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Dieser Sammelband enthält die Folgen:
Folge 637: Nackt in der Hölle
Folge 645: Das Teufels-Denkmal
Folge 646 : Der Templer-Jäger
Folge 647: Hexenzauber
Folge 648: Der Tod, der Ninja und ich
Folge 649: Der Junge von Stonehenge
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Seitenzahl: 799
Cover
Impressum
Der Leichenfürst von Leipzig
Das Teufelsdenkmal
Der Templer-Jäger
Hexenzauber
Der Tod, der Ninja und ich
Der Junge von Stonehenge
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Vicente Ballestar – Norma
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-8387-0288-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der Leichenfürst von Leipzig
(Teil 1)
Die beiden Männer standen in einer derartigen Finsternis, daß der eine den anderen kaum wahrnehme konnte. Wenn sie sich unterhielten, geschah es flüsternd. Meist über ein Thema, das für fremde Zuhörer nicht geeignet war.
Über Tod, Teufel und Leichen!
Der Mann mit den dunklen Haaren, der blassen Haut, den finsteren Augen und dem kantigen Gesicht dachte daran, daß er wieder zurückgekehrt war. Weg von Aibon, hinein in die normale Welt, wo er Baphomeths Ziele verfolgen wollte.
Sein Gegenüber dachte ähnlich. Nur besaß er nicht die direkte Macht, den Einfluß und die Beziehungen, aber er hatte stets nur auf einen gehört – den Teufel.
Er und der Baphometh-Diener hatten sich gesucht und gefunden. Der eine war die Suppe, der andere das Salz, und in dieser naßkalten Nacht in Leipzig sollte Vincent van Akkeren, der Baphometh-Diener, den ersten und großartigen Beweis bekommen.
»Wer soll sterben?« fragte er.
»Wen willst du sterben lassen?«
»Das ist mir egal.«
Der Mann aus Leipzig lachte. Er nannte sich Hoffmann, frei nach dem Schriftsteller E.T.A. Hoffmann, der ein sehr unruhiges Leben geführt hatte und dem Leipzig nicht fremd gewesen war. Besonders nicht der Auerbach-Keller. Diese Gaststätte war durch eine Oper – Hoffmanns Erzählungen – weltberühmt geworden.
Hoffmann strich über seinen Nasenrücken. »Aber du willst es sehen?«
»Natürlich.«
»Gut. Noch einmal. Dir ist egal, wer sterben soll?«
»Ja, zum Henker. Nur will ich den Beweis haben. Verstehst du das endlich?«
»Alles klar, van Akkeren, alles klar.« Hoffmann räusperte sich. »Warte einen Moment.« Er streckte seinen Kopf vor und schaute hinein in die schmale Gasse, auf der das alte Kopfsteinpflaster noch vom letzten Regen her feucht schimmerte.
Die Luft drückte. Es war auch am Abend kein Wind aufgekommen, und so hing die berühmt-berüchtigte Leipziger Luft wie ein Sack über der Stadt. Zudem stank sie widerlich. Der Geruch von Schwefelgasen und anderem Zeug vermischte sich zu einem ›Aroma‹, vor dem sich der Fremde nur ekeln konnte.
Hoffmann dachte da anders. Für ihn war der Geruch wie Balsam. Er erinnerte ihn an den Teufel, an die Hölle, die ihm das gegeben hatte, was kein anderer besaß.
Er hatte van Akkeren nur in Andeutungen darüber berichtet. Klar, daß der Fremde einen Beweis brauchte, und den wollte ihm Hoffmann auch liefern.
Er verließ die Einfahrt. Die Hände tief in den Taschen seines Mantels vergraben, so schlenderte er die Gasse hinunter. Der Mantel war völlig unmodern, die Schultern zu breit und eckig. Er hätte auch aus alten Armeebeständen sein können.
Hoffmann hatte alles vorbereitet. Er spürte, wie die Blicke Vincent van Akkerens gegen seinen Rücken brannten, und ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen.
Vor einem schmalbrüstigen Haus, an dem noch Stromkabel außen entlangliefen, blieb er stehen, steckte zwei Finger in den Mund und pfiff. Es war das Zeichen. Alles andere würde sich automatisch ergeben …
***
Von einer Dusche konnte Erika nur träumen. Ebenso von einem eigenen Bad. Aber sie besaß wenigstens ein Waschbecken, das im toten Winkel zur Tür hing und im Laufe der Zeit einen grauen Schimmer bekommen hatte.
Ein Zimmer bewohnte die Blondine nur. Schlafraum, Wohnzimmer und Bad in einem.
Die Möbel hatte sie von ihren Großeltern bekommen. Sie würden nicht mehr lange halten, in den Fünfzigern hatte man nicht sehr stabil gebaut. Zwanzig war Erika jetzt, vom Leben enttäuscht. Nur Arbeit, wenig Geld, dazu noch Ost-Mark, nein, das war nichts für sie.
Auf der letzten Leipziger Messe war ihr dann die Idee gekommen, es einmal zu versuchen. Es gab genügend Männer, denen sie die Zeit vertreiben konnte, und da sie sehr hübsch war, konnte sie sich die Kunden sogar aussuchen.
Erika kassierte in Westgeld, ließ es aber in einem Versteck liegen. Erst wenn die Währungsunion perfekt war, würde ihr das Geld guttun.
Die Messe ging vorbei, sie hatte sich an das Leben gewöhnt und war hin und wieder auf den Strich gegangen. Sogar vor einigen Stunden hatte sie einen Freier getroffen, der ihr einhundert Westmark versprochen hatte. Er wollte sie um kurz vor Mitternacht abholen. Sie hatten als Zeichen einen Pfiff vereinbart.
Erika hatte sich gewaschen und überlegte, was sie anziehen sollte. Der billige Minirock erschien ihr am geeignetsten. Sie hielt ihn in das Licht der Lampe, wo der helle Stoff so verblichen aussah. Als Oberteil wählte sie einen roten Pullover, den sie nur mühsam über ihre herausfordernd gewachsenen Kurven zwängen konnte. Der Ausschnitt hatte ursprünglich die Form eines V's besessen, war aber von Erika erweitert worden, damit die Kunden sehen konnten, was sie zu bieten hatte.
Die Schminke stammte aus dem Westen. Sie roch besser als die einheimische.
Erika besaß ein leidlich hübsches Puppengesicht mit einem eigentlich zu großen Mund, der, wenn er geschminkt war, noch breiter wirkte.
Sie entschied sich für ein helles Rot, das aussah wie frisches Blut. Gepudert war sie schon, steckte die Haare noch einmal hoch, das machte sie größer, drehte sich zweimal vor dem Spiegel und lächelte sich dabei selbst zu.
Sie fand sich gut …
Dann ging sie zum Fenster. Ihr Blick fiel auf die freudlose Gasse mit dem feuchten Pflaster. Ungefähr dreißig Meter entfernt leuchtete die trübe Kuppel einer Laterne. Ansonsten war es düster, gerade das richtige Licht für einen Kunden, der auf keinen Fall gesehen werden wollte. Das hatte ihr der Mann gesagt.
Vergeblich versuchte sie, sich an ihn zu erinnern. Er hatte einen Hut getragen, doch sein Gesicht war ihr nicht mehr präsent. Höchstens noch die dunklen Augen unter der Krempe.
Das war ihr alles nicht so wichtig. Sie lockte das Westgeld, der Blaue. Einige davon hatte sie gesammelt, sogar ein Brauner befand sich darunter.
Fünfhundert Mark, ein kleines Vermögen, auch jetzt noch, wo viele schon umtauschen.
Noch hatte sie Zeit. Seit kurzem rauchte sie West-Zigaretten, klopfte ein Stäbchen aus der Packung und zündete es mit dem altem Sturmfeuerzeug an.
Die Wolken verteilten sich im Zimmer. Erika drehte sich um und ließ ihre Blicke durch den Raum schweifen. Hier hatte sie auch die letzte Zeit gewohnt, das nahm sie sich vor.
Drei Haken bildeten die Garderobe. Über einen hatte sie den dunklen Mantel gehängt. Er bestand aus einer billigen Pelzimitation und schimmerte grünlich im Licht.
Erika drückte die Zigarette genau in dem Moment im alten Ascher aus, als sie den Pfiff hörte. Scharf und grell, nur einmal. Es war das Zeichen.
Erika huschte zum Fenster.
Die Gestalt stand am Rand des Gehsteigs, wo einige Steine fehlten. Sie winkte ihm zu, war aber nicht sicher, auch von ihm bemerkt worden zu sein. Egal, er hatte sein Versprechen gehalten, sie würde kommen. Als sie sich den Mantel überstreifte, dachte sie daran, eine Nachtzulage von fünfzig Prozent zu nehmen. Es kam darauf an, wie scharf der Knabe wurde, wenn er erst einmal ihren Körper sah.
Sie konnten in die Wohnung gehen, aber auch verschwinden, das überließ sie den Kunden.
Im schmalen Treppenhaus begegnete ihr die alte Schulz. Eine bitter gewordene Frau, die jahrelang nur gelitten hatte. Sie blieb stehen, als sie Erika sah.
»Na, gehst du wieder auf den Strich, du Hure?«
Erika blieb stehen. Spöttisch verzogen sich ihre Mundwinkel, während sie die Frau betrachtete. »Klar doch, Alte. Für eine Nummer mit dir würde selbst der letzte Penner nicht einmal fünf Mark Ost hinlegen. Such dir schon einen Sarg.«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Schämst du dich nicht, so zu reden?«
»Nein, warum?«
Frau Schulz winkte ab. »Kennst du das Wort Moral?«
»Ist das chinesisch?« Sie lachte und ging weiter. Was die Frau ihr nachrief, hörte sie nicht mehr.
An der Haustür strich sie noch einmal durch das Haar, war zufrieden und öffnete.
Der typische Leipziger Gestank wehte ihr entgegen. An dieses Zeug würde sie sich nie gewöhnen können. Wenn sie genügend Geld zusammengespart hatte, wollte sie weg. Am besten in den Westen. Köln oder Düsseldorf schwebten ihr vor.
Noch aber stolperte sie über den hochkant stehenden Stein dicht hinter der Tür.
Sie fing sich gerade noch und hörte die Frage ihres Kunden. »Hast du getrunken?«
»Nein.«
»Dann ist es gut.«
Er kam näher. Wieder sah sie nicht viel von ihm, denn er trug die gleiche Kleidung wie am Mittag. Nur die Linke hielt er in der Manteltasche, die Rechte hatte er hervorgezogen und wedelte mit einem Blauen. »Das war doch so vereinbart, nicht?«
»Ja …«. dehnte sie.
Der Mann verstand. »Gibt es Probleme?«
»Kommt darauf an, was du willst!«
»Hundert!« zischte er. »Okay?«
Erika bekam plötzlich Angst. Es drängte sie, zurückzulaufen, dann aber dachte sie an das Geld, nickte, obwohl es ihr gegen den Strich ging. Der Hunderter verschwand wieder zusammen mit der Hand in die Tasche.
»Du bekommst ihn gleich. Öffne mal den Mantel.«
Erika widersprach. »Nicht sofort, Mann. Erst will ich wissen, wo du es willst?«
Die blassen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als der Kunde noch einen Schritt näher kam. »Was meinst du denn?«
»Ist dein Problem.«
»Gut.« Er nickte. »Dann machen wir es gleich hier.«
»Wie … wo?« Sie stotterte plötzlich.
»Ist doch klar, Süße. Hier an der Hauswand. Kurz, knapp und kernig. Verstanden?«
Erika war wie vor den Kopf geschlagen. Okay, sie machte dieses Gechäft noch nicht lange, aber sie hatte einiges gehört und gelesen. Kunden oder Freier verlangten viel. Da gab es die unterschiedlichsten Typen, aber hier in der Gasse, an der Hauswand – das ging doch einen Schritt zu weit. Ausgerechnet noch dort, wie sie wohnte.
»Hast du mich nicht verstanden, Herzchen?«
Erika holte Luft und lachte kieksend. »Sag mal, Meister, bist du ein Perverser?«
»Wie kommst du darauf?«
»Blöde Frage. Mit der Hauswand und so …«
»Machst du es, oder machst du es nicht?«
Erika verengte die Augen. Sie lächelte, aber sie dachte gleichzeitig wie ein Kaufmann. »Für einen Blauen mache ich es nicht, Meister. Nee, da haste dich getäuscht!«
»Zwei Blaue?«
Erika lächelte plötzlich. »Nun ja, darüber könnte man reden.«
»Zwei Blaue oder gar nichts.«
»Zeig die Scheine. Und sag mir dann, was ich tun soll.«
Er holte einen zweiten Hunderter aus der Manteltasche. Vor ihren Augen fächerte er sie auf. »Na, wie gefällt dir die Summe, kleine Nutte! Ist doch nicht schlecht.«
Sie ging zurück, ohne zu antworten. Schließlich spürte sie die Hauswand in ihrem Rücken. Der billige Mantel besaß nur noch zwei Knöpfe, die öffnete sie jetzt und schlug die beiden Hälften zur Seite, damit der Kunde sie eingehend betrachten konnte.
Was sich unter dem Pullover abzeichnete und ebenfalls aus dem Ausschnitt hervorquoll, schien ihm zu gefallen, auch die langen Beine beeindruckten ihn.
»Zufrieden?«
»Geht in Ordnung.«
»Dann her mit dem Geld!«
Sie bekam die beiden Blauen, knitterte sie zusammen und steckte sie ein. Der Mann trat näher an sie heran. Erika fummelte an ihrem Rock, der in der Taille ziemlich eng saß. Sie dachte daran wieder abzunehmen und rechnete damit, daß der Kunde sie betasten würde, aber er tat nichts dergleichen.
Der dunkel gekleidete Mann blieb stehen und schaute sie nur an. Kalt und abschätzend.
Sie wollte etwas sagen. Ihr Mund öffnete sich bereits, als sie den Schatten sah.
Er war urplötzlich erschienen, obwohl es keinen Grund dafür gab, denn in der Nähe leuchtete kein Licht. Trotzdem lag der Schatten auf dem Pflaster des Gehsteigs. In einem schrägen Winkel zweigte er von der Gestalt des Mannes ab. Er zeichnete ihn genau nach, sogar der Hut war vorhanden. Sie hätte den Schatten schon die ganze Zeit über sehen müssen, was aber nicht der Fall gewesen war, und sie fragte sich plötzlich, woher er kam. Da sie keine Antwort wußte, machte ihr die Tatsache Angst. Etwas Kaltes schob sich ihren Rücken hinauf. Sie zwinkerte mit den Augen und schüttelte wie in Zeitlupe den Kopf.
»Was hast du, Mädchen?«
»Komisch, aber der Schatten …«
»Was ist mit ihm?«
»Er war vorhin noch nicht da.«
»Tatsächlich?« Die Stimme klang lauernd. Sie wehte unter dem Hutrand hervor.
»Ja, ich bin mir sicher, daß er nicht da gewesen ist. Wie … wie kommt er plötzlich hierher?«
»Das verstehst du nicht, Süße.«
Erika schluckte. »Wer … wer bist du? Sag, wer du bist! Ich … ich will es wissen.«
»Wie heißt du?«
»Erika.«
»Schön. Ich bin Hoffmann.«
Erika wußte nicht, ob er sich selbst oder nur den Schatten damit gemeint hatte. »Einfach Hoffmann?«
»Ja.«
Sie schaute den Schatten an. Und der bewegte sich, obwohl Hoffmann selbst stehenblieb. Sie bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, weil sie keine Erklärung fand. Wie konnte ein Schatten seinen Weg finden, ohne daß dessen Erzeuger an der gleichen Stelle stehenblieb? Das war einfach furchtbar …
Sie hob den Kopf. Der Mann hatte seinen Hut etwas angehoben. Er schaute sie jetzt starr an.
Ein Gesicht wie …
Der Gedanke zerriß. Erika spürte die Kälte, die sich über ihren Körper gelegt hatte und wußte in der nächsten Sekunde Bescheid. Es war der Schatten, der sie erreicht hatte. An den Füßen begann es, dort kroch er hoch, näherte sich ihrer Brust, und dann waren die beiden unsichtbaren Klammern da, die sie umfaßte.
Erika schaffte es nicht mehr, auf der Stelle stehen zu bleiben. Die Klammern hielten sie so fest, daß sie einfach nach vorn taumeln mußte, genau auf den Kunden zu, der aber zur Seite schritt – ohne Schatten, denn der befand sich bei Erika.
Er zerrte sie weiter von der brüchigen Hauswand weg. Sie stolperte über den Gehsteig, erreichte die leere Straße und hatte das Gefühl, in eine andere Welt zu gelangen.
Die Straße, die Häuser, der Himmel, alles bewegte sich vor ihren Augen in einem rasanten Wirbel. Es drehte sich, es fiel, es stieg hoch, es warf Wellen. Es war dunkel, hell und feurig zugleich. Der Boden schien unter ihren Füßen wegzugleiten. Sie fiel und blieb trotzdem stehen, ein Schlund war da, und sie hörte das Zischen, als würde Dampf daraus hervorwehen.
Dann bekam sie keine Luft mehr.
Das Gesicht zeigte ihre Qual. Es war schrecklich verzerrt. In einer nahezu unanständigen Art und Weise hielt sie der verdammte Schatten umklammert. Er hatte sie völlig eingenommen, er war gnadenlos, denn er wollte ihren Tod.
Sie wunderte sich darüber, daß sie noch auf den Beinen stand, obwohl sie sich mehr tot als lebendig vorkam. Die Luft, die Kälte, die fast schreiende Todesangst.
Erika, die so scharf auf Westgeld gewesen war, würde es nie mehr ausgeben können. Sie sackte mitten auf der schmalen Straße zusammen und rührte sich nicht mehr.
Als Leiche blieb sie liegen …
Der Schatten aber lebte. Mit einer zackigen Bewegung löste er sich von der Gestalt und huschte auf Hoffmann zu. Für einen Moment sah es so aus, als wollte er in einem bestimmten Winkel von ihm abstehen, dann drehte er sich und fuhr in ihn hinein.
So jedenfalls sah es aus, denn er war verschwunden und tauchte auch nicht wieder auf.
Hoffmann warf keinen Blick mehr auf die Tote. Er drehte sich, rückte seinen Hut zurecht und ging davon, als wäre nichts geschehen. Erst als er den schmalen Hauseingang erreicht hatte, blieb er stehen und schaute nach rechts.
Aus dem Dunkeln hörte er das heftige Atmen. Dann löste sich die zweite Gestalt. Vorsichtig trat Vincent van Akkeren näher. Nickend blieb er stehen und lächelte.
Hoffmann fragte: »Hast du alles gesehen?«
»Ja.«
»Und warst du zufrieden?«
Van Akkeren lachte. »Da fragst du noch? Es war super, es war einmalig, mein Lieber.«
»Das meine ich doch.«
Van Akkeren kam auf den Schatten zu sprechen. »Was ist eigentlich mit ihm?«
»Was soll sein?«
»Ich meine …«
»Hör zu, van Akkeren. Wir beide dienen irgendwo der Hölle. Und die Hölle hat sich bei mir etwas Besonderes ausgedacht. Ich trage den Schatten in mir. Ich kann ihn lösen, ich kann ihn behalten. Er kann morden, wenn andere dabei sind. Und es gibt nichts, was ihn stoppen könnte, van Akkeren. Gar nichts.«
»Wirklich nichts?«
»Nein, er killt alles.«
Van Akkeren nickte. »Das ist gut«, flüsterte er, »das ist sogar mehr als gut.«
»Dann sind wir im Geschäft?« fragte Hoffmann.
Der andere lachte bellend, ein Zeichen dafür, daß er zufrieden war und sich freute. »Da fragst du noch, Hoffmann? Sicher sind wir im Geschäft. Und wie wir das sind, mein Lieber …«
***
Hätte jemand Frau Schulz nach einer Zusammenfassung ihres Lebens gefragt, so wären die Antworten ungefähr so gewesen.
Geboren 1922, als Kind die Weimarer Republik mit all ihren Nachteilen kaum erlebt, das Dritte Reich dafür um so intensiver, den verfluchten Krieg, die langen Bombennächte, den Verlust ihres Mannes in Rußland, anschließend die Besetzung durch die Russen, die zusammen mit den Deutschen das sozialistische Paradies hatten aufbauen wollen. Es war kein Paradies gewesen, dafür ging es bergab. Immer weiter. Auch sie hatte es bemerkt, trotz ihrer sicheren Arbeitsstelle in einem der Kombinate, die um Leipzig herum lagen und als Industriebetriebe die Umwelt verdreckt hatten, so daß die Stadt samt Umgebung einen traurigen Ruf in Mitteleuropa bekommen hatte.
Viele Bekannte waren in den letzten Jahren gestorben, allmählich dahingesiecht, wie man gesagt hatte, wenn man unter sich war. Aber Frau Schulz war zäh geblieben und hatte als stille Beobachterin mit angesehen, wie der Sozialismus allmählich zusammenbrach und wie von Leipzig aus die gewaltlose Revolution startete.
Jetzt hoffte sie, daß bessere Zeiten anbrechen würden, und sie war schon froh, daß sie das wenige Gesparte einigermaßen günstig umtauschen konnte.
Eines hatten ihr die langen Jahre nicht nehmen können: die angeborene Neugierde, die gesellschaftliche oder politische Veränderungen außen vorlief. Frau Schulz interessierte sich mehr für ihre Umgebung und ihre Nachbarn. Sie war über alles gut informiert, deshalb nannte man sie hinter ihrem Rücken auch die wandelnde Zeitung.
Daß Erika, ein Mädchen, das sie hatte aufwachsen sehen, nun diesen Weg gehen würde, um Geld zu verdienen, war ihr ebensowenig entgangen wie das heimliche Fremdgehen eines Nachbarn aus der oberen Etage mit der Frau von gegenüber.
Sie hatte für alles offene Ohren und Augen. Besonders für Erika.
Ihre Eltern waren geschieden, ausgezogen, lebten irgendwo in der Nähe von Berlin, so mußte sich die Tochter allein durchs Leben schlagen, was sie dank ihrer Figur und ihres Aussehens auch schaffte, ohne daran zu denken, daß sie dabei innerlich kaputtgehen konnte. Es hatte auch keinen Sinn, das Mädchen darauf hinzuweisen, es hätte sowieso keine Lehre angenommen. Wer sich einmal auf diesem Weg befand, der rutschte immer tiefer, bis er schließlich ganz unten endete.
Zudem ärgerte sich Frau Schulz auch über die schnoddrige Art der jungen Frau. Die Antworten paßten ihr überhaupt nicht. Erika war früher ein liebes Mädchen gewesen, heute abgebrühter als mancher Kerl.
So wie sie weggegangen war, konnte das nur eines bedeuten: Sie schaffte wieder an.
Das Küchenfenster der Frau Schulz lag zur Straße hin. Erika mußte sich noch im Treppenhaus befinden, als die Nachbarin bereits an der Scheibe stand und die alte Gardine zur Seite schob. Manchmal wurde Erika auch von einem Wagen abgeholt. Wenn Messe war, sogar von welchen mit West-Kennzeichen, heute nicht.
Da stand nur ein Mann.
Frau Schulz gehörte nicht zu den ängstlichen Frauen, doch als sie diesen Typen sah, bekam sie es schon mit der Angst zu tun und schlug hastig ein Kreuzzeichen.
Sie konnte von ihm nicht einmal das Gesicht erkennen, denn der Hut mit der breiten Krempe verdeckte fast seinen gesamten Kopf. Er stand dicht am Gehsteig und wartete.
Die Zuschauerin versuchte, daß Alter des Mannes zu schätzen. Unmöglich, so etwas zu schaffen. Er hob nicht einmal den Kopf, konzentrierte sich dafür auf die Haustür, aus der Erika in diesem Augenblick trat und nur so weit ging, daß Frau Schulz sie gerade noch erkennen konnte.
Sie blieb vor dem Mann stehen, ihrem Kunden, verhandelte. Sogar die Geldscheine sah Frau Schulz. Da sie ihre Brille aufgesetzt hatte, erkannte sie das Westgeld.
Klar, Ostgeld war nicht gefragt. Der Liebeslohn wurde in harten Devisen gezahlt.
Was dann aber geschah, würde sie nie mehr vergessen, und sie gab zu, daß sie etwas Derartiges noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. Es war furchtbar, grauenhaft, unbeschreiblich, denn sie wurde Zeugin eines schrecklichen Todes.
Sie wäre gern vom Fenster verschwunden, allein, sie schaffte es nicht. Das grausame Geschehen zog sie zu stark in ihren Bann, und sie spürte das Herz so laut klopfen, als wollte es jeden Moment ihre Brust auseinanderreißen.
Erika fiel hin.
Mitten auf der Straße auf dem feuchten Kopfsteinpflaster, blieb sie regungslos liegen. Auf der Seite, den einen Arm vorgestreckt und wie eine Tote.
Frau Schulz erschrak über ihre eigenen Gedanken. Wenn das tatsächlich der Fall gewesen war, dann war sie Zeugin eines brutalen Mordes geworden. Das war kein Kino oder Theater, sondern brutale Wirklichkeit. Sie wartete darauf, daß sich das Mädchen bewegte, aufstand und davonging. Das aber tat nur der Kunde, der auf dem Gehsteig gestanden und alles mit angesehen hatte.
Ihre Gedanken verhedderten sich. Sie überlegte, sprach mit sich selbst und kam zu dem Entschluß, daß der Kunde dem Mädchen nichts getan hatte. Wer aber dann?
Plötzlich bekam sie weiche Knie und stellte sich noch einmal vor, wie alles abgelaufen war. Und dann waren da diese ungewöhnlichen Bewegungen, als hätte sich Erika gegen einen Feind gewehrt, gegen einen Mörder oder was auch immer.
Gegen einen, der nicht vorhanden gewesen war.
Oder doch?
Sie dachte sehr intensiv nach, vergegenwärtigte sich noch einmal den Vorgang und fand die Erklärung, auf die sie zuvor kaum geachtet hatte. Da war etwas gewesen. Etwas, das man nicht hatte anfassen können, das einfach aus der Luft gekommen war und sich über Erika gelegt hatte. Es hatte von ihr Besitz genommen.
Ein Schatten?
Frau Schulz überlegte. Sie fuhr nervös durch ihr graues Haar, bewegte den Mund, ohne etwas zu sagen, dachte hin und her und kam zu keinem anderen Entschluß.
Erika war durch einen Schatten umgebracht worden!
Wie lange sie vor dem Fenster gestanden hatte, wußte sie selbst nicht zu sagen. Jedenfalls war der angebliche Kunde längst verschwunden. Die Gasse wirkte so gespenstisch leer, trotz des bewegungslosen Körpers, für den es möglicherweise keine Hoffnung mehr gab.
Frau Schulz dachte an den Krieg und die verdammten Bombennächte, wo sie als junges Mädchen auf die Straße getrieben worden war, um beim Einsammeln der Leichen mitzuhelfen. Das alles kam ihr in den Sinn, und es kehrte irgendwie wieder.
Sie hatte damals auch feststellen müssen, ob die Menschen noch lebten oder schon tot waren.
Früher hatte sie zumeist Fremde überprüft, heute aber war es eine Bekannte, ein junges Ding von gerade mal zwanzig Jahren. Furchtbar, schlimm und grauenhaft.
Und keiner schaute nach, niemand hatte etwas von diesem furchtbaren Vorfall mitbekommen, nur sie.
Frau Schulz atmete tief ein. Erst jetzt, als sie vom Fenster zurückgetreten war, überkam sie der Schock. Plötzlich fing sie am gesamten Leibe an zu zittern. Ihr wurde heiß und kalt zugleich. Sie mußte sich an einer Stuhllehne festhalten, um nicht umzufallen. Die kleine Welt um sie herum war zu einem Kreisel geworden, der sich immer schneller drehte. Es dauerte Minuten, bis sie sich gefangen hatte, in den kleinen Flur ging, den Mantel überstreifte, die Wohnung verließ und durch das Treppenhaus schritt. Die Tritte klangen auf den Holzstufen extrem laut.
Sie ging wie im Traum. Und wie im Traum öffnete sie auch die Haustür, um auf die Gasse zu treten.
Es stank wieder, es stank eigentlich immer in der Stadt, besonders bei den Tiefdruckgebieten, wenn die Luft drückte und sich der verfluchte Geruch in Bodennähe hielt.
Der erste Blick nach links, der zweite nach rechts. Niemand näherte sich, sie war noch immer allein, und vor ihr lag die leblose Gestalt. Mit Zitterknien ging sie hin, blieb neben Erika stehen und traute sich erst nach einer Weile, sich zu bücken, um herauszufinden, was tatsächlich mit der jungen Frau geschehen war.
An der Schulter faßte sie Erika an. Der Körper war so steif, so erschreckend steif.
Dann rollte sie die Leblose auf den Rücken. Aus einer sehr kurzen Entfernung starrte sie in die Augen des Mädchens.
Frau Schulz kannte den Blick noch vom Krieg her. Da war nichts zu machen, es gab keine Chance mehr für Erika, auch nicht die geringste. Das Mädchen war tot.
»Mein Gott!« flüsterte die Frau, »das hast du nicht verdient, Kind. Nein, das hast du nicht verdient.« Sie hörte die Hektik aus ihrer Stimme und wunderte sich gleichzeitig darüber, wie kalt und ruhig sie nachdenken konnte.
Wer hatte Erika getötet?
Es mußte eine Antwort auf die Frage geben. Von selbst starb man nicht. Jedenfalls war es nicht der Kunde gewesen, und Frau Schulz dachte daran, wie Erika sich in den letzten Minuten ihres Lebens benommen hatte. Irgendwo schlimm und unnatürlich. Sie hatte gekämpft und sich gegen einen Feind gewehrt, der nicht vorhanden gewesen war.
Bis auf den Schatten!
Jetzt fiel es ihr wieder ein. Ja, da war ein Schatten über die Gestalt gehuscht. Ein dunkles Etwas, das den Körper des Mädchens umschlungen und regelrecht zerdrückt hatte.
Bei genauerem Hinsehen entdeckte sie sogar Druckstellen am Hals des Mädchens.
Frau Schulz stand auf. Sie konnte sich keinen Reim mehr auf das Gesehene machen, aber sie hatte das Gefühl, in Dinge hineingeraten zu sein, die eine andere Macht diktierte.
Ein Mord ohne Mörder, eine Tat ohne Täter. Jedenfalls hatte sie keinen normalen gesehen.
Sie ging wieder zurück, den Blick auf die Leiche gerichtet, und sah den Radfahrer erst im letzten Augenblick, denn er war ohne Licht über das alte Pflaster gefahren.
Dafür hörte sie ihn fluchen, als er dicht neben ihr bremste. Sie kannte den Mann, er wohnte einige Häuser weiter, hieß Schneider und kam von der Nachtschicht aus dem Kombinat. Wie immer wehte eine Wodkafahne aus seinem Mund.
Er war nicht so betrunken, daß er nichts mehr gesehen hätte. Er schüttelte den Kopf, stieg vom Rad, legte es hin und fragte: »Was ist denn los?«
»Sie ist tot.«
»Hä«, machte der Mann. »Wer? Die Kleine hier auf der Straße? Die soll tot sein.«
»Ja.«
Bisher hatte Schneider es noch für einen schlechten Witz gehalten. Nun schaute er in das Gesicht der Frau und dachte auch über die sehr ernst gesprochene Antwort nach.
»Mach … mach keinen Scheiß, Grete.«
»Sie ist tot.«
Schneider schaute Grete Schulz an, als wäre sie die Täterin. Er bequemte sich schließlich, genauer nachzusehen, nickte und fuhr mit beiden Händen durch sein Gesicht.
»Nun?«
»Verdammt, du hast recht!«
Grete Schulz dachte nicht daran, auch nur ein Wort von dem zu sagen, was sie gesehen hatte. Statt dessen antwortete sie: »Ich fand sie hier.«
»Hast du schon die Polizei angerufen?«
»Nein.«
»Dann wird es Zeit.«
»Sicher.«
»Wir gehen zu mir. Ich habe Telefon.«
»Nein, mach du das. Ich muß bei der Toten bleiben. Ich habe sie schließlich gefunden.«
Schneider nickte. »Wie du willst, Grete, wie du willst.« Er hob seinen alten Drahtesel auf, schwang sich in den Sattel und radelte in einer fast panikartigen Gechwindigkeit davon …
***
Bei der Volkspolizei bekam man große Augen, als sie die Geschichte hörten, die ihnen von der Zeugin nahegebracht wurde. Sie wollten ihr nicht so recht glauben und erst die Untersuchung der Toten abwarten.
Das Ergebnis lag sehr schnell vor. Grete Schulz hockte noch im tristen Büro der Vopos.
»Erwürgt«, sagte der Arzt mit müder Stimme.
»Stimmt das auch?«
»Ja, erwürgt.«
»Und womit?«
»Weiß ich nicht. Ich habe kein Mal von irgendwelchen Händen feststellen können. Dafür zahlreiche Druckstellen am Körper der Frau.«
»Kann ich das schriftlich haben?«
»Bekommen Sie.«
»Sonst noch was?«
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht.«
»Also doch?«
»Wie man es nimmt. Die Leiche war sehr kalt, wissen Sie. Als hätte man der Frau sämtliche Wärme aus dem Körper gezogen, bevor sie starb. Das ist mir ein Rätsel.«
»Wie?«
»Ja. Kollege. Die Leiche war völlig unterkühlt. Ich weiß auch im Moment nicht weiter, das müssen Sie herausfinden. Wenn Sie den Mörder haben, wird er Ihnen sicherlich etwas sagen.«
»Ist gut, danke.« Der Kommissar nickte und entließ den Arzt, der froh war, verschwinden zu können. An der Tür noch gähnte er zweimal sehr lange.
»Können Sie das verstehen, Frau Schulz?«
»Nein, überhaupt nicht.«
»Dabei haben Sie ja den Tod des Mädchens erlebt. Ich möchte noch einmal wissen.«
»Jetzt?«
»Klar, nicht morgen.« Der Kommissar schlug mit der Faust auf den Tisch. Er hatte den Posten noch nicht lange inne, war nach der Wende eingesetzt worden. Seinen Vorgänger hatten sie gehaßt wegen einiger Stasi-Verquickungen.
Grete Schulz erzählte. Der Kommissar stellte Zwischenfragen, machte sich Notizen und hatte sich nach etwa einer halben Stunde ein Bild gemacht, das er nicht begriff.
Es war für ihn nach wie vor unbegreiflich, wie die Frau auf eine derartige Weise hatte ums Leben kommen können. Er faßte zusammen. »Dann haben wir es hier mit einem Schattenmörder zu tun, wenn mich nicht alles täuscht.«
»Sieht so aus.«
Dem Kommissar gefiel die Antwort nicht. »Ja, sieht so aus«, wiederholte er. »Paßt mir aber nicht. Ein Schatten kann nicht morden, das will nicht in meinen Kopf.« Er tippte gegen seine breite Stirn. »Da ist nicht nur etwas faul, sondern oberfaul, wenn Sie verstehen, Frau Schulz.«
Die versteifte sich. »Ich kann Ihnen nur sagen, was ich gesehen habe, mehr nicht.«
»Und das Gesicht des Kunden?«
»Konnte ich nicht sehen. Er trug einen Hut.«
Der Kommissar lachte. »Wie Jack the Ripper, wie?«
»So ungefähr.«
»Gut, Frau Schulz, gut. Sie können jetzt gehen, aber bleiben Sie in der Wohnung.«
Sie stand auf und strich den Mantel glatt. »Wo soll ich denn hin? Ich in meinem Alter.«
»War nur so dahingesagt. Wissen Sie schon, wie Sie nach Hause kommen?«
»Es fährt bald die erste Straßenbahn, die nehme ich.«
»Telefon haben Sie nicht?«
»Nein, so fortschrittlich war der Sozialismus bei uns noch nicht.«
»Gut, dann werde ich zu Ihnen kommen. Oder sagen Sie mir, wer in der Nähe Telefon hat.«
Er bekam einen Namen und murmelte, daß sich bald einiges ändern würde, das stand fest.
Frau Schulz verließ das Zimmer. Im Gang hockte ein müder Polizist auf einer Bank. Er hatte die Beine ausgestreckt und schlief. Frau Schulz stieg über sie hinweg.
In der Straßenbahn saß sie zwischen den Männern, die zur Frühschicht fuhren. Sie bekam zwar ihre Unterhaltungen mit, konnte aber nicht verstehen, über was sie sprachen, denn ihre Gedanken beschäftigten sich mit dem unheimlichen Mord.
Wobei ihr das Wort unheimlich am besten gefiel, denn normal war er nicht gewesen. Sie hatte eher das Gefühl, als hätte der Teufel persönlich seine Hand im Spiel gehabt.,
Daß sie mit dieser Vermutung nicht so weit entfernt lag, das konnte sie nicht ahnen …
***
London!
Zwei Fahndungen liefen im Moment als aktuelle Gegenmaßnahmen.
Zum einen die nach Vincent van Akkeren, der in den Niederlanden einen neuen Stützpunkt gefunden haben sollte, um von dort aus seine teuflischen Templer zu organisieren. Wir hatten bereits indirekt mit ihm zu tun gehabt, und zwar auf einer Fahrt durch eine Geisterbahn, die man als große Attraktion verkauft hatte.
Die andere Fahndung betraf einen Vampir. Will Mallmann, genannt Dracula II.
Ihm war es gelungen, uns in Marokko zu entwischen, doch diesmal nicht allein, sondern mit zahlreichen Helfern, eben den Blutsaugern, seinen Dienern, die er auf der Ladefläche eines Trucks zusammengepfercht hatte, bevor er in die Wüse oder noch tiefer in das Gebirge hinein floh. Zum Glück war es uns gelungen, Jane Collins und Glenda Perkins aus dem Harem zu befreien, über den Mallmann ebenfalls befehligt und den er mit seinen Dienerinnen besetzt hielt.
Das also stand auf dem Programm, und mehr konnten wir nicht tun, obwohl wir gerade wegen Mallmann nicht viel Hoffnungen hatten. Dieser Blutsauger war mit allen Wassern gewaschen und setzte zudem noch seine Erfahrungen ein, die er sich damals, als Kommissar beim BKA geholt hatte.
Anders stand es um van Akkeren. Die Niederlande waren nicht sehr groß, und es gab auch genügend Augen und V-Leute, die sich um ihn kümmerten, denn seine Beschreibung lag jedem vor.
Das hofften wir also.
Die glückliche Rückkehr hatten wir entsprechend im Kreis der Freunde gefeiert, zudem brauchte Glenda in den folgenden drei Tagen nicht zum Dienst zu erscheinen, im Gegensatz zu Suko und mir, wobei mein Freund und Kollege weniger unter den Folgen der feuchten Nacht litt als ich. Mein Kopf war zu einem Brummkreisel geworden, in dem hin und wieder ein Gong anschlug.
Suko, der mir gegenübersaß, verzog jedesmal sein Gesicht zu einem breiten Grinsen, wenn ich aufstöhnte.
»Kannst du nichts mehr vertragen?«
Ich runzelte die Stirn. »So wird es wohl sein.«
»Dann solltest du weniger trinken.«
»Uaahhh«, stöhnte ich, »das hätte mir auch einer sagen können, der seine Hose noch mit der Zange zumacht.«
»Möchtest du einen Kaffee?«
»Aus dem Automaten?«
»Klar.«
»Darauf verzichte ich.«
»Was kann ich dir sonst noch Gutes tun? Du weißt doch, ich bin dein Freund.«
»Ja, du mußt nur den Mund halten.«
»Ist das alles?«
»Willst du noch mehr?«
»Ich könnte dir Wasser besorgen.«
»Und einen Hering, nicht?«
»Neben einer Gurke.«
Ich winkte müde ab, drehte den Stuhl, legte die Beine auf den Schreibtisch und dachte daran, daß sich mein Zustand in zwei bis drei Stunden wieder normalisiert hatte, aber so lange wollte ich die Augen schließen und mich erholen.
Ich schaffte es tatsächlich. Der Schlaf kam automatisch, wobei der Büroschlaf nach dem Beischlaf ja der beste sein sollte. Mir jedenfalls tat er gut, denn die Gongs dröhnten nicht mehr. Vielleicht bekam ich sie auch nur nicht mit. Die zuckenden Striche hielten sich ebenfalls in Grenzen.
Daß Suko unser gemeinsames Büro verließ und zum Essen ging, fiel mir nicht auf, aber das war gut, so bekam er wenigstens mein Schnarchen nicht mit.
Gestört wurde ich trotzdem. Diesmal nicht von den widerlichen Gongschlägen in meinem Kopf, sondern durch ein bestimmtes Rasseln, wie es nur das Telefon abgeben konnte.
Ich schreckte hoch, wußte im ersten Augenblick nicht, wo ich mich befand und kam erst dahinter, als der Apparat sich nicht mehr meldete. Ich hatte zwar noch abgenommen, sprach aber in einen ›toten‹ Hörer.
»Das ist Folter«, murmelte ich, den Hörer auf den Apparat werfend. »Die reinste Folter, einen denkenden Menschen aus einem derartigen Schlaf zu reißen.«
Ich fühlte mich noch immer wie von der Rolle oder wie neben mir sitzend, blieb vorgebeugt hocken und dachte irgendwann in der nächsten Minute daran, daß ich etwas gegen diesen Zustand unternehmen mußte. Was würde denn helfen?
Wasser – kaltes Wasser ins Gesicht geklatscht, vielleicht auch getrunken, aber das alles bekam ich nicht im Büro, da mußte ich schon in den Waschraum. Die Waschräume gab es auf jeder Etage. Man konnte dort auch duschen, was wichtig war, wenn jemand eine Nacht hart durchgearbeitet hatte. Duschen brauchte ich nicht, hatte ich schon nach dem Aufstehen gemacht, aber das Wasser tat mir gut.
Zuvor hatte ich mich im Spiegel gesehen und erschreckt. Da starrte mich ein alter Mann an.
Ich massierte meine Gesichtshaut, die Kälte tat mir tatsächlich gut. Sie und die Massagen röteten die Haut. Mit diesem komischen rauhen Papier, das ich von einer Rolle gerissen hatte, trocknete ich mein Gesicht ab, schaute wieder in den Spiegel, grinste mir selbst zu und dachte: na, endlich.
Ich sah tatsächlich wieder normal aus und fühlte mich auch besser. Als ich mich reckte, betrat ein Kollege den Waschraum und bekam große Augen. »Was machst du denn hier?«
»Ich fühle mich zum Bäume ausreißen, gut und frisch.«
»Ach ja? Wo sind denn die Bäume?«
»Die habe ich schon ausgerissen.«
Der Kollege tippte gegen seine Stirn und ging weg. Ich lachte hinter ihm her.
Im Büro fand ich Suko vor. Der schaute mich an, als wäre ich ein Fremder.
»Guten Morgen.«
»Was heißt das denn?«
»Ausgeschlafen?«
»Abgebrochen.« Ich ließ mich auf den Schreibtischstuhl fallen und verrieb die letzten Tropfen im Nacken. »Tut mir schrecklich leid, aber es kam über mich.«
»Kennen wir.« Suko zeigte auf das Telefon. »Der Quälgeist hat wieder geläutet.«
»Na und?«
»Sir James will uns sehen.«
Ich winkte ab. »Soll herkommen, wenn er was will.«
»Klar, das wollte er schon, aber hier hob keiner ab.«
Ich mußte lachen. »Da war ich eingeschlafen und habe den Apparat zu lange klingeln lassen. Egal, jetzt bin ich wieder hier.« Ich stemmte mich in die Höhe. »Was will er denn? Hat er darüber etwas gesagt?«
»Eine Andeutung.«
»Und die wäre?«
»Van Akkeren!«
Ich schluckte, schaute Suko an, schluckte wieder und fragte: »Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Nein, es ging wirklich um ihn. Van Akkeren ist das Problem, um das wir uns kümmern müssen. Sir James scheint neueste Erkenntnisse zu besitzen. Wir sollten los.«
»Dein Wort in mein Ohr.«
Ich schlich hinter Suko her und stand wenig später im Allerheiligsten des Superintendenten. Sir James schaute mich an, ließ seine Augenbrauen über die Brillengläser langsam hochwandern und fragte mit scheinheilig klingender Stimme: »Sie fühlen sich doch nicht etwa schlecht, John?«
»Nein, Sir. Wie kommen Sie darauf.«
»Sie sehen müde aus.«
Suko, dieser Hundesohn, lachte und riß mich rein. »Da hätten Sie ihn mal vor einer Stunde sehen müssen, das war vielleicht lustig. Jetzt weiß ich wenigstens wie Johns Großvater ausgesehen haben könnte.«
Ich drohte ihm. »Du bist ein Kameradenschwein, bist du.«
Sir James nickte. »Wollen Sie ins Bett? Soll ich einen Arzt kommen lassen?«
Ich verdrehte die Augen. »Kinder, jetzt ist aber Schluß. Ich bin in zwei Stunden wieder fit.«
»Das wäre auch nötig.«
»Warum?«
»Da müßten Sie bereits auf dem Weg nach Deutschland sein. Dort wird Sie der nächste Fall hinführen.«
Ich schaute Sir James an, der blickte mir ins Gesicht. Beide schwiegen wir. Suko sagte auch nichts, sein Räuspern konnte man nicht als Worte bezeichnen.
»Deutschland also?«
»Ja.«
»Nicht die Niederlande?«
Sir James schüttelte seinen Kopf, bevor er die Brille wieder zurechtschob, die ihm durch die Bewegung verrutscht war. »Nein, er hat das Land gewechselt.«
»Weiß man denn, in welcher Stadt er gesehen wurde?«
Der Superintendent nickte. Er tat es sehr langsam. Wenn Sir James so reagierte und es spannend machte, dann lag immer einiges in der Luft.
Man weiß es, John. Man kennt die Stadt. Sie wird Neuland für Sie beide sein.«
»Und?«
»Leipzig!«
Ich sagte nichts. Suko lachte, und Sir James setzte sein Lächeln auf.
»Überrascht, John?«
»Mehr als das.« Ich fuhr durch mein Haar. »Aber warum nicht Leipzig? Die Grenzen sind offen. Der Sozialismus hat sich selbst in den Hintern getreten und über vierzig Jahre lang Eigentore geschossen. Und von Leipzig ging schließlich die gewaltlose Revolution aus, wenn ich mich nicht irre, oder nicht?«
»So ist es.«
»Und dort soll van Akkeren stecken?«
»Genau.«
»Glaubst du das, Suko?«
Mein Freund war gelassener geblieben. »Es ist auch für mich schwer vorstellbar.«
»Wer hat ihn gesehen, Sir?« Ich kam wieder auf den Kernpunkt zu sprechen.
Der Superintendent rührte in seinem Magenwasser herum, obwohl sich darin keine Kohlensäure befand. »Wie Sie wissen, haben wir eine internationale Fahndung ausgeschrieben. Die schloß auch beide Teile Germanys nicht aus. Nun ja, Sie werden in den Zeitungen gelesen haben, daß in der DDR die RAF-Terroristen verhaftet worden sind. Das Land ist durchlässig geworden, Informationen kommen heraus und gelangen auch hinein. Es lief alles hervorragend, und van Akkeren steht natürlich auf der Liste ganz oben. Er wurde gesehen, in Leipzig, in der Innenstadt, im Auerbach Keller. Das sagt Ihnen etwas, John?«
»Klar.«
»Dort wurde er jedenfalls gesehen.«
»Von wem?«
»Es war einer der Mitarbeiter dort drüben. Er heißt Erwin Mischke. Ein Mann um die Vierzig. Hier ist ein Bild von ihm.«
Sir James reichte uns eine gefaxte Aufnahme.
Wir hatten ihn noch nie zuvor gesehen und erkundigten uns, zu welcher Gruppe er gehörte, weil uns beiden ein bestimmter Verdacht gekommen war.
»Man spricht davon, daß er für den Stasi gearbeitet hat.«
»Ach ja? Früher oder …«
Sir James lächelte. »Alle haben doch nur früher für den Stasi gearbeitet, John. Es sind die berühmten Wendehälse. Wir sollten trotzdem unsere Vorurteile zur Seite stellen und uns auf diesen Mann verlassen. Ist das so richtig?«
»In unserem Sinne.«
»Gut, dann fahren Sie nach Leipzig und treffen Sie ihn im berühmten Auerbach-Keller.«
Suko, der schon vorher mit Sir James geredet hatte, als ich mich erholte, hatte noch eine Frage: »Sir, da war noch etwas von einem Mord, wenn ich mich nicht irre.«
»Stimmt.«
»Hat van Akkeren jemand umgebracht?« wollte ich wissen.
»Das ist uns nicht bekannt«, sagte Sir James. Aber in Leipzig ist ein ungewöhnlicher Mord passiert. Ob er mit van Akkeren in einem direkten Zusammenhang steht, das müßten Sie möglicherweise herausfinden. Eine junge Frau starb. Sie heißt Erika Meinhardt. Und sie starb, wenn man der Zeugin Glauben schenken soll, durch einen Schatten.«
»Was bitte?« Ich fuhr über mein Haar. »Ein … ein Schatten hat sie umgebracht?«
»So sieht es aus.«
»Wie das denn?«
Sir James hob die Schultern. »Wie gesagt, wir wissen nicht, ob Zusammenhänge bestehen, aber dieser ungewöhnliche Mordfall deutete eigentlich auf eine ebenso ungewöhnliche Tätigkeit hin. Suko und Sie sollten sich auch darum kümmern.«
Mein Freund nickte. »Schon verstanden. Ich soll mich also mit dieser Zeugin in Verbindung setzen.«
»Ja.«
»Wie heißt sie, Sir? Den Namen hatten Sie mir nicht gesagt.«
»Greta Schulz. Sie ist Ende Sechzig und hat in dem Haus gewohnt, in dem auch das Mordopfer lebte.«
»Und sie sah den Mörder?«
»Ja, den Schatten.«
Suko räusperte sich. »Nun ja, ältere Damen waren schon immer meine Spezialität.«
Ich grinste ihn an. »Verschluck dich nur nicht.«
Sir James sagte: »Ich würde meinen, daß Sie beide sich nicht verschlucken. Van Akkeren ist jemand, der keinen Spaß versteht. Leipzig wird er sich nicht grundlos ausgesucht haben. Er könnte dort einiges vorhaben, was uns überhaupt nicht gefällt.«
»Das befürchte ich auch, Sir«, sagte ich und drückte mich langsam in die Höhe.
»Finden Sie es heraus!«
Mit diesen Worten waren wir entlassen. Die Tickets lagen bereits auf dem Schreibtisch. Wir würden bis Frankfurt fliegen und dort in die Maschine nach Leipzig umsteigen. Es gab auch eine innerdeutsche Linie von West nach Ost und umgekehrt.
Suko hatte noch eine Frage. »Sollten wir nicht die Gasmasken einpacken?«
»Weshalb?«
»Ich habe mir sagen lassen, daß Leipzig furchtbar schmutzig ist. Die Luft dort …«
Ich winkte ab. »Wenn du eine so große Angst davor hast, kannst du dir ja ein Taschentuch über die Nase binden und den großen Western-Helden spielen …«
»Peng, peng«, sagte Suko und ließ mich kopfschüttelnd stehen.
Es war eben heute nicht mein Tag.
***
Der große Johann Wolfgang von Goethe und Leipzig. Die beiden gehörten einfach zusammen, denn Goethe hatte von 1765 bis 1768 als Jurastudent in Leipzig gelebt und dort seine Milieustudien betrieben, die ihn in zahlreiche Lokale geführt hatten, unter anderem auch in den Kaffeebaum, Leipzigs ältestem Kaffeehaus, und natürlich in den Auerbach-Keller, Grimmaische Straße Nr. 2. 1525 ist das Lokal von einem Medizinprofessor eröffnet worden, durch Goethes Faust kam es zu Weltruhm. Und natürlich auch durch den Dichter E.T.A. Hoffmann, der im Auerbach-Keller so manche Nacht durchzecht hatte und von schlimmen Visionen angefallen worden war. Er hatte nicht mehr die Realität von der Vision unterscheiden können. Im Rausch hatte er schlimme Dinge gesehen und erlebt, sie auch niedergeschrieben und seine schrecklichen Phantasiegestalten so aus dem eigenen Erleben geschaffen.
Der Komponist Jaques Offenbach hatte ihm eine Oper gewidmet, die berühmten Hoffmanns Erzählungen. Der erste Akt dieser Oper spielt im Auerbach-Keller. Er zeigt die Qualen und Leiden, die der Dichter Hoffmann durchmacht.
Das alles war mir bekannt, als ich Leipzig erreicht und mich von Suko getrennt hatte. Es war uns sogar gelungen, einen Wagen zu ergattern, keinen Trabbi, sondern einen Lada. Suko fuhr ihn und setzte mich am Hauptbahnhof ab. Von dort konnte ich zu Fuß gehen.
Ich kam durch die Goethestraße und passierte den prächtigen Bau der alten Oper. Gegenüber lag die Uni und in deren unmittelbarer Nähe auch die berühmte Nikolaistraße, die zur Quelle der unblutigen Revolution geworden war.
Erinnerungen, Geschichte, wohin man ging und schaute. Aber auch das, von dem ich bisher nur in unseren Gazetten gelesen hatte. Die verfluchte Luftverschmutzung!
Möglicherweise hatte ich auch Pech, denn an diesem Junitag meinte es die Sonne überhaupt nicht gut, denn sie hielt sich hinter einer dicken und tiefhängenden Wolkendecke versteckt. Auch kein Wind sorgte wenigstens für etwas frische Luft. So sammelten sich die Abgase unter und in den gelblichen Wolken. Es stank zur Hölle.
Schade um diese Stadt. Hier mußten Abermillionen hineingepumpt werden, um für eine Besserung zu sorgen. Die Menschen sollten wieder frei atmen können, sie sollten wieder Spaß am Leben haben und nicht zusehen müssen, wie ihre Kinder krank wurden. Ich drückte den Deutschen in West und Ost beide Daumen und noch mehr, daß sie es schafften!
Ich mochte das Volk, ich verstand seine Sprache, aber an den sächsischen Dialekt mußte ich mich erst gewöhnen. Er klang in meinen Ohren doch sehr fremd.
Nicht nur diesen Dialekt hörte ich. Leipzig war auch außerhalb der berühmten Messe einen Besuch wert. Das hatten zahlreiche Westler genutzt. Man erkannte sie an ihren Autos, an der Kleidung und an den Kameras, die ununterbrochen klickten, da konnten sie es sogar mit den Japanern aufnehmen.
Dann endlich erreichte ich den Auerbach-Keller, stand vor ihm, schaute hoch an der alten Gebäudefront und sah auch die Menschenmassen, die sich hier versammelt hatten.
Da unten im Lokal einen Platz zu bekommen, würde nicht einfach sein, das stand fest.
Ich versuchte es trotzdem und stand schließlich in einer Szenerie, die mich an eine Bühnendekoration erinnerte.
Decken- und Wandleuchten warfen ihr Licht auf die langen Tische, an denen die Männer und Frauen hockten, aßen, tranken, sich unterhielten, lachten und scherzten.
Hier war was los!
Nicht ohne Eindruck auf mich blieb auch die gewölbte Decke hoch über den Köpfen. Teilweise war sie bemalt worden, wie auch die Seitenwände. Wuchtige Malereien zwischen den breiten Intarsienarbeiten, die die Decke noch kostbarer machten.
Dieses Lokal besaß Atmosphäre. Da hatte sich noch etwas aus der früheren Zeit gehalten. Wenn ich die Augen schloß, glaubte ich die Stimmen der Sänger aus der Oper zu hören.
Vielleicht war ich zu sehr in einen Traum verfallen. Ein Ober stieß mich an und schaute böse.
»Gehen Sie doch aus dem Weg!« Er sprach ein breites Sächsisch und balancierte ein Tablett.
»Sorry, aber …«
Da war er schon weg. Ich stand im Trubel und dachte daran, daß für mich und meinen Informanten ein Tisch reserviert war.
Fragte sich nur, wo das hatte geschehen sollen?
Ich schaute mich um. In einer der zahlreichen Ecken, durch den Lichteinfall einer Laternenleuchte wie eine kleine Insel wirkend, war ein quadratischer Zweiertisch tatsächlich frei gehalten worden. Ich drängte mich dorthin und hörte, wie andere Gäste mit dem Ober schimpften, weil sie dort nicht sitzen durften.
Ich bückte mich und schaute auf das Schild, das in der Tischmitte stand.
Mischke/Sinclair, las ich.
Das war der Tisch.
Ich setzte mich. Der Stuhl besaß eine ziemlich hohe Lehne. Seine Polsterung ließ zu wünschen übrig, aber das machte mir nichts. In diesem Lokal nahm man diese Dinge gern in kauf.
Der Ober kam an, wie ein Geier flog. »Besetzt, reserviert!«
»Ich weiß.«
»Und?«
»Ich bin Sinclair!«
»Ja? Weisen Sie sich aus.«
Das war mir auch noch nicht passiert, machte gute Miene zum bösen Spiel und zeigte ihm den Ausweis.
»Ja, gut, dann kommt der andere noch.«
»Ich will es hoffen.«
Der Ober verschwand, ohne daß er eine Bestellung aufgenommen hatte. Ich dachte an Mischke, der wohl einiges zu sagen oder gute Beziehungen haben mußte, daß er es schaffte, hier einen Platz freigehalten zu bekommen.
Auf ihn war ich gespannt.
Ein anderer Ober fragte nach meiner Bestellung. Ich hatte Durst und Hunger, bestellte ein Bier und eine Bratwurst mit Sauerkraut.
Das Bier kam zuerst. Es schäumte in einem großen Krug. Ich trank einige Schlucke und schaute dem Trubel zu, der mich umgab. Fast ein Wahnsinn. Die Menschen kamen und gingen, sie saßen, tranken, sie schwitzten, denn die Luft stand. Hinzu kam der Rauch zahlreicher Zigaretten und Zigarren. Ich ließ das Jackett an, denn ich wollte nicht unbedingt meine Beretta präsentieren.
Der Ober schob mir den Teller mit der Bratwurst und dem Kraut vor die Nase, legte das klirrende Besteck hinzu und wünschte mir so etwas wie einen guten Appetit.
»Danke, den werde ich haben.«
Dann hetzte er zum Nebentisch, weil dort gezahlt werden wollte. Ich aß die Wurst, das Kraut, war damit beschäftigt und schaute erst auf, als ein Schatten über den Tisch und die Mahlzeit fiel.
Das war Erwin Mischke!
»Essen Sie ruhig weiter«, sagte er zur Begrüßung. »Wer weiß, ob das nicht die letzte Mahlzeit in Ihrem Leben ist.«
»Danke, Sie können einem Mut machen.«
»Ja, das gehört dazu.«
Der Senf schmeckte mir nicht besonders. Beim letzten Stück Bratwurst schaute ich Mischke kauend an.
Er war kleiner als ich, hatte schwarzes Haar, ein schmales Gesicht, flinke, dunkle Augen und Lippen, die aussahen, als wären zwei Messerrücken aufeinandergelegt worden, so schmal. Das dünne Haar wuchs ihm an den Seiten bis über die Ohren, sein Gesicht sah ungesund aus, als hätte er einige Jahre im Zuchthaus Bautzen gesessen. Der Anzug war unmodern, er saß viel zu eng. Eine Krawatte trug er nicht, dafür ein sehr blasses Strickhemd.
»Wie war die Fahrt?«
»Sehr gut.«
»Oder sind Sie geflogen?«
»Natürlich.«
»Hätten Sie doch gleich sagen können.«
Ich hob die Augenbrauen, zeigte mein berühmtes Stirnrunzeln und nahm sehr gemächlich die Serviette hoch, um mir die Lippen abzuwischen. Die Bratwurst war fett gewesen, von ihr würde ich bestimmt noch lange etwas haben.
»Sie sind nervös, Mischke.«
»Klar bin ich das.«
»Hat das einen Grund?«
Er rutschte auf der Stuhlfläche von einer Seite zur anderen, beugte sich dann vor und starrte mich an. »Klar hat das einen Grund, Sinclair. Überlegen Sie mal, weshalb Sie nach Leipzig gekommen sind.«
»Es geht um eine Tote.«
»Richtig. Und um ihren Mörder.«
»Was wissen Sie denn darüber?«
Das erfuhr ich zunächst nicht, denn der Ober fragte nach der Bestellung. Mischke entschied sich für ein Bier. »Ich weiß nicht viel, ich habe nur gehört, daß Sie ein Spezialist sind, der sich um bestimmte Fälle kümmert, die man schlecht einordnen kann.«
»Irgendwo stimmt die Definition. Aber sagen Sie mal, Mischke. Was machen Sie eigentlich? Sind Sie Polizist?«
Er grinste. »Was meinen Sie denn?«
»Keine Ahnung. Aber ich würde Sie eher in die Schublade Stasi hineinstecken.«
Mischke trank und hätte sich beinahe verschluckt. Das Wort Stasi gefiel ihm nicht. Hastig stellte er das Glas ab, wischte über seine Lippen. »Sind Sie verrückt, Sinclair, dieses Wort hier so laut zu sagen. Man ist allergisch dagegen, in Leipzig besonders.«
»Soll ich Mister Wendehals sagen?«
»Ist mir egal. Ich bin jedenfalls wertvoll. Auch heute noch. Ich könnte Ihnen den Weg zeigen. Sagen wir so: Ich bin kein Polizist und auch kein Stasi-Mann, aber ich habe Beziehungen zu beiden Stellen. Man hat mich immer da eingesetzt, wenn sich gewisse internationale Verwicklungen anbahnten.«
»Schön. Kommen wir zur Sache. Vincent van Akkeren.«
Mischke nickte. »Ja, um ihn geht es. Ich habe die Fahndungsfotos gesehen. Man hat mich eingeschaltet. Irgendwann muß man sich an mich erinnern.« Er holte eine Schachtel Zigaretten hervor, natürlich eine Westmarke.
»Sie auch, Sinclair?«
»Nein, nein, nicht jetzt.«
»Okay.« Er zündete das Stäbchen an. »Wie gesagt, dieser van Akkeren wurde gesehen.«
»Warum hat man ihn nicht verhaftet?«
»Da war er schon weg. Vielleicht hat man es auch nicht versucht. Da gab es eine ungewöhnliche Meldung. Man sollte London einschalten, hieß es. Das haben wir getan.«
»Und jetzt bin ich hier.«
Mischke trank einen sehr langen Schluck. »Dabei sind Sie nicht zu übersehen.«
»Was soll das denn heißen?«
»Nur so.«
Mir gefiel der Wendehals nicht. Ich wollte nicht unhöflich sein und blieb weiterhin freundlich. »Kommen wir zum Thema. Van Akkeren wurde gesehen. Wo?«
»Nicht hier im Keller.«
»Das habe ich mir gedacht. Wo dann?«
»In den Straßen der Stadt. Da wo auch die Hotels sind. Er fiel schon allein wegen seiner Kleidung auf. Sie sah düster aus. Außerdem fährt er einen Mercedes mit niederländischem Kennzeichen. Das alles haben wir gemerkt.«
»Wie heißt das Hotel?«
»Internation. Sie kennen die Dinger ja. Riesige Kästen mit Hunderten von Betten.«
Ich freute mich. »Das ist doch eine wunderbare Spur. Lebt van Akkeren dort noch immer?«
»Keine Ahnung.«
»Haben Sie nicht nachgeforscht?«
»Ja, aber er war nicht mehr da, glaube ich. Man sagte, daß er ausgezogen wäre.«
»Ach nein. Und wohin?«
Mischke grinste breit. Er hob seinen Bierkrug an und schluckte den Gerstensaft genußvoll. »Deshalb sind Sie ja hier, Sinclair. Sie sollen ihn finden.«
Ich schüttelte den Kopf. Irgendwie kam ich mir leicht verarscht vor. »Da es keine Spuren gibt, stolpere ich also durch eine mir fremde Stadt und schaue in jede Ecke, ob sich dort nicht ein gewisser Vincent van Akkeren versteckt hält.«
»Das nicht.«
»Dann geben Sie mir einen besseren Plan vor.«
Mischke gefiel der Klang meiner Stimme nicht. »He, seien Sie doch nicht so aggressiv.«
»Dafür sorgen Sie doch. Sie holen mich hierher, sind selbst Fachmann und sagen: Machen Sie mal.«
»Warum nicht?«
»Ich brauchte Fakten!«
Er schüttelte den Kopf. »Die gibt es nicht mehr. Van Akkeren ist ausgezogen.«
»Und Sie wissen auch nicht, wo er sich versteckt halten könnte. Haben Sie Nachforschungen betrieben?«
»Es blieb beim Versuch.«
Auch ich trank. »Dann kann ich also nur darauf hoffen, daß ich irgendwann einmal in einem von Menschen überfüllten Leipzig auf van Akkeren treffe.«
»Das wäre eine Möglichkeit.«
Ich schüttelte den Kopf. »So etwas glauben Sie doch selbst nicht, Mischke.«
»Ich bin nur Mittler.«
Ich schaute einer Touristengruppe nach, die im Gänsemarsch an unserem Tisch vorbeiging und vergeblich nach freien Plätzen Ausschau hielt. Die Gesichter der Menschen zeigten Unwillen, sie waren verschwitzt. Manche zeigten auch Wut.
»Da wäre noch etwas«, sagte ich.
»Und was?«
»Dieses tote Mädchen. Eine gewisse Erika Meinhardt.«
»Ja, die kleine Nutte hat es erwischt.« Mischke lachte bellend. »Ihr persönliches Pech.«
Mir gefielen die Worte nicht, mit der Mischke die Tote bedachte, ich sprach ihn allerdings nicht darauf an, sondern wollte etwas anderes von ihm wissen.
»Wieso stehen die Fachleute bei ihr vor einem Rätsel.«
»Sie wurde erdrückt, erwürgt, und zwar eiskalt. Als wäre das Blut gefroren.«
»Und es gab eine Zeugin, nicht?«
Mischke rückte mit seinem Stuhl zurück, bevor er die Beine schräg ausstreckte. »Die gab es in der Tat. Und sie hat von einem Schatten gesprochen, der das Mädchen killte. Glauben Sie das, Sinclair?«
»Ich halte es zumindest nicht für unmöglich, auch wenn es sich kaum erklären läßt.«
»Ein mordender Schatten? Ich weiß nicht, ich …« Er schaute zu Boden, weil er dort etwas entdeckt hatte. Vielleicht hatte er auch was verloren, jedenfalls nahm der Fußboden sein Interesse wahr. Er bewegte auch den Kopf nach rechts und links, suchte bei verschiedenen Stellen nach, machte mich mißtrauisch.
»Ist da was?«
Mischke richtete sich auf. Er hatte einen roten Kopf bekommen und nickte. »Ja, Sinclair, da habe ich was gesehen.«
»Was denn?«
Er öffnete den Mund, sprach aber noch nicht. Dafür veränderte sich der Ausdruck seiner Augen, denn so etwas wie Angst stahl sich hinein. »Es ist komisch«, hauchte er über den Tisch hinweg. »Aber da habe ich etwas gesehen.«
»Was denn?«
Er bewegte seine Augenbrauen. »Sie … Sie werden es kaum glauben. Einen Schatten.«
Ich lächelte nicht, obwohl mir danach zumute war. »Schatten gibt es hier genug. Jeder Mensch …«
Mischke winkte heftig ab. »Nein, nein, da war kein Mensch dabei. Sie … Sie verstehen mich nicht.«
»Der Schatten nur …«
»Genau, nur so.« Er lächelte und stand auf. »Pardon, aber ich habe eine schwache Blase. Bin gleich wieder da.«
»Gut.« Ich schaute ihm nach, als er in Richtung Toiletten marschierte. Natürlich dachte ich über den Schatten nach, über die tote Frau und wie sie ums Leben gekommen war. Hatte Mischke den Schatten hier tatsächlich gesehen? So recht nahm ich ihm das nicht ab. Es erschien mir einfach zu unwahrscheinlich. Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten, gerade hier im Keller. Da konnte man sich leicht täuschen. Hinzu kam die Atmosphäre, auch die Historie. Trotz des großen Betriebs konnte der Eindruck des Unheimlichen nicht unterdrückt werden. Mein Blick glitt über die bemalte und mit Intarsien bestückte Decke, über der sich der Rauch als dicke Wolken gesammelt hatte. Jeder Nichtraucher qualmte hier mit.
Plötzlich fühlte ich mich unwohl. Es war kein körperliches Unwohlsein. Mein inneres Alarmsystem hatte sich gemeldet.
Was war da?
Ich senkte den Kopf und schaute nach vorn, mitten hinein in den Betrieb, wo mir trotzdem etwas auffiel.
Es war ein Mann, der den Keller betreten hatte. Dunkel gekleidet, mit einem Hut auf dem Kopf. Da Schwarz schon seit Jahren eine Modefarbe war, fiel er hier nicht auf. Wenigstens den anderen Gästen und der Bedienung nicht.
Mir schon …
Dieser Mann, so langsam und locker er auch daherschritt, strahlte etwas aus, das mir nicht gefiel. Ihn umgab eine Aura, die bei mir einen leichten Schauer erzeugte. Obwohl er nicht in meine Richtung schaute, wurde ich das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden, und zwar allein von ihm.
Wer war dieser Mann? Ein Fremder? Ein Mensch, ein Dämon? Der Bote des Teufels?
Die Begriffe wischten durch meinen Kopf und vermengten sich zu einem wirren Brei an Gedanken und Vermutungen. Ich erinnerte mich an die Worte meines Gesprächspartners, und mir fiel auf, daß ich von ihm lange nichts gesehen hatte.
Zu lange?
Ich stand auf, gab dem Ober sicherheitshalber einen Schein, verzichtete auf das Wechselgeld und ging dorthin, wo Mischke verschwunden war. Auf halbem Weg schaute ich mich um.
Der Fremde stand neben einem Tisch, zudem im Licht, aber er warf keinen Schatten.
Ich blieb stehen, irritiert …
Keinen Schatten?
Menschen werfen Schatten, aber er nicht.
Ich hoffte, ihn noch bei meiner Rückkehr vorzufinden, denn gewisse Fragen hatte ich an ihn. Zuvor aber wollte ich die Toilettenräume aufsuchen, um mit Mischke zu reden.
Ich schlüpfte durch einen offenen Durchgang in die weiteren Gewölbe des Kellers.
Hier hallten die Stimmen der Menschen von den kahlen, aber bekritzelten Wänden wider. Kaum hatte ich die Tür zur Herrentoilette geöffnet, als ich den Schlag spürte.
Nein, keinen Schlag, es war eine eisige Berührung, die über meinen Körper hinweghuschte, auch das Kreuz berührte und es zum ›Brennen‹ brachte.
Unwillkürlich ging ich einen Schritt zurück, drehte mich um, schaute den Gewölbegang entlang und glaubte, etwas Dunkles über die rechte Wand hinweghuschen zu sehen.
Ein Schatten?
Ich wischte über meine Augen, schaute wieder hin, aber er war verschwunden.
Die Gefahr jedoch bestand. Nicht grundlos hatte mich das Kreuz durch sein Brennen gewarnt.
Im Moment nicht für mich, aber ich dachte an Mischke, und meine Sorgen wurden größer.
Ich huschte in den Toilettenraum. Der Waschraum war groß. Zahlreiche Becken bildeten an einer Wand eine Reihe. Das kalte Licht schimmerte auf dem rissigen Steinboden. Der Durchgang zu den Kabinen und Becken bildete eine Schwingtür, die ich aufstieß, in den Raum hineinlief und Mischke sah.
Er lehnte an der Wand gegenüber, bleich, unendlich bleich, und mein Herzschlag beschleunigte sich.
Mit wenigen langen Schritten war ich bei ihm. Er starrte mich an, sagte aber nichts.
Ich redete mit ihn, faßte ihn an. Das war genau das Falsche, doch es brachte mir den Beweis.
Mischke kippte nach links weg, wie eine Puppe, in der kein Leben mehr war.
Ich fing ihn auf und sah jetzt, daß ich einen Toten in den Armen hielt …
***
Die folgenden Sekunden dehnten sich zu kleinen Ewigkeiten. Der Druck im Magen wirkte wie ein Stück Dynamit, das jeden Augenblick gezündet werden konnte.
Ich kam mir so allein vor, dachte an den Schatten und an die dunkle Gestalt, die ich gesehen hatte.
Wohin mit dem Toten?
Es gab nur eine Möglichkeit, ihn zu verstecken. In einer der Toilettenkabinen.
Bevor andere Gäste kamen, schleifte ich ihn auf die letzte Kabine zu und zerrte die Tür auf. Wie ein Brett lag er in meinen Armen. Ich spürte, wie kalt er geworden war. Sein Blut schien sich in Eis verwandelt zu haben, das wiederum erinnerte mich wieder an das tote Mädchen, das ebenfalls so kalt gewesen war.
Hinsetzen konnte ich den Toten nicht, deshalb lehnte ich ihn in die Ecke, wo sich die beiden Wände von verschiedenen Seiten her trafen und er so einen gewissen Halt bekam.
Das mußte reichen.
Ich verließ die Kabine, schloß die Tür und hoffte, daß andere Gäste nicht gerade die letzte Kabine benutzen wollten. Zwei gingen durch andere Türen, als ich den Raum verließ.
Im Gang sah ich nur mehr die kahlen, grauen Wände, keinen Schatten, der unnormal darüber hinweghuschte, nur die der Gäste, die zu den Toiletten eilten.
Ich drängte mich in das Lokal, das mir inzwischen noch gefüllter erschien als zuvor. Da standen Gäste hinter anderen, die an den Tischen saßen, aßen, tranken und so bedrängt wurden, schneller zu verzehren.
Ich suchte den Schwarzen!
Zuletzt hatte ich ihn in der Nähe des Ausgangs gesehen, aber dort stand er nicht mehr.
Überhaupt war er nicht zu sehen. Der Mann mußte das Lokal verlassen haben.