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Das blutrote Finale der actionreichen Horror-Trilogie: „Die Hexerin – Tür ins Gestern“ von Jason Dark jetzt als eBook bei dotbooks. Er ist zurückgekehrt, um sie zu töten. Vor langer Zeit hat der Vampir Kincaid das Blut einer jungen, bildschönen Hexe getrunken und sie zu einem Geschöpf der Dunkelheit gemacht. Doch nun ist der Fluch von Doriana Gray genommen worden – und Kincaid beginnt zum zweiten Mal, Jagd auf diese erlesene Beute zu machen. Sie flieht an einen alten Zufluchtsort … und ahnt nicht, dass sie dort weiter entfernt von der erhofften Rettung ist als jemals zuvor. Denn es gibt noch jemand anderen, der Doriana nach dem Leben trachtet! Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Hexerin – Tür ins Gestern“ von Jason Dark. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 307
Über dieses Buch:
Er ist zurückgekehrt, um sie zu töten!
Vor langer Zeit hat der Vampir Kincaid das Blut einer jungen, bildschönen Hexe getrunken und sie zu einem Geschöpf der Dunkelheit gemacht. Doch nun ist der Fluch von Doriana Gray genommen worden – und Kincaid beginnt zum zweiten Mal, Jagd auf diese erlesene Beute zu machen. Sie flieht an einen alten Zufluchtsort … und ahnt nicht, dass sie dort weiter entfernt von der erhofften Rettung ist als jemals zuvor. Denn es gibt noch jemand anderen, der Doriana nach dem Leben trachtet!
Über den Autor:
Unter dem Pseudonym Jason Dark veröffentlicht Helmut Rellergerd, geboren 1945, seit den 1970er Jahren erfolgreich Mystery- und Horrorromane. Heute gehört er zu den meistgelesenen Autoren Deutschlands, der von jeder Lesergeneration neu entdeckt wird. Er lebt in Bergisch Gladbach.
Jason Darks Trilogie Die Hexerin umfasst die Bände
Die Hexerin – Dunkle Geheimnisse
Die Hexerin – Vampirjagd
Die Hexerin – Tür ins Gestern
Bei dotbooks erschienen außerdem die folgenden Romane von Jason Dark:
Aufstand der Vampire
Der schwarze Engel
Arena der Schlangen
Das Hotel der Toten
Bei Vollmond holt Dich der Vampir
Die Teufelsklause
Ihr Mann, der Zombie
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Neuausgabe November 2014
Dieses Buch erschien erstmals 2008 bei MIRA® TASCHENBÜCHER in der Cora Verlag GmbH & Co. KG, Valentinskamp 24, 20350 Hamburg
Copyright © der Originalausgabe 2008 by Helmut Rellergerd Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München
Die Veröffentlichung dieses Werkes erfolgt auf Vermittlung der Autoren- und Verlagsagentur Peter Molden, Köln
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Motivs von shutterstock/Augustino.
ISBN 978-3-95520-751-9
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Jason Dark
DIE HEXERIN
Tür ins Gestern
Roman
dotbooks.
Es war ein geheimer Gang, den nur er kannte, und Sandor Barthory brachte ihn wie immer mit zitternden Schritten hinter sich. Niemand hatte ihn je auf diesem Weg begleitet, und so war es auch an diesem Abend.
In seinem Kopf tobten die Gedanken, die sich ausschließlich um eines drehten: um Hass, um Rache, um Abrechnung für das, was man ihm angetan hatte. Aber das war seine Sache. Kein Fremder durfte ihm da hineinreden.
Das Haus war riesig mit einem entsprechend großen Keller. Ein Teil davon war nur ihm bekannt, und eine moderne Sicherheitsanlage sorgte dafür, dass jedem anderen der Zutritt verwehrt war.
Er brauchte kein Deckenlicht. Der Strahl einer Taschenlampe reichte ihm aus. Der Kegel wanderte über den Steinboden, tastete sich mal an den beiden Betonwänden entlang und kam dort zum Stillstand, wo der Gang mit einer Tür abschloss.
Vor ihr blieb er stehen. Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg, und wusste, dass sein Blutdruck wieder einmal viel zu hoch war. Aber daran wollte er im Moment nicht denken. Er sah nur die Tastatur mit den Zahlen, die neben der Tür in die Betonwand eingelassen war. Er musste einen Code eingeben, dann würde sich die schwere Tür zur Seite öffnen und ihm den Weg in einen Raum freigeben, in dem seine Träume begraben lagen. Er wusste nicht, welchem seiner zahlreichen Feinde er das zu verdanken hatte, was jenseits der Tür lag. Nur ein einziges Mal in seinem Leben hatte er eine Schwäche gezeigt, und das war brutal ausgenutzt worden. Ändern konnte er daran nichts mehr.
Er tippte die sechs Zahlen ein. Bei jeder Zahl war ein leises Piepen zu hören. Wie immer, wenn er sich zu diesem Gang entschlossen hatte, lag ein Schweißfilm auf seiner Stirn.
Die Tür öffnete sich. Sie bestand aus Stahl, fuhr auf ihrer Führung nach rechts, verschwand in der Betonwand und gab den Blick in einen dunklen Raum frei.
Sandor Barthory trat bis auf die Schwelle vor. Er richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf die Wand neben der Tür, wo sich ein Lichtschalter befand, den er betätigte. Zugleich knipste er die Taschenlampe aus.
Unter der Decke flackerten die beiden Leuchtstoffröhren. Das taten sie immer, bis sie ihr helles Licht abstrahlten. Es leuchtete den gesamten Raum aus, der hier unten mehr ein Verlies war.
Nur ein Gegenstand befand sich hier.
Es war ein gläserner Sarg, und in ihm lag eine wunderschöne Frau ...
***
Sie hatte eine Haltung eingenommen, dass ihr Kopf zur Tür zeigte. So konnte der Mann in das Gesicht sehen, das nicht blass war, denn es war mit einem Hauch von Schminke bedeckt. Er selbst hatte es aufgelegt und auch die Lippen nachgezogen.
Er ging vor. Neben dem gläsernen Sarg blieb er stehen. Plötzlich spürte er den Druck in seinen Augen. Gewaltsam hielt er die Tränen zurück. Da lag sie, seine Schwäche. Diese wunderschöne Frau mit den rötlichen Haaren.
Er hatte sie verehrt wie eine Göttin. Er hatte ihr die Welt zu Füßen legen wollen, bis zu dem Zeitpunkt, als er einmal unvorsichtig gewesen war.
Da war Marita entführt worden.
Tagelang hatte er auf eine Lösegeldforderung gewartet. Sie war nicht gekommen. Dafür hatte man ihm seine Geliebte zurückgebracht. Eines Nachts bei Vollmond. Sie stand plötzlich in seinem Garten. Sie hatte nach ihm gerufen, und er war zu ihr gelaufen, um sie in die Arme zu schließen. Doch dann hatte ihn das Grauen getroffen wie ein Hammerschlag.
Marita war nicht mehr die Gleiche gewesen. Nach außen hin schon – und nur beim ersten Anblick. Dann hatte sie den Mund geöffnet und ihm zwei Zähne präsentiert, die nur einer Blutsaugerin gehören konnten.
Es war für Sandor Barthory der Schock seines Lebens gewesen. Und da er aus einem Land stammte, in dem die Menschen noch an Vampire glaubten, wusste er sofort, was mit Marita geschehen war.
Nur deshalb war es ihm gelungen, seiner Geliebten zu entkommen. Bis zum Morgengrauen hatte er sich versteckt gehalten. Dann war er auf die Suche gegangen. Aber diesmal war er bewaffnet gewesen. Von einem Eichenbaum hatte er einen Ast abgebrochen und ihn an einem Ende angespitzt. Er hatte seine Geliebte vom Tageslicht geschwächt vorgefunden. Sie hatte sich kaum gewehrt.
Mit Tränen in den Augen hatte er zugestoßen und den Eichenpflock zielgenau in ihr Herz getrieben. So war Marita auf klassische Weise von ihrem kurzen Vampirdasein erlöst worden.
Seit diesem Zeitpunkt lag sie dort, wo er jetzt stand. Mit dem Pflock in der Brust in einem gläsernen Sarg. Sie war nicht zu Asche zerfallen, weil die Verwandlung noch nicht lange zurückgelegen hatte.
Barthory hatte nicht die geringste Chance gehabt, daran etwas zu ändern. Aber etwas hatte sich in seinem Innern verändert. Es war sein Verhältnis zu den Vampiren, die ihm bis dahin gleichgültig gewesen waren. Er hatte sich geschworen, zweierlei Dinge zu tun. Auf der einen Seite würde er die Vampire jagen und auf der anderen für sich und seine Zwecke benutzen. Das hatte er sich geschworen, bei allem, was ihm jemals heilig gewesen war.
Auch in dieser Nacht erneuerte er den Schwur am Sarg seiner toten Geliebten ...
Die einsame Gestalt verschmolz mit der Dunkelheit. In der Stille der Nacht war nur das Rauschen des Flusses zu hören.
Die Gestalt war ein Jäger!
Jedoch keiner, der im Wald jagte, um Rehe oder Hirsche zu töten, dieser hochgewachsene Schatten war hinter einer anderen Beute her – Menschen.
Er kannte den Weg und näherte sich zielsicher dem einsam stehenden Haus, dessen Frontseite mit der großen Terrasse zum Fluss lag.
Die Rückseite sah anders aus. Ruhiger. Eine kleine Parklandschaft aus Rasen und Bäumen. Einige Laternen sorgten dafür, dass der Weg zum Haus hell erleuchtet war.
Im Haus wurde eine Party gefeiert. Der Neuankömmling nahm die Musik wahr, er hörte die Stimmen der Gäste. Die hohe Mauer, die das Grundstück von der Außenwelt abschirmte, lag bereits hinter ihm. Ein kleines Seitentor hatte für ihn offen gestanden, denn man erwartete ihn.
Nur war er nicht gekommen, um an der Party teilzunehmen.
Sein Grund war ein anderer. Darüber dachte er jetzt nicht nach, als er sich möglichst lautlos über den Rasen bewegte und dabei die Deckung der Baumstämme ausnutzte.
Er wurde zwar erwartet, doch er sollte heimlich kommen, und es war auch in seinem Interesse, dass er nicht entdeckt wurde. Es konnte sein, dass sich einige Gäste im Garten aufhielten, um hier die Einsamkeit zu zweit zu genießen, und denen wollte er nicht in die Arme laufen.
Er glitt weiter.
Die Rückseite des Hauses lag im Dunkeln. Nur schwach wurde sie vom Licht der Lampen gestreift.
Der Mann hatte genaue Instruktionen erhalten. Der Eingang an der Rückseite war längst nicht so protzig wie der an der Flussseite, eher schlicht, und man musste schon genau hinschauen, um ihn zu entdecken, denn die dunkle Tür hob sich kaum von der Fassade ab.
Der Mann aber sah sie, als er sich von einem der Baumstämme löste. Mit schnellen Schritten lief er auf den Eingang zu. Nur die Geräusche seiner Füße auf dem Boden waren zu hören. Ansonsten nichts. Kein Luftholen, keine heftigen Atemstöße.
Dass die Rückseite von den Augen mehrerer Kameras bewacht wurde, wusste er. Es machte ihm nichts aus. Sein Auftraggeber hatte ihm alles erklärt, und so war er gespannt, was ihn erwartete, denn gesehen hatte er den Mann noch nie. Er wusste nur, dass seine Macht sehr groß war.
Der Jäger erreichte die kaum sichtbare Tür. Er blieb dort stehen und sah, dass sie weder eine Klinke noch einen Knauf hatte.
Aber er konnte sie trotzdem öffnen. Man hatte ihm eine Codezahl genannt, die er eingeben musste. In der Mauer rechts neben der Tür war die kleine Platte mit den Zahlen zu sehen. Schwarz auf hellem Untergrund.
Vier Zahlen musste er eintippen. Er hatte sie sich eingeprägt, und es gab keine Probleme.
Die Vier, die Zwei, die Neun und die Eins.
Das kurze Warten, bis der Summton ertönte. Der Mann nutzte die Zeit und warf einen Blick zurück in den dunklen Park. Was er sah, beruhigte ihn, denn es gab niemanden, der ihn beobachtet hätte.
Er hörte das Summen.
Die Gestalt in der dunklen Kleidung lehnte sich gegen die Tür und drückte sie auf.
Vor ihr lag ein Flur, der von einem schwachen und gelblichen Schein durchdrungen wurde.
Hinter dem Mann fiel die Tür zu.
Sie hinterließ dabei nur ein schwaches Geräusch. Der Eindringling blieb in der absoluten Stille stehen.
Keine Musik mehr, keine Stimmen. Dieser Teil des Hauses schien von dem anderen strikt getrennt zu sein.
Der Mann wusste, wohin er zu gehen hatte. Der Flur war nicht lang. Schon nach wenigen Schritten erreichte der Eindringling eine Ecke. Er bog nach links ab, direkt hinein in eine Nische, an deren Rückseite sich eine Tür befand.
Es war eine besondere Tür. Sie gab ein Schimmern ab, das den Mann anlockte. Er war hier richtig, denn er sah den Sensorknopf in der Wand. Unter ihm war ein kleiner Pfeil angebracht, dessen Spitze nach unten zeigte.
Auch das war für die einsame Gestalt keine Überraschung. So hatte man es ihm erklärt.
Ein kurzes Berühren des Knopfes reichte aus. Ein leises Geräusch erklang, dann schoben sich die beiden Flügel der Tür nach rechts und links. Sie gaben ihm den Weg in eine Liftkabine frei. Er betrat die kahle Kabine und schaute zu, wie sich die Tür wieder automatisch schloss.
Auch hier gab es nur einen Knopf.
Erneut tippte er ihn an.
Ein kurzer Ruck zeigte den Start an. Danach ging es abwärts. Sehr schnell, sehr kurz war die Reise, als der Lift mit einem Ruck anhielt und sich die beiden Türhälften öffneten, damit der Eindringling die Kabine verlassen konnte.
Er zögerte keine Sekunde. Wenig später umgab ihn altes Mauerwerk. Ein muffiger Geruch hielt sich zwischen den Wänden, den der Mann allerdings ignorierte. Es gab nur einen bestimmten Geruch, der ihn animierte. Das war der Geruch von Menschenblut.
Er wusste auch jetzt genau, wohin er zu gehen hatte, und so wandte er sich nach links, wie es ihm aufgetragen worden war. Zwei Türen passieren, vor der dritten anhalten. Auch jetzt war es ihm egal, ob er von künstlichen Augen beobachtet wurde. Er brauchte sich nicht zu sorgen, dass irgendwelche Feinde auf ihn warteten. Wenn doch, dann würde er sie brutal vernichten.
Vor der dritten Tür hielt er an.
Auch sie hatte keine Klinke, und er sah auch keinen elektronischen Öffnungsmechanismus. So blieb ihm nicht anderes übrig, als sich gegen die Metalltür zu lehnen, die schon kurz nach dem ersten Druck nach innen schwang.
Er betrat einen Raum, in dem sich gedämpftes Licht ausbreitete. Es reichte gerade aus, um etwas von dem erkennen zu können, was sich in diesem Verlies befand.
Viel war es nicht.
Kahle Wände, ein ebenfalls kahler Boden, doch in der Mitte des Raumes stand ein Schreibtisch, hinter dem ein Mann saß, der nur als Umriss zu erkennen war, da er außerhalb der beiden Lampen mit den dunklen Schirmen saß, die den Schreibtisch flankierten.
Wieder fiel die Tür hinter dem Eindringling zu. Erst als das geschehen war, klang die Stimme des Mannes auf, der stocksteif auf seinem Platz hockte.
»Komm zwei Schritte näher, Kincaid ...«
***
Der Mann hatte den Eindringling mit seinem Namen angesprochen, was diesem nicht gefiel, denn er zuckte zusammen, und aus seinem Mund drang ein leises Zischen.
Für ihn war der Mann hinter dem Schreibtisch noch immer nicht zu erkennen. Eine dunkelgraue Masse mit menschlichen Konturen, das war alles. Das Gesicht war nicht zu sehen.
»Schön, dass du gekommen bist, Kincaid.«
Der Angesprochene nickte nur.
»Was macht die Malerei?«
»Ich habe lange nicht mehr zum Pinsel gegriffen.«
»Das ist schade.«
»Es wird sich wieder ändern.«
Kincaid hatte mit einer Stimme gesprochen, die ohne Modulation war. So wie er sprach jemand, dem menschliche Gefühle völlig fremd waren.
»Du weißt, warum ich dich habe kommen lassen?«
»Du wirst es mir sagen.«
»Sehr richtig, denn ich möchte, dass du dich wieder an deine Vergangenheit erinnerst und mir einen Gefallen tust. Zuvor möchte ich dich noch fragen, ob du meine Macht kennst.«
»Ich habe davon gehört.«
»Das ist gut. Dann weißt du ja, wie du dich mir gegenüber zu verhalten hast. Du hast bisher getan, was ich wollte, und ich hoffe, das wird auch in Zukunft so bleiben.«
»Ich werde mich daran halten.«
Der Umriss hinter dem Schreibtisch schien zu nicken. Danach war so etwas wie ein schleifendes Geräusch zu hören, als der Mann die Beine ausstreckte und mit seinen Schuhsohlen über den glatten Boden schabte. In dieses Geräusch hinein sprach er leise weiter.
»Es ist nicht alles so gelaufen, wie ich wollte. Und das muss sich so rasch wie möglich ändern! Wobei ich will, dass du die Dinge für mich bereinigst.«
»Deshalb bin ich hier.«
Die Gestalt gab ein trocken klingendes Lachen von sich, und dann sagte sie nur zwei Worte.
»Doriana Gray!«
Das war genau der Augenblick, in dem die große dunkle Gestalt eine erste Reaktion zeigte. Sie schrak zusammen, als hätte sie einen Stromstoß erhalten.
»Du erinnerst dich?«
»Ja.«
»Sag es mir!«
»Ich habe sie gemalt!«
»Gut, Kincaid«, hörte er die Stimme wieder. »Du hast nichts vergessen, gar nichts.«
»Warum sollte ich?«
Die Stimme lachte. Der Klang passte zu dieser grauen Masse, die nur der äußeren Form nach ein Mensch war.
Das Lachen verstummte. Die Stimme meldete sich wieder.
»Du hast Doriana nicht nur gemalt, du warst anschließend auch mit ihr zusammen. Habe ich recht?«
»Ich weiß nicht ...«
»Ach, lüg mich nicht an. Das bringt dir nichts. Du hast ihr Blut getrunken, und es muss dir wunderbar geschmeckt haben.«
Kincaid sagte nichts darauf. Er hatte das Wort Blut gehört, und das erinnerte ihn wieder daran, dass er hungrig war. Er brauchte den Saft aus den Adern der Menschen.
Seine Unruhe wuchs. Er fühlte sich trocken. Zugleich stiegen die Erinnerungen aus vergangener Zeit wieder in ihm hoch.
Ja, er hatte diese wunderschöne Frau gemalt. Und danach hatte er sie gebissen. Es war ein Biss gewesen, den er nie hatte vergessen können. Ihr Blut hatte ihn regelrecht berauscht. Nie zuvor war er nach einem Biss in einen derartigen Zustand geraten, und sein Leben hatte sich verlängert. Über die Jahrhunderte hinweg war er auf der Welt geblieben, der Maler und Vampir. Er hatte das Blut literweise getrunken, eine Köstlichkeit nach der anderen. Bei jedem Biss hatte er immer an Doriana denken müssen, die auf dem Weg gewesen war, eine erfolgreiche Hexe zu werden. Doch dann war sie ihm über den Weg gelaufen, und obwohl es hieß, dass Hexenblut für einen Vampir ungenießbar wäre, hatte er das jungfräuliche Blut gierig geschlürft. Die Erinnerung an die schöne Frau mit den dunklen Haaren hatte sich über die Jahre kaum abgeschwächt.
»Sag mir, ob du dich erinnerst.«
»Ja.«
»Das ist gut.«
»Ich kann sie nicht vergessen«, presste Kincaid hervor.
»So habe ich es mir gewünscht«, vernahm der Maler wieder die Stimme. Sie wurde von einem satt klingenden Atemzug begleitet.
Atmen – das brauche ich nicht, dachte Kincaid, das macht mich den Menschen überlegen.
Er war stolz darauf, ein Vampir zu sein, der im Laufe der Jahrhunderte nicht entlarvt worden war.
Bis zu dieser Nacht ...
»Manchmal«, flüsterte der Mann im Schatten mit einer zischelnden Stimme, »manchmal schlägt das Schicksal einen großen Bogen, um zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder etwas zusammenzufügen. Und jetzt hat sich so etwas wie ein Kreis geschlossen.«
»Für mich?«
»So ist es.«
»Wie kann das sein?«
»Es hat auch mit dem Fortbestand der Geschlechter zu tun, Kincaid. Mein Geschlecht ist nicht ausgestorben. Es hat uns damals gegeben, und es gibt uns heute immer noch. Ich weiß, was in den früheren Zeiten alles passiert ist. Nichts wurde vergessen. Alles wurde aufgeschrieben. Auch über dich wurde Buch geführt, daher weiß ich auch, dass du jemand bist, der schon damals gelebt hat, und dass du meine Vorfahren gekannt hast. Das ist sehr interessant, aber nicht so wichtig wie das, weshalb ich dich herbestellt habe. Man sagt, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholt. Das mag in der Regel stimmen, trotzdem gibt es noch Berührungspunkte, und einen von ihnen haben wir jetzt erreicht. Du und ich.«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Keine Sorge, ich werde dich aufklären. Es geht um die Frau, deren Blut du damals getrunken hast und die du nie vergessen konntest ...«
»Doriana!«, sagte der Maler mit keuchender Stimme.
»Treffer!«
»Und?«
»Was denkst du?«
Kincaid musste erst überlegen. Er wusste nicht, worauf dieser Unbekannte hinauswollte. Er machte es spannend, aber der Vampir spürte erneut die Erregung in sich hochsteigen.
»Ich weiß es nicht.«
»Sie hat überlebt. Ebenso wie du, Kincaid. Ja, man hat sie nicht gefunden und gepfählt. Es gibt sie noch. Sie irrte durch die Zeiten, sie hat viel erlebt und dank deines Zutuns hat sie es geschafft, so zu bleiben wie damals. Sie hat nichts von ihrer Schönheit verloren. Sie ist wie ein Engel.«
»So habe ich sie erlebt, und ihr Blut hat mich erregt wie keines zuvor, obwohl sie eine Hexe war. Durch mich ist sie in unseren Kreis aufgenommen worden und hat die Herrlichkeit des immerwährenden Lebens genossen.«
Ein harter Laut erklang, weil der Schattenmann mit der flachen Hand auf die Schreibtischplatte gedroschen hatte. Kincaid zuckte zusammen und wunderte sich über den Emotionsausbruch.
»Das ist jetzt vorbei!«
»Wie?«
»Sie gehört nicht mehr zu deinem Kreis.«
»Sie ist keine Vampirin mehr?«
»So ist es.«
»Hat man sie gepfählt oder ...«
»Nichts von allem, was dir durch den Kopf geht, Kincaid.« Der Sprecher bewegte sich. Dabei raschelte seine Kleidung, doch der Maler bekam immer noch nicht mehr von ihm zu sehen. »Sie ist keine Vampirin mehr. Man hat ihr das Vampirsein genommen. Sie ist wieder zu dem geworden, was sie schon mal gewesen ist: eine Hexe!«
Der Maler schwieg. Er bewegte sich leicht auf der Stelle, weil er das Gefühl hatte, von einem Schwindel erfasst zu werden. Zu diesem Thema konnte er nichts sagen, und so wartete er darauf, dass sein Gegenüber weitersprach.
Das tat er auch. »Ich habe es herausbekommen. Ich habe lange nach ihr gesucht. Denn da gab es etwas in der Vergangenheit, das ich ihr zurückzahlen wollte.«
Kincaid konnte es nicht fassen. »Man hat sie also nicht vernichtet?«
»Nein. Jemand hat ihr Porträt zerstört. Dein Bild, das wurde mir zugetragen. Und ich kann nicht zulassen, dass die anderen Kräfte bei ihr überhandnehmen, denn als Feindin kann sie mir gefährlich werden. Sie ist für mich ein Geschwür. Sie und dieser Polizist Mason Flint, bei dem sie Schutz gefunden hat.«
»Was haben Sie denn unternommen?«
»Zwei meiner besten Männer haben sie gejagt. Jetzt leben sie nicht mehr, dafür aber Doriana und ihr Freund. Ich will, dass sich dies so schnell wie möglich ändert. Deshalb und nur aus diesem Grund stehst du hier vor mir.«
»Ich soll sie töten?«
»Ja. Du sollst sie jagen und vernichten. Töten ist mir einfach zu wenig. Vernichte sie! Schneide sie in Stücke und wirf ihr Fleisch den Aasfressern vor.«
Kincaid bewegte sich nicht. Außerdem war er nicht so leicht zu erschüttern. Der Auftrag saß fest in seinem Kopf. Doch eine Frage musste er noch stellen.
»Willst du wirklich, dass ich sie vernichte?«
»Ich habe mich deutlich genug ausgedrückt. Es bleibt dir nichts anderes übrig. Solltest du dich weigern, werde ich dich vernichten lassen, und glaub mir, dass ich die entsprechenden Mittel und Wege kenne.«
Kincaid nickte nur.
»Dann bin ich zufrieden.«
»Ich will dich trotzdem etwas fragen.«
»Los!«
»Wenn es stimmt, dass Doriana Gray keine Vampirin mehr ist, dann könnte ich doch zum zweiten Mal ihr Blut trinken ...«
Plötzlich war es still. Kein Atemgeräusch mehr, keine Stimme. Erst nach einer Weile hörte Kincaid die lauernd gestellte Frage: »Willst du noch einmal Hexenblut trinken? Bitteres Hexenblut? Willst du das, Kincaid?«
»Ja – nein – ich ...«
»Hör auf zu stottern. Ich weiß, dass sich ihr Blut wieder regeneriert hat. In Mother Shipton hat sie damals eine gute Lehrerin gehabt. Nie darfst du sie unterschätzen. Sie ist eine Hexe. Sie braucht kein Blut mehr zu trinken, aber in ihr stecken jetzt Kräfte, vor denen du dich in Acht nehmen musst. Alles Wichtige habe ich dir aufgeschrieben. Wenn du es gelesen hast, kannst du dich auf die Suche machen. Hier.«
Etwas flog durch die Luft und landete vor den Füßen des Malers. Es war ein Umschlag, den Kincaid aufhob und einsteckte.
»Ist alles klar?«
»Ich werde deinen Auftrag erfüllen.«
Aus dem Dunkel erklang ein zufriedenes Geräusch. Danach war wieder die Stimme zu hören. Sie sprach Sätze, die so gar nicht zu ihrem Klang passten. »Wer für mich gut arbeitet, erhält eine Belohnung. Ich sehe, dass du dich auf meine Seite gestellt hast und werde deshalb mit dir über die Belohnung reden.«
Kincaid horchte auf. Er wusste nicht, was sein Gegenüber mit seinen Worten gemeint hatte. Denn welcher Mensch konnte ihn schon belohnen und womit?
»Bist du gespannt?«
»Ja.«
»Hast du Durst?«
Kincaid röchelte leicht. »Durst habe ich immer«, gab er mit rauer Stimme zu.
»Dann werde ich dafür sorgen, dass du dich stärken kannst, bevor du dich an deine eigentliche Aufgabe begibst. Ich habe frisches Blut für dich besorgt, aber tu mir den Gefallen und verwische anschließend alle Spuren.«
»Ich werde mich daran halten.«
»Gut, dann kannst du gehen. Und denke an die Unterlagen, die ich dir mitgegeben habe. Vernichte sie, wenn du dir alles eingeprägt hast.«
Der Sprecher erhob sich, und auch jetzt bekam Kincaid ihn nicht richtig zu Gesicht, denn die Gestalt drehte sich um und wandte ihm den Rücken zu. Dann ging sie nach hinten. Es war nur das leise Rascheln von Kleidung zu hören, aber keine Schritte.
Noch einmal erklang die Stimme. Sie hörte sich jetzt bereits weiter entfernt an.
»Nimm nicht den normalen Ausgang. Geh von deinem Platz aus direkt auf die Wand zu. Dort wirst du den Umriss einer schmalen Tür sehen. Dahinter wartet deine Belohnung, Kincaid.«
Der Vampir nickte nur. Nichts regte sich in seinem starren Gesicht, nur die Augen leuchteten für einen Moment auf. Dann tat er das, was ihm gesagt worden war.
Er drehte sich um und ging auf die Wand zu. Er fand die Tür, drückte sie auf und hatte einen freien Blick in den dahinter liegenden Raum.
Ein Verlies. Vier Betonwände. Kalt und abstoßend. Beim Öffnen der Tür war ein leises Klingeln zu hören gewesen. Erst jetzt sah der Blutsauger, wodurch es hervorgerufen worden war.
Es waren die zahlreichen Metallglieder einer Kette. Das eine Ende war an einer der Wände an einem Haken befestigt. Das andere Ende der Kette wurde von einem Metallring gebildet, der um den Knöchel einer nackten jungen Frau geschlungen war, die auf dem Boden saß und Kincaid aus weit aufgerissenen Augen anstarrte.
Der Vampir machte einen Schritt auf sie zu.
Dann grinste er und zog dabei die Oberlippe zurück.
Zwei Blutzähne wurden sichtbar.
Die junge Frau sah jetzt nur noch das fürchterliche Gebiss in dem grinsenden Gesicht, und ein gellender Schrei stieg aus ihrer Kehle, als ihr bewusst wurde, was ihr bevorstand ...
Der Mann hatte Kincaid nicht gesagt, dass er sich beeilen müsste. Also konnte er sich Zeit lassen, und das tat er auch.
Er sagte kein Wort, nachdem der Entsetzensschrei der Frau verhallt war. Seine Blicke streiften den nackten Körper. Ihn interessierten nicht die Brüste, die Schenkel oder die langen Beine, die sie zusammengepresst hatte, seine Gier galt etwas anderem: ihrem Blut.
Das war sein Aphrodisiakum, das erregte ihn und nicht das, wovon normale Männer träumten. Auch nicht das hübsche Gesicht, das noch fast kindlich wirkte. Es war von dunkelblonden Haaren umrahmt, von denen einige zu Locken gedreht waren.
Er sah den Hals, nur den Hals. Er war wunderbar. Er mochte die sanfte Schwingung, die unter dem Ohr begann und oberhalb des Brustbeins endete. Noch war die Haut samtweich und unbeschädigt. Aber das würde bald anders sein, denn unter dieser Haut lag die Halsschlagader, in der dieser wunderbare Lebenssaft pulsierte.
Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu und die junge Frau zuckte zusammen. Dabei entfuhr abermals ein Schrei aus ihrer Kehle. Sie wich ein wenig zurück, aber da war die Wand, und auch die Kette straffte sich.
Kincaid sprach sie an. »Du bist so schön. Du bist so jung, und ich weiß, dass in deinen Adern das fließt, wonach ich giere. Köstlicheres Blut kann ich mir kaum vorstellen.«
Die Frau hatte jedes Wort verstanden. Sie war nur nicht in der Lage, eine Antwort zu geben, zumindest nicht im Moment. Dann hörte sie den Mann fragen: »Wie heißt du?«
Jetzt konnte sie wieder sprechen. »Ines ...«
»Ein schöner Name. Er passt zu einem schönen Menschen, den ich nur bewundern kann. Ja, bewundern«, wiederholte er und ging den letzten Schritt nach vorn.
Er kniete sich nieder und brauchte nur noch seine Hände auszustrecken, um ihren Körper berühren zu können.
Ines hielt den Atem an. Sie wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken.
Kincaid streichelte sie. An den Schultern fing er an, und im ersten Moment zuckte Ines zusammen. Die Hände des Mannes waren weder warm noch kalt, sie fühlten sich an, als wären sie künstlich.
Kincaids Blick war starr, und trotzdem ließ er ihn wandern. Er wollte jede Einzelheit des voll erblühten Körpers auskosten. Er ließ auch ihre Brüste nicht aus, rieb mit kreisenden Bewegungen über die Warzen hinweg, was ihr ungewollt ein Stöhnen entlockte.
Es war kein Laut der Lust, sondern der Angst, denn die junge Frau schaffte es nicht, ihren Blick vom Gesicht des Vampirs abzuwenden.
Der Mund, die Zähne, die nach Blut gierten, und natürlich der gnadenlose Ausdruck in den dunklen Augen.
Sein Kopf näherte sich ihrem Gesicht. Erst jetzt nahm sie den Geruch wahr, der von dem Mann ausging. Eine Mischung aus alter Erde und einem Parfüm, mit dem der alte erdige Geruch wohl überdeckt werden sollte. Eine ungewöhnliche Mischung, die Ines abstieß.
Noch näher brachte er sein Gesicht an das ihre heran.
Ines hatte einiges über Vampire gehört, gelesen oder im Kino gesehen. Sie hatte in der Theorie erlebt, welch erotische Anziehungskraft Vampire auf Frauen haben sollten. Nur traf das bei ihr nicht zu. Sie hatte einfach nur Angst, und als sie den offenen Mund des Mannes sah, da war ihr klar, dass diese Zähne kein künstliches Gebiss waren, um sie zu erschrecken.
Er fing damit an, die Spitze seiner Zunge über ihren Hals bis hinauf zu den Wangen gleiten zu lassen. Ausweichen konnte Ines nicht. Die Ketten hielten sie gefangen, und dicht hinter ihr befand sich die Wand.
Es gab keinen Speichel, der die Zunge bedeckt hätte. Dennoch glitt sie leicht über ihre Haut hinweg.
Ines tat nichts. Sie ekelte sich. Doch das ließ sie sich nicht anmerken.
Kein Verziehen der Mundwinkel, kein Kopfschütteln, es gab nur diesen steifen Körper, und selbst das Stöhnen, das ihr aus der Kehle steigen wollte, unterdrückte sie.
Mit einem schnalzenden Laut zog sich die Zunge zurück. Ein leises Lachen erklang, eine Flüsterstimme, die Ines klarmachte, wie gut sie dem Vampir gefiel.
»Du bist etwas Besonderes. Du bist so jungfräulich frisch, und ich brauche diese Frische.« Mit beiden Handflächen strich er an den Wangen entlang, wobei seine Augen glänzten.
Ines konnte nichts sagen. Der Schreck, die Angst vor dem, was noch kommen würde, ließ sie steif werden, und sie konnte nicht verhindern, dass der Mann mit den Vampirzähnen ihren Kopf nach rechts drehte, sodass sie ihm ihre linke Halsseite darbot. Er befreite sie auch von den Haaren, und Ines wusste, was gleich kommen würde.
Er würde sie beißen! Ihr würde das gleiche Schicksal bevorstehen wie all den Vampirbräuten, die sie in den Filmen gesehen hatte.
Sie hörte die Stimme dicht an ihrem linken Ohr. Nur ein Flüstern, dennoch gut verständlich.
»Ich mache dich glücklich, Ines. Und ich mache mich glücklich. Wir werden dann zusammen sein. Das lange, das ewige Leben wartet auf dich, meine Schöne ...«
Der Biss!
Hart und zielsicher traf Kincaid dort, wo er es haben wollte. Seine Routine war einfach perfekt. Nie hätte er die Ader verfehlt, und Ines zuckte ein paar Mal, bevor sie in sich zusammensackte und von Kincaid aufgefangen wurde.
Der blutgierige Maler trank. Er hatte seinen Mund weit aufgerissen, um jeden Tropfen einzusaugen. Kein einziger sollte verloren gehen. Seine Wangen zuckten, er saugte, er schlürfte. Es war ein wohliges Gefühl, das ihn überkommen hatte. Der Hunger, der Durst, bei ihm kam alles zusammen, und das kleine Verlies war bald erfüllt von all den widerlichen Geräuschen, zu denen auch sein lautes Stöhnen gehörte.
Ines hatte noch leicht gezuckt, aber das war ebenfalls schnell vorbei. Sie erschlaffte, als wäre sie in einen tiefen Schlaf versunken.
Mit dem linken Arm fing er sie auf, ohne dass sich sein Mund vom Hals der jungen Frau löste.
Dieses Blut war so frisch. Es war köstlich und kaum zu beschreiben. Er erlebte seinen Himmel, seine große Sättigung, die Kraft des Blutes strömte in ihn hinein, und dieses köstliche Getränk war für ihn eine Offenbarung.
Niemand störte ihn. So war er in der Lage, sein Opfer bis zum letzten Tropfen leer zu saugen.
Kincaid bedauerte es, als er seinen Mund vom Hals der schönen Ines lösen musste. Er hätte gern noch mehr getrunken, was allerdings nicht möglich war.
Es gab kein Blut mehr. Der junge Körper war schlaff geworden, und Kincaid wollte ihn nicht länger auf seinem ausgestreckten Arm liegen lassen.
Deshalb ließ er Ines zu Boden gleiten, wo sie auf dem Rücken liegen blieb. Sie bewegte sich nicht. Jeder, der sie jetzt sah, hätte sie für tot gehalten, aber das war sie nicht. Ines war bereits in ein anderes Dasein eingetreten. Sie war zu einer Untoten geworden, zu einer Wiedergängerin, denn sie würde sich in den nächsten Stunden auf eine besondere Weise regenerieren.
Der Keim war gelegt worden, und er würde erst wieder verschwinden, wenn jemand sie von ihrem unseligen Dasein erlöste.
Kincaid richtete seinen Oberkörper auf. Er blieb allerdings sitzen. Seine Lippen waren blutverschmiert. Er wischte mit dem Handrücken darüber hinweg und leckte ihn dann ab.
Ihm fiel ein, was ihm der geheimnisvolle Auftraggeber mit auf den Weg gegeben hatte. Die Frau war seine Belohnung gewesen. Nun sollte sie spurlos verschwinden, was Kincaid bedauerte. Er hätte sie gern an seiner Seite behalten, aber er wollte seinen Auftraggeber auf keinen Fall hintergehen.
Die schöne Ines musste verschwinden. Sie sollte nicht aufwachen und auf Blutsuche gehen. Deshalb musste sie endgültig vernichtet werden. Danach konnte ihre Leiche im Fluss verschwinden.
Der Maler schaute sich um. Er suchte nach einer Waffe, die für einen endgültigen Tod sorgen konnte. Er fand sie. Man hatte sie ihm bereitgelegt. Er hatte sie nur bisher übersehen. Wie auch die schmale Anrichte an der linken Seite neben der Tür, auf der sie platziert worden war.
Kincaid stand auf und ging hin. Es war ein Messer, nein, mehr ein Pflock, bei dem der Griff nur angedeutet war.
Der Pflock aus Eichenholz. Eine uralte Waffe, um einen Blutsauger zu vernichten. Manche nannten es Erlösung, aber die Bezeichnung war ihm egal. Es kam ihm nur auf die Wirkung an, und auf die konnte er sich bei dieser Waffe verlassen.
Er nahm den Eichenpflock in die rechte Hand. Er hätte den schönen Körper auch zerstückelt, aber dazu hätte er ein schweres Messer gebraucht. Mit dem Pflock war es einfacher.
Ines hatte sich nicht bewegt. Nach wie vor lag sie auf dem Rücken, den Kopf ein wenig zur Seite gedreht. Offene Augen ohne Glanz, ein offener Mund, aber kein Atemhauch, der daraus hervorwehte.
Kincaid schaute sie an und nickte. Es war für ihn klar, dass es keine andere Möglichkeit gab. Er wollte es sich mit seinem Auftraggeber nicht verscherzen.
Er kniete sich neben Ines.
Ihre Nacktheit interessierte ihn nicht. Er suchte nach der Stelle, die er zielsicher treffen musste. Die Spitze des Pflocks würde in ihr Herz dringen und es zerstören.
Das war schon immer so gewesen, und es würde auch immer so bleiben.
Ein letztes Überprüfen, ob er die Spitze richtig angesetzt hatte, dann stieß er zu!
Er hatte so viel Kraft wie möglich in den Stoß hineingelegt, und er traf zielgenau. Die Spitze des Eichenpflocks jagte in den Körper. Sie riss die Haut auf, und sie bohrte sich zwischen zwei Rippen hindurch tief in den weichen Körper der Regungslosen.
Kein Schrei löste sich aus dem offenen Mund. Dafür zuckte Ines kurz in die Höhe. Ihr Gesicht verlor plötzlich die Starre. Für einen kurzen Moment zeigte es den Ausdruck des Entsetzens, bevor der Körper wieder zusammensackte.
Der Pflock steckte in der Brust. Kein Blut war zu sehen. Nur eine wässrige Flüssigkeit breitete sich um den Rand der Wunde aus.
Kincaid war zufrieden. Er starrte auf den Pflock. Er hasste diese Waffe, durch die Vampire getötet werden konnten, und deshalb ließ er ihn stecken.
Seinen Auftrag hatte er erfüllt. Nichts hielt ihn noch länger in diesem Verlies. Und so verließ er den Raum auf demselben Weg, auf dem er ihn betreten hatte.
Nur Minuten später war er in der Dunkelheit verschwunden. Gestärkt durch das fremde, frische Blut fühlte er sich fast unbesiegbar ...
Ich muss etwas trinken, Dorry.«
»Das kann ich mir denken.«
Mason Flint drehte Doriana sein Gesicht zu. »Kein Wasser. Ich bin alles andere als ein Alkoholiker, aber jetzt brauche ich etwas Handfestes.«
»Niemand hindert dich daran.«
»Gut.« Flint nickte. In seinem Kopf war so ziemlich alles durcheinander. Es würde noch einige Zeit dauern, bis er wieder einen klaren Kopf hatte, dessen war er sich sicher.
Er trat an den Schrank und öffnete eine der Türen. Dahinter befand sich eine Bar. Er konnte zwischen verschiedenen Getränken wählen und entschied sich für einen Whisky. Es war einer von der edlen Sorte, und die Flasche war noch gut gefüllt.
Gläser standen auch bereit. Mason wollte Dorry fragen, ob sie auch einen Schluck wollte, aber sie hielt sich nicht mehr im Wohnraum auf. Wahrscheinlich wollte sie Mason diese kurze Zeit der Ruhe gönnen, und die benötigte er auch. Es war einfach zu viel geschehen, und sein Leben hatte eine totale Veränderung erfahren, und das innerhalb der letzten Tage.
Er hörte zu, wie die Flüssigkeit in das Glas gluckerte. Fast bis zur Hälfte füllte er es. Die Flasche stellte er zurück in den Schrank und drehte sich zum Fenster hin.
Die tote junge Frau im Sessel konnte er einfach nicht übersehen. Sie hieß Frenchy Davies und war seine Freundin gewesen. Jetzt war sie tot, vernichtet. Sie würde nie mehr einem Menschen das Blut aussaugen können.
Dass sie zu einer Blutsaugerin geworden war, hatte sie Doriana Gray zu verdanken. Aber sie war auch durch sie erlöst und getötet worden, denn es war die Hexerin gewesen, die ihr den tödlichen Pfeil ins Herz gerammt hatte.
Mason trank einen Schluck. Er blickte die Tote an. Schweiß brach ihm aus. Er hatte mit Doriana über Frenchy gesprochen. Er hatte ihr seine Gefühle offengelegt. Die Jahre mit ihr konnte er nicht so einfach abstreifen. Aber die Zeit heilt viele Wunden.
Frenchys Anblick zu ertragen war einfach schlimm für ihn.