John Sinclair - Sammelband 7 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair - Sammelband 7 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Dieser Sammelband enthält die Folgen:

Folge 668: Silva auf dem Höllenthron

Folge 669: Blackwood, der Geistermann

Folge 670: Der Sarg-Designer

Folge 671: Killer-Kobolde

Folge 672: Das teuflische Universum I

Folge 673: Die Jagd

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Seitenzahl: 802

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Inhalt

Cover

Impressum

Silvia auf dem Höllenthron

Blackwood, der Geistermann

Der Sarg-Designer

Killer-Kobolde

Das teuflische Ultimatum I

Die Jagd

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Vicente Ballestar – Norma

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-8387-0292-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Silva auf dem Höllenthron

Sie war schön, sie war heiß, sie war ehrgeizig!

Sie machte Millionen mit ihrem Gesicht und ihrem Körper. Sie glaubte weder an Gott noch an den Staat oder die Mafia. Letzteres sollte sich furchtbar rächen.

Doch von dem Zeitpunkt an glaubte sie an den Teufel!

Die Postmoderne der achtziger Jahre war out. Zurück kehrte die spielerische Lust am Gestalten. Menschen dekorierten ihre Wohnungen, das Outfit sollte wieder schmücken und den tristen Alltag bereichern.

Man verzierte nicht nur die heimatliche Wohnwelt – in Paris, Mailand oder London glitzerte es wie in New York –, man ließ auch sich selbst nicht aus.

Gold in Form von Fäden und Pailetten schmückten die Kleidung. Die fließenden Stoffe sahen nicht nur wertvoll aus, sie waren auch teuer und kostbar. Orientalische Pracht hatte die Modeschöpfer zu diesen Kreationen angeregt, und ihre Vorschläge waren auf fruchtbaren Boden gefallen.

Diese Mode revolutionierte, sie drehte auch den Menschen in seiner Meinung um.

Plötzlich konnte sich die Frau wieder ganz als Frau fühlen und brauchte sich auch nicht zu schämen, wenn sie den aufwendigen Modeschmuck anlegte.

Es gab wieder eine Welt der Fülle und des Luxus, wenigstens für die Menschen, die es sich leisten konnten.

Silva gehörte dazu!

Die kühle Blonde auf der einen Seite, der heiße Vulkan auf der anderen. Die Mailänderin mit den blauen Augen und der wilden Mähne. Das Weib der Weiber, das Model an der Spitze.

Die einschlägigen Gazetten überschlugen sich, wenn sie über Silva schrieben, und die Zwanzigjährige konnte nicht behaupten, daß sie dem negativ gegenüberstand. Sie genoß es, wenn sie auf den Titelbildern zu sehen war, und sie genoß es noch mehr, wenn sie die dicken Honorare einstreichen konnte, denn sie gehörte zu den bestbezahltesten Models der Welt.

Silva entsprach dem neuen Typ. Sie war groß, nicht zu schlank, ihr stand die Kleidung der Modeschöpfer; bei ihr kam auch der Schmuck zur Geltung. Wenn sie beides trug, wirkte sie noch immer als Person.

Sie führte natürlich ein entsprechendes Leben. Die Zeit zwischen den Terminen war oftmals nur sehr knapp bemessen. Diese Zwischenstopps verbrachte sie dann in Hotels. Dauerte die Freizeit länger, konnte sie sich eine der Wohnungen aussuchen, die ihr zur Verfügung standen. Mailand, Paris, London und New York waren diese Stützpunkte.

Die größte Wohnung befand sich in London. Eingelagert in einen prächtigen Altbau, hatte sie das Glück gehabt, gleich mehrere Räume mieten zu können. Und dann, als der Besitzer drei Monate nach dem Einzug verstorben war, hatte sie die Wohnung kaufen können und war darüber überglücklich.

Die Wohnung besaß sogar einen verglasten Balkon, auf dem sie in verschwenderischer Fülle die Blumen in den Vasen und Terracotta-Töpfen verteilte. Silva liebte nicht nur ihre Heimat Italien, sie mochte auch die Provence mit ihrem wunderschönen Licht, den unwahrscheinlichen Gerüchen, der samtenen Luft, und sie hatte versucht, etwas von diesem Landleben in ihre Wohnung zu zaubern.

Eine Mischung aus rustikal und elegant. Alles aufgearbeitet in einer verschwenderischen Fülle. Das fing bei den Tischdecken an, fand seine Fortsetzung in den Vorhängen und endete auch hier in den breiten Töpfen und Schalen, die gefüllt waren mit Obst und Gemüse. Im Winter als Dekoration, im Sommer echt.

In den traurigen Monaten waren nur die Apfelsinen nicht künstlich, aber Silva besaß einen Vorteil.

Es gab kaum Termine.

Im November und im Dezember hatte sie Ruhe, und diese Zeit wollte sie in London genießen.

Oft lag sie auf ihrem Lieblingsplatz, einem sehr breiten Sofa, das etwas aus der Zeit des Biedermeier an sich hatte, das aber aus der Provence stammte.

Eine sehr breite Sitz- und Liegefläche. Alles stand in Reichweite. Das Telefon, die wichtigsten Bücher, die Lampen mit den geblümten Schirmen und auf dem weichen Orange des Teppichs konnte sich das Licht so wunderbar verlaufen.

Sogar die Glotzkiste konnte sie einschalten, ohne aufstehen zu müssen. Das galt auch für die Hi-Fi-Anlage, die sich per Fernbedienung steuern ließ.

Eigentlich konnte Silva mit ihrem Leben zufrieden sein, und sie war es auch, obwohl, um den bürgerlichen Vorstellungen zu folgen, noch etwas fehlte, ein Mann, ein Partner.

In ihrem Job war das natürlich so eine Sache. Wenn sie gut im Geschäft war, konnte sie sich auf jeden verlassen. Da wurde sie von den Menschen hofiert, da hockte man um sie herum, da war sie die Frau, der die Männer zu Füßen lagen.

Aber was waren das für Typen?

Natürlich die Kreativen, mit denen man arbeiten und feiern konnte. Die aber oft genug neurotisch waren und ihre Depressionen bekamen. Da gab es kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Mochte die Branche noch so stark mit Glamour und Glitzer behaftet sein, in Wirklichkeit war das Geschäft knallhart.

Wenn es um die Kohle ging, nahm keiner Rücksicht auf den anderen. Nicht grundlos hörte sie oft genug die Warnungen ihres Agenten. Sie durfte nicht zunehmen, sie mußte unheimlich aufpassen, was sie aß und trank. Sie führte praktisch ein Leben nach Plan.

Das mochte sie überhaupt nicht, aber sie besaß eine eiserne Disziplin und widerstand dem Genuß von Süßigkeiten.

Einen festen Freund hatte sie nicht. Es gab da wohl einen Deutschen, mit dem sie hin und wieder ausging, wobei sich Silva nicht klar war, ob sich dieser Mensch mehr mit ihr schmücken wollte oder sie tatsächlich mochte.

Es gab Tage, da dachte sie oft darüber nach und fand sich und ihre Lage gar nicht mal so beneidenswert. In den Hotels hatte sie es sich zur Aufgabe gemacht, Bücher zu lesen.

Sehr oft saß sie im Zimmer und wälzte die dicken Schinken, die sich zumeist mit demselben Thema beschäftigten:

Okkultismus und Magie. Hexenwerk und Teufelskunde. Alte Schriften, neu verlegt, geheimnisvolle Folianten, die man in gewissen Buchläden kaufen konnte.

Auch in der Wohnung hatte sie die Bücher verteilt. Sie standen aufgestapelt neben ihrem Bett, wo sie einen regelrechten Turm bildeten, den sie auch als Ablage für ihre Gläser waren, die zumeist mit Mineralwasser und Obstsäften gefüllt waren.

Silva ließ sich von dieser anderen Welt gefangennehmen und hatte es tatsächlich geschafft, einer Schwarzen Messe beizuwohnen. Das war in Paris gewesen, wo ein Guru lebte, der eine neue, angeblich erlösende Religion predigte, tatsächlich aber zu denjenigen Personen gehörte, die dem Teufel zugetan waren.

Erst hatte sie Furcht vor der Schwarzen Messe gehabt. Im nachhinein hatte sie zugeben müssen, daß sie von den Ritualen fasziniert gewesen war. Sobald es ihre Zeit erlaubte, würde sie wieder eine dieser Feiern mitmachen.

An diesem Tag gratulierte sich Silva dazu, wieder in der Wohnung bleiben zu können. Es war bereits Vormittag, aber es wollte einfach nicht richtig hell werden.

Wie ein großer Vorhang lag die Düsternis des letzten Novembertages vor den Fenstern. Von der Weihnachtsbeleuchtung, die in den Städten brannte, hatte Silvia nicht viel gesehen. Sie blieb lieber in ihrer Wohnung, las oder hing ihren Gedanken nach, die sich um metaphysische Kriterien drehten.

Ein Buch faszinierte sie besonders. Es befaßte sich mit der Hölle. Der Autor hatte versucht, sie zu beschreiben und ein Kapitel dem Höllenthron gewidmet, auf dem der Teufel angeblich saß und die Welt des Bösen regierte.

Dieser Platz hatte sie nicht losgelassen und sich in ihre Gedanken festgefressen. Zudem erklärte der Verfasser, daß es dieses Gebiet und auch den Thron tatsächlich gab, aber das herauszufinden, war ihr noch nicht gelungen.

Silva hatte sich vorgenommen, an diesem langen Tag mehr darüber zu lesen. Als besonders günstige Zeit sah sie stets den Abend an, da machte es ihr Spaß, mehr über diese Dinge zu erfahren und sich danach eigene Gedanken zu machen.

Sie dachte auch über Termine nach. Vor Weihnachten hatte sie noch zwei.

Einen in London – kein Problem – und einen zweiten in Rio. Allerdings auch nur drei Tage. Eine große Firma hatte sie gewinnen können, die neue Bademode für den Sommer vorzuführen. Eine sehr gute Kollektion, wie Silvia fand, keine Zweiteiler mehr, sondern perfekt sitzende Einteiler, die aussahen, als wären sie auf die Haut der Frau gemalt worden.

Da wirkte man angezogen wie ausgezogen. So etwas liebte Silva natürlich, und bei ihrer wirklich perfekten Figur konnte sie sich so etwas erlauben.

Das Telefon meldete sich. Es war ein altmodischer, schwarzer Apparat, der jetzt wieder in Mode gekommen war. Sie hatte ihn neben dem Sofa auf die Couch gestellt, brauchte nur den Arm auszustrecken, um den Hörer abzunehmen.

Die Geste wirkte wie einstudiert. Nach dem dritten Läuten nahm sie den Hörer ab, warf dabei ihre blonde Mähne zurück, an der nichts gegelt oder gestylt war, und meldete sich mit einem leicht rauchig klingenden »Hallo …«

Sie hörte ein Lachen und erstarrte. Das Geräusch schnitt wie ein Messerstich in ihre Seele. Plötzlich wußte sie, wer dieser Anrufer war, obwohl sie ihn noch niemals zuvor gesehen hatte.

Der Mann bereitete ihr Furcht. Seine Stimme war so kalt und grausam, und er hatte ihr Dinge versprochen, über die sie nicht länger nachdenken wollte.

Das Lachen klang aus. Dafür hörte sie die Frage des Anrufers. »Wie geht es dir, Süße?«

»Was interessiert Sie das?« Am liebsten hätte sie aufgelegt, davor allerdings war sie schon bei ähnlichen Anrufen gewarnt worden.

»Ich bin eben ein netter Mensch!«

Über diese Lüge kam Silva nicht hinweg. Sie bekam sogar einen roten Kopf. »Was wollen Sie von mir?«

»Die erste Rate, Schätzchen!«

Silva blieb still. Ihre Gedanken rasten. Sie wußte, nein, sie ahnte, wer dahintersteckte, aber sie hatte bisher den Anrufen widerstehen können.

»Sie ist fällig, amica.«

»Nein, sie ist nicht fällig!« Plötzlich überkam sie ein Wutanfall. Sie schrie Schimpfworte in ihrer Heimatsprache in den Hörer, sie regte sich furchtbar auf und hätte den Hörer am liebsten zu Boden geschmettert. Er fiel nur auf das Sofa und blieb auf dem beige und blau gestreiften Stoff liegen. Es dauerte eine Weile, bis das Model das Freizeichen bewußt wahrnahm.

Der Anrufer hatte aufgelegt. Ein schlechtes Zeichen? Sie wußte es nicht genau, aber sie war in Rage gekommen und sicherlich sehr blaß geworden.

Noch wütend warf sie den Hörer auf die Gabel. Elegant schwang sie die langen Beine herum und schlüpfte in die hochhackigen Sandaletten, die ihren Körper noch größer machten, als er es tatsächlich schon war.

Sie trug an diesem Tag eine lange Satinhose mit Blumenmuster. Der schwarze Grundstoff schimmerte bei jedem Faltenwurf. Als Oberteil hatte sie sich für eine locker fallende Leinenbluse entschieden, unter der bei jedem Schritt ihre beiden Hügel keck auf- und abhüpften.

Silva hatte es nicht nötig, einen BH zu tragen. Um einen Blick auf ihren nackten Körper zu erhaschen, hätten zahlreiche Männer ein kleines Vermögen bezahlt.

Der Gedanke daran hatte ihr einfach Spaß gemacht, heute dachte sie anders.

Sie betrat das in seegrün gehaltene Bad mit der atlantikblauen Wanne und den farblich abgestimmten Einbauschränken, stellte sich vor den großen Spiegel und schaute sich in die Augen. Eine Meditation, die sie des öfteren machte, denn in ihren Augen konnte sie selbst erkennen, wie sie sich fühlte und beinahe auch, wie die nächste Zukunft ablaufen würde.

Ihre Pupillen zeigten zwar noch immer dieses unwahrscheinliche Blau, auf das sie so stolz war, aber da war etwas, das von unten her oder aus der Tiefe hervor an die Oberfläche stieg und eigentlich nur ihre Augen erfaßte.

Irgendeine Kraft …

Sehr fremd, sehr anders, aber trotzdem nicht angsteinflößend, sondern vertrauenerweckend.

Silva zeigte sich interessiert. Sie zwinkerte, als wollte sie versuchen, dieses Wissen des Herannahenden aus dem Gedächtnis zu verbannen, das klappte nicht.

Die andere Kraft war stärker. Sie drückte noch mehr, sie überschwemmte Silva.

Und plötzlich sah sie es.

Das Model öffnete den Mund. Es sah so aus, als wollte sie laut schreien. Nicht einmal ein Ächzen drang aus ihrem Mund. Der Schrei erstickte irgendwo zwischen Kehle und Lippen.

Die Pupillen hatten sich verändert. Sie waren es, die ihr den Schock brachten, denn in ihnen zeichnete sich etwas ab.

Zwei Teufelsfratzen!

***

Silva erlebte zum erstenmal das Gefühl des Unheimlichen, des nicht Erklärbaren. Hier war etwas mit ihr geschehen, auf das sie keinen Einfluß hatte nehmen können. Eine andere Macht war erschienen, und die hatte die Kontrolle über sie bekommen.

Silva räusperte sich mit offenem Mund. Den Blick konnte sie einfach nicht von der Spiegelfläche abwenden, sie mußte hineinschauen und spürte den heftigen Herzschlag.

Der Teufel in ihren Augen!

Seine Fratze zeichnete sich zweimal ab. Und keine besaß einen Unterschied. Sie waren völlig identisch mit ihren grausam leuchtenden Augen, wobei sich im Zentrum noch etwas bewegte, das aussah wie zuckende Flammenärmchen. Aber sie spürte keine Hitze.

Nach wenigen Sekunden hatte Silva den ersten Schock verdaut und begann damit, sich für die neuen Tatsachen zu interessieren. Ihr Gesicht war nicht geschminkt, bis auf das wenige Rouge an den Wangen und den leicht nachgezeichneten Lidern. Es konnte also kein Schatten sein, der sich da als Gestalt in den Pupillen widerspiegelte. Das war echt, so verdammt echt, aber wo kam es her?

Tief in ihrem Innern, möglicherweise in der Seele mußte sich das Bild geformt haben. Vielleicht auch in ihren Gedanken, die so stark gewesen waren, daß sie sich als Projektion auf ihren Augen abmalten. Eine Erklärung, über die andere gelacht hätten, aber nicht Silva, die ja nach Erklärungen suchte und nicht grundlos so viele Bücher über Okkultismus und Schwarze Magie gelesen hatte.

Nach einer Weile traute sie sich endlich, mit beiden Augen zu zwinkern. Sie wollte feststellen, ob durch diese Bewegungen die Bilder verschwanden.

Nein, sie blieben.

Noch etwas geschah. Innerhalb der Pupillen bewegten sich die beiden Teufelsfratzen. Sie verzogen ihre Mäuler, als wollten sie Silva aus dem Spiegel hervor und gleichzeitig auch aus ihren eigenen Augen heraus zulächeln.

Etwas rann kalt ihren Rücken hinab. Es kam ihr vor, als hätte jemand ein Eisstück auf ihren Nacken gelegt, um es langsam nach unten rinnen zu lassen.

Die Röte stieg in ihr Gesicht. Plötzlich stand die Haut in Flammen. Sie verbrannte nicht und hatte nur den Eindruck, einen schrecklichen Alptraum am eigenen Leibe miterleben zu müssen. Sie dachte an den Satz aus dem Zauberlehrling, daß die Geister, die sie gerufen hatte, nun nicht mehr los wurde.

Oder verhielt sich alles ganz anders?

Silva stöhnte auf, wischte durch ihr Gesicht, schüttelte den Kopf, räusperte sich das Kratzen aus dem Hals und schaffte es endlich, sich aus der unmittelbaren Nähe des Spiegels zu entfernen. Sie ging mit kleinen Schritten zurück, bis sie gegen die Wand der ovalen Badewanne stieß und den Kopf senkte.

Etwas war mit ihr geschehen …

Silva fand auch die Kraft, darüber nachzudenken. Sie brachte die Veränderung in den Augen in einen Zusammenhang mit dem letzten Anruf, obwohl es dafür keinen Grund gab.

Was sollte sie tun? Hilfe anfordern. Als sie daran dachte, mußte sie laut lachen. Okay, sie kannte zahlreiche Personen und Persönchen, die sie hätte anrufen können, um von ihren Problemen zu berichten. Einige hätten auch zugehört, aber nicht gewußt, was sie eigentlich tun sollten. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als die Sache allein durchzustehen. Das wollte sie auch nicht.

Neben der Tür preßte sie ihre Stirn gegen die Kachelwand und dachte darüber nach, ob es tatsächlich niemanden gab, an den sie sich vertrauensvoll wenden konnte.

Doch – da war jemand!

Urplötzlich fiel ihr der Name ein. Eine Frau, die sie vor gut zwei Wochen kennengelernt hatte. Jemand, der sich mit Mode beschäftigte und sie früher einmal selbst produziert, aber davon aus persönlichen Gründen Abstand genommen hatte.

Mit dieser Frau hatte Silva über gewisse Dinge gesprochen, die ihr wichtig waren. Auch über den Begriff der Schwarzen Magie, und sie war auf ein großes Verständnis gestoßen, wobei ihr die Frau allerdings keine Lösung präsentieren konnte.

Sie hatte ihr nur geraten, die Finger davon zu lassen, weil es sehr gefährlich war, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen und man oft Dinge erweckte, die lieber verborgen bleiben sollten.

Silva hatte sich nicht an den Rat gehalten, sogar gelacht, das wäre ihr heute auf den Lippen erfroren.

Aber den Namen der Frau hatte sie behalten.

Sheila Conolly!

Es war eine Entscheidung, die sie binnen einer Sekunde traf. Sie wollte Mrs. Conolly anrufen, und sie besaß sogar deren Visitenkarte. Wenn sie nur gewußt hätte, wo sie die Karte hingetan hatte.

Silva verließ das Bad. Ihre alte Truhe aus der Heimat hatte sie nie weggegeben. Dort verbarg sie allerlei Kram, aber auch wichtige Unterlagen wie die Mappe mit Visitenkarten.

Hektisch durchwühlte sie die Truhe. Natürlich, die Mappe lag ganz unten, wie hätte es auch anders sein können. Sie kam ins Schwitzen, blies immer wieder die Haarsträhnen aus der Stirn und hatte schließlich gefunden, was sie suchte.

Hastig schlug sie die Mappe auf. Die Visitenkarten verteilten sich unter der durchsichtigen Einlage aus Kunststoff. Alle möglichen waren dabei. Schlichte, künstlerisch originelle und Angeberkarten, wo der Besitzer sein eigenes Konterfei abgebildet hatte.

Dazu gehörte die Karte der Sheila Conolly nicht. Silva war fast glücklich, als sie den schmalen Karton in der Hand hielt. Über ihre vollen Lippen huschte ein Lächeln, an die Fratzen in den Augen dachte sie nicht mehr und huschte in den Wohnraum, um sich dort auf das Sofa zu werfen.

Hoffentlich war Sheila Conolly zu Hause. Sie betete und zitterte innerlich, als sie die Nummer wählte.

Ja, es meldete sich jemand, allerdings ein junger Mann, wenn sie dem Klang der Stimme trauen konnte.

»Kann ich bitte Mrs. Conolly sprechen?«

»Wer sind Sie?«

»Silva Mancini.«

»Ich werde meine Mutter fragen. Warten Sie bitte solange.«

»Okay, Junge, aber beeile dich.« Sie mußte sich räuspern. »Und sag deiner Mutter, daß es dringend ist.«

»Klar doch. Das sagen sie alle.«

Silva verdrehte die Augen. Hoffentlich hatte sie Glück. Sie wußte ja selbst, daß sie störte. Wahrscheinlich erinnerte sich Sheila Conolly nicht mehr an sie, obwohl diese Frau auf Silva einen anderen Eindruck gemacht hatte als all die Fluppies und Schwuchteln, die sie sonst umgaben. Die Warterei dauerte ihr viel zu lange und ließ auch die Nervosität in ihr hochsteigen.

Im Hintergrund hörte sie den Jungen reden und auch eine Frauenstimme antworten.

Dann nahm jemand den Hörer. »Ja, bitte?«

»Mrs. Conolly?«

»Stimmt.«

»Ich bin Silva Mancini.«

Die Frau reagierte nicht, und Silva spürte bereits die Enttäuschung, als doch eine Antwort durchklang. »Bitte, helfen Sie mir auf die Sprünge, Mrs. Mancini …«

»Ich bin Silva, das Model, und ich habe …«

»Natürlich, die Silva.« Ein helles Lachen klang durch den Hörer. »Oh, da muß ich mich aber entschuldigen, daß ich Sie nicht erkannt habe. Aber wer rechnet schon mit einer so prominenten Anruferin.«

»Nein, sagen Sie das nicht. Wissen Sie, Mrs. Conolly, ich habe Sie zwar nur zweimal gesehen, doch Sie und die Unterhaltung mit Ihnen sind mir im Gedächtnis geblieben.«

»Das freut mich.«

»Wir unterhielten uns über Magie und so weiter …«

Sheila dachte nach. »Ja«, sagte sie dann, »ich erinnere mich. Es war ein außergewöhnliches Gespräch, wenn man es im Vergleich zum Anlaß unseres Treffens setzt.«

»Das können Sie wohl sagen, und es hat mich auch nicht in Ruhe gelassen. Ich habe oft darüber nachgedacht, an Ihre Warnungen, zum Beispiel, aber ich habe trotzdem nicht von den anderen Dingen lassen können. Bisher ist das alles Theorie gewesen, doch vorhin ist mir etwas passiert, das ich nicht fassen kann.«

»Bitte, erzählen Sie.«

»Haben Sie denn Zeit?«

»Dafür immer.«

»Ich sah den Teufel in meinen Augen, Mrs. Conolly!«

Mit diesem Satz begann Silva ihren Bericht, konnte hören, daß Sheila geschockt war, worauf sie keine Rücksicht nahm, denn es mußte einfach aus ihr heraus.

Und so redete sie sehr schnell und erzählte manches auch zweimal, was der Realität der Ereignisse aber keinen Abbruch tat. »Haben Sie alles genau verstanden, Mrs. Conolly?«

»Das habe ich in der Tat. Dann möchte ich Sie fragen, was Sie sich gedacht haben.«

»Ich möchte, daß Sie mir helfen. Ich habe eine schreckliche Angst bekommen, weil ich das Faß überlaufen ließ. Nun werde ich die Geister nicht mehr los.«

»Wie soll ich Ihnen helfen?«

»Können Sie mich nicht besuchen?«

»Hm, das kommt ein wenig plötzlich.«

»Bitte, Mrs. Conolly.«

Sheila wurde weich. »Eine Frage, Silva. Wo wohnen Sie denn?«

»Ich rufe aus London an. Ich halte mich hier in meiner Wohnung auf. Warten Sie, ich gebe Ihnen die Anschrift durch.«

»Ja, ich schreibe mit.« Sheila war zufrieden, denn die Wohnung lag nicht zu weit von ihrem eigenen Haus entfernt. »Das ist eigentlich schnell zu schaffen«, sagte sie. »Ich werde so rasch wie möglich bei Ihnen sein und hoffe auch, Ihnen helfen zu können. Zumindest Ratschläge habe ich parat.«

Dem Model fiel ein Stein vom Herzen. »Da tun Sie mir wirklich einen großen Gefallen, Mrs. Conolly.«

»Okay, bis gleich dann. Und sagen Sie nicht immer Mrs. Conolly, das hört sich so alt an. Sheila klingt besser.«

»Okay, Sheila, bis dann.«

Viel beruhigter legte sie den Hörer auf die Gabel. Sie atmete tief aus und sackte dabei in sich zusammen. Das wäre geschafft, obwohl sie sich vor dem Anruf ein wenig gefürchtet hatte. Aber sie hatten die Frau richtig eingeschätzt. Sheila gehörte nicht zu den Schwätzerinnen und Schaumachern, mit denen sie als Model leider oft genug zu tun hatte. Sie war eine Person, auf die man sich hundertprozentig verlassen konnte.

Silva stand auf und ging in die Küche. Sehr modern eingerichtet, die Farben der Möbel in einem leichten Bleu gehalten, das wie ein Schatten über die Fläche hinweghuschte.

Der Kühlschrank besaß die Größe eines ausgewachsenen Menschen. Silva öffnete die Tür, schaute hinein, wobei ihr Blick besonders über die Getränke glitt.

Champagner war vorhanden, auch der französische Wein aus dem Dorf Chablis. Silva entschied sich für ein Glas Champagner. Sie bevorzugte eine bestimmte Marke. Es war nicht der teuerste, aber der, der ihr am besten schmeckte.

Mit einem leisen Knall flog der Korken schräg in die Höhe. Rasch ließ sie den Schaum in das bereitstehende Glas strömen und schaute zu, wie das schlanke Gefäß von außen beschlug. Dann trank sie. Den ersten Schluck, den zweiten, den dritten, danach war das Glas leer, aber das eiskalte Luxusgetränk hatte ihr gutgetan. Sie verkniff es sich, noch ein zweites Glas zu trinken, verschloß die angebrochene Flasche und stellte sie wieder zurück in den Kühlschrank.

Auf dem Weg zum Wohnraum wurde sie durch das Anschlagen der Klingel gestoppt. Sie besaß einen alten Klang, der ihr so gefallen hatte und sie an die kleinen Dorfkirchen erinnerte, wenn deren Glocken dann an einem herrlichen Frühlingssonntag bimmelten.

War das schon Sheila?

Sie schaute auf die Uhr. Eigentlich konnte sie noch nicht da sein. Andererseits hatte sie auch nicht hingeschaut, wie spät es bei dem Gespräch gewesen war.

Deshalb lief sie durch die viereckige Diele mit den rustikalen Fliesen und öffnete.

Der Schock jagte wie ein glühender Messerstich durch ihre Brust. Vor ihr standen zwei Männer.

Sie lächelten sie eisig unter den Krempen ihrer Hüte an. Sie trugen beide dunkle Mäntel, das bekam Silva allerdings nur mehr am Rande mit. Ihre Blicke fraßen sich an den Dingen fest, die die Besucher in ihren Händen hielten.

Der eine trug einen Revolver, der andere ein Rasiermesser …

***

Die Eiserne Lady war weg, Nadine Berger war wieder da!

So simpel klang es, wenn man es auf einen einfachen Nenner brachte. Das war es natürlich nicht, denn hinter Suko, Bill und mir lagen mehrere Höllen, bis es uns endlich gelungen war, Nadine Berger von ihrem Vampirdasein zu befreien und sie wieder in ein normales menschliches Leben zurückzuholen.

Mir kam es noch jetzt wie ein Wunder vor, daß wir so etwas überhaupt hatten schaffen können. Das heißt, wir hatten uns nur um die äußeren Rahmenbedingungen gekümmert, letztendlich gehandelt hatte ein anderer, und zwar der Seher, der wohl mehr über das Flüssige Leben Bescheid wußte, mir aber nichts weiter mitgeteilt hatte und so schnell verschwand, wie er gekommen war.

Eines stand fest. Nadine Berger brauchte kein Blut mehr, um existieren zu können, sondern wieder eine normale Nahrung, und wenn sie lächelte, schauten auch keine spitzen Vampirhauer aus ihrem Oberkiefer, sondern blitzte die normale Zahnreihe.

War es ein Wunder gewesen?

Im Prinzip, ja, denn keiner von uns hatte so recht daran geglaubt. Wohl auch nicht, weil sich Dracula II, der Super-Vampir, persönlich einmischte, dann aber dem Teufel Tribut zollen mußte, der ihn praktisch vor uns gerettet hatte1)

Für uns war damit eine neue Konstellation entstanden. Asmodis plus Mallmann, das konnte keinem gefallen, der sich mit den Dingen beschäftigte.

Glenda Perkins, unsere Sekretärin, war nach langen Wochen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Platz geschaffen hatte sie für Nadine Berger, aber nicht weil Nadine krank oder verletzt war, wir wollten sie einfach unter Beobachtung lassen, denn sie sollte in den nächsten beiden Wochen richtig durchgecheckt werden.

Sie hatte auch nicht protestiert und nur darum gebeten, daß wir sie hin und wieder besuchten.

Das verstand sich von selbst. Zudem hatte ich noch einen Hintergedanken dabei. Ich wollte einfach herausfinden, ob sich Nadine noch an gewisse Dinge erinnerte, die sie während ihres Vampirdaseins erlebt hatte. Wenn ja, konnte sie uns auf Spuren führen und uns möglicherweise helfen, in Gebiete einzudringen, die uns bisher verschlossen gewesen waren.

Da wollten wir sie allerdings nicht zu direkt fragen und ihr erst einmal Zeit geben.

Hinzu kam noch etwas. Okay, wir kannten Mallmann, und weil wir ihn kannten, hatten wir die Befürchtung, daß er sich nicht so ohne weiteres mit unserem Sieg abfinden und versuchen würde, Nadine noch einmal in seine Gewalt zu bekommen.

Aber wo war sie sicher?

Bei mir nicht, bei den Conollys nicht, auch nicht in der Klinik, die ich nicht zu den normalen Krankenhäusern zählte, denn sie wurde privat geführt, und die Conollys übernahmen die Kosten für Nadines Aufenthalt.

Einen Schutz besaß sie schon. Wir hatten ihr ein geweihtes Silberkreuz zukommen lassen und auch eine Pistole, die mit ebenfalls geweihten Silberkugeln geladen war. Damit konnte sie Mallmann zwar nicht vernichten, zumindest aber abschrecken und auch seine Helfer, sollte er sie vorschicken wollen.

Sie war in einem großen Zimmer untergebracht, das mehr einem Wohnraum glich. Durch die breiten Fenster fiel der Blick ins Grüne, in dieser Jahreszeit jedoch wenig farbig, sondern mehr traurig braun.

Die Sitzgruppe bot auch Platz für vier Personen, und wir saßen uns gegenüber, um die Ereignisse noch einmal durchzusprechen.

Nadine hatte sich einigermaßen erholt und trug vor allen Dingen wieder neue Kleidung.

Einen beigefarbenen Kaschmirpullover zur senffarbenen Hose, die wieder einen engeren Schnitt aufwies. Das Haar hatte sie zurückgesteckt. In ihrer rötlichen Flut steckten zwei Spangen mit Goldplättchen an den Rändern. Der Modeschmuck verteilte sich auch auf drei Finger. Die Ringe waren neu und hatten ihr sehr gefallen.

Sie grinste vor sich hin, bevor sie loslachte. »Ihr sitzt hier wie Ölgötzen und tut so, als wäre ich furchtbar krank. Mir geht es gut, wirklich.« Sie nickte noch.

»Tatsächlich?« fragte ich. »Oder mehr den Umständen entsprechend?«

»Gut, du hast recht, John.«

»Wie tief sitzt noch deine Angst?«

»Wovor?«

»Mallmann.«

Nadine überlegte und knotete ihre Finger ineinander. »Du hast recht, John, er ist das Problem. Doch wo immer auf der Welt ich mich verstecken würde, Mallmann käme immer an das Versteck heran. Er würde mich zu finden wissen.«

»Leider.«

Sie winkte ab. »Mach dir keine Sorgen. Du hast mir von dem Palmblatt berichtet, das sich mit meinem Schicksal beschäftigt und das ich irgendwann einmal sehen möchte. Das Palmblatt ist doch ausgefüllt, mein Leben geht also weiter. Deshalb bin ich optimistisch, auch wenn ich diesen Optimismus eben nur darauf aufbaue.«

Bill stand ihr indirekt bei. »Hat Mallmann nicht genug mit sich und seiner neuen Situation zu tun, Freunde? Ich denke da an den Teufel, unseren Freund.«

»Das kann sein«, sagte Suko.

»Es sind zwei Persönlichkeiten.« Bill grinste bei der Beschreibung. Sie paßte ihm wohl nicht. »Zwei, die eigene Pläne verfolgen, und Mallmann gehört nicht zu den Wesen, die sich unbedingt dankbar erweisen, finde ich. Kann mich natürlich auch täuschen, aber ich plädiere eher für die erste Alternative.«

»Ich ebenfalls«, stand Suko ihm bei.

»Und du, John?«

»Tja, das ist so eine Sache. Ich weiß es einfach nicht. Es wäre ja schön, wenn sich da zwei Schwarzblütler mal wieder in die Haare bekämen, aber irgendwo haben doch alle eine gemeinsame Basis, wie wir ja in dem Gasthaus erlebt haben.«

Bill schüttelte den Kopf. »Ich sehe das nicht so eng. Mallmann könnte auf Nadine verzichten. Er hat genügend andere Diener und Mitläufer in seinen Verstecken.«

»Wobei wir beim Thema wären«, sagte ich.

Nadine warf ihren Kopf zurück und lachte gegen die Decke. »Das habe ich mir gedacht, John.«

»Wieso?«

Sie schaute mich an und legte mir eine Hand auf die Schultern. »Ihr wollt von mir wissen, wo sich Mallmann herumgetrieben hat, als ich noch zu ihm gehörte.«

»Fein ausgedrückt«, lächelte Bill.

»Aber ich muß dich enttäuschen«, sagte Nadine. »Ich muß euch alle enttäuschen. Ich weiß nichts.« Sie hob die Schultern. »Sorry, da ist nichts mehr.«

Wir schauten sie an und schwiegen. In unseren Augen las sie die Skepsis. »Ihr glaubt mir nicht.«

»Es fällt uns schwer«, meinte Suko.

Nadine trank einen Schluck Mineralwasser. »Es stimmt leider alles, Freunde. Ihr habt mich zurückgeholt, aber gleichzeitig ist mein Gedächtnis für bestimmte Dinge ausgelöscht worden. Ich habe kein Erinnerungsvermögen an die Phase meiner Vergangenheit.«

»Verhielt es sich denn anders, als du noch eine Wölfin gewesen bist?«

»Ja und nein, Suko. Wenn ich mich daran erinnern will, so fällt es mir ebenfalls schwer.« Sie schlug gegen ihre Stirn. »Es ist praktisch für mich unfaßbar, daß ich mal beides gewesen sein soll und heute mit euch hier sitze.«

»Was meinst du, John?«

»Ich glaube ihr.«

Suko winkte ab. »Klar, ich bestreite Nadines Aussagen auch nicht. Es ist nur seltsam.«

»Da hast du recht.«

»Tut mir ja auch leid, daß ich euch nicht helfen kann, aber ich muß mich damit abfinden.« Bei den nächsten Worten schaute sie gegen ihr Glas, und sie sprach auch leiser. »Ehrlich gesagt, ich bin froh darüber, denn so fällt die gewaltige Belastung einfach fort. Stellt euch vor, die Erinnerungen kämen immer wieder zurück. Das … das wäre ja für mich als Mensch kaum auszuhalten. Der Druck würde viel zu stark. Irgendwann wäre ich daran zerbrochen.«

Niemand widersprach, obwohl ich noch über eine Möglichkeit nachdachte, was man mir ansah, denn Bill pflaumte mich an.

»He, du komischer Geisterjäger, da rumort doch etwas in deinem Schädel.«

»Stimmt.«

»Spuck es aus.«

Ich schaute durch die Scheibe. »Gedächtnis und Erinnerung bilden ja etwas Gemeinsames. Das eine profitiert von dem anderen. Es gibt genügend Wissenschaftler, die sich damit beschäftigt haben und auch gewisse Lösungen anbieten.«

»Auf was willst du hinaus?«

»Hypnose, Bill. Tiefenhypnose. Vielleicht wäre das eine Chance, mehr über Mallmann zu erfahren.«

Der Reporter schwieg, auch Suko gab keinen Kommentar ab. Sie schauten Nadine an.

»Meinst du das im Ernst, John?«

»Beruhige dich, Nadine. Nicht sofort. In vager Zukunft könnte ich mir das vorstellen.«

Ihre Nasenflügel weiteten sich, als sie Luft holte. »Also daran kann ich mich nicht gewöhnen. Nein, ich möchte das auch nicht. Ich muß mit mir selbst ins reine kommen, wenn ihr versteht. Ich will eine andere Zukunft haben, eine normale.«

»Hast du Vorstellungen?« fragte Bill.

»Ja, sehr genaue sogar. Ich möchte eure Freundschaft behalten, aber mich auf eigene Beine stellen. Ich werde versuchen, wieder Geld zu verdienen. Ich will zum Film, versteht ihr? Ich will versuchen, noch einmal anzufangen.«

»Müssen wir akzeptieren«, sagte Bill, »Oder?«

Suko und ich stimmten ihm zu.

»Natürlich wäre ich nicht aus der Welt. Wir können uns öfter besuchen. Ich werde auch zu euch kommen, Bill, daran besteht kein Zweifel. Schon allein wegen Johnny. Aber ich halte es doch für besser, wenn ich mich aus eurem persönlichen Dunstkreis entferne, was ich nicht negativ meine. Aber auch eine Frau in meiner Lage sollte eine Chance bekommen, ihr Leben selbst gestalten zu können.«

»Nichts dagegen!«

»Danke, John.«

»Du brauchst dich nicht zu bedanken. Das ist ein normaler Vorgang, der dich beschäftigt. So denken zahlreiche Frauen, was ich auch gut finde.«

Nadine lachte plötzlich. »Aber zunächst sitze ich hier die beiden Wochen in der Klinik ab und lasse mich durchchecken. Ich werde versuchen, alte Kontakte zu knüpfen, und ich weiß schon jetzt, daß ich meinem eigentlichen Schicksal nicht entrinnen kann. Die andere Seite wird mich immer wieder einholen, wobei ich auch nichts dagegen habe und es wahrscheinlich noch forcieren werde, denn ich habe mir vorgenommen, nach Bangalore zu fahren und die Palmblattbibliothek zu besuchen, wo ja praktisch alles begonnen hat.«2)

»Wann?« wollte ich wissen.

»Nicht sofort, John. Vielleicht treibt mich der Wind im nächsten Jahr nach Indien.«

»Interessant ist sie auf jeden Fall«, sagte ich.

»Auch gefährlich?«

»Nicht mehr«, sagte Bill grinsend.

»Seht ihr, ich habe mir auch Gedanken über meine eigene Zukunft gemacht.«

Bill lächelte ihr zu. »Daß du so etwas nicht uns überlassen würdest, war mir klar.«

»Es wäre auch traurig gewesen.« Nadine hob die Schultern. Dann schaute sie uns an. »Ich möchte euch noch einmal sagen, wie dankbar ich bin, daß ihr mich …«

»Hör auf!« riefen wir gemeinsam dazwischen und sprangen auch in die Höhe. »Kein Wort mehr.«

»Aber …«

Ich schaute auf die Uhr. »Müssen wir nicht gehen?«

»Aber immer«, sagte Bill.

»Ich bin auch dafür«, stimmte Suko uns zu. »Außerdem bekommt Nadine bald ihr Dinner.«

Sie lachte. »Dinner ist gut.«

»Na ja, wenigstens so etwas Ähnliches.«

Wir verabschiedeten uns von ihr. Da konnte Nadine die Tränen nicht unterdrücken. Verständlich, und auch uns saßen so mittelschwere Klöße in den Hälsen.

Wir verabredeten keinen Termin für den nächsten Besuch. Daß wir Weihnachten gemeinsam feiern würden, stand fest. Da war Nadine auch wieder aus der Klinik entlassen.

Wir waren mit Sukos Wagen gekommen. Er parkte so, daß er von Nadines Fenster aus gesehen werden konnte. Das wußte sie auch; sie stand hinter der Scheibe und winkte.

»So«, sagte Suko und meinte Bill damit. »Wir bringen dich jetzt bei dir zu Hause vorbei und …«

»Werdet noch auf einen oder zwei Drinks mitreinkommen.«

»Ich muß fahren!« rief Suko.

»Für dich habe ich in einem Kellerraum die Kästen mit Rülpswasser gestapelt.«

»Das ist was anderes. Ich will ja nicht unbescheiden sein. Wie sieht es denn mit dem Essen aus?«

Bill grinste.«Ich werde Sheila sagen, daß sie zwei bis sechs Pizzen in den Ofen schieben soll.«

»Das ist ein Wort.«

»Daß du immer so reinhauen mußt«, flüsterte ich Suko beim Einsteigen zu. »Für dich kann man auch ein Schwein halten.«

»Hör auf, Alter. Was der Mensch braucht, das braucht er eben. Ich bin nun mal jemand, der viel Energie verliert, die er irgendwann wieder aufholen muß.«

»Auf denn«, sagte ich und klopfte gegen den Wagenhimmel.

Suko startete und lauschte verzückt dem Sound, den der Motor des BMW abgab.

Bill saß schräg hinter uns. Er hatte die Beine langgestreckt. »Wie denkst du über Nadines Pläne, John?«

»Positiv. Ich freue mich für sie, daß sie nicht aufgibt und in lauter Selbstzweifel verfällt. Es ist bestimmt auch besser, daß ihre Erinnerungen gelöscht wurden. Denk mal nach, Bill. Was sie erlebt hat, ist mehr, als ein Mensch aushalten kann.«

»Ja, da hast du recht.«

Suko scheuchte seinen Flitzer, hielt sich aber an die Tempolimits. Er sprach nur über den Winter, der schon hereingebrochen war und ärgerte sich im voraus, wenn die Straßen vereist oder zugeschneit waren.

»Falls es soweit kommt, wird das dein Wagen auch überstehen«, beruhigte ich ihn.

»Das verstehst du nicht, John. Dieser Flitzer ist wie ein großer Hund, den du auch nicht immer im Haus lassen kannst. Du mußt ihm einfach Auslauf geben. Und so ist das auch mit dem Wagen.«

»Dann mach drei Monate Urlaub im Süden.«

»Würde ich sogar machen.«

»Ich kann dich so lange vertreten!« rief Bill.

»Sehr einverstanden. Aber was würde deine bessere Hälfte dazu sagen? Wir können sie gleich mal fragen.«

»Lieber nicht. Ihr hat es nicht gefallen, daß ich allein nach Berlin flog. Sie mußte mir allerdings Abbitte leisten, denn der Flug hat sich für mich gelohnt.«

Das stimmte. Und nicht für Bill, mehr für Nadine Berger. Wäre er nicht gewesen, hätte ich sie erschossen, weil sie eben zu den Blutsaugern gezählt hatte.

»Ich weiß, woran du jetzt denkst«, sagte der Reporter.

»Kannst du es mir verübeln?«

»Bestimmt nicht.«

Wir schwiegen, da jeder von uns seinen Gedanken nachhing, die sich natürlich um die nahe Vergangenheit drehten. Die Abenteuer in Wittenberg und Berlin würden wir so einfach nicht abschütteln können, das stand fest. Diese Dinge blieben einfach in den Klamotten hängen, da war nichts zu machen.

Der Nachmittag war vorbei, ein früher Abend zog lautlos herauf. Es war sowieso den langen Tag über nicht richtig hell geworden, jetzt bekam die Finsternis noch mehr Tiefe, und sie wirkte auf uns wie eine graue Wolke, die sich immer weiter ausbreitete und bald alles umfassen würde.

Bis zu den Conollys hatten wir es nicht weit. Wir rollten durch den Londoner Süden, und hier hielt sich auch der Verkehr in Grenzen. Schon bald erreichten wir das sehr ruhig gelegene Viertel, in dem die Conollys wohnten.

Nicht in einem Prachtbau, obwohl sie Geld genug besaßen. Bill hatte sich den Bungalow auf einem künstlich angeschütteten Hügel errichten lassen und ihn auch nicht so prunkvoll bauen lassen. Wichtig war für ihn die Lage gewesen und ein großer Garten nebst Pool.

Das Tor zum Grundstück stand offen, was Bill wunderte und ihn zu der Bemerkung veranlaßte, daß Sheila nicht da war.

»Wollte sie denn noch weg?« fragte ich.

»Keine Ahnung.«

Suko fuhr den Porsche über den gewundenen Weg und stellte ihn vor der Garage mit dem offenen Tor ab. Der Porsche stand nicht mehr darin. Ich mußte lachen, weil ich an Sukos Hunger dachte, und meinte beim Aussteigen: »Jetzt kannst du dir deine Pizzen malen.«

»Wieso denn? Wozu habe ich dich?«

Bill verdrehte die Augen. »Willst du dich freiwillig vergiften?«

»So schlimm kocht er auch nicht.«

»Ach«, dehnte ich, »auf einmal?«

Der Inspektor hob die Schultern. »Der Hunger treibt es eben hinein, Freunde.«

Bill war schon an der Haustür. Er brauchte sie nicht aufzuschließen, denn Johnny hatte unsere Ankunft bemerkt und kam uns entgegen. »Mum ist nicht da«, meldete er.

»Wo steckt sie denn?«

Der Junge hob die Schultern. »Weiß ich auch nicht. Da hat jemand angerufen.«

»Wer?«

»Kenne ich nicht.«

Bill war mißtrauisch geworden. »Meine Güte, laß dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Wie ich deine Mutter kenne, hat sie bestimmt einen Namen gesagt.«

»Ja, das schon. Silva hieß die Frau. Silva Mancini, glaube ich. Aber sie war noch nie hier.«

Bill drehte sich zu uns um. Seinem Gesichtsausdruck entnahmen wir, daß ihm der Name etwas sagte. »Komisch, was hat sie denn mit der Frau zu tun?«

»Wer ist sie denn?«

»Du kennst sie nicht, John?« Bill sagte das, als wäre es eine Bildungslücke.

Ich schüttelte den Kopf. Auch Suko tat es mir nach.

»Dann will ich euch mal aufklären. Silva Mancini besitzt zwar einen Nachnamen, aber den kannst du vergessen. In Italien ist eine Sängerin nur unter dem Namen Milva bekannt. Und bei ihr sagt man einfach nur Silva. Fällt jetzt der Penny?«

»Bei mir nicht«, sagte Suko.

Auch ich mußte bedauern.

Bill rang die Hände. »Silva«, erklärte er im Tonfall eines Aufreißers. »Die Attraktion, das Supergirl der Neunziger. Eines der höchstbezahlten Models der Welt …«

Wir jaulten fast zugleich auf und winkten gemeinsam ab. »Wer soll das schon ahnen oder wissen?«

»Tja, Mr. Geisterjäger. Dir fehlt eben die Allgemeinbildung der Gegenwart.«

»Wenn du das sagst, muß es ja stimmen, Bill.«

Und Suko fragte Johnny, ob er in der Lage war, eine anständige Pizza zu machen.

Daß der Junge nur den Kopf schüttelte, konnte wieder Suko nicht verstehen …

***

Der Mann mit dem Revolver hatte seinen Fuß so weit vorgestellt, daß es Silva nicht mehr möglich war, die Tür einfach zuzuschlagen. Sie wäre immer gegen die Fußsohle geschlagen.

Doch auf ihn achtete sie nicht. Der zweite Kerl mit dem Rasiermesser war wichtiger.

Durch ihren Kopf schossen die schrecklichsten Gedanken. Silva erinnerte sich an bestimmte Berichte, die sie gelesen hatte. Besonders diejenigen, die sich mit den Methoden der Mafia beschäftigten. Da hatten sie Opfer gezeigt, die von einem Rasiermesser gezeichnet worden waren. In der Regel hatte es sich um junge Frauen gehandelt.

Der Auftrag der beiden Männer stand also fest, und der mit dem Revolver fragte: »Dürfen wir reinkommen?«

»Was ist, wenn ich nein sage?« flüsterte Silva mit Zitterstimme.

»Bist du sofort tot.«

»Aber ich …«

Der Mann mit dem Revolver rammte seine Waffe vor, stieß sie ihr in den Bauch, trieb Übelkeit und Schmerzen in ihr hoch und ließ sie zurück in die Wohnung taumeln.

Die beiden Killer folgten ihr so lautlos wie Schatten. Der Mann mit dem Rasiermesser schloß die Tür von innen.

Sein Kumpan schaute sich um. »Nett hast du es hier, wirklich nett, Süße. Muß alles eine Stange Geld gekostet haben. Alle Achtung. Aber du hast es ja.«

»Was wollen Sie von mir?«

»Wir haben dich doch angerufen.«

»Ja, stimmt.«

»Na bitte.« Der Sprecher breitete die Arme aus. »Jetzt wollen wir kassieren.«

»Ich habe nichts.«

»Luigi!«

Mehr brauchte der Revolverträger nicht zu sagen. Sein Kumpan setzte sich in Bewegung. Er kam mit geschmeidigen Schritten auf das Model zu und hielt dabei seine Waffe etwas angewinkelt, damit die Klinge in den Lichtschein der Deckenleuchte geriet und aufblitzte.

Silva konnte nichts tun. Sie war einfach geschockt. Auch dieses glatte Gesicht widerte sie an.

Luigi schlug zu. Die Klinge funkelte wie ein herabfallender Stern, und Silva schrie auf, denn sie erwartete den stechenden Schmerz, der ihr die Haut aufschlitzte.

Sie hatte umsonst geschrien. Zwar hatte die Klinge getroffen, doch ihre Haut nicht einmal geritzt. Dafür zeigte sich der lange Riß in ihrer Bluse, genau im Tal zwischen den Brüsten. Mit dieser Attacke hatte Luigi seine Klasse mit dem Messer bewiesen.

Bevor sich Silva von der Überraschung erholen konnte, schob Luigi sie gegen die Wand und hielt sie dort fest. »Ich kann auch anders, Süße!« flüsterte er.

Silva glaubte es ihm. In den Augen des Killers stand blankes Eis. Nicht den Funken eines Gefühls zeigten sie. Das Böse in ihm war einfach übermächtig.

Der zweite Killer schlenderte heran. Der schaute lächelnd auf seinen Revolver. »Du solltest schon netter zu uns sein«, bemerkte er.

Silva verdrehte die Augen. »Was wollen Sie denn von mir? Was habe ich Ihnen getan?«

»Du weißt es genau. Wir haben dich einige Male angerufen, doch die Signorina war zu fein, um zu reagieren.«

»Wieso? Seid ihr von der Mafia?«

Der Revolvermann lachte. »Das Wort kennen wir gar nicht. Was ist die Mafia? Sagen wir so, Süße, wir sind deine Beschützer, mehr nicht. Nur deine Beschützer.«

»Und Schutz kostet Geld«, sagte Luigi.

»Ja, du hast Karriere gemacht.«

Sie wechselten sich jetzt beim Sprechen ab. Es kam ihr vor wie Kreuzverhör. »Sehr große Karriere sogar.«

›Die Gazetten reißen sich um dich. Sie zahlen hohe Summen.«

»Von denen du deinen Beschützern ruhig etwas abgeben könntest, Süße. Umsonst tun wir das nicht.«

»Ich habe kein Geld hier!« flüsterte Silva.

Luigi drehte den Kopf. »Was sagst du dazu, Sergio?«

Der Angesprochene schaute seinen Revolver an, als wäre er ein besonders wertvolles Stück. »Das kann ich nicht glauben, mein Freund. Sie will uns auf den Arm nehmen.«

»Ja, stimmt.«

»Nein, ich …«

Luigi packte zu. Er zerrte die Frau von der Wand und stieß sie anschließend quer durch die Diele. Dabei riß sie zwei Bilder von der Wand, sah dann die Wohnungstür vor sich und traute sich nicht, sie aufzureißen und zu verschwinden. Außerdem wäre eine Kugel immer schneller gewesen als sie.

Sergio war sofort bei ihr. »Über dieses Thema unterhalten wir uns am besten in deinem Wohnzimmer. Wir haben Zeit, Schätzchen, sehr viel Zeit. Und wir werden diese Wohnung nicht mit leeren Händen verlassen. Hast du dir Luigi gut angeschaut? Hast du ihn sehr genau gesehen. Er hat ein Messer, ein Rasiermesser, und er ist ein Meister im Umgang mit der Waffe. Das hat er schon oft bewiesen. Es gab welche, die wollten ihm widerstehen. Als er sie verließ, sahen ihre Gesichter aus wie Landkarten. Er hat dort Flüsse hineingeschnitzt, und sie waren mit einem roten Wasser gefüllt. Soll ich dir noch mehr sagen?«

»Nein!« stöhnte sie, »nein.«

»Dann werden wir jetzt gehen.«

Silva Mancini gehorchte. Sie schritt mit gesenktem Kopf. Hinter ihr befanden sich die beiden Mafiosi. Sie sah beide nicht. Sie spürte sie nur wie eine kalte Drohung.

Wenig später schauten sich die Gangster in ihrem Wohnraum um. Sie waren beeindruckt. Silva hatte sich in einen Sessel setzen müssen. Er war wuchtig, besaß eine hohe Lehne mit an den Seiten ausgestellten Ohrenklappen. Sein Stoff zeigte ein Blumenmuster. Sie wirkte etwas verloren in diesem Sitzmöbel, und so kam sie sich auch vor. Ihre eigenen vier Wände waren ihr fremd. Sie sah sich selbst als eine Fremde, und die Angst verstärkte sich, obwohl die beiden Eindringlinge nichts taten und nur umherschritten.

Sie faßten mal hier etwas an, hoben an anderen Stellen Gegenstände hoch, stellten sie wieder weg, nickten, als sie die Hi-Fi-Anlage sahen, und ließen ihre Hände durch die überall drapierten Stoffe gleiten, die sich als Vorhänge oder Decken den Augen des Betrachters boten.

»Das ist ja eine kleine Schatztruhe«, sagte Sergio, bevor er anerkennend nickte. »Ich muß dir ein Kompliment machen. Hätte ich dir nicht zugetraut, Süße.«

Silva sagte nichts.

Luigi saß auf ihrem Bett und beobachtete sie. Dabei lächelte er kalt. Einmal überkam es ihn. Er nahm sein Messer und schlitzte gelassen den Bezug auf.

Silva wollte protestieren, unterließ es jedoch. So etwas hatte keinen Sinn.

Sergio hatte seinen Rundgang beendet und sich einen Platz auf der Tischkante ausgesucht. Dort saß er locker mit einem angezogenen Bein und ließ den Fuß wippen. »Kommen wir zur Sache, Schätzchen.«

Seine Worte trafen sie wie Stiche, die ihr gleichzeitig unter die Haut gingen. Bisher waren sie nicht zur Sache gekommen, das würde sich nun ändern. »Wenn ich mich so umsehe, stelle ich fest, daß du viel besser wohnst als wir. Du hast Karriere gemacht, Süße. Wir sehen dich oft von den Titelbildern lächeln, wir lesen auch immer deinen Namen und denken dann, daß du doch eine Landsmännin von uns bist. Und wir Landsleute sollten zusammenhalten. Außerdem wollen wir dich beschützen, deshalb haben wir uns überlegt, daß du uns zunächst einmal eine kleine Anzahlung für unsere Mühen gibst. Sagen wir einhunderttausend Pfund!«

Diese lässig ausgesprochene Zahl schockte das Mädchen. Silva hatte das Gefühl, von einem Schlag erwischt zu werden. Die Summe war hoch, die konnte sie niemals so schnell auftreiben. Soviel Bargeld hatte sie auch nicht. Ihr bisheriges Vermögen war von ihren Eltern angelegt worden, da kam sie nicht ran.

»Nun?«

»Ich kann nicht.«

Es war eine ehrliche Antwort, aber die beiden Kerle glaubten ihr kein Wort.

Luigi lachte zuerst, und er wandte sich an seinen Kumpan. »Hast du das gehört, Sergio?«

»Sicher.«

»Ich weiß nicht.« Er lächelte, und Silva bekam noch einmal Hoffnung.

»Ihr müßt mir glauben. Ich habe soviel Geld nicht. Es ist unmöglich, wirklich.«

»Sollten denn die Berichte in den Zeitungen alle nicht wahr gewesen sein«, höhnte Luigi.

»Ich weiß nicht, was sie alles schreiben, aber es entspricht nicht der Wahrheit.« Silva hatte die Antwort geschrien. Sie kam sich in ihrem Sessel vor wie auf dem elektrischen Stuhl. Jetzt brauchte nur noch jemand den Strom einzuschalten, und vorbei war es.

»Die will nichts geben, Sergio.«

»Das Gefühl habe ich auch.«

»Und was machen wir da?«

Sergio lächelte kalt. »Es gibt da gewisse Methoden, die wir anwenden könnten, damit sie sich erinnert. Wir kennen das ja und haben es schon öfter durchgecheckt.« Er wandte sich direkt an sie. »Ich glaube, Süße, du wirst dich erinnern, wenn ich Luigi bitte, daß er dich auf seine Art und Weise befragt.«

»Nein!« schrie sie. »Ich habe das Geld nicht!«

»Du hättest es längst besorgen können.«

»Wieso denn? Ich …«

»Wir haben dich in den letzten Tagen mehrmals angerufen. Erinnerst du dich nicht?«

»Tut mir leid, es ist …«

»Doch, wir riefen dich an. Und ich bin fest davon überzeugt, daß du dich auch erinnerst. Nur habe ich das Gefühl, daß du uns nichts sagen willst. So etwas finde ich schade. Nicht so sehr für uns, als vielmehr für dich. Schade, ich wiederhole mich. Du hättest dich darauf einrichten sollen.«

Sie starrte den Sprecher an. Plötzlich wußte sie, daß sie keine Chance hatte. Diese Person würde ihr keinen Ausweg mehr lassen, das stand fest. Sie waren gekommen, um zu quälen, sie wollten das Geld, aber sie würden auch gleichzeitig den Tod bringen.

100 000 Pfund!

Die Summe schwirrte durch ihren Kopf. Sie überlegte, wie sie das Geld auftreiben konnte. An diesem Tage nicht mehr. Sie würde dann morgen zu ihrer Bank gehen und einen Kredit aufnehmen. »Ich … ich schaffe es«, flüsterte sie.

»Was schaffst du?«

»Das Geld herbei.«

»Bitte, dann …«

»Nein, nicht heute. Morgen werde ich es holen. Ich besorge euch morgen die Summe …«

Sergio mußte lachen. Es hörte sich an, als wäre jemand dabei, mit einem Kratzer über rostiges Metall zu schaben. »Das darf doch nicht wahr sein, Süße. Du willst das Geld wirklich morgen besorgen?«

»Ja, ich schwöre!«

»Zu spät!« Knallhart erfolgte die Antwort. »Wir haben dich oft genug gewarnt, doch du hast nicht gehört. Dein Fehler, Süße.«

Die Worte hatten sie hart getroffen, und sie dachte darüber nach, wie es weiterging. Die Angst steckte tief in ihr. Sie hatten den kalten Schweiß aus ihren Poren treten lassen. Es war wie ein Schlag mit dem Hammer gewesen.

»Soll ich?« fragte Luigi.

Die Worte erinnerten das Model an ein Todesurteil. Und Sergio kam ihr vor wie ein Richter, der nur noch seine Zustimmung zu geben brauchte.

Er nickte.

Darauf hatte Luigi gewartet. Ein eisiges Lächeln umspielte seine Lippen, als er von seinem Sitzplatz rutschte, schräg gegen die Klinge des Rasiermesser schaute und zufrieden nickte. Zufrieden war er auch mit dem Platz der jungen Frau, denn er sagte: »Bleib nur so sitzen, Süße. Rühr dich nicht vom Fleck. Dieser Sessel ist ideal. Ich liebe ihn direkt.« Er lachte und fuchtelte mit dem Messer herum.

Silva konnte nicht sprechen. Die Angst hielt ihre Kehle zugeschnürt. In ihrem Körper summten die Hummeln. Sie hätte sich am liebsten übergeben, und es kam ihr vor, als würde sie das alles gar nicht erleben, sondern nur einen Film sehen.

Sie irrte.

Als Luigi zupackte, wurde ihr schmerzhaft bewußt, wie grausam die Realität war, denn der Mann hatte seine freie Hand in ihr Haar gewühlt und zerrte an den Strähnen.

Er drehte den Kopf zur Seite. Tränen traten in die Augen des Models. Der Kopf schien in Flammen zu stehen und gleichzeitig mit Säure übergossen worden zu sein.

Und sie sah das Messer!

Es schwebte vor ihr, direkt dahinter sah sie Luigis Gesicht. Beide Männer hatten ihre Hüte aufbehalten. Die waren schwarz wie ihre Seelen.

Unter dem Rand wirkte das Gesicht des Killers flach, beinahe nichtssagend. Nur in den Augen stand die Vorfreude über das, was er bald tun würde. Luigi gierte nach der Folter.

Er hielt ihr Haar noch immer fest, als er fragte: »Wo soll ich bei dir anfangen, Süße?«

Silva schwieg, weil es ihr einfach unmöglich war, zu reden. Die Todesangst unterdrückte alle Gefühle.

»Laß ihn ruhig, Silva!«

Sie erschrak, und dieses Zusammenzucken war auch Luigi nicht entgangen. Allerdings deutete er es falsch. Er brachte es mehr in einen Zusammenhang mit seinem Griff.

»Hast du gehört? Laß ihn ruhig!«

»Ja.«

Silva hatte gesprochen und Luigi irritiert. »He, bist du irre? Ich habe dich nichts gefragt.«

»Ach so?«

»Ja, verdammt.«

»Ich dachte aber. Da war eine Stimme. Sie … sie hat mit mir gesprochen. Ehrlich …«

Luigi wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Deshalb drehte er sich zu seinem Kumpan um. Er ließ das Haar los. »Hast du gehört, was sie gesagt hat?«

»Klar.«

»Und was soll ich tun?«

»Weitermachen!«

Das war eindeutig, und auch Silva hatte die Worte vernommen. Nur verspürte sie keine Furcht mehr. Eine ungewöhnliche Ruhe hatte sie überkommen. Plötzlich war sie sicher, daß sich alles zum Guten wenden würde.

Luigi nickte. »Bisher war es Spaß, Süße. Auch wenn du uns sagen würdest, daß wir dein Geld jetzt bar bekommen, würde ich dich trotzdem strafen. Das muß ich einfach tun, begreifst du das? Man geht mit uns nicht so um. Nein, das tut man auf keinen Fall.«

Er kicherte, und die junge Frau ging davon aus, einen Psychaten vor sich zu haben.

Vor ihren Augen tanzte das Messer. Der Mann hielt es zwar am Griff, doch er schloß seine Faust nicht darum. Er hielt ihn leicht zwischen den Fingern und hatte den kleinen dabei abgespreizt, ähnlich wie ein Friseur, der einen Kunden rasieren will und dabei seine Schau abzieht.

Doch Luigi wollte Silva schreien hören. Er wollte zerstören. Es war wie ein innerer Zwang, der ihn dazu trieb, denn zu den gesunden Menschen zählte er nicht.

Mit einer lässigen Geste schob er seinen Hut zurück. Dann leckte er über seine Lippen, bevor er grinste.

Plötzlich zuckte seine Hand vor.

Wie eine Puppe hatte Silva im Sessel gehockt und sich nicht gerührt. Den Kopf etwas zurückgedrückt, damit sie direkt in das Gesicht des Killers schauen konnte.

Das meinte sie wörtlich!

Die Klinge huschte auf sie zu. Sie war wie ein breiter Blitz, der töten konnte, und sie sollte die linke Wange der jungen Frau quer aufschneiden, aber sie traf nicht.

Luigi selbst stoppte sie!

Was aus seinem Mund drang, war nur mehr ein Röcheln, ein Geräusch, das beinahe unmenschlich klang und auch von seinem Partner Sergio gehört wurde.

»He, was …?«

Luigi wankte zurück. Er schüttelte den Kopf, hielt die Lippen gespitzt. Aus dem Loch drang pfeifend sein Atem.

Sergio sprang auf. »Was hast du denn?«

Luigi blieb stehen. Seine Antwort mußte er hervorwürgen. »Die … die Augen, Sergio. Verdammt noch mal, schau dir die Augen an. Das ist furchtbar.«

»Wieso denn?«

»Geh hin!« schrie er. »Verdammt noch mal, geh hin! Glotz in ihre Augen. Das ist Wahnsinn!«

Sergio schüttelte den Kopf. Er kam überhaupt nicht zurecht und hielt seinen Kumpan für einen Spinner. Gleichzeitig sagte ihm eine innere Stimme, daß Luigi möglicherweise doch nicht so unrecht hatte. Vorsichtig ging er weiter, den Blick auf Silva gerichtet.

Die saß noch immer unbeweglich. Sie schaute Sergio auch direkt an, und der erkannte ebenfalls, daß sich ihre Augen auf eine gewisse Art und Weise verändert hatten.

Als er dicht vor ihr stand, erkannte er erst das genaue Ausmaß. In den Pupillen zeichnete sich jeweils das gleiche Bild ab.

Zwei Feufelsfratzen!

***

Auch Sergio war nicht eben begeistert, als er das sah. Er rührte sich nicht. Sein Innerstes war aufgewühlt, er konnte es nicht fassen und schüttelte den Kopf.

»Du sagst ja nichts!« keuchte Luigi.

»Scheiße – was denn?«

Luigi schnappte nach Luft. »Schau sie dir an, Sergio! Schau dir die verfluchte Hure doch an. Die hat den Teufel in den Augen. Den verfluchten Teufel!«

»Na und?«

Luigi konnte die Antwort nicht begeistern. Er lachte schrill. »Was heißt hier na und? Erkläre mir das. Los, erkläre mir die ganze Scheiße, Sergio. Du weißt doch sonst immer so gut Bescheid.«

»Jetzt nicht.«

»Ahhh – wie schön. Er weiß nichts.« Luigi fuchtelte mit dem Rasiermesser, ohne näher an Silva heranzugehen. »Weißt du denn was?« schrie er. »Los, rede, was weißt du?«

Durch ihre Gestalt ging ein Ruck. Aber sie stand nicht auf. Silva sprach, ohne daß sie die Lippen bewegte. »Ich weiß, daß es den Höllenthron gibt, und ich werde ihn finden. Ich werde ihn suchen und finden, das verspreche ich euch.«

Die Killer schauten sich an. Selbst der souveräne Sergio hatte seine Fassung verloren. »Was redet sie da für eine Scheiße? Was redest du da von einem Höllenthron?«

»Ich werde ihn finden und mich darauf setzen.«

Luigi lachte glucksend. »Partner, sie will den Höllenthron finden. Sie will tatsächlich den Höllenthron finden. Das packe ich nicht, das ist einfach irre.«

»Na und?«

»Den Teufel hat sie ja schon gefunden. Er steckt in ihr, er hat sich in ihren verdammten Augen gezeigt. das ist die Fratze des Teufels. Wir sollten ihre Augen ausstechen, Partner.«

»Ja, vielleicht.«

Da stand Silva auf.

Das geschah nicht schnell, sie erhob sich mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze oder so, als stünde vor ihr eine Kamera. Der Spalt an ihrer zerschnittenen Bluse klaffte auf. Von der Seite her drängte ihre linke Brustwarze wie eine kleine Kirsche ins Freie. Doch keiner der Männer hatte einen Blick für dieses unbewußt erotische Bild. Sie merkten, daß sich etwas verändert hatte und daß sie sich trotz ihrer Waffen auf der Verliererstraße befanden.

Silva streckte den Arm aus und bewegte winkend ihren rechten Zeigefinger.

»Ich?« keuchte Luigi.

Sie nickte.

Er wollte nicht, aber sie schaute ihn nur an. Einen ähnlichen Blick hatte Luigi, der Killer, noch niemals zuvor erlebt. Der war wie ein Brandpfeil, der jagte in ihn hinein, der setzte sich fest, der schaltete seinen eigenen Willen aus und sorgte dafür, daß er das tat, was sie wollte.

Luigi ging auf die junge Frau zu. Sergio wollte protestieren, dazu kam er nicht mehr, denn irgend etwas schnitt ihm einfach die Luft ab. Er wußte keinen Bescheid. Sein Denken war ausgeschaltet, da hatte jemand anderer die Kontrolle übernommen.

Schweiß lief über sein Gesicht. Das gleiche geschah auch bei Luigi. Doch er ging, und er konnte eigentlich nur in die Augen der Frau schauen.

Sie gaben ihm die Befehle. Klar und deutlich waren sie zu verstehen. »Komm her …!«

Und er ging. Wieder einen Schritt, dann den nächsten. Plötzlich war ihm klar, daß er sich mit jedem Schritt dem Tod näherte. Er wartete auf ihn, um ihn mit offenen Armen zu empfangen.

»Dein Messer, Luigi!«

Der Killer war jetzt so weit vorgekommen, daß er nur den Arm auszustrecken brauchte, um die Waffe abzugeben. Da kam einiges zusammen, denn eine andere Macht hatte die Kontrolle übernommen.

Silva hielt die Hand offen. Luigis schwebte mit dem Rasiermesser über der offenen Fläche. Er hätte jetzt die Klinge nach unten drücken und in die Hand hacken können.

Der Gedanke daran kam ihm nicht einmal. Statt dessen öffnete er seine Faust, so daß die Waffe der Hand entgleiten und in die offene Fläche hineinfallen konnte.

Die junge Frau faßte zu. Sie umschloß dabei die Klinge und nicht den Griff. Es hätte jetzt Blut hervorquellen müssen, was aber nicht geschah. Die Hand blieb unverletzt.

Aus dem Mund des Mannes drang ein tiefes Stöhnen. Plötzlich veränderte sich die Welt. Sie wurde zu einem rasenden Inferno, in das von unten her ein Blitz hineinstach.

Das Messer! dachte er noch.

Danach war nur noch der wahnsinnige Schmerz da, das Brennen in seinem Gesicht, das Blut, das von der Stirn her in seine Augen rann und alles überschwemmte.

Und wieder stieß Silva zu!

Ein furchtbarer Schrei löste sich aus Luigis Kehle. Er taumelte wie ein Blinder durch den Raum, während Silva herumfuhr, das Rasiermesser mit der blutigen Klinge in der Hand, und sich ihrem zweiten Gegner zuwandte.

Sergio glaubte an einen bösen Traum, aus dem er sich nur durch einen Schuß erlösen konnte.

Er besaß die Waffe, hielt sie sogar fest, nur bekam er sie nicht in die Höhe.

Silva kam auf ihn zu. Sie schüttelte den Kopf, und Sergio gehorchte. Er ließ von der Waffe ab.

Inzwischen sackte Luigi zusammen. Er hatte sich nicht mehr halten können. Am Boden saß er und lehnte mit dem Rücken am Sofa, seine Hände vor das blutende Gesicht gepreßt.

Sergio aber schaute nur in die Augen, in denen die beiden Teufelsfratzen zu sehen waren. Sie allein nahmen sein Blickfeld ein. Sie waren es, die ihn lähmten.

»Ich bin da«, sagte sie nur.

»Bitte, ich …«

»Nein!«

Sie schlug zu. Das Messer vollführte wilde, tanzende Bewegungen. Es fegte Sergio den Hut vom Kopf, und sie hörte einfach nicht auf.

Schlimm wurde es. Schlimm und tödlich.

Unter dem Einfluß des Satans hatte sich Silva in eine rasende Bestie verwandelt.

Als sie dann aufhörte, lebten beide Männer nicht mehr. Und in der Wohnung breitete sich die Stille des Todes aus …

***

Sheila Conolly hätte ihr Ziel eigentlich schon früher erreicht, aber ein Wasserrohrbruch hatte sie aufgehalten. Mitten in London war ein neuer See entstanden, der Verkehr mußte umgeleitet werden, es kam zu Staus, und Sheila fragte sich, ob es überhaupt Sinn hatte, zu Silva Mancini zu fahren. Eigentlich konnte sie mit der Person nicht viel anfangen, sie erinnerte sich nur schwach an sie. Hoffentlich waren es ihre Informationen auch wert, daß sich Sheila bei diesem miesen Spätherbstwetter durch London quälte.

Der Stau löste sich nur zäh auf. Sheila sah neben sich einen Wagen, in dem ein Mann saß, der sie frech angrinste und entsprechende Handzeichen machte.

Die blonde Frau schüttelte nur den Kopf, worüber sich der Knabe noch mehr amüsierte.

Schließlich zog sie vorbei und konnte etwas mehr auf das Gaspedal drücken.