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In 'Die Hallbauerin' von Jodocus Temme wird die Geschichte einer jungen Frau namens Lena Hallbauer erzählt, die in einem kleinen Dorf im 19. Jahrhundert lebt. Das Buch zeichnet sich durch seinen realistischen Schreibstil und die genaue Darstellung des Landlebens aus. Temme nimmt den Leser mit auf eine Reise durch Lenas Leben und zeigt sowohl ihre inneren Kämpfe als auch die äußeren Hindernisse, mit denen sie konfrontiert ist. Das Werk kann literarisch in die Tradition des Realismus eingeordnet werden und bietet einen authentischen Einblick in die Gesellschaft der damaligen Zeit. Jodocus Temme, ein zeitgenössischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, war bekannt für seine detaillierten Beschreibungen ländlicher Lebensumstände. Es wird vermutet, dass Temme durch eigene Beobachtungen und Erfahrungen inspiriert wurde, 'Die Hallbauerin' zu schreiben. Sein Werk reflektiert die sozialen und kulturellen Normen seiner Zeit und wirft ein Licht auf das Schicksal unabhängiger Frauen in ländlichen Gemeinden. 'Die Hallbauerin' ist ein empfehlenswertes Buch für Leser, die an realistischer Literatur interessiert sind. Temme gelingt es, die Protagonistin so lebendig darzustellen, dass man sich mit ihren Herausforderungen identifizieren kann. Das Buch bietet nicht nur spannende Unterhaltung, sondern auch einen Einblick in die Geschichte und Traditionen des ländlichen Lebens im 19. Jahrhundert.
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In dem früheren Fürstbistum Münster war, wie damals in fast allen deutschen Ländern, bis zu seiner Besitznahme durch Preußen im Jahre 1802 die Gerichtsbarkeit mit der Verwaltung verbunden. Der Richter hatte zugleich die Polizei, die Umlage und Erhebung der Steuern, Gewerke-und Gewerbesachen, kurz, fast alle jene Angelegenheiten zu besorgen, mit denen ein Land regiert zu werden pflegt. Indes regierte man freilich damals nicht den zehnten, vielleicht nicht den zwanzigsten Teil soviel wie heutzutage. Die Gerichte waren teils landesherrliche, teils städtische, teils adelige. Die letzteren, auf dem Lande die meisten, führten verschiedene Benennungen; die bedeutendsten hießen Gaugerichte oder, wie im Münsterland der Name gebräuchlich war, Gogerichte. Der Richter, der sie verwaltete, hieß Gaugraf, Gograf, auch plattdeutsch Gogreve. Der münstersche Adel gehört wie zu dem ältesten, so auch zu dem reichsten und angesehensten Adel Deutschlands. Das Gogericht manches Freiherrn erstreckte sich über ein Gebiet von vielen tausend Einwohnern. Der Gograf, der ihm vorstand, der es verwaltete, war, zumal da er neben der Rechtspflege auch alle jene anderen obrigkeitlichen Funktionen und Rechte auszuüben hatte, ein angesehener Mann. Er verwaltete oder eigentlich regierte, namentlich da, wo der Gerichtsherr nicht zu Hause war, wie ein unumschränkter Herr. Manchmal auch, wenn der Gerichtsherr da war; denn der Gograf war fest, auf Lebenszeit, unter Genehmigung und Garantie des Landesherrn, des Fürstbischofs, angestellt. Er übte unmittelbar die Gewalt aus; er war ein wissenschaftlich gebildeter Mann. Der freiherrliche Gerichtsherr dagegen, der auf seinem Gute saß, hatte in der Regel, außer in den noblen Passionen, eben keine große Ausbildung erhalten und selten auch die Lust, sich um andere Angelegenheiten zu bekümmern, zumal um Beschwerden seiner Bauern und sonstigen Hintersassen über die Gografen. Dazu kam, daß im Laufe der Zeiten manche Gografschaft erblich geworden war. Der älteste oder sonst am nächsten befähigte Sohn des Gografen hatte studieren müssen, er war nach Beendigung seiner Studien dem Vater adjunktiert worden und trat nach dessen Tod ganz in das Amt ein. So waren Amt und Familie manchmal seit Jahrhunderten miteinander verwachsen. Man wußte gar nicht mehr, daß es jemals anders gewesen ist; man konnte sich nicht denken, daß es jemals anders werden könne.
Zu den bedeutendsten Gogerichten des Münsterlandes gehörte das zu Sanden. Ich glaube nicht, daß meine Leser den Ort in einer Geographie oder auf einer Landkarte noch antreffen werden; einen Grund wüßte ich ihnen wahrhaftig nicht dafür anzugeben, wenn sie ihn nicht eben in der nachfolgenden Tatsache finden wollen.
Vorstand des Gogerichts zu Sanden war in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der Gograf Schirmer. Er war ein sehr strenger, aber auch ebenso gerechter Mann. Er war wegen seiner Strenge ebensosehr gefürchtet als wegen seiner Gerechtigkeit allgemein geachtet. Er konnte als unumschränkter Herr in der Gaugrafschaft, in »seinem Gogericht«, sein, und er war es; denn der Gerichtsherr war seit Menschengedenken nicht in der Heimat gewesen. Das Gericht gehörte einem Zweige der alten münsterschen freiherrlichen Familie von Droste an, der schon seit mehreren Generationen in Österreich lebte; der gegenwärtige Freiherr war österreichischer Gesandter in Neapel. Der Gograf Schirmer regierte in solcher Weise gleich einem absoluten Landesherrn. Aber es gab in dem ganzen Gogerichte keinen Menschen, der sich über irgendeinen unberechtigten Eingriff, über irgendeine Eigenmacht von seiner Seite beklagen konnte. Über Härte glaubte wohl mancher klagen zu können; aber wenn er seine Beschwerde einem Unparteiischen oder Unbefangenen vortrug, so wurde es diesem leicht, ihn zu überzeugen, daß der Gograf zwar nach der Strenge der Gesetze, aber auch nur nach dieser verfahren habe. Der Gograf Schirmer gehörte zu denjenigen Beamten, die das Amt von ihren Vorfahren ererbt hatten. Sein Vater war Gograf zu Sanden gewesen, sein Großvater war es gewesen, sein Urgroßvater und so weiter, soweit die Archive des Gogerichts reichten. Er selbst sollte indes das Amt nicht vererben, er hatte keinen Sohn.
Er war verheiratet, ob glücklich oder nicht glücklich, das war eine nicht wohl zu lösende Frage. Er zählte schon einige dreißig Jahre, als er zur Ehe schritt. Früh seinem etwas kränklichen Vater adjunktiert, dann selbständiger Verwalter des Amtes, war er immer vollauf mit Geschäften beladen gewesen, und er hatte kaum Zeit gehabt, an das Heiraten zu denken. Auch keine rechte Gelegenheit, denn zu den freiherrlichen Töchtern, die in der Gegend lebten, durfte der freiherrliche Beamte seine Augen nicht erheben, und andere junge »Frauenzimmer« der Umgegend standen zu tief unter ihm. Damals hatte die Französische Revolution noch nicht nivelliert, und man hatte noch sehr strenge Begriffe und Urteile über Mißheiraten. Da hatte er zu einer Zeit eine Geschäftsreise nach Münster zu machen und dort mehrere Wochen sich aufhalten müssen. Seine Geschäfte betrugen Geldangelegenheiten seines Gerichtsherrn, des österreichischen Gesandten in Neapel. Sie brachten ihn mit den ersten Rentiers und Bankiers Münsters zusammen, und diese brachten ihn wieder in die ersten Gesellschaften Münsters, freilich nur in die ersten bürgerlichen. Denn, wie gesagt, es fehlte damals noch das Nivellement der Französischen Revolution, und der münstersche Adel war auch äußerlich, auch durch seinen Umgang, auf das strengste kastenmäßig von den Bürgern geschieden. Selbst nur eine annähernde Vermischung beider Stände durch die höchsten Spitzen des einen und etwaige untere Sprossen des anderen wäre zu jener Zeit ebensowohl eine soziale als selbst politische Unmöglichkeit gewesen. In Münster konzentrierte sich damals mehr als zu anderer Zeit der Adel des Landes. Es hatte dort der Fürstbischof seine Residenz. Die Fürstbischöfe Münsters waren gerade in jener Zeit österreichische Erzherzöge. Das alles hatte großen Reichtum und auch großen Aufwand nach Münster gezogen, nicht bloß in die adeligen, auch in die bürgerlichen Kreise und Gesellschaften.
In diese bürgerlichen Gesellschaften der Hauptstadt des Landes wurde der Gograf Schirmer eingeführt. Er war ein sehr wohlgestalter Mann in der vollen Blüte und Kraft des männlichen Alters. Er wußte sich mit sicherer, selbst feiner Sitte zu benehmen. Den tüchtigen, gewandten Juristen und Geschäftsmann hatte der in der Umgegend von Sanden wohnende Adel oft zu Rat und Tat in Anspruch genommen. Er war bei solchen Gelegenheiten zu der adeligen Tafel gezogen; selbst bei der gnädigen Frau zum Tee war er manchmal, wie man jetzt an den Höfen sagt, befohlen worden. Zu dem allen war er ein sehr wohlhabender, gar ein reicher Mann; seine Vorfahren waren nicht umsonst ein paar hundert Jahre lang Gografen zu Sanden gewesen.
Die jungen Damen der Gesellschaft – in der Hauptstadt hießen sie damals schon Damen – behandelten ihn begreiflich mit großer Aufmerksamkeit. Unter ihnen zeichneten sich und zeichneten ihn besonders die Töchter eines reichen Bankiers aus, der zugleich den Titel eines hochfürstlichen Geheimrats führte. Thresette Lindemann war zwar nicht mehr ganz jung, sie zählte sechs-, siebenundzwanzig Jahre. Aber sie war eine Schönheit, und sie hatte ihre Schönheit sehr zu konservieren gewußt. Es war ihr in ihren noch jüngeren Jahren viel der Hof gemacht von jungen Domherren in Münster und von jungen, namentlich preußischen Lieutnants in den Bädern von Pyrmont und Hofgeismar. Allein, ist es eine Schuld einer jungen und schönen Dame, wenn ihr der Hof gemacht wird? Und weiter wußte man zuletzt der schönen Dame nichts nachzusagen. Wohl aber war sie die Zierde, und zwar die liebenswürdigste Zierde, der Zirkel Münsters.
Der Gograf Schirmer konnte der Auszeichnung der ersten Dame des bürgerlichen Münsters nicht widerstehen. Er zeichnete bald auch sie aus. Nach einem halben Jahre war die schöne Thresette Lindemann Frau Gogräfin Schirmer.
Freilich hieß es einige Zeit nachher, der Geheime Rat Lindemann habe in der letzteren Zeit bedeutende Verluste gehabt, und er mußte sich sehr zurückziehen. Als er ein paar Jahre nachher starb, fand sich, daß er arm gestorben war; aber das war ein Unglück, für das die schöne Thresette Lindemann nicht konnte. Freilich ließ die Frau Gogräfin sich dadurch nicht abhalten, jeden Sommer in die Bäder zu gehen und jeden Winter ein paar Monate Gesellschaften, Konzerte und Maskenbälle in Münster mitzumachen; aber ihr Mann war ja ein reicher Mann, und seine Zinsen und sein Amtseinkommen wurde durch solche Reisen und Vergnügungen und den Putz und anderen Aufwand, den sie erforderten, noch lange nicht aufgezehrt. Zwar war auch die junge Frau in den Bädern wie in Münster immer von einem großen Schwarm von Anbetern umgeben, und im Frühjahr und im Herbste kamen, anfangs nach und nach, später regelmäßig, Husarenlieutnants und Domherren nach Sanden geritten und gefahren, bloß um der Frau Gogräfin ihre Verehrung zu bezeigen und ihr die Zeit des einsamen Landlebens zu verkürzen. Allein, ist es denn etwas Unnatürliches, oder muß man gerade etwas Schlimmes dabei denken oder sofort Vorwürfe bei der Hand haben, wenn eine junge, schöne und liebenswürdige Frau jung, schön und liebenswürdig gefunden wird? Blieb sie dieses alles doch auch für ihren Mann. Und im übrigen war der Gograf weder durch die Reisen noch durch die Besuche viel geniert; denn daß er seinen Geschäften sich entziehe, verlangte seine Frau durchaus nicht. Und der Geschäfte hatte er eine solche Menge, daß er vom Morgen bis zum Abend hinlänglich damit zu tun hatte, und er nahm sich ihrer mit einem solchen Eifer an, daß man meinen konnte, er habe für nichts anderes Sinn mehr als für seine Geschäfte, und daß er zuletzt in der Tat für nichts anderes Sinn mehr hatte.