer kleinen, zur Faust geballten rechten Hand an die Brust geschlagen. Regina wollte wissen, warum, hatte jedoch nur Kopfschütteln zur Antwort bekommen. Vielleicht wollte Großmama nicht zugeben, dass auch sie sich schuldig fühlte, weil sie den Grafen von Hohensteinbach nicht aus reiner Liebe geheiratet hatte.
Regina spazierte noch immer, völlig in ihre Gedanken über Großmama vertieft, um den leise plätschernden Springbrunnen. Ein Krankenwagen mit Sirene riss sie aus der Vergangenheit zurück. Über eine Stunde wartete sie jetzt schon auf Adam, Papas Chauffeur!
Verärgert setzte sie sich auf den Brunnenrand. Tante Charlotte würde sagen: »Wenn man seinen Angestellten den kleinen Finger reicht, nehmen sie gleich die ganze Hand!«
Der gute Adam wollte eigentlich nur rasch zu einer Autowerkstatt, um etwas abzuholen. Und Regina war nur aus einem Grund mitgefahren: Es war die beste Gelegenheit, sich mal kurz die Uni von innen anzusehen. Denn nächstes Jahr würde sie täglich hier aus und ein gehen. Endlich raus aus dem Mief der tausendjährigen alten Mauern. Und zwar allein, ohne Aufpasser!
Die Hitze wurde unerträglich. Regina schubste ihre Schuhe von den Füßen, krempelte ihre Jeans hoch und tauchte vorsichtig die große Zehe in das flache Brunnenbecken. Das Wasser war so angenehm kühl, dass sie die Augen schloss, den Kopf in den Nacken legte und tief einatmete. So stand sie eine Weile, völlig gelöst – und merkte nicht, dass sie schon eine ganze Weile beobachtet wurde.
Ein junger Mann mit einem Aktenkoffer in der Hand beobachtete das Mädchen mit den langen dunklen Haaren und der kleinen frechen Nase. Jetzt atmete auch er tief ein und fühlte mit ihr die Kühle des Brunnens. Und das, obwohl er in der gleißenden Sonne stand und schwitzte. Er fand sie hinreißend und hätte sie gerne gefragt, wo sie denn vor dieser Begegnung gesteckt hatte. Er sah sie jedenfalls zum ersten Mal, obwohl er ein alter Hase an der Uni war. Und wenn sie Studentin gewesen wäre, hätte sie ihm irgendwann über den Weg laufen müssen.
»Vorsicht! passen S’ auf! Die Steine sind glatt!«, rief er jetzt, denn sie stand plötzlich im Brunnen, und er machte einen Satz vorwärts, denn er wusste, wie tückisch der Steinboden im Wasser war.
Zu spät! Regina rutschte aus, und bevor er sie erreichen konnte, landete seine Traumfrau unsanft auf ihrem Hinterteil. Regina hätte jetzt gerne laut geflucht, aber auch das hatte Großmama ihr abgewöhnt, als die kleine Regina ein paar kräftige Flüche aus dem Kindergarten heimgebracht hatte.
»Eine Komtess flucht nicht! Sie ist jeder Situation gewachsen!« Das hörte sie heute noch so deutlich wie damals.
»Haben Sie sich weh getan?«
Regina antwortete nicht, griff aber nach der helfenden Hand und zog sich hoch. Blöde Frage, dachte sie, nickte und murmelte gequält: »So ein Mist!«
Dann sah sie in das lächelnde Männergesicht und ließ sofort seine Hand los.
»Danke, das kann ich allein!« Kaum hatte sie es ausgesprochen, rutschte sie erneut aus und fiel auf die Knie. Jetzt war nicht nur ihr Hinterteil nass.
»Was ist los? I beiß net!«, sagte der Mann mit der blonden Mähne, lachte, packte sie, hob sie hoch und stellte sie neben dem Brunnenrand auf den Rasen. Das geschah so rasch und kraftvoll, dass Regina sprachlos war.
»Und wo sind denn die Schuh’? Oder sind S’ barfuß unterwegs?« Sie sah ihn an, und er war ihr so nahe, dass sie ihr Spiegelbild in seinen Augen sehen konnte. Hitze kroch ihr über den Nacken, denn sie fühlte sich plötzlich so schrecklich hilflos. Und sein bayrisches Idiom kam immer wieder durch und machte sie nervös. Ihr hatte man nie erlaubt, sich den Kindern in der Schule anzupassen. Ihre Sprache zu sprechen, die so lustig klang. Eine leichte Färbung war erlaubt, aber kein Dialekt.
»Lassen Sie mich doch endlich los!« Sie machte sich frei und suchte nervös ihre Schuhe. Sie konnte diese Unsicherheit in seiner Nähe nicht mehr ertragen.
»Aber ja! Ich wollt’ ja nur helfen!« Er ließ sie los.
»Das sieht man!«, spottete Regina, weil sie endlich wieder Luft bekam, »ohne Sie wäre ich nicht gleich zweimal im Wasser gelandet!« Sie fand ihre Schuhe, hob sie auf und sah ihn wütend an. Aber er konnte das Lachen nicht unterdrücken. Am liebsten hätte er sie in seine Arme genommen und getröstet, wie man ein kleines Kind beruhigt, das sich das Knie aufgeschunden hat und nun nicht weiß, soll es lachen oder weinen.
Und dann war Reginas Ärger plötzlich weg. Die Situation hatte etwas Komisches, fand sie, und schüttelte den Kopf.
Er lächelte unter dem wilden Haarwuchs hervor und zeigte eine Reihe weißer Zähne. Regina wollte sich bedanken, doch im gleichen Augenblick fuhr Adam mit der schwarzen Limousine an den Straßenrand. Und da sah sie den Mann neben sich noch einmal an, nur einen Lidschlag lang – und ging wortlos davon.
Adam stieg aus, nahm die Mütze ab und öffnete die Tür des Wagens.
Die Schuhe flogen auf den Sitz, und Regina stieg ein. Sie sah sich nicht um.
Zurück blieb ein verdutzter junger Mann, der aus dem Staunen nicht herauskam. Wen hatte er denn da aus dem Wasser gezogen? Er sah dem schwarzen Wagen nach und konnte gerade noch die Autonummer erkennen.
*
Trotz Verspätung gab es daheim keinen Ärger. Als Regina durch den Personaleingang ins Haus kam, verließ Papas rundliche Schwester Charlotte mit hochrotem Gesicht die Küche. »Nur gut, dass du endlich da bist!« Sie war atemlos. » Wie siehst du denn aus? Bist du ins Wasser gefallen?« Aber sie wartete die Antwort nicht ab.
»Dein Vater hat Besuch. Berta ist dabei, das Essen zu verlängern, es muss ja auch für die Gäste reichen! Die kamen ohne Anmeldung!« Charlotte schüttelte mit Leidensmine den Kopf.
»Wer ist gekommen?« flüsterte Regina.
»Die Grafen von Mähringen, Vater und Sohn!«, flüsterte Tante Charlotte und richtete ihren Blick nach oben, als würde sie irgendwo Hilfe suchen.
»Auch das noch!«, hauchte Regina. Maximilian von Mähringen war da, Großmamas Liebling. Regina war gerade mal sechs Jahre alt gewesen, da hatte Großmama nach einem Besuch bei der Familie von Mähringen zu Papa gesagt, dass Max von Mähringen später mal eine gute Partie für Regina wäre. Natürlich nicht gleich, die beiden waren noch Kinder. Aber man konnte mit der Planung nicht früh genug anfangen. In anderen Ländern würden bereits Kinder verlobt. Und Regina hatte das sehr ernst genommen, denn was Großmama sagte, war für die Familie Evangelium. Doch zum Glück hatte Papa den Kopf geschüttelt.
»Die von Mähringen sind gut betucht!«, hatte Großmama zu bedenken gegeben. »Sie besitzen Obstplantagen in Brasilien, Weinberge in Frankreich und Güter in der Lombardei. Und wer weiß, was noch alles! Die beste Voraussetzung für eine Ehe! Das, was man Liebe nennt, kommt später!« Und Papa hatte nicht widersprochen. Das tat er seiner Mutter gegenüber nur ganz selten. Er schwieg lieber, um keinen Ärger zu kriegen.
Die kleine Regina liebte ihren Papa. Er war für sie der schönste Mann auf Erden, und ihr kleines Herz klopfte, wenn er sie mal auf den Arm nahm, was sehr selten vorkam. Er war groß, hatte dunkelbraunes Haar, ein markantes Gesicht und grüne Augen. Seine schwarzen schmalen Augenbrauen zeigten seine Stimmung an. Sie waren sichelförmig gebogen, wenn es ihm gut ging, und wurden zum Strich bei Wut. Regina fürchtete sich davor.
Was würde Großmama sagen, wenn sie sehen könnte, was aus ihrem niedlichen Max von Mähringen geworden ist. Ob sie dann noch immer auf einer Verbindung mit den Mähringern bestehen würde?
»Ich muss mich erst mal trocken legen!«, flüsterte Regina, hauchte einen Kuss auf Tante Charlottes rosige Wangen und lief die Treppen in den Turm hoch. Ihr Zimmer lag über dem Bruder Jonas, der mittags nur selten daheim war. Er aß in der Mensa und erschien meistens erst zum Abendessen.
Regina zog rasch frische Unterwäsche und trockene Jeans an, obwohl ihr Vater diese »amerikanische Plebejer-Kluft« beim Essen nicht mochte. Schon gar nicht an seiner Tochter. »Eine Frau in Hosen ist ein Unding. Ein Sakrileg!«, fand er.
Regina war gerade mit dem Umziehen fertig, da ertönte der Gong. Man traf sich zum Essen im Terassenzimmer.
Regina betrat als letzte den Raum. Die Türen zum Garten waren geschlossen, denn es hatte sich herausgestellt, dass der Hausherr auf Insektenstiche allergisch reagierte.
»Hallo, Regina!« Max von Mähringen stand auf, als Regina eintrat. »Wie schön, dich zu sehen! Du hast dich überhaupt nicht verändert!« Die wasserhellen Augen in dem runden Gesicht mit den weißlichen Augenbrauen strahlten.
»Du auch nicht!«, sagte Regina und begrüßte erst seinen Vater.
Die beiden, Vater und Sohn, sahen sich verblüffend ähnlich. Gesicht, Nase, Bauch, alles gut gepolstert. – Und wieder musste sie an Großmama denken, die immer Wert darauf gelegt hatte, dass sie einen Knicks zu jeder Begrüßung machte, aber diese Zeiten waren vorbei. So schüttelte sie dem Sohn die Hand, küsste ihren Papa auf die Wange und ließ sich an seiner rechten Seite nieder. Papas linke Seite blieb immer frei, niemand wusste, warum der Graf Wert darauf legte, und fragte man danach, legte er den Zeigefinger auf den Mund und schüttelte den Kopf. Er wollte nicht darüber reden.
Jetzt sah er Regina prüfend an und flüsterte. »Du hättest zur Feier des Tages ein Kleid anziehen können!«
»Entschuldige Papa, ich wusste nicht welches!«, murmelte Regina.
»Die Ausreden kannst du dir sparen! Im Lügen warst du noch nie gut!«, flüsterte er, und Regina fühlte wieder diese Kälte in seinen Worten, die immer dann zu hören war, wenn er sie rügte. Mit Jonas hatte sie ihn noch nie so reden hören.
»Das bildest du dir nur ein!«, meinte Tante Charlotte, bei der sich Regina nach so einem Eklat schon immer beschwert hatte. Aber irgendetwas stimmte nicht, und da Charlotte einfach nicht lügen konnte, musste da etwas sein, das man Regina verschwieg. Sie ahnte schon lange, dass es um ihre Person ein Geheimnis gab. Irgendetwas stand zwischen ihr und ihrem Vater Karl Friedrich. Doch vielleicht, so hoffte Regina immer noch, irrte sie sich.
*
Die Sonne schien durch die hohen Fenster des Zimmers, und Tante Charlotte sorgte dafür, dass alle am Tisch zufrieden waren. Franzi, im weißen Schürzchen, goss den Wein nach, und die Väter unterhielten sich schon während der Mahlzeit über Geschäfte im Allgemeinen.
»Ich bin gekommen, um dich zu meiner Geburtstagsfeier einzuladen!«, sagte Max beim Dessert leise zu Regina, die ihm gegenüber saß. »Es sind noch sechs Wochen bis dahin, aber Papa meinte, dass wir dich früh genug einladen müssen, sonst hast du vielleicht schon andere Termine eingeplant. Die Einladungen kommen erst übermorgen aus der Druckerei. Ich werde dir pro forma eine zuschicken. Aber es wäre traurig für mich, wenn du keine Zeit hättest. Kommst du?«
»Klar komme ich! Ich war doch bisher jedes Mal dabei!«