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»Vom Horten zum Kreislauf, von der Unabhängigkeit zur Interdependenz, vom Verwunden zum Heilen; nur so können wir auch in Zukunft gedeihen.«
Was können wir von einem Baum lernen? Alles! Wie man sich einbringt, wie man teilt, wie man lebt. Die Felsenbirne – mit ihren köstlichen dunkelroten Beeren – steht hier als Sinnbild für alles, was wichtig ist: selbstloses Geben und verantwortungsvolles Nehmen. Für Gemeinschaft, Verbundenheit, Dankbarkeit. Dieses Buch lässt uns staunen über die Natur und über uns selbst.
Nach dem Weltbestseller »Geflochtenes Süßgras« schenkt uns Robin Wall Kimmerer ein weiteres Buch, das man nicht nur liest, sondern mit jeder Seite in sich aufnimmt.
Von der Autorin des Welt-Bestsellers »Geflochtenes Süßgras«.
»Robin Wall Kimmerer schreibt über Pflanzen und Menschen wie niemand vor ihr.« taz. Die Tageszeitung.
»Eine bewegende Reflexion darüber, was wir von den Gaben eines Baums für eine gerechtere Gesellschaft lernen können.« TIME.
»Dankbarkeit ist der Kern von Kimmerer Schreiben.« Deutschlandfunk Kultur.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 80
Veröffentlichungsjahr: 2025
Wie können wir gerechter und achtsamer mit der Erde umgehen? Diese Frage ist drängender denn je. Robin Wall Kimmerer, indigene Botanikerin und Bestsellerautorin, nimmt uns mit unter die Zweige der Felsenbirne, eines kleinen Baums, dessen Früchte sie Seite an Seite mit den Vögeln pflückt. Hier, mitten in der Natur, teilt sie ihre Gedanken über eine Welt, in der wir die Gaben der Erde nicht als Ware, sondern als Geschenk begreifen.
Kimmerer zeigt uns, dass wahre Fülle in der Gegenseitigkeit liegt – in einem Miteinander, das auf Teilen und Dankbarkeit basiert. Und lädt uns ein, eine neue Art des Wirtschaftens zu denken: eine, die das Wohl aller Lebewesen ins Zentrum stellt und das Verbindende betont. Mit ihrem einfühlsamen und poetischen Stil weckt sie die Sehnsucht nach einem Leben, das auf Gemeinschaft und gegenseitiger Unterstützung beruht – und öffnet den Blick für Wege, wie wir diese Vision schon heute verwirklichen können.
Robin Wall Kimmerer ist Mutter, Wissenschaftlerin, Professorin und Mitglied der Citizen Potawatomi Nation. Ihr Buch »Geflochtenes Süßgras« (Aufbau 2021) wurde zu einem gefeierten Publikumserfolg und zum Spiegel-Bestseller und steht seit seinem Erscheinen (2013) auf der New-York-Times-Bestsellerliste. Kimmerer lebt in Syracuse, New York, wo sie als Professorin für Umweltbiologie und als Gründerin und Direktorin des Center for Native Peoples and the Environment arbeitet.
Im Aufbau Verlag ist von ihr außerdem »Die ehrenhafte Ernte« lieferbar.
Elsbeth Ranke studierte Romanistik und Angewandte Sprachwissenschaft und übersetzt aus dem Französischen und Englischen, u. a. Jean Rouaud, Frédéric Lenoir, George Sand, E. O. Wilson, Dave Goulson, Hélène Beauvoir. André Gide-Preis 2004.
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Robin Wall Kimmerer
Die Großzügigkeit der Felsenbirne
Vom Glück des Schenkens
Aus dem Amerikanischen von Elsbeth Ranke
Mit Illustrationen von John Burgoyne
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
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Über den Illustrator
Impressum
Für meine guten Nachbarn Paulie und Ed Drexler
Alles Gedeihen beruht auf Gegenseitigkeit
Der kühle Atem des Abends streicht von den bewaldeten Hügeln herab und verdrängt die Hitze des Tages, und mit ihm kommen die Vögel, die über die Abkühlung genauso froh sind wie ich. Sie schwirren heran in einem Zwitscherkonzert, das klingt, als würden sie lachen, und ich antworte mit genauso vergnügtem Gelächter. Flatternd wirbeln sie um mich her, Zedernseidenschwänze, Katzendrosseln und ein blitzendes Schillern von Hüttensängern. Nie habe ich mich so mit meiner Namensschwester Robin, der Wanderdrossel, eins gefühlt wie in diesem Moment, als wir uns beide glucksend vor Glück die Schnäbel vollstopfen. Die Büsche sind übervoll mit Trauben von Früchten in Rot, Blau und Lila in jedem Reifestadium – so viele, dass man sie mit vollen Händen pflücken kann. Zum Glück habe ich einen Eimer dabei, er ist schon ziemlich schwer. Die Eimer der Vögel sind ihre Bäuche, mal sehen, ob sie mit so voller Ladung überhaupt noch fliegen können.
Dieser Überfluss an Früchten ist wie das reinste Geschenk der Erde. Ich habe nichts dafür geleistet, nicht dafür bezahlt und nicht gearbeitet. Keine Mathematik der Wertschöpfung kann berechnen, dass ich sie in irgendeiner Weise verdient habe. Und doch sind sie da – so wie die Sonne und die Luft, die Vögel und der Regen, der sich in turmhohen Haufenwolken ansammelt, da hinten braut sich bereits ein Gewitter zusammen. Man könnte von natürlichen Ressourcen sprechen oder von Ökosystemdienstleistungen, aber für die Wanderdrossel und mich sind es einfach Geschenke. Beide trällern wir mit vollen Mündern unser Danklied.
Mein Entzücken kommt zum Teil daher, dass ich diese Ernte nicht erwartet habe. Ich habe nicht geahnt, dass ich sie hier pflücken kann. Die heimischen Felsenbirnen, Amelanchier arborea, haben kleine, harte, meist recht trockene Früchte, und nur gelegentlich hat ein Baum süße Gaben zu bieten. Die heutige Beute in meinem Eimer ist eine Sorte aus dem Westen, A. alnifolia, auch bekannt als Saskatoon Berry; gepflanzt haben die Sträucher meine Nachbarn Paulie und Ed, die einen landwirtschaftlichen Betrieb haben; es ist das erste Jahr, dass sie Früchte tragen, und das mit einer Begeisterung, die meiner eigenen gleichkommt.
Saskatoon, Juneberry, Shadbush, Shadblow, Sugarplum, Sarvis, Serviceberry – das Englische kennt viele Namen für die Felsenbirne. Ethnobotaniker wissen: Je mehr Namen eine Pflanze hat, desto größer ist ihre kulturelle Bedeutung. Der Baum wird geschätzt wegen seiner Früchte, als Heilpflanze und wegen seines frühen Blütenflors, der beim ersten Anzeichen des Frühlings die Waldsäume weiß schäumen lässt. Die Felsenbirne gilt als Kalenderpflanze, so zuverlässig folgt sie saisonalen Wettermustern. Ihre Blüte ist ein Zeichen dafür, dass der Boden getaut ist. Gemäß traditionellem Wissen war dies die Zeit, in der die Bergstraßen für die Prediger, die zum Gottesdienst kamen, befahrbar wurden. Außerdem ist die Felsenbirnenblüte ein verlässlicher Indikator für die Fischer, dass die Maifische flussaufwärts schwimmen – zumindest als die Flüsse noch sauber und offen genug waren, um ihnen als Laichplatz zu dienen.
Kalenderpflanzen wie die Felsenbirne sind wichtige Marksteine, sie geben den Takt für den jahreszeitlichen Reigen traditionell lebender Völker an, die in einem jährlichen Kreislauf immer dorthin ziehen, wo sie Nahrung finden. Statt das Land ihren Bedürfnissen anzupassen, passen sie sich selbst an. Sich beim Essen nach den Jahreszeiten zu richten ist eine Möglichkeit, den Überfluss anzuerkennen, indem man ihm begegnet, wann und wo er kommt. In der Welt der Gemüsehallen und Supermärkte kann man kaufen, was man will und wann man will. Wir zwingen die Lebensmittel, zu uns zu kommen, und das unter erheblichem finanziellem und ökologischem Aufwand, statt einfach zu nehmen, was uns gegeben wird, jedes zu seiner Zeit. Diese Felsenbirnen wurden zu nichts gezwungen, und ihr CO2‑Fußabdruck ist gleich null. Vielleicht schmecken sie auch deshalb so wunderbar – es gibt sie nur dieses eine Mal im Jahr –, ein vergänglicher Bissen Sommer ohne jeden schalen Nachgeschmack.
Dass die Felsenbirne im Englischen den schönen Namen »Serviceberry« trägt, hat nichts mit dem Service zu tun, den sie uns leistet, sondern geht auf eine veraltete Zuschreibung zu einer Gattung der Rosengewächse zurück, sorbus nämlich, das sich zu sarvis und weiter zu service entwickelte. Obwohl der Name also nicht auf ihre Nützlichkeit zurückgeht, erweist uns die Pflanze doch unendlich viele gute Dienste, und nicht nur uns Menschen, sondern auch vielen anderen Weltbewohnern. Sie stärkt die Biodiversität. Felsenbirnen sind eine beliebte Nahrung für Hirsche und Elche, eine lebensnotwendige frühe Pollenquelle für frisch geschlüpfte Insekten und Wirtspflanze für alle möglichen Schmetterlingslarven, etwa Tigerschwalbenschwänze, Vizekönige, Admirale und Zipfelfalter, und für beerenfressende Vögel, die in ihrer Brutphase auf diese Kalorien angewiesen sind.
Auch Menschen setzen auf diese Kalorien, besonders in der traditionellen indigenen Ernährung. Felsenbirnen waren eine wichtige Zutat bei der Herstellung von Pemmikan. Die getrockneten Früchte wurden zusammen mit gedörrtem Hirsch- oder Bisonfleisch zu einem feinen Pulver zerstoßen und mit Talg verknetet zum Urahn des Energieriegels verarbeitet. Diese hochkonzentrierte, haltbare Nahrung deckte in Hungerzeiten den kompletten Nährstoffbedarf ab, war gut transportierbar und konnte eingelagert oder mitgenommen werden. Daher war Pemmikan sehr wertvoll; es wurde auch Teil der traditionellen Handelswirtschaft, einem feingliedrigen lokalen und transkontinentalen Netzwerk zur Verteilung lebenswichtiger Materialien über Ökosysteme und Kulturen hinweg. Überschüssige Felsenbirnen-Kalorien konnten so gegen andere, vor Ort nicht verfügbare Güter eingetauscht werden.
Überall, wo Felsenbirnen wachsen, werden sie von den Indigenen als Nahrungsmittel genutzt. Ich bin Angehörige der Potawatomi-Nation, einer der Stammesgruppen der Anishinaabe in der Region der Großen Seen. Auf traditionellen Festen durfte ich immer wieder das dickflüssige, dunkellila Felsenbirnenkompott kosten, das meine Geschmacksknospen und meine Erinnerungen an diese uralte Speise nachhaltig geprägt hat.
Auf Potawatomi heißt die Felsenbirne Bozakmin, und das ist ein Superlativ: die beste aller Beeren. Als eine auf meiner Zunge liegt, pflichte ich meinen Vorfahren bei: Dieser Name passt. Man stelle sich eine Frucht vor, die schmeckt wie eine Heidelbeere, gekreuzt mit der angenehmen Schwere eines Apfels, einem Hauch Rosenwasser und einem Anflug von Mandelaroma in den knusprigen Kernchen. Nichts, was man im Supermarkt kaufen kann, ähnelt ihrem Geschmack, er ist wild, komplex, mit einem Aroma, das unser Körper sofort erkennt als wahre Nahrung, auf die er nur so gewartet hat. Ich kann beinahe spüren, wie meine Mitochondrien in einen Freudentanz verfallen.
Der wichtigste Teil des Wortes Bozakmin ist für mich die Silbe min, das bedeutet »Frucht« oder »Beere«. Sie taucht im Potawatomi auch in den Wörtern für Heidelbeere (Minaan), Erdbeere (Odemin), Himbeere (Mskadiismin) auf, ja sogar für Apfel (Mishiimin), Mais (Mandamin) und Wildreis (Manomin). Dieses Wort ist eine Erleuchtung, denn es ist auch der Stamm des Wortes »Geschenk«. Mit so einem Namen für die Pflanzen, die uns mit Gutem überschütten, erkennen wir an, dass sie Geschenke unserer pflanzlichen Verwandten sind, Ausdruck ihrer Großzügigkeit, ihrer Fürsorge und ihrer schöpferischen Kraft. Der Anishinaabe-Linguist James Vukelich nennt diese Pflanzengeschenke einen »Ausdruck der bedingungslosen Liebe der Pflanzen zu den Menschen«. Pflanzen schenken, was sie haben, jedem, der es braucht, »Heiligen und Sündern gleich«, schreibt er.