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Die 71 Herrscherbiographien dieses Bandes – von Kaiser Karl dem Großen bis zum letzten österreichischen Kaiser Karl I. bzw. zum Deutschen Kaiser Wilhelm II. – umfassen einen Zeitraum von fast 1.200 Jahren. In diesen spiegelt sich die Geschichte des "deutschen Mitteleuropas" wider, das durch seine an sich nicht unproblematische Zentrallage in engen Wechselwirkungen und Beziehungen mit dem Westen (Frankreich, Benelux-Raum, Burgund), dem Süden ("Reichsitalien"), dem Osten (Preußen, Polen) sowie durch die Habsburger-Monarchie mit dem Balkanraum stand. In all diesen Ländern und Gegenden sind bis heute noch Spuren dieses Heiligen Römischen Reiches zu finden. Aus dem Blickwinkel des jeweiligen Herrschers die Geschichte eines bestimmten Raums bzw. einer Epoche zu beschreiben, ist durchaus legitim, denn der Monarch bestimmte zumindest die "Richtlinien der Politik", und nicht selten mischte er sich auch in Detailfragen ein. Politische Prozesse wurden und werden immer von politisch handelnden Personen angestoßen, beeinflusst und gestaltet.
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Seitenzahl: 322
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Dr. Gerhard Hartmann,geboren 1945, Studium der Theologie und Geschichte in Wien, Privatdozent für Neuere Kirchengeschichte an der Universität Graz, zahlreiche historische Veröffentlichungen, Verlagsgeschäftsführer in Deutschland.
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Die 71 Herrscherbiographien dieses Bandes – von Kaiser Karl dem Großen bis zum Deutschen Kaiser Wilhelm II. – umfassen einen Zeitraum von fast 1200 Jahren. In diesen spiegelt sich die Geschichte des »deutschen Mitteleuropas« wider, das durch seine nicht unproblematische Zentrallage in engen Wechselwirkungen und Beziehungen mit dem Westen, dem Süden, dem Osten sowie durch die Habsburger-Monarchie mit dem Balkanraum stand. In all diesen Ländern sind bis heute noch Spuren dieses Heiligen Römischen Reiches zu finden.
Dieser Band möge auch dazu beitragen, bei den Lesern Verständnis für die historische Entwicklung der europäischen Mitte zu wecken, um damit auch gegenwärtige politische Gegebenheiten aus ihrer historischen Genese heraus verstehen zu können.
Gerhard HartmannDie Kaiser
Gerhard Hartmann
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttps://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012Lektorat: Dr. Lenelotte Möller, SpeyerCovergestaltung: Nele Schütz Design, Münchennach der Gestaltung von Thomas Jarzina, KölnBildnachweis: Corbis, DüsseldorfeBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0241-3
www.marixverlag.de
VORWORT
DIE HERRSCHER DER KAROLINGERZEIT (800–911)
Ks. Karl I. der Große – Ks. Ludwig I. der Fromme – Ks. Lothar I. – Ks. Ludwig II. – Kg. Ludwig (II.) der Deutsche – Ks. Karl II. der Kahle – Kg. Lothar II. – Kg. Karlmann – Kg. Ludwig (III.) der Jüngere – Ks. Karl III. der Dicke – Ks. Arnulf von Kärnten – Kg. Ludwig (IV.) das Kind
DIE ITALIENISCHEN KAISER (891–928)
Ks. Guido von Spoleto – Ks. Lambert von Spoleto – Ks. Ludwig der Blinde – Ks. Berengar von Friaul
DIE HERRSCHER DER OTTONENZEIT (911–1024)
Kg. Konrad I. – Kg. Heinrich I. – Ks. Otto I. der Große – Ks. Otto II. – Ks. Otto III. – Ks. Heinrich II.
DIE HERRSCHER DER SALIERZEIT (1024–1125)
Ks. Konrad II. – Ks. Heinrich III. – Ks. Heinrich IV. – Ks. Heinrich V.
DIE HERRSCHER DER STAUFERZEIT(1125–1254)
Ks. Lothar III. – Kg. Konrad III. – Ks. Friedrich I. Barbarossa – Ks. Heinrich VI. – Kg. Philipp von Schwaben – Ks. Otto IV. – Ks. Friedrich II. – Kg. Konrad IV.
DIE ZEIT DES INTERREGNUMS (1254–1273)
Kg. Wilhelm von Holland – Kg. Richard von Cornwall – Kg. Alfons (X.) von Kastilien
DIE EPOCHE DER »SPRINGENDEN KÖNIGSWAHLEN« (1273–1437)
Kg. Rudolf I. – Kg. Adolf von Nassau – Kg. Albrecht I. – Ks. Heinrich VII. – Kg. Friedrich (III.) der Schöne – Ks. Ludwig III. (V.) der Bayer – Ks. Karl IV. – Kg. Wenzel – Kg. Ruprecht von der Pfalz – Ks. Sigismund
DIE EPOCHE DER HABSBURGER (1438–1806 BZW. 1804–1918)
Kg. Albrecht II. – Ks. Friedrich III. – Ks. Maximilian I. – Ks. Karl V. – Ks. Ferdinand I. – Ks. Maximilian II. – Ks. Rudolf II. – Ks. Matthias – Ks. Ferdinand II. – Ks. Ferdinand III. – Ks. Leopold I. – Ks. Josef I. – Ks. Karl VI. – Ks. Karl VII. Albrecht – Ks. Franz I. Stephan – Ks. Josef II. – Ks. Leopold II. – Ks. Franz II./I. – Ks. Ferdinand I. – Ks. Franz Joseph I. – Ks. Karl I.
DIE HOHENZOLLERN-KAISER (1871–1918)
Ks. Wilhelm I. – Ks. Friedrich III. – Ks. Wilhelm II.
DER WEG DES »DEUTSCHEN MITTELEUROPAS«
ANSTATT EINES LITERATURVERZEICHNISSES
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
PERSONENREGISTER
Die 71 Herrscherbiographien dieses Bandes – von Kaiser Karl dem Großen bis zum letzten österreichischen Kaiser Karl I. bzw. zum Deutschen Kaiser Wilhelm II. – umfassen einen Zeitraum von fast 1200 Jahren, und in ihnen spiegelt sich die Geschichte des »deutschen Mitteleuropas« wider. Dieser Begriff wurde 1982 vom Klagenfurter Historiker Helmut Rumpler eingeführt, um auf die über Jahrhunderte gewachsene historische Zusammengehörigkeit dieses Raums als eigenständige Geschichtslandschaft hinzuweisen und um einen Beitrag zur Lösung der schwierigen Nomenklatur zu leisten, die im Zusammenhang mit dieser »deutschen« Geschichte und den staatlichen Organisationen der einzelnen Reiche steht.
Die Geschichte dieses »deutschen Mitteleuropas« ist mehr als nur eine »deutsche« Geschichte. Denn durch seine an sich nicht unproblematische Zentrallage ergaben sich Wechselwirkungen, Einflussnahmen, Beziehungen usw. im Westen (Frankreich, Benelux-Raum, Burgund), im Süden (»Reichsitalien«), im Osten (Preußen, Polen) sowie durch die Habsburger-Monarchie im Balkanraum. In all diesen Ländern und Gegenden sind bis heute noch Spuren dieses »Kaisertums« bzw. »Reiches« zu finden, etwa die staufischen Bauten in Süditalien oder die allesamt ähnlich aussehenden Bahnhöfe, Theater- und Opernhäuser, Gymnasien und Finanzämter im Gebiet der ehemaligen k. u. k. Monarchie, um nur diese Beispiele zu erwähnen.
Betrachtet man die genealogischen Zusammenhänge dieser Herrscher näher, so verblüfft deren europäische Dimension. Innerhalb des christlichen Abendlandes gab es zwischen den Herrscherfamilien sehr oft wechselweise Verehelichungen, die praktisch dazu führten, dass fast alle hochadeligen Familien verwandt bzw. verschwägert waren. Dieser Umstand hat wesentlich dazu beigetragen, dass man zumindest in der führenden Oberschicht die Einheit des christlichen Europas als persönliche Realität erlebt hat. In den gegenwärtigen Zeiten der zunehmenden europäischen Integration und Globalisierung ist man davon eigentlich noch oder bereits weit davon entfernt.
Aber welchen Namen hatte dieses »Reich«? Der seit der karolingischen Zeit übliche Begriff regnum Francorum, Frankenreich, bzw. regnum Francorum orientalium, Ostfrankenreich, war bis weit ins 10. Jh., bis in die Zeit der Ottonen hinein, in Verwendung. Im 11. Jh. kam gelegentlich der Begriff regnum Teutonicum auf. Die wichtigsten Fürsten des Reiches wählten daher im Hochmittelalter primär einen rex (Francorum) auf fränkischem Boden (z. B. Frankfurt/Main), der erst später – aber zuerst nicht zwangsläufig – zum Kaiser gekrönt wurde. Die Wiederherstellung des (west-)römischen Kaisertums, die translatio imperii, zuerst mit Kaiser Karl dem Großen und dann dauerhaft mit Kaiser Otto dem Großen war ursprünglich eher auf die Person bzw. auf die Träger der Krone des regnum Francorum und nicht so sehr auf dessen geographisch definiertes Reich bezogen. Doch ließ sich in der Folge ein Rückgriff auf die Stadt Rom bzw. auf das alte Römische Reich nicht vermeiden, wie die Geschichte zeigt. So findet sich in einer Urkunde von Kaiser Otto II. aus dem Jahr 982 bereits die Bezeichnung Romanorum imperator, Kaiser der Römer. Gegen 1100 (siehe S. 68) entstand der Titel rex Romanorum, König der Römer bzw. römischer König, für den von den (Kur-)Fürsten gewählten König. d. h. den rex Francorum orientalium. Mit diesem Titel wurde auch der Anspruch des gewählten Königs auf die Kaiserkrönung dokumentiert. Spätestens ab Ks. Ferdinand I., wo automatisch im Augenblick des Regierungsantritts bzw. der Königswahl der Betreffende den Titel Kaiser annahm, wurde der Titel rex Romanorum für bereits zu Lebzeiten eines Kaisers und als dessen Nachfolger gewählte und gekrönte Könige verwendet, die dann beim Tod ihres Vorgängers, in der Regel der Vater oder ein anderer naher Verwandter, automatisch Kaiser wurden. Letztmalig gab es den Titel Roi de Rome für den Sohn Kaiser Napoleons I., den späteren Herzog von Reichstadt. Den Titel »deutscher König« gab es nicht, und der Titel »deutscher Kaiser« war erst gegen Ende des Heiligen Römischen Reiches umgangssprachlich in Gebrauch. Die Begriffe römisch-deutscher König bzw. Kaiser haben sich seit einiger Zeit in historischen Darstellungen der Einfachheit für den Leser halber durchgesetzt.
Die ursprüngliche sakrale, ja sogar sakramentale Ausstrahlung des Kaisertums verblasste zur Zeit der Salier im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Papst und Kaiser zunehmend, so dass unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa der Begriff sacrum imperium quasi als Ersatz eingeführt wurde. Aus dem Jahr 1254 ist erstmals der Begriff Sacrum Romanum Imperium, Heiliges Römisches Reich, abgekürzt S. R. I., belegt, der dann ab Kaiser Karl IV. regelmäßig verwendet wurde. Mitte des 15. Jh. tauchte dann der Zusatzbegriff nationis Germanicae, deutscher Nation, auch in offiziellen Dokumenten auf. Ab dem 17. Jh. ist gelegentlich vom Deutschen Reich die Rede. Der Begriff Deutschland wird erst richtig im 19. Jh. gebräuchlich (siehe z. B. das »Deutschlandlied«). Historisch-retrospektiv wird aber gemeinhin als Heiliges Römisches Reich jenes staatliche Gebilde bezeichnet, das mit der Kaiserkrönung Karls des Großen seinen Anfang nahm und was sich mit der geographischen Herausbildung des Ostfrankenreichs ab ca. 900 fortsetzte. Als durchaus machtvolles Reich hat es eigentlich erst mit Kaiser Otto I. richtig Bestand. Ab dem 13. Jh. beginnt der Prozess der Zurückdrängung der Königs- bzw. Kaisergewalt im Reich, das spätestens ab 1648 zu einem eigenen, souveränen Handeln kaum mehr fähig war und im Zuge des Umbruchs in der Napoleonischen Zeit im Jahr 1806 aufgelöst wurde.
In diesem Band werden alle jene Herrscher behandelt, die ab der Wiederbegründung des (west-)römischen Kaisertums im Jahre 800 diese Krone getragen haben; darüber hinaus auch alle ostfränkischen und dann in der Folge römisch-deutschen Könige (rex Romanorum), die keine Kaiser waren. Sinnvollerweise wird diese Reihe mit den jeweils drei österreichischen sowie Deutschen Kaisern ergänzt.
Der Ansatz, aus dem Blickwinkel des jeweiligen Herrschers die Geschichte eines bestimmten Raums bzw. einer Epoche zu beschreiben, ist durchaus legitim, denn der Monarch bestimmte früher zumindest die »Richtlinien der Politik«, und nicht selten mischte er sich auch in Detailfragen ein. Mit der zunehmenden Partizipation weiterer Kreise an der politischen Willensbildung traten seine Gestaltungsmöglichkeiten zurück. Aber für den Zeitraum bis 1918 besaßen die Monarchen trotz des im 19. Jh. beginnenden Konstitutionalismus und Parlamentarismus immer noch einen entsprechenden Einfluss, vor allem mit ihrer Prärogative in der Außen- und Sicherheitspolitik. Politische Prozesse wurden und werden immer von politisch handelnden Personen angestoßen, beeinflusst und gestaltet. Diese dann aus deren Perspektive zu beschreiben, ist insofern nicht nur angemessen, sondern auch faszinierend.
So möge dieser Band auch dazu beitragen, beim Leser bzw. der Leserin Verständnis für die historische Entwicklung der europäischen Mitte zu wecken, um damit vielleicht die gegenwärtigen politischen Gegebenheiten und Prozesse in Europa allgemein, sowie besonders im deutschen Sprachraum, aus der historischen Genese heraus verstehen zu können.
Kevelaer, im Jahr 2007, am Fest des hl. Markgrafen Leopold III. von Österreich, mit dem in zweiter Ehe Agnes, Tochter Kaiser Heinrichs IV., Mutter König Konrads III. und Großmutter Kaiser Friedrichs I. Barbarossa, verheiratet war.
Nach Chlodwigs Tod wurde das Reich unter seinen Söhnen bzw. deren Nachfahren in verschiedenen Varianten geteilt. Ab 558 unter Kg. Chlothar I. (498–561) war es dann wiederum vereint, wobei die drei Reichsteile (Neustrien, Austrien und Burgund) unter der Verwaltung von Hausmaiern (maior domus) bestehen blieben. Unter diesen gewann das Adelsgeschlecht der Pippiniden immer mehr an Bedeutung, die dann in der Folge die Macht der Merowingerkönige zurückdrängen konnten. Karl Martell (686–741), Sohn Pippins II. (635–714), konnte sich als Hausmaier schließlich im gesamten Frankenreich durchsetzen und mit seinem Sieg über die Mauren 732 bei Tours und Poitiers die islamische Gefahr bannen.
Dessen Sohn Pippin III. der Jüngere (oder auch der Kleine oder der Kurze genannt) (714–768) erreichte 751 bei Papst Zacharias (741–752), dass nun er zum Kg. der Franken erhoben werde und der letzte merowingische Schattenkönig Childerich III. (720–755) ins Kloster gehen müsse.
Aufgrund von Schwierigkeiten mit den in Norditalien siedelnden und herrschenden Langobarden begab sich Papst Stephan II. (752–757) im Oktober 753 ins Frankenreich und erbat von Pippin Schutz und Hilfe. Dieser versprach gleichzeitig dem Papst auch Gebiete in Mittelitalien (sog. Pippinsche Schenkung), dafür verlieh dieser Kg. Pippin den Titel Patricius Romanus, Schutzherr über die westliche Kirche. In zwei Feldzügen 754 und 756 wurde das Langobardenreich unterworfen und musste die Oberhoheit des fränkischen Königs anerkennen. Damit wurde der Grundstein für das oberitalienische »Reichsitalien« gelegt, d. h. in der Folge die Zugehörigkeit dieses Raumes zum Heiligen Römischen Reich. Dieser »deutsche« Einfluss in Oberitalien endete letztlich erst 1859/1866, als Österreich das Königreich Lombardei-Venetien abtreten musste. Der Papst erhielt damals die versprochenen Gebiete in Mittelitalien und legte damit den Grundstein des bis 1870 existierenden Kirchenstaats.
Gegen Ende der Regierungszeit Pippins umfasste das Frankenreich das Gebiet des heutigen Frankreich und der Benelux-Staaten und reichte im Nordosten bis an den Rhein, im Südwesten bis an den Lech (Herzogtum Alemannien), in der Mitte bis in das Gebiet von Hessen und Thüringen. Die »älteren« Stammesherzogtümer Bayern und Sachsen waren damals noch unabhängig.
Ks. Karl der Große wurde am 2. April 747 oder 748 geboren (Ort unbekannt). Seine Eltern waren Kg. Pippin III. der Jüngere (714–768) und Bertrada (um 725–783). Für Karl sind vier Ehefrauen und fünf Konkubinen bezeugt, deren Namen nicht mehr alle bekannt sind. Zu den bekannten zählt HILDEGARD (758–783), Tochter des fränkischen Gf. Gerold, die Karl um 771 ehelichte. Mit diesen Ehefrauen und Konkubinen (»Friedelehen«, darüber S. 29) sind 18 Kinder belegt, darunter Kg. PIPPIN DER BUCKLIGE (um 770–811), Kg. KARL (772/73–811), Kg. KARLMANN (später Pippin genannt) (777–810) und der Ks. LUDWIG DER FROMME (siehe unten).
Über die Kindheit und Jugend Karls des Großen gibt es keine sicheren Nachrichten. Der Vater Kg. Pippin der Jüngere dürfte seine beiden Söhne Karl und Karlmann (751–771) gleich behandelt und beabsichtigt haben, das Frankenreich unter ihnen aufzuteilen. Bei dessen Tod 768 wurden Karl und Karlmann fränkische Teil-Könige, und es zeigte sich bald, dass sowohl Karl als auch seine Mutter Bertrada Karlmann ausmanövrieren wollten. Mit dem plötzlichen Tod Karlmanns 771 veränderte sich die politische Lage, und es gelang Karl in der Folge rasch und endgültig, die Erbfolge in seinem Sinne und gegen die unmündigen Kinder Karlmanns zu lösen.
Karls des Großen gesamte Regierungszeit war von Kriegen geprägt. Der erste Feldzug galt den Langobarden, wohin die Witwe Kg. Karlmanns mit ihren Kindern geflohen war. 774 nahm Karl den Titel eines »Königs der Franken und Langobarden« an, 776 konnte die fränkische Herrschaft in Oberitalien gesichert werden, und nach weiteren Italienzügen 780/81 wurde das Langobardenreich nach fränkische Muster umorganisiert.
778 unternahm Karl einen Feldzug in das Gebiet südlich der Pyrenäen, das von den Mauren beherrscht war. Im August 778 kam es auf dem Rückmarsch in den Pyrenäen zur Katastrophe, als die Nachhut in Roncesvalles (nordöstlich von Pamplona) von den Basken überfallen und vollkommen vernichtet wurde. Das Rolandslied (Hruodland, Graf der Bretonischen Mark) hat diese Niederlage im Gedächtnis der Nachwelt erhalten. Erst 801 konnte Karls Sohn Ludwig das Gebiet bis zum Ebro erobern und die Spanische Mark errichten.
Für die weitere Geschichte des »deutschen Mitteleuropas« waren aber zwei andere Eroberungen wichtiger. Ohne Krieg konnte Bayern an das Frankenreich angegliedert werden. Es gelang, Herzog Tassilo III. (741–796) politisch zu isolieren, und er legte wie schon 757 im Jahr 787 neuerlich den Vasalleneid auf Karl ab. Unter dem Vorwurf, er hätte mit den Awaren paktiert, wurde er 788 gefangen genommen. Bayern kam unter die Leitung eines Präfekten, blieb aber als politische Einheit bestehen. Trotzdem war dies das Ende dieses »älteren Stammesherzogtums«. Da die Awaren ab diesem Jahr aus Pannonien kommend nach Bayern und Italien vorstießen, unternahm Karl 791 gegen diese seinen ersten Zug, der aber erfolglos blieb. Um – man würde heute sagen – die »logistischen« Voraussetzungen für weitere Awarenzüge zu haben, versuchte Karl, zwischen Main und Donau einen Kanal zu errichten, was jedoch aufgrund der damals mangelnden technischen Möglichkeiten alsbald scheiterte.
Bei weiteren Awarenzügen in den Jahren 795 und 803 gelang die endgültige Unterwerfung. 796 wurde die vorerst noch nicht dauerhafte bayrische Ostmark (östlich der Enns) errichtet. In diesem Zusammenhang entstand Karls Ansehen bei den slawischen Völkern Ostmitteleuropas, so dass in Abwandlung seines Namens Karl zum Begriff Herrscher bzw. König wurde (z. B. Krol, Král im Tschechischen, Király im Ungarischen).
Die zweite Eroberung betraf Sachsen. Abgesehen von Grenzkriegen, die es schon früher gegeben hatte, gab es zwischen 772 bis 785 und von 792 bis 804 mehrere Sachsenzüge bzw. Kriege, insgesamt also rund 25 Jahre. Karl der Große plante zum Unterschied zu seinen Vorfahren, ganz Sachsen zu unterwerfen und es durch die Christianisierung dem Frankenreich einzuverleiben. 772 rückte er mit einem Heer in das Gebiet von Engern (südlich von Paderborn). Die Eresburg wurde genommen, und die Irminsul, ein gewaltiger Baumstamm in einem heiligen Hain, wurde zerstört. Das stachelte die Sachsen 773/774 zum Gegenschlag auf. Doch der sächsische Adel war bereit, sich den Franken zu unterwerfen, womit die Einverleibung Sachsens möglich schien. 776 kam es in diesem Zusammenhang zu einer erzwungenen Massentaufe in Lippspringe. Ab nun wurde der Widerstand gegen die fränkische Fremdherrschaft und die Christianisierung von den freien Bauern unter der Führung des Adeligen Widukind (743–807) getragen. Dieser drang bis zum Rhein und bis nach Fulda vor. Im Gegenzug errichteten die Franken zahlreiche Stützpunkte in Sachsen, führten 782 die fränkische Grafschaftsverfassung ein und schafften die sächsische Verfassung ab.
Die Folge war ein heftiger Aufstand, Priester wurden erschlagen oder vertrieben, und ein fränkische Heer wurde 783 vernichtet. Karl musste nun selber eingreifen. Das sächsische Hauptheer wurde umzingelt, doch Widukind konnte entkommen. Bei Verden an der Aller wurden die Rädelsführer enthauptet, es wird von 4500 berichtet, was übertrieben sein dürfte. An dieser Episode hat sich später heftige Kritik an Karl entzündet (»Sachsenschlächter«).
Von der steten Festigkeit Karls bzw. der Franken gegenüber Sachsen beeindruckt kam der Sachsenführer Widukind 785 in die königliche Pfalz Attigny (Nordfrankreich) und ließ sich zusammen mit seinen engsten Gefährten taufen. Über sein weiteres Leben herrscht Ungewissheit. Ein letztes sächsisches Aufbäumen gab es noch in den Jahren 793 und 797. Dabei wurde die Pfalz Paderborn zerstört.
Nach den Eroberungen in Italien, Nordostspanien, Bayern und Pannonien (Pannonische Mark) sowie in Sachsen mit der Oberherrschaft über die slawischen Stämme östlich der Elbe war Karl der Große – mit Ausnahme des Kaisers in Konstantinopel – der mächtigste Herrscher der damals bekannten Welt, dessen Reich ca. 1 Million qkm umfasste. Es wunderte daher nicht, dass nach den Siegen über die Sachsen und Awaren von Karl bereits als imperator gesprochen wurde.
Im Jahr 799 wurde Papst Leo III. während einer Prozession in Rom gefangengenommen. Es gelang ihm aber, zu Karl nach Paderborn zu fliehen, der ihn mit sicherem Geleit nach Rom zurückbringen ließ. Nachdem Karl am Beginn seines Romzuges im Jahr 800 bereits mit kaiserlichen Ehren empfangen worden war, konnte es kaum überraschend sein, dass der Papst ihm während der Weihnachtsmesse die Kaiserkrone aufs Haupt setzte. Karls späterer Biograph Einhard (um 770–840) behauptet zwar, dass Karl nicht in die Kirche gegangen wäre, wenn er gewusst hätte, dass er zum Kaiser gekrönt würde. Doch ist zu bezweifeln, ob diese Aussage Karls tatsächlich seine Stimmung an diesem Tag wiedergegeben hat.
Die in der Folge dieser Krönung aufgetretenen Probleme und Auseinandersetzungen mit dem oströmischen Kaisertum in Byzanz endeten 812 mit dem Austausch von Friedensurkunden (Vertrag von Aachen), die einer gegenseitigen Anerkennung gleichkamen. Beachtenswert sind auch Karls Versuche, mit der muslimischen Welt in Kontakt zu treten. Zwei Gesandtschaften reisten 798 und 802 nach Bagdad zum Kalifen Harun ar-Raschid (um 763–809). Sie brachten einen Elefanten ins Frankenreich mit, der dort noch rund zehn Jahre lebte. Die zweite Gesandtschaft erreichte es auch, dass Karl die Verfügungsgewalt über das Grab Christi und den Schutz über die Pilger erhielt.
In der Regierungszeit Karls des Großen und seines Vaters Pippin als fränkischen Könige – also in der Zeit von 751 bis 814 – wurde die kirchliche Grundstruktur Deutschlands wesentlich ausgebaut. Dieser Prozess begann mit dem päpstlichen Missionsauftrag an den Angelsachsen Bonifatius/Winfried (672–754) im Jahr 719. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es im deutschen Sprachraum das teilweise bis in die Spätantike zurückreichende Erzbistum Trier sowie die Bistümer Köln, Mainz, Chur, Konstanz, Straßburg, Basel, Metz, Worms, Speyer und Säben (später nach Brixen verlegt) gegeben. Es handelte sich dabei praktisch nur um linksrheinische Bistümer, die im Lauf der Völkerwanderung ein oft wechselhaftes Schicksal erlebten. Im Jahr 739 wurden nun von Bonifatius die bayerischen Bistümer Salzburg, Regensburg, Freising und Passau errichtet. 742 wurden die Bistümer Würzburg und Erfurt (später mit Mainz vereinigt) gegründet. 777, 785 und 798 wurden Mainz, Köln und Salzburg zu Erzbistümern erhoben. 787 wurde das Bistum Bremen errichtet (864 mit dem Erzbistum Hamburg vereint), es folgten 799 Paderborn und Minden (in der Reformation untergegangen), 800 Osnabrück, 804 Halberstadt (in der Reformation untergegangen) und 805 Münster. Damit gab es im heutigen deutschsprachigen Gebiet des Frankenreiches zum Zeitpunkt Karls des Großen vier Kirchenprovinzen, wobei sich Mainz zweifelsohne als die bedeutendste zu entwickeln begann.
Ziel der fränkischen Karolinger schon vor Karl dem Großen war die Zurückdrängung, Abschaffung bzw. Einverleibung der »älteren Stammesherzogtümer« östlich des Rheins und die Errichtung einer fränkischen Grafschaftsverfassung an deren Stelle. Diese zentralistisch ausgerichtete Struktur, die auf die Hilfe eines Reichsadels baute, konnte zwar im Westen des Frankenreichs mehr oder minder durchgesetzt werden, nicht jedoch östlich des Rheins, wo sich noch erkennbare Reste dieser Herzogtümer erhalten und ab Anfang des 10. Jh. wieder entfalten konnten.
Karl der Große hatte in seiner Kindheit und Jugend wahrscheinlich keine adäquate Ausbildung genossen, bemühte sich aber später, diese nachzuholen und war lernbegierig. So versuchte er noch im Alter, Lesen und Schreiben zu lernen, und holte bedeutende Gelehrte an seinen Hof in Aachen, das er als Rom des Nordens betrachtete und ausbaute. Mit dem Namen Karls des Großen ist auch eine Reform der Schrift verbunden. Unsere heutige Druckschrift geht im Wesentlichen auf die karolingische Minuskel, die damals entwickelt wurde, zurück.
Betrachtet man eingangs dieser Biographie das Eheleben Karls des Großen, wird man schwer eine Übereinstimmung mit der katholischen Lehre finden können. Noch waren nämlich verschiedene germanische Vorstellungen (»Friedelehe«, siehe unten S. 29) präsent. Diese »unregelmäßigen Zustände« (Konkubinate) des Kaisers haben nach dessen Tod Kritik hervorgerufen. 18 Kinder sind namentlich bezeugt, es dürften aber weitaus mehr gewesen sein, so dass in neuerer Zeit die Ansicht besteht, dass ein großer Teil der Deutschen (und Österreicher) in sich die Gene Karls des Großen tragen dürften.
Wegen seiner zahlreichen erbberechtigten Söhne hatte Karl im Jahr 806 bestimmt, dass das Frankenreich, in mehrere Teilreiche aufgeteilt werden sollte. Wäre dies passiert, dann hätte die Reichsidee Karls schon relativ früh ein Ende gefunden. Doch es kam vorerst nicht so, denn seine drei ältesten Söhne, Pippin der Bucklige, Karl und Karlmann, starben alle um 810/811, so dass sich als einziger Erbe sein viertältester Sohn Ludwig durchsetzen konnte.
Relativ bald nach dem Tode Ks. Karls begann seine Heroisierung. Nach 70 Jahren erhielt er den Beinamen Magnus, »der Große«. Die Biographie Einhards sorgte dafür, dass das Bild Karls, so wie er es sah, der Nachwelt überliefert wurde. Deutschland und Frankreich (charlemagne) berufen sich auf ihn als »Ur-Monarchen«. Die jeweilige Kaiser- bzw. Königszählung beginnt mit Ks. Karl I. dem Großen, sie endet in Deutschland mit dem Wittelsbacher Ks. Karl VII. (siehe S. 163) und in Frankreich mit dem Bourbonen Kg. Karl X. (1757–1836).
Im Jahr 1165 wurde Karl der Große von Gegenpapst Paschalis III. auf Ersuchen Ks. Friedrichs I. Barbarossa (siehe S. 81) heilig gesprochen. Diese Kanonisation ist kirchenrechtlich nicht als vollgültig anzusehen, so dass seine Verehrung bzw. sein Kult auf den Aachener Raum beschränkt bleibt.
Einer Sage zufolge soll Karl der Große im Untersberg, zwischen Salzburg und Berchtesgaden, auf die Auferstehung warten. Alle hundert Jahre soll er aufwachen, und wenn er sieht, dass noch immer die Raben um den Berg fliegen, dann schläft er ein weiteres Jahrhundert. Eine ähnliche Sage gibt es auch für Kaiser Friedrich I. Barbarossa (siehe S. 83).
Während in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts Karl in Deutschland als »undeutscher« Herrscher abgewertet wurde, erlebte er nach 1945 eine idealisierte Renaissance im Zuge der Gründung der EWG 1957. In der Tat machte die damalige Sechsergemeinschaft (Frankreich, Deutschland, Italien, Beneluxstaaten) einen Gebietsumfang aus, der dem Reich Karls des Großen nicht unähnlich war. Auch wenn es historisch-kritisch sehr schwer ist, Karl für die europäische Integration als Vorbild zu instrumentalisieren, so ist dieser historische Rückgriff für die europäische Identitätsfindung doch durchaus von symbolischem Wert.
Ks. Ludwig I. der Fromme (Hludowicus Pius; in Frankreich Louis le Débonnaire, der Gutmütige, genannt) wurde am 16. 4. 778 in Chasseneuil bei Poitiers (Aquitanien) geboren. Seine Eltern waren Ks. Karl der Große und Hildegard (siehe oben). Er war zweimal verheiratet: ab 794 mit ERMENGARD († 818), einer Tochter des fränkischen Gf. Ingram, und ab 819 mit J († 843), einer Tochter des schwäbischen Gf. Wulf. Er hatte neun Kinder, darunter Ks. L I. (siehe unten), Kg. P (um 797–838), Kg. L D (siehe unten) und Ks. K II. K (siehe unten).
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