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Der Mob brüllte draußen, doch im Innern der Zelle erstickte die Hitze alles. Das Atmen wurde zur Qual. Jeder Zug war ein Keuchen. Owambo, der Insasse der Zelle, hatte sich längst an sein schweres Atmen gewöhnt. Und auch an den Schweiß, der sein Gesicht und seinen ganzen Körper bedeckte, die Kleidung kleben ließ und dicke Tropfen erzeugte, die am Hals nach unten rannen.
Owambo hockte auf einer Pritsche. Wenn er den Kopf hob, sah er die schmale Öffnung an der gegenüberliegenden Wand dicht unter der Decke, durch die er das Schreien, das Brüllen und die Beschimpfungen hörte - und natürlich die Drohungen, die ihm galten ...
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Seitenzahl: 146
Cover
Impressum
Der Galgenlord
Briefe aus der Gruft
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manfred Smietana/Rainer Kalwitz
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5333-4
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der Galgenlord
Der Mob brüllte draußen, doch im Innern der Zelle erstickte die Hitze alles. Das Atmen wurde zur Qual. Jeder Zug war ein Keuchen. Owambo, der Insasse der Zelle, hatte sich längst an sein schweres Atmen gewöhnt. Und auch an den Schweiß, der sein Gesicht und seinen ganzen Körper bedeckte, die Kleidung kleben ließ und dicke Tropfen erzeugte, die am Hals nach unten rannen.
Owambo hockte auf einer Pritsche. Wenn er den Kopf hob, sah er die schmale Öffnung an der gegenüberliegenden Wand dicht unter der Decke, durch die er das Schreien, das Brüllen und die Beschimpfungen hörte – und natürlich die Drohungen, die ihm galten …
Sie wollten sein Leben. Sie wollten ihn tot sehen, und sie wollten dabei zusehen, wie er starb. Da hatte man ihm sogar die Wahl gelassen. Er hätte gehängt werden können, aber auch das Köpfen war vorgeschlagen worden.
Owambo hatte sich für die zweite Möglichkeit entschieden. Ein Hieb mit dem Schwert, das war es dann. Er glaubte nicht, dass er einen Schmerz spüren würde. Er würde den Schlag gar nicht kommen sehen, weil ihm ein Tuch über den Kopf gehängt wurde.
Wenn ihn nicht alles täuschte, hatte er noch eine halbe Stunde Zeit bis zum offiziellen Termin. Ob sich der Mob draußen so lange gedulden würde, wusste er nicht. Aber er konnte es nicht ändern.
Owambo lehnte sich zurück, bis er den Widerstand der Wand in seinem Rücken spürte. Besser ging es ihm nicht, aber er hatte eine Stütze und schloss die Augen.
Da waren sie wieder!
Die verdammten Bilder. Bilder von Untaten, die er begangen hatte. Er war einer der Anführer der Rebellen gewesen. Bei seinen Gegnern war sein Kopf gefragt. Lange Zeit hatte er wüten können, bis er an eine Frau geraten war, die ihn reingelegt hatte.
Gift. Es war Gift gewesen. Sie hatte das Zeug in einem Getränk aufgelöst. Dagegen war auch der stärkste Mensch machtlos. Und Owambo war ein Mensch trotz allem. Es gab Personen, die ihn als Mordmaschine bezeichneten. Das stimmte auch. Wie viele Menschen er in seinem Leben getötet hatte, konnte er nicht sagen. Jedenfalls waren es nicht wenige gewesen.
Und jetzt bekam er die Quittung. Er war gesucht und letztendlich gefunden worden. Dieses Weib hatte ihn reingelegt. Wenn es einen Menschen gab, den er gern gekillt hätte, dann war es diese Frau. Aber dazu konnte es nicht mehr kommen.
Er hockte in der Zelle und würde sterben. Der Mob da draußen würde zuschauen. Es war wie im Mittelalter. Eine große Schau, an der sich auch Frauen und Kinder ergötzten.
Man hatte seine Hände gefesselt. Mit einer starken Eisenkette, die er nicht zerreißen konnte. Auf eine Fesselung der Füße hatte man verzichtet. Er würde auch so keinen Fluchtversuch wagen.
Das Volk draußen brüllte immer lauter. Besonders die schrillen Frauenstimmen fielen auf. Daraus sprach der blanke Hass.
Und von seinen Verbündeten, die es mal gegeben hatte? Davon hatte sich niemand blicken lassen. Man hatte nicht mal versucht, mit ihm zu reden, geschweige denn, ihn aus der Zelle zu holen.
Noch ein paar Minuten, dann würde der Mob erscheinen. Jemand warf Steine gegen die Fensteröffnung. Die Dinger waren nicht groß, und sie trafen ihn auch nicht, sondern fielen sofort zu Boden.
Es war ein Zeichen. Bevor man ihn köpfte, würden Steine fliegen, den Spaß wollten sie sich nicht nehmen lassen.
Owambo blieb auf seiner Pritsche hocken. Ab und zu wischte er den Schweiß von seiner Stirn. Auch atmete er weiterhin tief ein und stöhnend aus. Die Hitze setzte ihm zu. Er hätte gern einen Schluck Wasser gehabt, aber er war zu stolz, um das Wachpersonal danach zu fragen.
Wenn er durch die Gitterstäbe der Tür schaute, sah er die beiden Wachtposten. Männer mit breiten Schultern und Stiernacken.
Ab und zu tranken sie aus einer Flasche. Wasser war das bestimmt nicht. Eher billiger Fusel. Aber das war Typen wie denen egal.
Sie unterhielten sich auch. Manchmal lachten sie. Aber sie waren auch bereit zu schießen, sollte Owambo nur den Versuch eines Ausbruchs wagen.
Plötzlich erklang der schrille Ton einer Trillerpfeife. Da wusste der Gefangene, dass seine Zeit um war. Sie waren bestimmt schon unterwegs, um ihn abzuholen.
Owambo musste lachen. Auch wenn es in diesem verdammten Land Nigeria keine Pünktlichkeit gab, bei einer Hinrichtung, da waren sie pünktlich. Sie wollten den Mob nicht länger warten lassen. Auf eine Henkersmahlzeit hatte der Gefangene verzichtet. Er hätte den Fraß den Wärtern sowieso ins Gesicht geschleudert.
Sie waren zu zweit. Muskulöse Typen, die sich Platz schafften und am Gitter rüttelten, bevor einer von ihnen einen Schlüssel hervorholte und ihn in das Schloss schob.
Er drehte ihn.
Owambo hörte das Geräusch und verzog die Lippen. Sekunden später öffnete der Schließer die Tür. Er zog sie auf und gab den Weg frei.
Owambo konnte sich jetzt in Bewegung setzen. Das Loch war da. Aber auch die Mündungen der Maschinenpistolen, die auf ihn gerichtet waren. Man gab ihm keine Chance.
Der Schließer stellte ihm eine Frage. »Na, wie ist es?«
»Beschissen.«
Da lachten die Männer. Einer von ihnen meinte, dass er sich alles selbst zuzuschreiben hätte. Und er fügte hinzu, dass Owambo auch Freunde von ihm gekillt hatte.
Da grinste der Delinquent nur.
Dafür erhielt er einen harten Schlag gegen die Schulter. Andere hätten aufgeschrien, Owambo nicht. Er wollte den Leuten keinen Grund zum Grinsen und zur Freude geben. Er stieß nur scharf die Luft aus und sackte etwas zusammen.
Danach sorgte ein Stoß in den Rücken dafür, dass er nach vorn torkelte. Aber er war noch nicht am Ziel. Der Gang war doch länger als er gedacht hatte. Die Augen brannten ihm, das lag daran, als er in die Helligkeit geschoben wurde.
Jetzt taumelte er nach draußen und in einen Innenhof hinein. Dort hatte sich auch der Mob versammelt. Männer, Frauen und Kinder hatte man hinter ein Absperrband verfrachtet. Zwei Aufpasser mit schussbereiten Waffen wachten darüber.
Aber es gab noch mehr zu sehen. Und das musste den Delinquenten interessieren. Es war ein Podest. An ihm war der hölzerne Galgen befestigt, und die Schlinge bewegte sich zittrig im schwachen Wind.
Den Galgen gab es. Und auch das Treppchen, das der Delinquent hochsteigen musste. Aber er sah noch mehr und saugte scharf die Luft ein. Owambo sah den Holzklotz, auf den er seinen Kopf legen musste. Auch das Schwert lag sichtbar auf dem Gerüst.
Owambo sah es und zuckte für einen Moment zusammen. Hinter seinen Augen entstand ein Druck. Plötzlich wurde ihm der Mund noch trockener. Ihm war klar geworden, dass es für ihn kein Entrinnen mehr gab. Wer sein Henker sein würde, wusste er auch nicht. Und ein Tuch, das seinen Kopf verdecken sollte, sah er auch nicht.
Jemand stieg die Treppe zum Gerüst hoch. Es war ein Mann mit grauen Haaren, der trotz der Hitze einen braunen Anzug trug und vor Owambo anhielt.
Er holte ein großes Taschentuch hervor und wischte damit den Schweiß aus dem Gesicht. Die Sonne brannte nach wie vor gnadenlos auf die Erde nieder und trocknete alles aus.
Owambo kannte den Mann. Es war der Polizeichef der Stadt, hatte sehr viel Macht und war, wie viele Menschen in diesem Land, verdammt korrupt. Die beiden kannten und hassten sich bis aufs Blut.
Der Polizeichef grinste breit und sprach den Verurteilten an.
»Jetzt ist es so weit, Owambo. Du wirst keinen Schaden mehr anrichten, das sage ich dir.«
»Meinst du das auch?«
»Sonst hätte ich es nicht gesagt.«
»Klar, Paul, du bist schon immer der Raffiniertere von uns gewesen. Und auch der Schlauere. Dich hat man nicht erwischt, aber mich. Einer muss ja das Opfer sein.«
Paul lachte nur. Dann spie er dem Delinquenten ins Gesicht und wandte sich ab. Dabei fragte er noch: »Für was hast du dich entschieden, mein Freund.«
»Für das Schwert!«
Paul blieb vor der Treppe stehen und nickte. »Dafür hätte ich mich an deiner Stelle auch entschieden.«
Er ging nicht vom Podest, sondern winkte einem vierschrötigen Kerl im Hof zu, der sein krauses Haar zu einem oben auf dem Kopf liegenden Zopf zusammengebunden hatte.
Der Mann setzte sich in Bewegung. Er trug eine Hose, die ihm bis zu den Waden reichte, ansonsten war er nackt. Jeder sah den muskulösen Körper, der glänzte, als hätte man ihn mit Fett eingerieben.
Es war der Henker. Als er das Podest betreten hatte, nickte Paul ihm zu.
»Dein Schwert liegt bereit.«
»Ich sehe es.«
»Dann walte deines Amtes.«
Nichts, was der Henker lieber getan hätte, aber er brauchte den Delinquenten in einer bestimmten Position. Deshalb sprach er ihn an.
»Kommst du allein? Oder soll man dich bringen?«
»Ich komme allein.«
»Sehr gut.«
Es waren nur ein paar Schritte bis zu dem Hauklotz, vor dem Owambo anhielt.
»Knie dich nieder und drücke deinen Kopf in die Ausbuchtung, in den Halbkreis hinein.«
»Und dann?«
»Tu es, verdammt!«
Owambo hatte keine Wahl. Er musste sich niederknien und dem Befehl gehorchen.
Langsam drückte er sich dem Boden entgegen. Er hatte keine Angst. Es war alles okay, und es hatte ja mal so kommen müssen. Zahlreiche Menschen hatte er in die Hölle geschickt, nun stand er dicht davor, dem Teufel zu begegnen.
Er war bereit. Der Hals lag in der Mulde. Auch der Henker hatte sich vorbereitet und das Schwert in beide Hände genommen. Um den Kopf vom Körper zu treten, brauchte man Kraft, denn er hatte den Ehrgeiz, es mit einem Schlag zu schaffen.
Owambo konnte nur nach vorn schauen und nicht zur Seite hin. Und so sah er auch nicht, wie der Henker das Schwert anhob, um den Delinquenten zu köpfen.
Dafür sah er etwas anderes.
Eine Gestalt. Eine Person, die nicht auf das Podest gehörte, die aber aussah wie ein erster Gruß vom Teufel …
***
Zu sehen war ein langer Mantel, schwarz wie die Nacht. Der Blick des Delinquenten glitt höher, aber er sah kein Gesicht. Das wurde von einer Kapuze verdeckt.
Owambo erging es wie den anderen Menschen in der Umgebung. Sie sahen die Gestalt, aber sie begriffen nicht, wer sie war und woher sie kam. Alles war starr. Niemand tat etwas. Auch der Henker nicht. Er war ebenfalls zu einer Statue geworden.
Owambo blieb nicht in seiner Position. Er wollte mehr sehen und drückte seinen Körper in die Höhe, und er hatte dabei das Gefühl, es geschafft zu haben. Das hieß, dass er nicht mehr sterben würde. Da war jemand gekommen, um ihm zu helfen.
Er richtete sich nicht mehr nur auf, er stellte sich auch hin. Das wurde von zahlreichen Augen gesehen, doch es gab niemand, der eingegriffen hätte.
Die gesamte Szenerie war erstarrt. Bis auf eine Person, das war der Maskierte, der seinen Umhang oder Mantel etwas zurückschlug, sodass ein heller Stab sichtbar wurde, der von seiner Brust bis zu den Knöcheln reichte.
Niemand der Gaffer hätte sagen können, aus welchem Material der Stab bestand. Er schimmerte knochenweiß, und man konnte sich vorstellen, dass es sich um einen langen Knochen handelte, den der Vermummte in die Höhe warf, ihn geschickt wieder auffing, sich umdrehte und dann das tat, was er sich vorgenommen hatte.
Der Henker kam erst gar nicht zu einer Gegenreaktion. Der Vermummte kippte seinen Stab und rammte ihn dann nach vorn. Ein Ziel hatte er. Das war der Henker. Der konnte nur starren und sah, dass der Stab ihn in der Körpermitte traf. Dabei blieb es nicht. Nach einem kurzen Nachzucken stieß er durch die Gestalt und kam am Rücken wieder zum Vorschein.
Es war perfekt für den Vermummten. Der Henker gab einen Laut von sich, der zwischen Röcheln und Schreien lag, bevor seine Beine anfingen zu zucken und er dabei intervallweise zu Boden sank, wobei die Mordwaffe langsam aus seinem Körper herausrutschte und auf ihrer Fläche eine Blutspur zu sehen war.
Der Vermummte hatte es geschafft. Er drehte sich Owambo zu und nickte.
Der Delinquent überlegte noch einen Moment. Dann aber nickte er auch und verlor seine Starre.
Er ging auf den Kuttenträger zu und lachte kratzig. »Können wir denn?«
Wieder das Nicken.
Owambo wollte es genau wissen. »Sollen wir jetzt von hier verschwinden?«
Erneut das Nicken.
Es gab keinen von den Zuschauern, der die beiden aufgehalten hätte. Es befanden sich auch uniformierte Bewaffnete darunter. Auch sie taten nichts und ließen ihre Schießeisen stecken.
Es gab kein Problem für die beiden Flüchtenden. Sie verließen den Platz, und es gab niemanden, der versuchte, sie aufzuhalten.
Owambo stolperte neben seinem Retter her. Einige Meter lief er, dann konnte er nicht anders.
Er musste lachen. Sein Gelächter erreichte noch die Gaffer und hinterließ auf ihren Rücken Schauer. Die Leute sagten nicht viel, aber manche von ihnen waren der Meinung, dass sie den Teufel gesehen hatten …
***
Im Gegensatz zu den meisten Menschen in der Stadt wohnte der Chef der Polizei in einem sehr tollen Bungalow, der einen Pool außen und innen hatte. Paul konnte es sich leisten. Er hatte sich mit den Machthabern gut gestellt und wurde immer wieder von ihnen belohnt. Viele waren mit dem System nicht einverstanden waren und verübten immer wieder Anschläge.
Paul war für die Regierung, und er schlug mit seiner Mannschaft gnadenlos zu. Er wusste, dass man ihn hasste und ließ sein Haus Tag und Nacht bewachen. Wenn er nicht da war, gab es immer das Hausmädchen Carla, das im Innern die Räume bewachte.
Eine Ehefrau gab es zwar, aber die hatte Paul zum Teufel geschickt. Sie lebte jetzt in einer anderen Stadt, und Paul wusste nicht einmal in welcher. Es war ihm auch egal. Wenn er eine Frau brauchte, dann musste er nur mal mit den Fingern schnippen. Er bekam dann, was er wollte.
Nur Carla ließ er in Ruhe. Außerdem war sie schon über Fünfzig, und der Chef liebte Frischfleisch, wie er immer zu sagen pflegte.
Carla wusste, dass der Chef zu einer Hinrichtung wollte. Danach würde er zum Essen kommen und sein Lieblingsgericht, panierten Springbock essen. Dazu wurde getrunken, und danach würde sich der Chef auf die Couch legen.
Carla bereitete das Essen vor. Und das in einer Küche, nach der sich die meisten Europäerinnen die Finger geleckt hätten. Sie war einfach das, was man perfekt nennt.
Die Küche hatte ein recht großes Fenster, durch das der Blick in die Umgebung fiel. Es war eine immergrüne, denn hier wurde alles künstlich bewässert.
Es gab einige künstlich angelegte und auch flache Hügel. Dazwischen Wege, auch kleine Teiche mit bunten Fischen. Dann waren Bäume angepflanzt worden und Sträucher. Wenn der Polizeichef Partys gab, dann im Freien, und so war der Garten für die abendlichen Veranstaltungen auch mit Laternen und Lichtgirlanden geschmückt.
Es gab auch ein kleines Haus im Garten. Dort hielten sich die Aufpasser auf, die natürlich zu einem Mann wie Paul gehörten. Tagsüber überwachten zwei Männer das Anwesen, am Abend und in der Nacht konnten es auch mal vier sein.
Jetzt waren es nur zwei. Vom Küchenfenster konnte Carla einen der beiden sehen. Es war ein dunkelhäutiger Mann, der an einem der Teiche stand und seinen Blick kreisen ließ. Er hatte eine sehr angespannte Haltung angenommen und schaute sich immer wieder um, als wäre er dabei, etwas zu suchen.
Aber da war nichts.
Zumindest nichts, was gefährlich werden konnte. Aber der Mann mit der blanken Glatze traute dem Frieden trotzdem nicht. Immer wieder schaute er sich um. Wie jemand, der wusste, dass sich etwas verändert hatte, es aber noch nicht sah.
Und dann ging alles blitzschnell. Aus der Deckung eines Baumes tauchte eine Gestalt auf. Auch Carla konnte sie sehen und erschrak so stark, dass sie eine Handfläche gegen ihre Lippen presste.
Es war ein Mensch, das stimmte. Aber er hatte sich verkleidet. Er trug eine Kutte und eine Kapuze, die er über den Kopf gezogen hatte. Er ging auf den Leibwächter zu, als gäbe es keinen anderen Menschen auf dieser Welt.
Und er hielt etwas in der Hand. Es sah aus wie ein weißer Stock. Von der Länge her kam er einer Lanze gleich. Was dieser Stock sollte, das wusste Carla nicht. Sekunden später aber bekam sie es präsentiert und da verlor sie den Glauben an die Menschheit.
Der Bodyguard ahnte, dass diese Gestalt etwas Schlimmes vorhatte. Deshalb wollte er als Erster reagieren. Er holte seine Pistole hervor, aber das brachte nichts mehr. Bevor er die Waffe auf den Vermummten richten konnte, bewegte sich dessen rechter Arm und schleuderte seine knochenartige Lanze auf den Mann zu.
Treffer!
Der Typ konnte nicht ausweichen, die Lanze war zu schnell. Sie rammte in seinen Hals und zerfetzte ihn völlig. Blut spritzte hervor und klatschte auf den Boden. Dass der Kopf nicht vom Rumpf fiel, das glich schon einem kleinen Wunder.
Dann fiel der Körper. Und zwar so heftig, als hätte man ihm die Beine weggeschlagen. In der Blutlache blieb er liegen. Der Vermummte kümmerte sich nicht um ihn, er holte sich seine Lanze zurück und ging weiter. Wohin, das sah Clara nicht mehr. Er entschwand ihren Blicken.
Sie blieb am Fenster und hatte das Gefühl, in einem Albtraum zu stecken. Aber das war nicht der Fall. Was sich da vor ihren Augen abgespielt hatte, das war die Realität.