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In 'Die Sagen & Märchen von Pommern und Rügen: 280+ Geschichten in einem Buch' präsentiert Jodocus Temme eine faszinierende Sammlung von Geschichten aus der Region Pommern und der Insel Rügen. Durch seine detaillierten Beschreibungen und seinen eingängigen Erzählstil entführt Temme die Leser in eine Welt voller Mystik und Abenteuer. Die Geschichten zeugen von einer reichen kulturellen Tradition und bieten einen Einblick in die Volkssagen und Überlieferungen dieser Region.
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Seitenzahl: 503
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Die Sage lebt in und mit dem Volke; sie gehört zu dem romantischen Theile seines Lebens, den es mit einem eigenthümlichen poetischen Kleide umgeben hat. Sie gehört in solcher Weise seinem vergangenen, wie seinem gegenwärtigen Leben an; sie zieht sich selbst bedeutungsvoll in seine Zukunft hinüber. Seiner Vergangenheit gehört die rein geschichtliche Sage an; der Gegenwart die Sage, welche entweder ganz, oder auch zum Theil als geschichtliche, an noch vorhandene Gegenden, Orte oder Denkmäler sich anknüpft. Für die Zukunft wird sie bedeutungsvoll, indem sie durch Prophezeihungen, Ahnungen, oft nur durch dunkle Andeutungen, über das künftige Schicksal des gesammten Volkes, einzelner Gegenden, Städte, Dörfer, oft nur einzelner Familien bestimmt.
Immer hat sie eine nahe Beziehung auf das Volk, dem sie angehört, aus dem sie entstanden, das sie in sich aufgenommen und sie ausgebildet hat. »Sie ist sein liebes Kind geworden, und eben dadurch sein Schutzgeist,« wie die Brüder Grimm in ihrer Vorrede zu den Deutschen Sagen dies so schön ausführen. Durch diese Beziehung unterscheidet sie sich wesentlich vom Märchen. Das Märchen ist überall, in der ganzen Welt zu Hause, es hat durchaus keine specielle National- oder gar nur Local-Beziehung. So wie die Sage dem Leben eines bestimmten Volkes angehört, so gehört das Märchen in seiner Allgemeinheit dem gesammten Menschengeschlechte.
Indeß giebt es zwischen beiden auch noch einen anderen erheblichen Unterschied. Das Märchen enthält immer etwas Wunderbares, es theilt Ereignisse und Wirkungen mit, deren Existenz und Ursachen der menschliche Geist nicht begreifen kann. Sein Gebiet ist das des spielenden Kindes, der duftigen Traum-Phantasie. Anders ist dies bei der Sage. Auch von ihr ist das Gebiet des Unbegreiflichen und Wunderbaren nicht ausgeschlossen. Im Gegentheile, die meisten Sagen werden gerade diesem Gebiete anheim fallen, weil der eigentliche Charakter des Volks ein unverdorben kindlicher ist, und der Charakter des Volks auch seine Poesie modificirt; sie werden ihm daher um so mehr angehören, je einfacher das Volk ist, dem sie angehören, oder je weiter der Zeitpunkt von uns zurückliegt, in dem sie entstanden sind. Denn je mehr die fortschreitende Zeit die Cultur der Völker entwickelt, desto mehr nimmt sie ihnen von ihrer Einfachheit, von ihrer kindlichen Poesie.
Aber darum ist das Wunderbare der Sage nicht wesentlich nothwendig. Sie kann auch ohne dasselbe bestehen. Man will dies nicht überall zugestehen; man will den Begriff der Sage von dem Erforderniß des Uebernatürlichen nicht trennen. Es sind in dieser Hinsicht namentlich den Preußischen und Litthauischen Sagen, die der Unterzeichnete gemeinschaftlich mit dem Landrath, jetzt Regierungsrath von Tettau herausgab, von mehreren Seiten Vorwürfe gemacht. Indeß dürfte, die Sach aus dem richtigen Gesichtspunkte betrachtet, die Ansicht des Unterzeichneten Manches für sich haben. Volkssage ist, was das Volk sagt, näher: was es sich selbst und Anderen aus seinem Leben und aus dem Leben solcher Personen sagt, die ihm angehören und zugleich so bedeutend geworden sind, daß es sie als einen Theil seiner selbst betrachtet; dies ist namentlich mit seinen ausgezeichneten Fürsten der Fall. Freilich ist auch mit dieser näheren Bestimmung das Wesen der Volkssage noch nicht angegeben. Das Charakteristische der Volkssage besteht nämlich zum großen Theile auch darin, daß sie bleibend im Volke ist. Ihre Feuerprobe ist, daß sie nur mit dem Volke, dem sie gehört, stirbt, daß sie dasselbe noch sogar überlebt, wenn nicht anders das Volk späterhin seinen Sinn für sie verliert. So leben für uns noch die Griechischen Götter- und Heldensagen, obgleich das Griechische Volk längst untergegangen war; sie leben, was ihr bewährtester Probirstein ist, zum großen Theile selbst noch unter jenen wilden, uncultivirten Stämmen, die mit den alten Griechen sonst fast nichts mehr gemein haben, als den Boden, auf dem sie geboren sind, und die Luft, die sie einathmen. Mit diesem Boden, mit dieser Luft hat sich die Sage erhalten.
Volkssage ist, was das Volk aus seinem eigenen Leben erzählt. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß von bleibendem Interesse nur dasjenige für das Volk seyn kann, was ihm bedeutungsvoll, merkwürdig ist. Das Gewöhnliche, Alltägliche wird es in seinem Gedächtnisse nicht aufzeichnen.
Wollte man nun von der Sage nur einen dem Verstande unbegreiflichen, einen wunderbaren Inhalt fordern, so würde man dadurch behaupten, daß nur dies dem Volke bedeutungsvoll wäre, daß es nur dafür Empfänglichkeit hätte. Wie sehr Unrecht würde man dadurch seinem richtigen, und für alles Schöne und Große empfänglichen Sinne, seinem Geiste zufügen! Wie arm und beschränkt würde man seine Sage machen, wenn man ihm jene schönen, herrlichen Erzählungen nähme, in denen es auf seine Weise die historischen Thaten seiner Vorfahren, die glänzenden Eigenschaften seiner Fürsten feiert!
Es ist freilich nicht zu verkennen, daß auf solche Weise Sage und Geschichte sehr nahe an einander gebracht, in manchen Fällen gar mit einander verschmolzen werden. Aber darum bleibt noch immer ein großer Unterschied zwischen beiden. Was die Geschichte uns mittheilt, ist wahr, wenigstens so wahr, als es historische Wahrheit überhaupt giebt. Es ist also durch gültige Zeugnisse erwiesen. Was uns aber die Sage erzählt, dafür giebt es keine Zeugnisse weiter, als nur den Glauben. So wie die Geschichte durch die Feuerprobe der Kritik bewährt ist, so besteht die Sage, ein Kind des Glaubens, nur durch Glauben. Treffen nun gleichwohl Geschichte und Sage ganz zusammen, was indeß kaum in einem Falle ganz seyn dürfte, so ist das ein Zufall, der weiter nicht in Betracht kommen, namentlich auf das Wesen der Sage keinen Einfluß äußern kann. Wie Geschichte und Sage an einander grenzen, möge z.B. die Sage unter Nr. 104. (der Landvogt Barnekow) dieser Sammlung zeigen.
Dabei ist das poetische Kleid nicht zu übersehen, mit welchem das Volk seine Sage umgiebt und welches ebenfalls ein durchaus wesentlicher, nothwendiger Theil derselben ist. Was in dem Gewande der Geschichte, wenn auch ohne alle höhere Gelehrsamkeit, vorgetragen ist, wird nie Eigenthum des Volkes werden, mindestens nie in solchem Gewande. Soll es in das Volk übergehen, so wird dieses es sofort, oder vielmehr zuvor, auf seine Weise umgestalten, und seinem Wesen assimiliren. Dieses Wesen ist nun aber immer mehr oder weniger ein poetisches. Ohne poetische Elemente besteht kein Volk. Bei den meisten Völkern sind sie die überwiegenden. Daher würde man es dann nur als eine Nüchternheit des Volkes betrachten können, wenn es zufällig bei ihm eine Sage gäbe, die ganz, ohne alle poetische, sagenartige Beimischung, mit der Geschichte zusammenfiele. Die geschichtliche Volkssage steht insofern dem historischen Romane gleich; nur mit dem wesentlichen Unterschiede, daß dieser einen Romanschreiber, oder höflicher zu reden, einen Novellisten, jene aber ein poetisches Volk zum Verfasser hat. Darum erlebt die einfache Volkssage oft mehr Jahrhunderte, als die Mehrzahl der historischen Romane – Jahre.
Die hier angedeuteten Gründe haben den Herausgeber bewogen, trotz jener Einwendungen gegen einzelne Stücke seiner früheren Sammlungen, in die gegenwärtige Sammlung auch solche Sagen aufzunehmen, denen das Element des Wunderbaren fehlt, wenn sie nur sonst echte Sagen waren. In Betreff der geschichtlichen Sagen glaubte er, diesem gemäß um so mehr verfahren zu müssen, als es vielleicht keine Germanische oder Slavische Provinz geben mag, die einen solchen Reichthum der herrlichsten, kräftigsten und frischesten geschichtlichen Sagen hat, wie gerade Pommern. Aber auch in Betreff der nicht geschichtlichen, sondern blos localen Sagen glaubte er, eben so ohne Aengstlichkeit um so zuversichtlicher verfahren zu dürfen, als er das Beispiel der Brüder Grimm für sich hat, von deren deutschen Sagen manche, z.B. der Glockenguß zu Attendorn, ebenfalls ohne allen wunderbaren Inhalt sind.
Einem zweiten Vorwurfe, der den Preußischen Sagen gemacht wurde, ist der Herausgeber schon in der Vorrede zu seinen Volkssagen der Altmark begegnet. Er hält es aber nicht für überflüssig, auch hier noch einige Worte darüber zu sagen, da er in gleicher Art auch der gegenwärtigen Sammlung gemacht werden könnte. Es sind nämlich viele Sagen blos aus Chroniken aufgenommen. Die eigentliche Volkssage aber soll nur aus dem Volke genommen werden. Jene Chroniken-Sagen hätten also nicht dürfen aufgenommen werden. Allein dieser Einwand ist illusorisch. Denn nicht der Chronikant, dem hier nacherzählt ist, hat das ihm Nacherzählte erfunden und gemacht. Die Erzählung existirte vielmehr im Volke, der Chronikant fand sie schon vor, und theilte sie nur weiter mit. Es ist hiernach also die Aufnahme der Sage in die Chroniken gerade ein Beweis für ihre Echtheit als Sage; denn das Volk hatte sie sich so ganz und gar zu eigen gemacht, daß selbst der gelehrte Chronikant sie gläubig, gar als Wahrheit mittheilte, oder doch mindestens, eben weil sie so innig mit dem Volke, dessen Geschichte er schrieb, verbunden war, es für nothwendig hielt, ihrer zu erwähnen. Rührte aber auch die Sage wirklich von dem Chronikanten, als dessen Erfindung her, so würde sie auch hierdurch nichts von ihrem Charakter verlieren. Denn auch die echteste Volkssage ist, sofern sie nicht einen geschichtlichen Boden hat, zuerst von Einem, gläubig oder ungläubig, aufgenommen und weiter erzählt, und so zur Sage geworden. Ob dieses ursprüngliche Erzählen von Einem aus dem Volke oder von einem Chronisten ausgegangen ist, bleibt gleichgültig, denn die Sage ist nur dadurch geworden, daß das Volk sie in sich aufnahm, sie als einen denkwürdigen Theil seines Lebens betrachtete, als solchen sie zu seinem Eigenthume machte und sie weiter erzählte.
Auch das läßt dieser Gattung der Volkssagen sich nicht zum Vorwurfe machen, daß sie nicht mehr im Volke leben, sondern nur noch in den todten Büchern stehen. Es genügt, daß sie einmal als Sage des Volks wirklich gelebt haben. Ist dies jetzt nicht mehr der Fall, so ist dies ein Zeichen, entweder, nach dem Obigen, daß ihr Kern und Gehalt nicht ein so echt volksthümlicher war, daß sie ganz und gar mit dem Volke sich erhalten und in ihm fortleben mußten, oder aber daß aus anderen, außerhalb der Sage und ihrem Werthe liegenden Gründen das Volk sie aufgab und vergaß. Solcher Gründe giebt es eine große Menge. Manche davon sind im Volke selbst zu suchen: Indolenz, Mangel an anhaltendem poetischen Sinne, Flüchtigkeit der Auffassung etc. Manche liegen aber auch außer ihm, wie denn leider namentlich die letztere Hälfte des vorigen Jahrhunderts in ihren auf das Volk einwirkenden Richtungen nicht dazu geschaffen war, eine kernhafte, tüchtige Volksbildung zu schaffen. Finden wir doch selbst in den Volksgeschichten, in den Städte- und Ortsbeschreibungen aus dieser Zeit eine Dürre und Nüchternheit, die auch dem trockensten Gelehrten jetzt schwerlich mehr zusagen wird, aus der am Ende gar nichts zu entnehmen ist. Solche Umstände können aber nicht zwingen, vergessene Sagen nun gar nicht mehr als Sagen gelten zu lassen. Im Gegentheile, haben sie wirklich einen echten volkstümlichen Kern, so wird es Wohlthat für den einen, und Pflicht für den anderen Theil, sie der Gefahr einer gänzlichen Vergessenheit zu entreißen, und sie auch dem Volke, dem sie eigentlich angehören, zurückzugeben. Diese Sagen aber, die nicht aus Mangel an innerem Werth, sondern nur durch andere äußere Umstände dem Volke entfremdet sind, machen die unbestrittene Mehrzahl der blos noch in den Chroniken lebenden Sagen aus. Man darf sogar, ohne Uebertreibung, behaupten, daß sie es nur allein sind, oder es möchte denn eine oder die andere sich finden, die ein so eigenthümlich, dem Volkssinne widerstrebendes Element enthält, daß von vornherein angenommen werden muß, sie sey von Anfang an nichts weiter als das Hirngespinnst eines müßigen Kopfes gewesen und geblieben. Solche Erzählungen dürfen denn selbstredend in keine Sagensammlung aufgenommen werden, und der Herausgeber glaubt nicht, sie früher oder auch gegenwärtig aufgenommen zu haben.
Es ist überhaupt ein eigen Ding, die Sage bis zu ihrem Ursprunge hin verfolgen zu wollen. Dem Geschichtsforscher ist dies allerdings von Erheblichkeit, wenn sie ihm dazu dienen soll, die Geschichte zu erläutern oder zu berichtigen. Aber der Sagensammler, der sich darauf einlassen wollte, um danach einen Maßstab für den Werth, oder gar für die Aufnehmbarkeit der einzelnen Sagen zu finden, würde jedenfalls fehl greifen. Ihm muß es genug seyn, daß das, was er mittheilt, wirklich im Volke lebt oder gelebt hat. Jene, die verlangen, man solle nur diejenigen Sagen geben, welche nicht bloße Erfindungen der Chronikenschreiber seyen, haben freilich an sich Recht. Allein wie soll ihr Recht aus den concreten Verhältnissen heraus gefunden werden? Sehr viele echte Volkssagen sind sicher ursprünglich nichts, als Erfindungen eines müßigen Kopfes, oder gar eines Betrügers; in der vorliegenden Sammlung soll z.B. nur auf die Sage Nummer 256: »die brennende Mütze« verwiesen werden. Aber ist sie darum keine Volkssage? Sollte sie aus der Sammlung hinausgestoßen werden, trotz ihres reinen, volksthümlichen Sagen-Elements?
Der Herausgeber glaubt nicht, nach den angedeuteten Richtungen hin seine Sammlung weiter rechtfertigen zu müssen. Dagegen muß er dies noch in zwei anderen Beziehungen. Es sind zuvörderst mehrere geschichtliche Sagen aufgenommen, die als Pommersche Sagen vielleicht nicht dürften bestehen können. Dies gilt namentlich von den Kämpfen zwischen den Wenden und Dänen. Neuere geschichtliche Forschungen glauben wenigstens so viel festgestellt zu haben, daß diese Streitigkeiten, wenn sie überhaupt stattgefunden, doch sicher das Pommersche Volk nicht berühren. Der Herausgeber war gleichwohl der Meinung, sie aufnehmen zu müssen. Die meisten Chronisten beziehen sie auf Pommern, insbesondere auch noch Kantzow; dies war dem Herausgeber eine Gewährleistung, daß sie irgend wann und wie von dem Pommerschen Volke sich angeeignet, und deshalb Pommersche Sagen seyen. Die Sage muß überhaupt und im Ganzen gläubig aufgenommen werden, nicht blos hinsichtlich ihres Inhalts, sondern auch hinsichtlich ihres Ursprungs und ihrer Zeit. Historische Critik muß sich ganz fern von ihr halten. Sie darf nur in einer einzigen Beziehung sich ihr nahen, nämlich nur in sofern, als es sich darum handelt, Sage und Geschichte von einander zu trennen. Diese, vorzüglich in der neueren Zeit geltend gemachte Aufgabe der Geschichtsforschung ist nun aber der Sage nichts weniger als gefährlich. Es muß auch der leidenschaftlichste Freund der Sage wohl nur mit einem »Leider« das Gegentheil eingestehen. Dieser harmlosen Bemerkung muß eine nähere Andeutung fremd bleiben. Aber ein Wunsch kann hier nicht unterdrückt werden. Das Mittelalter und die nächste Periode nach ihm warf Geschichte und Sage ohne Critik bunt durch einander; darauf folgte eine Zeit bis tief in das vorige Jahrhundert hinein, die nur mit einem trocknen Aufsammeln des Materials sich beschäftigte. Jetzt leben wir in der Zeit der Alles zerschneidenden und zersetzenden Critik. Die Geschichte wird zur Sage und die Sage wieder wird zu gar nichts heruntergesetzt. Möge auch dies nur eine Uebergangsperiode seyn, die, ohne daß sich ihr Gegensatz an sie knüpft, zur Erkennung der lauteren historischen Wahrheit führt!
Ein zweiter Gegenstand der Rechtfertigung ist, daß der Herausgeber mehrere Sagen nicht aufgenommen hat, die von Vielen gerade als Pommersche Sagen ausgegeben werden. Hierher gehörten vorzüglich die Sagen von der Jomsburg. Allein solche Sagen, deren Localität, anders wie bei den eben erwähnten, so durchaus unbestimmt und bestritten ist, wie hier, und die zudem nur gerade durch ihre Localität in Pommern wurzeln könnten, indem im Uebrigen ihre Helden unbestritten einem fremden Volke angehören, glaubte der Herausgeber nothwendig hier ausschließen zu müssen. –
Nach diesen Erörterungen hat der Herausgeber nur noch Weniges über die gegenwärtige Sammlung zu sagen.
Er hat bei derselben im Ganzen dasselbe Verfahren beobachtet, wie bei den Preußischen und Altmärkischen Sagen. Jede Sage mit der gewissenhaftesten Treue wiedergegeben, so wie sie entweder noch unmittelbar im Munde des Volkes oder in den Chroniken aufgefunden ist. Freilich entbehrt dadurch manche Sage einer eigentlichen Pointe; allein desto sicherer und ungetrübter stellt sich dadurch das Bild der Volkseigenthümlichkeit heraus, von welcher die Sagenpoesie eines Volkes Zeugniß giebt. Die äußere Einkleidung, die Sprache, ist in der einfachsten Form gehalten, wie sie ihrem einfachen Gegenstande nur angemessen seyn kann. Wo nur ein einigermaßen ansprechender, namentlich nicht zu breiter (der Hauptfehler dieser Bücher) Chronikenton vorgefunden wurde, ist dieser beibehalten. Insbesondere konnte in dieser Hinsicht der Styl Kantzows als musterhaft betrachtet werden. Seine Schreibart ist so durch und durch einfach, anspruchslos und treuherzig, klar, so eigentlich sagenhaft in einem anderen Sinne des Wortes, daß man beim Lesen desselben unwillkürlich verleitet wird, auch die wahrste Geschichte, die er erzählt, für köstliche Sagen zu halten.
Was die Anordnung der Sammlung betrifft, so muß der Herausgeber, auch abgesehen davon, daß er einige ihm zu spät zugekommene Sagen, ohne Ordnung an das Ende der Sammlung hat verweisen müssen, mehrere Vorwürfe befürchten, die er auch durch die nachfolgenden Bemerkungen nicht ganz wird beseitigen können. Er hat sich nämlich im Ganzen dabei dem Systeme der Preußischen Sagen angeschlossen, welches von der Verwandtschaft des Inhalts der einzelnen Sagen ausging. So stehen auch hier die alten geschichtlichen Sagen des Volkes und Landes voran. Unter diesen, die im Ganzen der Chronologie folgen, sind diejenigen, welche sich auf die Bekehrungsgeschichte Pommerns und späterhin Rügens beziehen, wieder besonders gruppirt. Es folgen darauf die Sagen, die sich auf einzelne Familien des Landes beziehen. Ihnen schließen sich an zunächst die Sagen, welche das kirchliche und religiöse Leben der Provinz betreffen, besonders im Mittelalter und bis in die Zeit der Reformation hinein, welche aber desjenigen geschichtlichen Elements entbehren, das den Sagen aus den eben genannten Bekehrungsperioden eigenthümlich ist. Hierauf folgen die eigentlichen Localsagen allerlei Inhalts. Sie sind zumeist nach Verschiedenheit dieses Inhalts verschieden classificirt, jenachdem sie sich mit dem Ursprung von Eigennamen der Städte, Dörfer etc. beschäftigen, oder versunkene Oerter, Seeen, Steine, Berge, Raubritter, Riesen, Zwerge, Unterirdische, Zauberer und dergleichen mehr zum Gegenstande haben.
Hierbei nun fanden sich mannigfache Schwierigkeiten. Zuerst war der Inhalt mancher Sagen der Art, daß sie sowohl zu der einen als zu der anderen Classe gehörten; es entstand daher die Frage: wo sie unterzubringen. Der Herausgeber hat zwar in der Regel nach dem am meisten hervorstechenden Stoffe die Classification vorgenommen; er kann aber auch nicht läugnen, manchmal mehr nach einer augenblicklichen Laune, als nach einer durch jene Rücksicht gegebenen Nothwendigkeit verfahren zu haben. Zum Andern führte gerade eine solche Rücksicht einen anderen, nicht unerheblichen Uebelstand herbei. Manche einzelne Gegenden und Städte haben nämlich einen überwiegend großen Reichthum an Sagen, so daß, wenn gleich diese von dem verschiedenartigsten Inhalte sind, es doch interessant seyn mußte, sie in einer Gruppe beisammengestellt zu sehen. Namentlich war dies bei Stettin und bei dem Gollenberge der Fall. Hierauf mußte nun leider verzichtet werden. Nur eine einzige Ausnahme glaubte der Herausgeber machen zu müssen, auf die Gefahr hin, daß sie ihm als Inconsequenz ausgelegt werden würde. Die Stadt Stralsund nämlich, so wie sie noch bis auf den heutigen Tag eine Stellung behaupten will, die gegen die Stellung auch der am meisten privilegirten Corporationen im gegenwärtigen Staatsrechte wenigstens sehr eigenthümlich ist, hat sich von der ersten Zeit ihres Entstehens an eben so sehr durch diese nämliche Eigenthümlichkeit als durch die Wichtigkeit ihrer Stellung ausgezeichnet. Sie ist in sofern von ihrem Entstehen bis jetzt hin eine geschichtliche Merkwürdigkeit. Dieser ihr Charakter stellt sich nun auch wieder in ihren Sagen heraus, deren im Ganzen zwar nur wenige sind, von denen aber jede einzelne etwas so Besonderes und Eigenes, und zugleich in der angegebenen Hinsicht Charakteristisches hat, daß es schon darum allein Schade wäre, sie zu trennen, wenn sie auch nicht eben durch ihre Gesammtheit dazu beitrügen, uns ein Bild von dem ganz besonderen Leben einer merkwürdigen Stadt zu geben. Einigermaßen vervollständigt wird dieses Bild durch manche Sagen der, ebenfalls durch Eigenthümlichkeiten, wenn auch in einem weit geringeren Grade ausgezeichneten Stadt Greifswald; darum wurden auch deren Sagen meist in ihrem Zusammenhange mitgetheilt.
Eine dritte, wenn gleich nicht ganz hierher gehörige Schwierigkeit lag in der anordnenden Behandlung der einzelnen Sagen selbst, besonders der geschichtlichen. Schon den Preußischen Sagen wurde der Vorwurf gemacht, daß sie zu sehr zerrissen, daß anstatt einer Menge einzelner kleiner Sagen nicht eine einzige Sagengeschichte gegeben wäre. So hätten namentlich auch hier die Kämpfe der Wenden und Dänen, die Sagen vom H. Otto, von der Bekehrung der Insel Rügen, ferner die Sagen von Bogislav X. jedesmal als eine einzige Sage mitgetheilt werden können. Allein in jenem Vorwurfe selbst dürfte zugleich dessen Widerlegung liegen. Es war und ist nicht die Aufgabe, die Sagengeschichte eines Volkes zu schreiben. Es sollen nur die einzelnen Sagen des Volks wiedergegeben werden, als solche, sowohl ihrem Inhalte, als ihrer Form nach. In letzterer Beziehung existiren sie eben nur einzeln. Zudem ist nicht außer Acht zu lassen, daß ein Erzählen vieler einzelnen Geschichten im Zusammenhange, ohne Abschnitte und Ruhepunkte, nothwendig etwas Ermüdendes hat, was bei der eigentlichen Geschichte nur durch die kritische und pragmatische Darstellung derselben beseitigt wird, also durch eine Form, die am allerwenigsten für die Sage passen würde. –
Die vorliegende Sammlung bietet einen reichen Stoff zu Vergleichungen dar, sowohl der Pommerschen Sagen mit den Sagen anderer deutschen Provinzen, und dieser wieder mit denen anderer Völker, als auch der Volkssage überhaupt mit dem ihr verwandten Volksliede, so wie mit der sogenannten Schildsage, die nur für einzelne Familien traditionell geblieben ist, ohne in das Volk selbst überzugehen. Allein alles dieses würde hier zu weit führen, und der Herausgeber behält sich daher vor, das Material, das er darüber gesammelt hat, bei einer anderen Gelegenheit zu bearbeiten zu suchen.
Dagegen fühlt er sich um desto mehr verpflichtet, hier öffentlich seinen Dank auszusprechen für die viele und freundliche Theilnahme und Unterstützung, die von fast allen Seiten der Provinz Pommern seinem Unternehmen geworden ist. Ganz besonderen Dank ist er der verehrlichen Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde schuldig, die ihm bereitwillig ihre Acten mittheilte, und den Herren Professoren Böhmer und Hering in Stettin, die ihn nicht nur mit einer Menge von Beiträgen unterstützten, sondern ihm auch außerdem manchen lehrreichen Wink und manche freundliche Aufmunterung zu Theil werden ließen. Wer es weiß, mit wie vielen Schwierigkeiten das Sammeln von Volkssagen verbunden ist, zumal in der gegenwärtigen Zeit, wo die Cultur der unteren Stände des Volkes im Gähren, und in vieler Hinsicht noch eine Aftercultur ist, die namentlich auch durch ein vornehmes Verläugnen aller Eigenthümlichkeit, und mit ihr der Sage, sich kund giebt, der wird sich von der Aufrichtigkeit des hier ausgesprochenen Dankes überzeugen.
Es knüpft sich hieran noch eine Bemerkung. Die vorliegende Sammlung giebt Zeugniß von dem Sagenreichthum Pommerns. Schon bei den Preußischen Sagen wurde deren Reichthum anerkannt. Die Provinz Preußen aber hat über zwei Millionen Einwohner, wogegen Pommern kaum eine Million hat; in fast gleichem Verhältnisse steht das Areal beider Provinzen. Gleichwohl war, durch mehrjährigen unermüdeten Fleiß und durch vielfache Unterstützung, in Preußen eine nicht so reiche Sammlung zu Stande zu bringen, als die gegenwärtige. Nur Eins bedauert der Herausgeber hierbei: daß es ihm nicht hat gelingen wollen, von einzelnen, noch in mittelalterlicher Eigenthümlichkeit abgeschlossen lebenden Volksstämmen mehr Sagen zu erhalten, insbesondere von den Cassuben in Hinterpommern, zum Theil von den Mönchgutern auf der Insel Rügen. Es existirt bei diesen Stämmen eine, ganz ihrer äußeren Abgeschlossenheit gleichstehende innere Verschlossenheit, zumal auch in Ansehung ihrer Sagen, worüber hier an das erinnert werden darf, was der Herausgeber in gleicher Beziehung auf die Altmark in der Vorrede zu den altmärkischen Sagen angeführt hat. –
Wie den früheren Sammlungen, hat der Herausgeber auch der gegenwärtigen einen Anhang von abergläubischen Volksmeinungen und Gebräuchen beigefügt. Sie ergänzen das Gebiet und oft das Verständniß der Sage. Es ist darunter ein Gebrauch aufgenommen – das Tonnenabschlagen auf dem Darß – der zwar nicht zu den abergläubischen gerechnet werden kann, der aber um seiner Eigenthümlichkeit willen nicht ganz unwillkommen seyn dürfte. Es dürfte überhaupt ein nicht verdienstloses Unternehmen seyn, eine Beschreibung aller besonderen Volksfeste einer Provinz oder eines Landes zu veranstalten. –
Zur leichteren Uebersicht der Quellen ist zugleich ein Verzeichniß der zu der Sammlung hauptsächlich benutzten Werke mitgetheilt.
Der Herausgeber.
In den alten Zeiten wurde das jetzige Pommerland von einem Volke bewohnt, welches Wenden genannt wurde. Diese Wenden waren sehr tapfer und kriegerisch. Insbesondere wurden sie in viele und arge Kriege mit den Dänen verwickelt. Einstmals, lange Zeit vor der Geburt des Herrn, lebte in Dänemark ein König Namens Rorich, welcher viel Krieg mit seinen umliegenden Nachbarn führte. Derselbe unterstand sich auch, die Wenden im Pommerlande zu bekriegen. Er fand diese zum Streite lustig, und die beiden Völker kamen in ihren Schiffen auf der See gegen einander. Die Wenden hatten etliche Schiffe in einen Halt versteckt, und ließen nur einige wenige sehen, indem sie meinten, der Dänische König solle auf diese losgehen; so wollten sie dann weichen bis auf jene Seite des Haltes, und alsdann den König von vorn und von hinten zugleich überfallen. Aber der König merkte den Betrug, und als die Wenden vor ihm flohen, verfolgte er sie nur bis zu dem Halte hin und überfiel flugs die im Halt und schlug sie in die Flucht, ehe die anderen umkehren konnten. Diese kamen ihnen aber doch nach einer Weile wieder zur Hülfe, und sie setzten sich nun sämmtlich dem Könige zur Wehre. Da der König das sah, hielt er stille, und war zweifelhaft, was er thun sollte.
Wie nun die Feinde so gegen einander lagen, trat einer der Wenden hervor, der hieß Maska, und war ein weidlicher starker Mann von Gliedmaßen und von Gemüthe. Derselbige rief, so die Dänen wollten, um Vermeidung vielen Blutvergießens, Einen gegen ihn schicken, daß sie mit einander kämpften um die Ueberhand, also welcher von den Kämpfern gewänne, daß dessen Volk des andern Herr sein sollte, so wollten die Wenden ihr Glück und Unglück darauf setzen. Dem Könige und den Seinen bedünkte es zwar schwer zu sein, um solche hochwichtige Sache, daran ihre Freiheit und ganze Wohlfahrt stände, auf eines einzigen Mannes Hand zu wagen; dennoch zogen sie sich es zum Schimpfe, daß nicht Einer unter ihnen sein sollte, der so keck und stark wäre als der Wenden Einer; sie forschten deshalben unter sich, und fanden Einen, der sich gegen den Wenden zum Kampfe erbot. Also willigten sie in den Vorschlag der Wenden ein, und gaben Maska einen Gegenmann.
Diese beiden Kämpfer traten nun zu Lande; die anderen aber Alle blieben in ihren Schiffen, damit kein Theil seinem Kämpfer mochte zu Steuer kommen, und sahen mit großer Begierde und Angst zu, wie es doch die Kämpfer endigen würden. Darauf stießen die Trompeter an, und die beiden Kämpfer liefen feindlich an einander. Der Däne schmiß weidlich gegen den Wenden an, und gab ihm einen Streich über den andern, und verwundete ihn etlichemal hart, also daß er schier erlegen hätte. Aber der Wende säumte auch nicht, schlug aller Orten um sich herum, und wehrte sich männlich, bis auf daß er zuletzt dem Dänen das Haupt mitten entzwei hieb und ihn also erwürgte.
Da erhob sich ein großes Geschrei und Frohlocken unter den Wenden; sie holten ihren Kämpfer Maska zu Schiffe, ließen ihn verbinden und erwiesen ihm große Ehre. Von den Dänen aber forderten sie, der gegenseitigen Verwilligung nach, daß sie ihnen unterthänig sein sollten. Ueber solches Unglück wurden die Dänen traurig und sie begannen ihren Unbedacht zu verfluchen, daß sie so leichtsinnig ihr höchstes Gut und Wohlfahrt, als die Freiheit, auf Eines Mannes Hand gestellt. Sie suchten daher Ausflüchte, wie sie von ihrer Verpflichtung sich befreien möchten, und sagten, der Kampf sei ungleich gewesen, dieß und jenes hätte daran gefehlet, sonst hätte ihr Kämpfer wohl so gut gewinnen mögen als Maska; sie wollten ihrer Zusage nicht entfallen, aber es müsse ehrlich und unparteiisch zugehen; daher wollten sie noch einmal zwei Kämpfer gegen einander stellen, und dieselbigen sollten, ihrem vorigen Bescheide nach, durch ihren Gewinn oder Verlust entscheiden, wer da herrschen oder dienen solle.
Den Wenden bedünkte die Ausflucht unbillig; aber sie nahmen die Sache in Bedenken bis auf den andern Tag, und unterdeß beredete Maska sie, sie sollten der Dänen Vorschlag annehmen, nicht daß sie es schuldig, sondern zum Uebermaß, er versehe sich, ob er gleich etwas verwundet worden, dennoch so stark zu sein, daß er einem Dänen, er mögte seyn, wer er wolle, Manns genug sein könnte, und die Dänen würden auch so leichtlich keinen finden, der sich gegen ihn zu erheben vermöchte: derohalben sollten sie es nur kühnlich auf ihn wagen, er wolle ihnen, mit Hülfe der Götter, keinen Schimpf oder Verlust zu Wege bringen. Da die Wenden solch einen Trost hörten, ergaben sie sich darein, und bewilligten den Dänen ihren Vorschlag, doch daß es einen Tag oder vierzehn anstände, bis daß Maska ganz geheilet wäre. Das nahmen die Dänen fröhlich auf, und sie zogen unterdeß auf Mone (Insel Möne) und die Wenden auf Rügen. Die Dänen konnten anfangs nicht leichtlich Einen unter sich finden, den sie zu dem Kampfe vermögten; zuletzt hat sich Einer, Ubbo genannt, dazu angegeben. Dem hat der König Rorich große Verehrung zugesagt und ihm auch sogleich seine güldenen Armbänder geschenket.
Nachdem nun der Anstand verlaufen war, sind die Dänen und Wenden wieder zur See gezogen, und haben die Stelle des Kampfes auf Falster benannt. Daselbst traten die Kämpfer auf den Strand und boten sich den Kampf.
Die Wenden und Dänen hielten auf dem Wasser in ihren Schiffen, und sahen zu. Da stießen die Trompeten an, und Maska und Ubbo liefen wie Riesen, mit großem Ungeheuer auf einander, und stritten mörderlich zusammen, also daß von den Schlägen das Feuer aus den Waffen flog und Einer dem Andern den Harnisch zerhieb, daß die Stücke klungen und das rothe Blut zur Erde lief. Darüber erhob sich ein großes Geschrei und Rufen in den Schiffen. Ein jeder Theil ermahnte seinen Kämpfer und wünschte ihm zu gewinnen, und stunden beide Theile in Hoffnung und Angst.
Aber wie die Kämpfer also auf einander verhitzet waren, und Einer auf den Anderen mörderlich drängte, da erwürgten sie sich zuletzt Beide, also daß Keiner übrig blieb.
Darauf vermeinten die Dänen, die Sache wäre jetzt gleich. Aber die Wenden bezogen sich darauf, daß ihr Kämpfer zuerst gewonnen, nachdem auch nicht verloren hätte; darum sollte die erste Ueberwindung nicht todt sein, und die Dänen sollten ihnen Unterthänigkeit geloben. Das wollten die Dänen nicht, und war die Sache wie zuvor. Nach vielem Zanken und Dräuen haben sie sich jedoch in der Länge so vertragen, daß die Dänen sich absagen mußten, nimmer wieder gegen die Wenden zu kriegen ohne billige Ursache.
Thomas Kantzow, Pomerania, herausgegeben von H.G.L. Kosegarten, I. S. 9-13.
Alberti Cranzii Wandalia, S. 8.
Hernach war einstmals König bei den Dänen Frotho, und bei den Pommern und Wenden war König Strumik. Nachdem nun die alten Verträge des Friedens fast in Vergessenheit gekommen, und beide Völker danach standen, daß Eins das Andere unter sich brächte, thaten sie beiderseits einander vielen Einfall und Schaden. Doch waren die Wenden den Dänen auf dem Wasser zu behende. Das verdroß in die Länge den König Frotho, und er schickte gegen sie seinen Hauptmann Erich mit acht Jachten, während er sich selbst auch rüstete. Als Erich nun in die See kam, erfuhr er, daß die Wenden nicht fern wären, und nur sieben Schiffe hätten. Er ließ darauf sieben von seinen Jachten mit grünem Busch und Laub um und um bestecken, und legte sie in einer Wieke in einen Hinterhalt, mit dem Gebote, sie sollten da stille liegen, und wo sie auch sähen, daß die Feinde ihm nacheileten, sollten sie sich nicht daran kehren, bis daß sie ganz an sie heran kämen, dann sollten sie getrost angreifen. Er selber zog mit der achten Jacht aufs Meer, und zeigte sich den Wenden. Als diese seiner inne wurden, und sahen, daß er nur Ein Schiff hatte, setzten sie ihm fröhlich nach. Da floh Erich zurück, und die Wenden jagten flugs hinter ihm her, und kannten die sieben Jachten nicht, die da im Hinterhalte standen. Denn weil sie mit grünem Busch besteckt waren, meinten sie es wären Bäume, die an den Dünen und am Strande ständen, und liefen also mitten in die Wiek. Darauf wendete sich Erich, und die sieben Jachten erhoben sich auch, und umringten die Wenden, daß sie nicht zurück konnten, und fingen sie und führten sie mit den Schiffen weg.
Dieses Unglück verursachte viel Niederlage und Schrecken in dem Lande der Wenden. Das benutzte der König Frotho; er hatte eine große Kriegsflotte und viel Volks versammelt, mit demselben zog er nun fort, um die Wenden auch daheim zu besuchen. Der Wenden König Strumik beschickte ihn zwar, und ließ ihn um Anstand bitten. Den hat ihm aber Frotho nicht bewilligen wollen, und ist fortgezogen, und hat den König Strumik mit allem seinem Kriegsvolk erschlagen und die Pommern und Wenden unter sich gebracht.
Th. Kantzow Pomerania, I. S. 13. 14.
Als nun der König Frotho die Wenden unterthänig gemacht hatte, da sahe er wohl, daß sie ihm und den Seinen keinen Frieden lassen würden, wo er nicht ganz und gar alle diejenigen ausrottete, welche des Freibeutens und Raubens gewohnet waren. Darum besann er sich auf folgende List: Er ließ ein gemeines Gebot ausgehen, wo Jemand unter den Wenden wäre, der zum Freibeuten, Rauben und Kriegen Lust hätte, der solle sich kund thun, der König bedürfe solcher Leute wider seine Feinde; er wolle sie herrlich besolden. Solches gefiel den Schnapphähnen und den anderen bösen Buben unter den Wenden wohl, und ließen sich alle einschreiben, und zeigeten an, was ein Jeder könnte, und je mehr Einer Böses zu thun wußte, desto mehr Solds vertröstete er sich vor den Anderen. Da nun also alle Schnapphähne und wüste Gesellen unter den Wenden zusammen waren, da ließ der König Frotho sie vor sein Kriegsvolk bringen, und sagte zu den anderen Wenden: »Diese sind, ihr lieben Wenden, diejenigen, die zwischen uns und euch Unruhen machen, und unter euch keinen beständigen Frieden bleiben lassen. Sehet, wie keck sie noch sind in ihrer Bosheit, vermeinend, daß sie auch noch für ihre Bosheiten großen Sold erlangen sollten. Derohalben ist uns und euch von Nöthen, dazu zu thun, daß wir und Ihr nicht weiter durch sie bekümmert werden.« – Und er ließ sie allzumal an den lichten Galgen hängen, einen jeden neben einem Wolfe.
Dadurch ward eine Zeitlang guter Friede, beides, zu Wasser und zu Lande; und der König Frotho ordnete das Land, und setzte Amtleute darinnen von den Wenden selbst, damit sie über die Fremden nicht murren dürften, und sich daraus keine Ursache zum Abfallen nähmen.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 14. 15.
Wie also die Dänen die Herrschaft über die Wenden gehabt, haben sie hernachmals übermüthig regieret, und hat das die Wenden in die Länge verdrossen. Darum thaten sie sich zusammen und empörten sich gegen die Dänen und erwählten eine männliche Jungfrau zu ihrer Königin, Wißna, aus dem Geschlechte des erschlagenen Königs Strumik. Der ordneten sie zween Kriegsfürsten zu, Duck und Dall genannt. Und es entstand solche Erbitterung und Ergrimmung gegen die Dänen, daß auch die Königin selbst und viele Frauen und Jungfrauen sich zum Reiten und zum Kriege gewöhnten, und mit in das Feld zogen, auch so fertig und geschickt zum Kriege wurden, daß sie den Männern in nichts nachgaben. – Als nun die Dänen die Empörung der Wenden hörten, rüsteten sie sich auch, und zogen mit großer Gewalt herüber, um die Wenden wieder zum Gehorsam zu bringen. Aber die Königin Wißna schlug sie, und setzte ihnen nach bis in Dänemark, schlug sie daselbst auch etlichemal, und that ihnen großen Schaden; und nahm die Inseln Möne und Schonen ein. Da haben sich aber endlich beiderseits der Adel, von den Dänen wie von den Wenden, ins Mittel geschlagen, und Frieden gemacht, also daß Wißna Schonen wieder abtrat, Möne aber für den Schaden zwanzig Jahre behielt, und die Wenden frei sein und bleiben sollten, so auch die Dänen.
Die Königin Wißna regierte darauf noch lange und hatte viele Kriege, auch einmal mit den Sachsen, deren König Hengst sie zu Walsleben gefangen nahm. Zuletzt aber mußte sie elendiglich sterben. Denn als der König Harald von Dänemark schweren Krieg bekam mit den Schweden, und sie ihm darin beistand, zog sie selbst wiederum mit ins Feld, sammt ihren Kriegsheldinnen. Den Sieg gewannen jedoch die Schweden, was sie einem ungeheuren Riesen zu verdanken hatten, Namens Star Kater, der an Stärke des Leibes, wie an Erfahrung des Kriegshandels nicht seines Gleichen hatte. Dieser Star Kater kam auch mit der Königin Wißna in der Schlacht zusammen, und wie sie sich ritterlich seiner erwehrte, hieb er ihr die rechte Hand ab. An dieser Wunde starb die Königin nicht lange hernach. In derselben Schlacht blieben auch ihre beiden Kriegsfürsten Duck und Dall.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 17. 16.
Alberti Cranzii Wandalia, S. 12.
Nachdem die Schweden durch Hülfe des Star Kater die Dänen besiegt hatten, nahm ihr König Ringo das Land Dänemark sammt der Insel Möne ein, und zwang auch die Wenden, weil sie seinen Feinden beigestanden, daß sie ihm mußten unterthänig sein und Tribut geben. Dieses blieb also, bis nach etlichen Jahren Sievert König in Dänemark wurde. Gegen den setzten sich die Wenden, und weigerten sich, ferner Tribut zu geben. Allein der König Sievert zog mit vielem Volke gegen sie, und bezwang sie wieder. Die Wenden hatten aber dazumalen keinen Herrn, sondern nur etliche Hauptleute. Sie bedachten daher, sie hätten ihre Niederlage nur darum erlitten, daß sie kein Haupt oder Herrn gehabt, und erwählten darauf zu ihrem Könige Ismarus, einen Verwandten der Königin Wißna. Mit dem zogen sie wieder gegen Sievert, und trafen ihn in Fünen, und schlugen ihn sammt seinem Volke, daß er nach Jütland flüchtete, wo er viel Volks von Neuem zusammen brachte. Aber Ismarus zog ihm nach nach Jütland, und schlug ihn noch einmal, und fing auch seinen Sohn Jaromar und seine beiden Töchter Ida und Bammeltrud. Er nahm darauf ganz Jütland und Dänemark ein, und besetzte es mit Amtleuten und genugsamem Kriegsvolk, so daß er es immer in Gehorsam hielte. Die Prinzessin Ida verkaufte er den Deutschen, und die Bammeltrud den Norwegern. Den Prinzen Jaromar und noch einen gefangenen Dänen, Namens Gunno, warf er ins Gefängniß.
Die Dänen waren darauf viele Jahre den Wenden unterthan, und gaben ihnen Tribut. Dieß nahm aber auf folgende Weise ein trauriges Ende.
Als nämlich Ismarus, der Wenden König, meinte, daß er die Dänen nun für immer unter seiner Gewalt und Gehorsam hätte, dauerte ihn zuletzt das Elend und schwere Gefängniß des Prinzen Jaromar und seines Gesellen Gunno. Er entließ sie daher ihrer Haft, und that sie in ein Vorwerk, wo sie mußten arbeiten helfen. Da hat sich besonders Jaromar so fleißig erzeigt, daß Jedermann Mitleid mit seinem Unglücke hatte, und ihn der König zuletzt zum Meier über das Vorwerk setzte. Auch diesem Amte stand er so wohl vor, daß der König ihn sowohl um seines Verstandes und Fleißes, als auch um seiner Geduld willen lieb gewonnen, ihn zu sich an seinen Hof genommen und ihn zu seinem vertrautesten Rathe gemacht hat, mit Vertröstung, ihm mit der Zeit noch zu etwas Besserem zu verhelfen, so er sich ferner ehrlich und treu erzeigen würde.
Des Königs Gemahlin Woislafa hatte zwar immer einen argen Wahn gegen ihn, und rieth dem Könige, ihm nicht allzugroßes Vertrauen zu geben; der König aber besorgte sich gar nicht vor ihm und befahl ihm auch die wichtigsten Sachen seines Königreiches an.
Dadurch kam Jaromar mit den Dänen, die oft zu Hofe mußten, wieder in Kundschaft, und erfuhr ihr Gemüth, daß sie gern die Absicht hätten, von der Herrschaft der Wenden sich zu befreien. Also hielt er heimliches Verständniß mit ihnen, und sprach mit ihnen ab, wie sie sich und ihn befreien wollten. Als nun zu einer Zeit der König mit seiner Königin und seinen Kindern auf der Jagd war, da bestellte er heimlich die Schiffe der Dänen, und sie überfielen in der Nacht den König und seine Gemahlin, pfählten das Gemach zu, worin sie mit ihren Kindern schliefen, und zündeten es von außen an, daß dieselbigen sämmtlich darin verbrannten. Darauf erhob sich ganz Dänemark gegen die Wenden, und sie erschlugen alle Wenden, die im Lande waren. Damit war Jaromar, den sie zu ihrem König machten, noch nicht zufrieden; er zog herüber zu den Wenden und schlug sie und brachte sie unter sich. Er setzte ihnen Amtleute und Vögte, und hielt sie sehr strenge in Zaum, so daß sie nicht einmal trinken durften. Die Wenden empörten sich zwar, und suchten die fremde Herrschaft von sich abzuschütteln. Aber Jaromar bezwang sie bald, und ließ ihrer Obersten etliche enthaupten und etliche aufhängen, also daß sie ihm ganz unterthan sein mußten.
»Also soll man einen Feind, den man hat, als Feind halten, und ihm nicht zuviel trauen. Denn hätte der König Ismarus das gethan, so wäre ihm und den Wenden so großes Unglück nicht widerfahren, und er sammt seinem Gemahl und Kindern hätten noch lange gelebt und wären Herren gewesen; nun aber sind sie todt, und die armen Wenden sind jämmerlich umgebracht, und die anderen müssen den Dänen dienen.«
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 19-24.
In uralten Zeiten war einmal eine große Theurung und Hungersnoth in Norwegen. Da traten die starken Leute auf, die des mittleren Alters waren, und wollten die Alten und die Jungen, als den schwächeren Theil, tödten, damit sie nicht Alle Hungers stürben. Dasselbe hat aber eine ehrbare Frau, Gamboir geheißen, abgerathen und gesagt, man sollte lieber das alte und junge untüchtige Volk an einen Haufen, und das starke Volk an einen anderen Haufen setzen, und das Loos darum werfen, wer aus dem Lande ziehen sollte; welchen Theil das Loos träfe, dem würden die Götter schon gute Wege zeigen. Solches gefiel ihnen Allen wohl und sie warfen das Loos. Das traf die starken. Dieselben mußten nun wegziehen, und kamen nach langem Streifen und Umherziehen zuletzt auf das Land zu Rügen. Daraus vertrieben sie die Rüger und setzten sich an deren Stelle fest im Lande. Und weil sie auf ihrer langen Reise die Bärte hatten lang wachsen lassen, hießen sie sich die Langbarte, welchen Namen sie auch behalten haben. Sie sollen auch die Stadt Barth erbaut haben, welche in ihrem Wappen noch ein Haupt mit einem langen Barte führt.
Diese Langbarte haben bei fünf Könige Zeiten auf der Insel Rügen und dem festen Lande gegenüber ge wohnt. Darauf sind ihrer aber wieder zu viele geworden, und die meisten von ihnen sind gezogen, zuerst an die Elbe, dann an die Donau, und zuletzt nach Italien hin, wo sie ein Land eingenommen, das jetzt mit einem etwas verkehrten Namen von ihnen die Lombardei heißet.
Die vertriebenen Rüger hatten sich nach Hinterpommern gezogen, wo sie auch die Stadt Rügenwalde erbaut haben. Dort saßen sie ruhig, bis der Mehrtheil der Langbarte das Land zu Rügen also geräumt hatten. Da brachen sie auf, überfielen die zurückgebliebenen Langbarte, und nahmen ihre alte Heimath wieder ein. Die Langbarte zerstreueten sich überall im Lande umher, und wurden da von nun an Wandalen genannt.
Th. Kantzow, Pomerania. I. S. 24-26.
Es ist schon tausend Jahre her und noch länger, als einst in Polen ein Herzog lebte, welcher Cracus hieß, und der auch die Stadt Crakau soll erbaut haben. Dieser hinterließ zwei Söhne und eine Tochter. Von den Söhnen hieß der Eine Cracus wie der Vater, der andere Lechus; die Tochter hieß Wenda. Die Regierung sollte nach des alten Herzogs Tode an seinen ältesten Sohn, den Cracus, fallen; aber Lechus gönnte sie diesem nicht, und brachte ihn eine Tages auf der Jagd meuchelmörderischer Weise um. Doch die Polen wollten nun keinen Brudermörder über sich haben, und gaben das Reich der Wenda. Zu dieser kamen darauf viele Könige und Prinzen, die sie zur Ehe begehrten; denn sie war zugleich mächtig, klug und schön. Allein sie wollte lieber Prinzessin allein sein, als eines Prinzen Weib, und sie schlug alle Anträge ab, und ließ mit solchen Antworten die Freier von sich.
Das hörte ein Fürst der Rügianer im Pommerlande, Namens Rütiger, ein gar mächtiger und tapferer Held. Er glaubte die Fürstin zu gewinnen, und zog aus an ihren Hof und buhlte um sie. Allein er bekam keinen besseren Bescheid als die Uebrigen. Darüber ergrimmte der Fürst in seinem Herzen, und da er in großer Liebe zu der Prinzessin entbrannt war, so brachte er ein ansehnlich Heer auf die Beine und fiel damit in Polen ein, um mit Gewalt um sie zu werben. Wenda das Fräulein zog ihm entgegen, gleichfalls mit großer Heeresmacht, und in ihrem Herzen gelobend, wenn sie den Feind besiegen sollte, Zeitlebens den Göttern ihre Jungfrauschaft zum Opfer zu bringen.
Als nun aber die beiden Heere gegen einander hielten, da dünkte es den Pommern schimpflich, daß sie wider ein Weib das Schwert ziehen sollten, und sie hielten bei ihrem Fürsten an, daß er sich eines Besseren bedenken möge. Darüber entbrannte der edle Rütiger dermaßen vor Zorn und Liebe, daß er sein eignes Schwert ergriff und sich dasselbe durch das Herz stieß. Also zogen die Pommern und Polen wieder von einander, nachdem sie einen neuen Bund unter sich gemacht hatten.
Wenda aber, das Fürstenfräulein, hatte von der Stunde an großes Herzeleid; und als sie wieder in ihr Schloß kam, wollte sie nicht länger leben, nachdem sich ihrenthalben ein so tapferer Held ums Leben gebracht hatte. Sie sprang deshalb von der Brücke ihres Schlosses in die Weichsel, wo sie ihren Tod fand.
Solches ist geschehen bald nach dem Jahre des Herrn 700. Nach Wendas Tode kamen die zwölf Woiwoden in Polen wieder an das Regiment.
Micrälius, altes Pommerland. I. S. 407.
Vor Zeiten lebte in Dänemark ein König Namens Harald. Der hatte einen bösen, ungerathenen Sohn, Schweno. Dieser Schweno warf das Christentum ab, setzte sich gegen seinen Vater, und vertrieb ihn aus dem Reiche. Harald flüchtete nach der Insel Wollin in Pommern, und die Wolliner nahmen sich freundlich seiner an, unangesehen daß er ein Christ war. Sie rüsteten auch eine große Kriegsflotte aus, um ihn wieder in sein Land einzusetzen, und zogen damit gegen Schweno, mit dem sie sich einen ganzen Tag schlugen, also daß es ungewiß blieb, wer gewonnen hätte oder nicht. Allein sie erreichten ihren Zweck nicht, weil Schweno am anderen Tage seinen Vater durch einen Dänen meuchlings erschießen ließ.
Darüber faßte Schweno einen so großen Haß gegen die Wolliner, daß er großes Volk und viele Schiffe zusammen brachte und also gegen sie zog. Aber die Wolliner säumten auch nicht, sondern zogen ihm entgegen, und schlugen und fingen ihn, so daß er sich lösen mußte mit vielen tausend Mark Goldes. Nicht besser erging es ihm, als er nach einiger Zeit sich rächen wollte und von Neuem gegen jene zog. Darüber wurde er nun sehr ärgerlich in seinem Gemüthe, und obgleich er Frieden hatte zusagen müssen, so brach er doch sein Versprechen und zog wieder gegen sie, vermeinend, das Glück werde sich doch einmal auf seine Seite wenden. Allein die Wolliner waren auch dießmal auf, und kamen ihm zwischen Möne und Falster entgegen.
Weil sie nun ohne Noth nicht eine Schlacht mit ihm wagen wollten, so ersannen sie einen Betrug. Der war dieser: Sie wußten, daß die Dänen des Nachts genaue Wache halten ließen; sie erwählten daher Etliche unter sich, die gut Dänisch konnten; dieselben schickten sie mit einem Schiffsboote und befahlen ihnen, sich so zu gebährden, als wären sie von der Dänischen Schaarwache gekommen um die Zeit, wenn die Wache pflegt umzuwechseln. Die fuhren dann auf sie, und kamen unbemerkt zwischen der Wache und den anderen Schiffen durch bis an des Königs Schiff. Da schrieen sie dem Schiffer zu und sagten, sie hätten dem Könige etwas Eiliges zu sagen, das heimlich wäre, er möge das dem Könige anzeigen. Der Schiffer meinte nicht anders, als es wären Dänen von der Schaarwache, und sorgte, daß es dem Könige gesagt wurde. Der König meinte auch nicht anders, als es wären Wächter, die etwas Wichtiges vom Feinde brächten, und er kam hervor und bückte sich über den Bord seines Schiffes bis an den Bord des Wollinschen Schiffes hinan, um zu hören, was sie ihm Heimliches zu sagen hätten. Da ergriffen ihn die Wolliner bei den Achseln und zogen ihn in ihr Boot, und hielten ihm das Maul zu, daß er nicht schreien konnte, und ruderten so eilends mit ihm davon zu ihrer Kriegsflotte. Die Dänen erhoben zwar nach einer Weile ein großes Geschrei und Getümmel, aber da war es schon zu spät. Ihr König wurde ungehindert nach Wollin gebracht.
Diesesmal wollten ihn die Wolliner gar nicht wieder in Freiheit setzen, weil er so schmählich seine Zusage gebrochen. In die Länge gaben sie aber seinen und seines Volkes Bitten nach; sie forderten jedoch ein so großes Lösegeld von ihm, als er die beiden vorigen Male zusammen hatte geben müssen. Das war viel und so viel Geld war in ganz Dänemark nicht vorhanden. In dieser großen Noth erbarmten sich die Frauen und Jungfrauen im Reiche über ihn, und sie trugen all ihr Gold und Silber, Schmuck und Kleinodien herbei, damit er gelöset werde. Also wurde der König Schweno wieder in Freiheit gesetzt.
Als er nun aber wieder zu dem Reiche kam, da gedachte er der Gutherzigkeit der Frauen und Jungfrauen, und er gab ihnen ein Privilegium, daß sie hinführo in allen Lehn- und anderen Gütern gleich den Männern erben sollten, welches zuvor nicht gewesen war. Auch that er jetzt Buße, und bekehrte sich zum Christentum.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 47. 52-55.
Um das Jahr 1107 lebte Heinrich, Fürst der Mecklenburger. Er hatte den Fürsten Crito erschlagen lassen, und darauf dessen Wittwe, Slavina, zur Ehe genommen, mit der er schon lange im Einverständnisse gelebt hatte, und mit der er das Fürstenthum Mecklenburg bekam. Nachdem er also mächtig geworden war, da suchte er, sich auch die Herrschaft über die Rügianer zu verschaffen. Die Rügianer wollten ihm aber nicht gehorsam sein, vielmehr über ihn gebieten und sein Land haben, wie ihr Fürst Crito gehabt hatte. Derohalben brachten sie ein großes Heer und Schiffsrüstung zusammen, und zogen damit die Trave hinauf vor die Stadt Lübeck, in welcher der Fürst Heinrich lag, und belagerten die Stadt. Als das der Fürst sah, erschreckte er sich des unversehenen Ueberfalls hart. Er faßte aber bald einen Rath, und befahl seinem Hauptmann in der Stadt, er sollte ein Mann sein und die Stadt nicht aufgeben bis in den vierten Tag; er wollte ins Land ziehen und Hülfe suchen; wo er aber den vierten Tag nicht käme, und sich nicht auf einem Berge zeigte, den er ihm von der Stadt aus anwies, so möchte er thun was die Noth forderte. Darauf schlich er selbander in der Nacht aus der Stadt vor den Rügianern weg, und begab sich in das Land Holstein, wo er in der Eile Volk aufbrachte. Die führte er um die Stadt herum bis an Travemünde, denn er hatte erfahren, daß von der Seite her das reisige Zeug der Rügianer zu diesen kommen sollte, und darauf baute er eine Kriegslist.