Die großen Western 148 - Frank Callahan - E-Book

Die großen Western 148 E-Book

Frank Callahan

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Phil Latimer lockerte den 44er in der Halfter. Dann huschte er hinter den Felsbrocken, behielt die Sonne im Rücken. Die vier Desperados hatten sich bereits im Gewirr der Felsen verteilt. Phil wusste, was ihm bevorstand. Da peitschten schon die ersten Schüsse. Die Banditen griffen an. Phil lächelte kalt und griff in die Brusttasche. Die nervige Hand kam mit einer Dynamitpatrone zurück. Abschätzend wog der Marshal den Sprengkörper in den Fingern. Dann entzündete er die knappe Lunte und schleuderte die Patrone gegen die Angreifer. Eine gewaltige Druckwelle raste heran, brach sich jedoch an Latimers Deckung. Staubwolken verschleierten die Sicht. Steine und Erdbrocken prasselten hernieder. Die vier Banditen glaubten bestimmt, dass die Welt in diesen Sekunden unterging. Phil Latimer zog seinen Revolver und tauchte hinter seiner Deckung auf. Er sah nur noch drei der Outlaws, die zusammengekauert am Boden saßen. Der Körper eines der Banditen lag leblos in einer Felsspalte. Der Revolvermarshal trat näher. Träge verwehten die letzten Staubschleier. "Na, wie wollt ihr es noch haben, Amigos?", klirrte seine raue Stimme. "Los, werft eure Eisen weg und streckt die Hände in die Luft, sonst wird es noch rauer für euch!" Die drei Banditen ließen ihre Revolver fallen. Zwei der Halunken pressten immer wieder die Hände auf die Ohren. Anscheinend waren sie vorübergehend taub geworden. "Umdrehen, ihr Heldensöhne!", befahl Latimer. Die drei Burschen gehorchten. Latimer glitt näher, dann schlug er dreimal hintereinander mit seinem Revolverkolben zu. Die drei Hombres brachen zusammen und blieben reglos liegen. Der Revolvermarshal wollte kein Risiko eingehen, denn er wusste, dass sich der Schock bei den rauen Burschen bald legen würde. Er fesselte den

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Die großen Western – 148 –

Der Marshal und das Biest

Frank Callahan

Phil Latimer lockerte den 44er in der Halfter. Dann huschte er hinter den Felsbrocken, behielt die Sonne im Rücken.

Die vier Desperados hatten sich bereits im Gewirr der Felsen verteilt.

Phil wusste, was ihm bevorstand.

Da peitschten schon die ersten Schüsse. Die Banditen griffen an.

Phil lächelte kalt und griff in die Brusttasche. Die nervige Hand kam mit einer Dynamitpatrone zurück. Abschätzend wog der Marshal den Sprengkörper in den Fingern.

Dann entzündete er die knappe Lunte und schleuderte die Patrone gegen die Angreifer.

Eine gewaltige Druckwelle raste heran, brach sich jedoch an Latimers Deckung. Staubwolken verschleierten die Sicht. Steine und Erdbrocken prasselten hernieder.

Die vier Banditen glaubten bestimmt, dass die Welt in diesen Sekunden unterging.

Phil Latimer zog seinen Revolver und tauchte hinter seiner Deckung auf. Er sah nur noch drei der Outlaws, die zusammengekauert am Boden saßen. Der Körper eines der Banditen lag leblos in einer Felsspalte.

Der Revolvermarshal trat näher. Träge verwehten die letzten Staubschleier.

»Na, wie wollt ihr es noch haben, Amigos?«, klirrte seine raue Stimme. »Los, werft eure Eisen weg und streckt die Hände in die Luft, sonst wird es noch rauer für euch!«

Die drei Banditen ließen ihre Revolver fallen. Zwei der Halunken pressten immer wieder die Hände auf die Ohren. Anscheinend waren sie vorübergehend taub geworden.

»Umdrehen, ihr Heldensöhne!«, befahl Latimer.

Die drei Burschen gehorchten. Latimer glitt näher, dann schlug er dreimal hintereinander mit seinem Revolverkolben zu.

Die drei Hombres brachen zusammen und blieben reglos liegen.

Der Revolvermarshal wollte kein Risiko eingehen, denn er wusste, dass sich der Schock bei den rauen Burschen bald legen würde. Er fesselte den Banditen die Hände auf den Rücken und holte die Pferde.

Nachdem die Drei wieder zu sich gekommen waren, hob er sie der Reihe nach in die Sättel und band ihnen auch noch die Beine unter dem Pferdebauch zusammen.

Dann legte er den toten Outlaw bäuchlings über den Sattel seines Pferdes und saß ebenfalls auf.

»Na, geht es euch besser, Jungs?«, fragte er.

Die Desperados antworteten nicht. Flammender Hass schlug Phil Latimer entgegen, als er den Halunken in die Augen schaute.

»Wir reiten jetzt. Vorwärts! Und versucht ja keine Tricks! Es würde euch schlecht bekommen.«

Phil Latimer bildete den Abschluss des kleinen Reitertrupps. Meile um Meile legten sie zurück. Um sie herum war verbranntes und ödes Land. Überall wuchsen Kakteen und Dornbüsche, die oft das Vorwärtskommen behinderten.

Las Cruces war ungefähr zehn Meilen entfernt. Bis zum Anbruch der Nacht würde Phil Latimer die kleine Stadt erreicht haben.

*

Die ersten Häuser von Las Cruces waren in der Abenddämmerung zu sehen. Die Sonne war in einem flammenden Feuermeer hinter den fernen Bergen untergegangen.

Phil Latimers Ritt war ohne jegliche Zwischenfälle verlaufen. Keiner seiner Gefangenen hatte etwas riskiert. Sie brüteten stumm vor sich hin, dachten wohl daran, dass der Galgen auf sie wartete.

Und daran würde kein Weg vorbeigehen.

Phil Latimer schob seinen beigefarbenen Stetson in den Nacken. Hellblondes Haar spitzte hervor, das stark zu seinem sonnengebräunten Gesicht kontrastierte.

Er freute sich, dass dieser Höllenritt zu Ende war. Sein Auftrag war erledigt. Die Orlando-Bande endgültig zerschlagen.

Und er dachte in diesem Moment an Clarissa Weather, die ihn bestimmt bereits voller Sehnsucht in Las Cruces erwartete.

Yeah, sie glichen sich sehr, diese Abenteuerin und er, der ruhelose Revolvermann.

Phil Latimer sah Clarissa vor sich, wenn er die Augen schloss. Ihre Figur konnte man atemberaubend nennen. Es gab kaum einen Mann, der sich nicht nach dieser schönen Frau umdrehte.

Ihre langen schwarzen Haare, die an das Gefieder eines Raben erinnerten, reichten bis zu den makellosen Schultern. Ihre grünen Augen zeigten ein großes Maß an Erfahrung. Sie hatte längst ihre Lektionen gelernt und wusste genau, was sie wollte.

Und irgendwie hatten sie sich beide auf den ersten Blick gemocht, obwohl sie beide wussten, dass es keine Bindung auf ewig sein würde.

Trotzdem waren sie sich in den letzten Wochen nahegekommen. So wenigstens glaubte Phil Latimer.

Der Marshal von Las Cruces wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich ihm einer der Desperados zuwandte.

»Sorgen Sie nur dafür, dass man uns nicht lyncht«, sagte der Gefangene mit vibrierender Stimme. Angst flackerte in seinen leicht schräg liegenden Augen.

»Du hast wohl die Hosen voll, was?«, antwortete Latimer. »Nur keine Sorge, Bandit. Solange ich Marshal bin, wird sich keiner an einem meiner Gefangenen vergreifen.«

Sie erreichten die ersten Häuser der kleinen Stadt und ritten dann die Main Street entlang. Menschen blieben auf den Sidewalks stehen und starrten neugierig herüber. Latimer gönnte den Bürgern der Stadt kaum einen Blick. Sie hatten ihm keinerlei Wärme und Herzlichkeit entgegengebracht in den vier Wochen, seit er sich in Las Cruces aufhielt.

Sie hatten ihn bezahlt, damit er die Orlando-Bande zerschlug. Der Marshal war ein einsamer Wolf inmitten dieser Menschen geblieben. Nur wenn er an Clarissa dachte, dann legte sich ein zartes Lächeln um die Mundwinkel des Marshals.

Und noch einen Mann gab es in Las Cruces, mit dem sich Phil Latimer angefreundet hatte.

Sein Name war Bob Lesson, ein Ruheloser wie Latimer selbst, der sich seinen Lebensunterhalt durch Kartenspielen verdiente.

Vor dem Office zügelte der Marshal sein Pferd. Old Sam, sein Gehilfe, tauchte im Türrechteck auf und trat dann neben Phil Latimers Pferd.

»Du hast es also doch geschafft, mein Junge«, sagte er mit väterlicher Stimme. »Ich habe es gewusst, Phil. Dir kann kaum jemand das Wasser reichen. Gegen dich sind diese Banditen da wie lausige Straßenköter, die es gegen einen ausgewachsenen Bergwolf aufnehmen wollten.«

Latimer nickte nur und schwang sich aus dem Sattel. Er dehnte und reckte seinen sattelmüden Körper. Dabei warf er einen Blick zum »Imperial-Hotel«, hinüber. Er hoffte, dass sich Clarissa am Fenster sehen ließ, aber er konnte die schöne Frau nicht entdecken. Im Zimmer war es dunkel. Bleiches Mondlicht reflektierte in den Fensterscheiben.

Einige Minuten später saßen die Desperados im Jail. Den Toten brachte der Oldtimer zum Sargmacher.

Latimer wollte gerade seine Beine auf die Schreibtischplatte legen und sich einen Whisky einschenken, als es gegen die Officetür klopfte.

Gerald Duval, der Bürgermeister, trat ein. Er nickte dem Marshal freundlich zu und ließ sich auf einen Stuhl nieder.

»Ich gratuliere Ihnen, Mister Latimer«, sagte er und lächelte unverbindlich. »Sie haben uns nicht enttäuscht und sind sogar noch schneller mit dieser Bande von Höllenhunden fertig geworden, als wir gedacht hatten.«

Phil schenkte zwei Gläser mit golden schimmerndem Bourbon voll und nickte Gerald Duval zu.

»Yeah, Mister Duval, darauf sollten wir einen Drink nehmen. Orlando ist tot, und die restlichen Hombres werden hängen. Führt Sie ein bestimmter Grund zu mir?«

Der Bürgermeister nippte an seinem Whisky, ehe er bedeutungsvoll nickte.

»So ist es, Mister Latimer. Da Ihre Aufgabe hier in Las Cruces erledigt ist, wollte ich Sie nach Ihren weiteren Plänen fragen. Werden Sie noch bleiben?«

Latimer zuckte mit den Schultern.

»Ich bin mir darüber noch nicht im Klaren. Vielleicht bleibe ich noch eine Weile, vielleicht reite ich auch schon bald davon.«

Im ersten Moment sah es aus, als wollte der Bürgermeister etwas sagen, doch dann nickte er nur stumm.

»Okay, Marshal. Sie haben unser Vertrauen. Und sollten Sie von Las Cruces weg wollen, dann lassen Sie es uns bitte rechtzeitig wissen.«

Gerald Duval erhob sich und verließ das Office. Phil blickte ihm nachdenklich hinterher. Und er begann sich zu wundern, warum Clarissa noch immer nicht aufgetaucht war. Sonst war sie immer die Erste gewesen, die ihn aufsuchte, wenn er zurückkehrte.

Latimer erhob sich, nahm noch einen Schluck von dem vorzüglichen Whisky, der nicht mit der Pumaspucke zu vergleichen war, die man in den Saloons ausschenkte.

Dann griff er entschlossen nach seinem Stetson und verließ das Office. Draußen vor der Tür stieß er beinahe mit Old Sam zusammen, der gerade noch zur Seite sprang und dabei einen lästerlichen Fluch ausstieß.

»Wo willst du denn hin?«, fragte er. »Ich habe gedacht, dass wir einen Drink zusammen nehmen.«

»Später, mein Alter«, murmelte Latimer. »Ich will rüber zu Clarissa. Ich verstehe sowieso nicht, warum die feine Lady noch nicht aufgetaucht ist.«

Old Sam verzog sein Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen. Er wollte etwas sagen, doch Phil hörte nicht auf das Gemurmel des Alten, der sich gegen die Hauswand lehnte und dem Marshal hinterherblickte.

»Heiliger Rauch«, meinte er. »Wenn das nur gut geht!«

*

Latimer betrat den Empfangsraum des »Imperial-Hotels« und nickte dem dürren Clerk hinter dem Pult zu.

»Ist Mrs Weather oben?«, fragte der Marshal und nahm schon die ersten Stufen, die in das obere Stockwerk führten.

»Sie ist weg!«, rief der dürre Bursche.

Phil Latimer blieb stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen.

»Was …?«, fragte er. »Weg …? Wohin ist sie denn gegangen, Mister Brown?«

Der dürre Mann wurde plötzlich kleiner. Es gelang ihm nicht, Phil Latimers Blick standzuhalten.

Misstrauisch geworden, trat der Revolvermarshal näher. Die Chihuahuasporen klirrten leise.

Stille herrschte. Ein paar Fliegen summten und suchten sich die spiegelnde Glatze des Hotelclerks als Landeplatz aus.

Der dürre Mann starrte Latimer verlegen an. Dann zuckte er mit den Schultern.

»Mrs Weather hat die Stadt verlassen, Marshal. Wussten Sie das denn nicht?«

Latimers Gesicht wurde um einige Nuancen bleicher. Tief zog er die Luft in seine Lungen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Erschrocken wich der Hotelclerk zwei Schritte zurück.

»Sie nahm die Morgenkutsche, Mister Latimer. Wenn mich nicht alles täuscht, wollte sie nach Santa Fé. Wohin dann die Reise gehen soll, entzieht sich meiner Kenntnis.«

Latimer machte plötzlich kehrt und jagte die knarrenden Treppenstufen empor. Was er gerade gehört hatte, wollte ihm einfach nicht in den Schädel.

Das alles konnte überhaupt nicht stimmen. Das gab es einfach nicht, dass Clarissa verschwunden war, ohne sich wenigstens von ihm zu verabschieden. Gestern Nacht hatte sie noch in seinen Armen gelegen und kein Wort erwähnt, dass sie am nächsten Tag abreisen wollte.

Phil Latimer verstand die Welt nicht mehr.

Es gab jedoch keinen Zweifel.

Clarissa Weathers Zimmer war leer. Alle ihre persönlichen Dinge waren verschwunden.

Fassungslos stand der harte Mann gegen die schmutzige Wand des Ganges gelehnt. Eine Kerosinlampe warf flackernden Lichtschein auf sein versteinert wirkendes Gesicht. Bizarre Schatten geisterten über die Wände.

Kopfschüttelnd setzte sich Latimer nach einigen Sekunden wieder in Bewegung. Er ignorierte den fragenden Blick des dürren Mannes und verließ das Hotel. Aufatmend zog er die frische Nachtluft in seine Lungen. Dann stiefelte er zu einem Saloon hinüber, in dem Bob Lesson, der Spieler, einen Spieltisch gemietet hatte.

Im Innern der Schenke wurde es totenstill, als der Marshal eintrat. Alle Blicke folgten Latimer, der schnurstracks auf ein Nebenzimmer zusteuerte, in dem die heißen Pokerschlachten stattfanden.

Stimmenlärm schlug dem Marshal entgegen, als er die Tür öffnete. Schlagartig wurde es still, als man ihn erkannte.

Latimer verstand dies alles nicht so richtig. Dichter Tabakrauch hing über den Köpfen der pokernden Männer. Und plötzlich begriff Phil Latimer. Ein gemeiner Faustschlag in den Magen musste wohl die gleiche Wirkung haben.

Bob Lessons Tisch war unbesetzt. Der Spieler war ebenfalls verschwunden.

Er und Clarissa waren auf und davon. Sie waren gemeinsam abgereist. Das ahnte Phil Latimer schon in diesen Sekunden, ohne erst danach zu fragen.

Sie hatten ihn hereingelegt, hintergangen und schamlos ausgenutzt. Sein einziger Freund in dieser miesen Stadt war mit der Frau, die er liebte, abgehauen.

Latimer nickte nur, machte kehrt und verließ den Saloon. Jeder in der Stadt wusste anscheinend Bescheid. Nur er selbst nicht. Im Office wurde er bereits von Old Sam empfangen.

»Na, hast du es herausgefunden, Phil?«, fragte er mit krächzender Stimme. »Wenn du es nicht so verdammt eilig gehabt hättest, würde ich es dir erzählt haben.«

Der Marshal warf sich auf einen Stuhl, der protestierend zu ächzen begann. Er schenkte sich erst gar nicht ein Glas voll, sondern griff nach der Flasche und nahm einen langen Schluck. Er trank wie ein Verdurstender, der seit Tagen hilflos in der Wüste herumgeirrt war.

»Hör auf, verdammt noch mal«, knurrte Old Sam. »Davon wird es auch nicht besser. Es kommt schon ab und zu einmal vor, dass einem die Frau abhaut. Mir ist es vor dreißig Jahren auch einmal so ergangen. Und du kannst mir glauben, dass ich heute heilfroh darüber bin. Als ich zehn Jahre später die Lady wieder traf, war sie rund wie eine Tonne geworden.«

Phil Latimer nahm schon wieder einen langen Schluck. Und der Alkohol wirkte sehr rasch, denn der Marshal hatte seit über achtzehn Stunden nichts Festes mehr in den Magen bekommen.

Der Oldtimer nahm ihm kurzerhand die Flasche weg.

»Du benimmst dich wie ein Schuljunge, dem die Freundin nach dem ersten Kuss davongelaufen ist«, sagte er. »Wenn du meine Meinung hören willst, Phil, dann ist diese Clarissa nicht die Bohne wert gewesen. Außerdem …«

»Raus mit dir, Sam! Raus, ich will deine Meinung nicht hören. Los, zieh Leine, und lass dich so schnell nicht mehr sehen.«

Latimers Stimme klirrte. Sein Gesicht hatte die Farbe einer überreifen Tomate angenommen.

Der Oldtimer wollte noch etwas sagen, zuckte jedoch dann nur mit den Schultern und ging zur Tür.

»Lass die Whiskyflasche hier, Sam«, donnerte Latimers Stimme.

Old Sam knallte die Flasche wütend auf die Schreibtischplatte.

»Wenn du dich wie ein Narr benehmen willst, Phil, dann tu es doch. Ich werde dich nicht daran hindern.«

Wütend vor sich hin murmelnd, verließ der Oldtimer das Marshal’s Office.

Phil Latimer jedoch griff erneut zur Flasche.

O ja, er wollte seinen Kummer in Alkohol ertränken. Er sah nur noch diesen einen Ausweg.

Schluck für Schluck jagte er durch seine Kehle. Bald war die Flasche leer und zerbarst klirrend am Boden.

Der Marshal wollte sich erheben, um sich eine neue Flasche zu holen, doch er stürzte schon nach zwei Schritten. Es gelang ihm nicht, wieder auf die Beine zu kommen.

Eine Stunde später erschien Old Sam, schleppte Latimer zu dem alten Sofa und legte ihn darauf.

»O du verdammter Narr«, murmelte er. Seine Stimme klang jedoch nicht unfreundlich.

*

Phil Latimers Brummschädel dröhnte gewaltig, als er am späten Morgen erwachte. Stöhnend wuchtete er seinen Oberkörper hoch und schloss sofort wieder die Augen, denn der Sonnenschein, der zum Fenster hereinfiel, blendete ihn.

Der Marshal von Las Cruces brummte wie ein Bär, hinter dem ein Bienenschwarm hersauste.

»Bist du endlich aufgewacht, du Trunkenbold«, klang Old Sams Stimme auf.

Latimer presste beide Hände gegen seine Ohren. Übelkeit kroch in seiner Kehle hoch. Er würgte und schluckte. Dem Revolvermarshal war es speiübel.

»Kann ich dir helfen, Phil?«, rief der Oldtimer und trat mit einem breiten Grinsen näher.

»Sei nur ganz still, Old Sam«, flüsterte Latimer. »Deine Stimme klingt wie die Posaunen von Jericho, und die brachten vor ein paar Tausend Jahren eine ganze Stadt zum Einsturz.«

»Bin noch nie dort gewesen, in diesem Jericho«, verkündete der Alte. »Los, Marshal, spiel nur nicht den toten Mann. Runter vom Sofa. Ein starker Kaffee steht bereit. Lass dich nur nicht so hängen, mein Junge.«

Erneut ruckte Phil Latimers Oberkörper hoch. Wieder begann sich alles um ihn zu drehen.

Clarissa.

Plötzlich kam die Erinnerung, und sie traf Latimer wie ein gut gezielter Faustschlag. Er stöhnte erneut, öffnete die Augen und starrte in das verwegene Piratengesicht des Oldtimers, der ihn mit besorgtem Blick musterte.

»Yeah, Phil! Clarissa ist abgehauen. Bob Lesson folgte ihr eine Stunde später. Ich würde dir raten, auf die beiden einen großen Haufen zu machen. Dieses Pärchen ist es überhaupt nicht wert, dass man sich darüber den Kopf zerbricht.«

Phil Latimer schob seine Beine über die Sofakante. Sein Gesicht schimmerte bleich. Strähnig hingen ihm seine blonden, sehr lockigen Haare in die Stirn.

Er erhob sich, wankte zur Waschschüssel hinüber und tauchte seinen Kopf in das Wasser hinein. Prustend kam er wieder hoch und schüttelte sich wie ein Hund, der aus dem Regen kam.

Einige Minuten später schlürfte er von der schwarzen heißen Brühe, die Old Sam als Kaffee bezeichnete und die jeden Toten wieder zum Leben erweckt hätte.