Die Katze, die sich in einen Berliner verknallt - Elke Seidel - E-Book

Die Katze, die sich in einen Berliner verknallt E-Book

Elke Seidel

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Beschreibung

Die clevere Katze Fritzi Kullerkopf trifft in ihrem achten Buch wieder mitten ins Herz ihrer Leserinnen und Leser. Wie schon zuvor verwebt Fritzi auch in ihrem neuen Band gekonnt und berührend die Einzelschicksale und Erlebnisse der Personen, die ihr im vergangenen Jahr begegnet sind. Mit ihrem außergewöhnlichen Talent zum Fabulieren erzählt sie kenntnisreich und im Plauderton - mit vielen Abzweigungen - aber ohne abzuschweifen. Nuancenreich reiht sie tatsächliche Begebenheiten und nicht ganz wahre Vorkommnisse wie impressionistische Bilder aneinander, voll von verschwenderischer Lust an sinnbildlichen Details. Mit philosophischen Betrachtungen über Gott und die Welt verwandelt Fritzi im wohldosierten Wechsel ihre eigenen Erfahrungen in ein Feuerwerk aus irren Gags, absurden Situationen und sympathischen Charakteren. Das Glück ist flüchtig, das weiß Fritzi schon lange. Doch unermüdlich sucht sie nach einer Möglichkeit, es in ihren Pfötchen festzuhalten und zu bewahren. Unsentimental und zugleich von tiefen Gefühlen geprägt, erzählt sie mit dunklem, pointiertem Humor ihre Geschichten von den Wechselfällen des Lebens und der Liebe. Man wird unwillkürlich hineingezogen in die von ihrer Ghostwriterin Elke wunderbar geschriebenen emotionalen Storys. Mit diesem Buch ist der Autorin wieder ein farbenprächtiges Kaleidoskop mit einem großen Lesevergnügen gelungen. Es ist einzigartig und zeitlos modern.

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Seitenzahl: 705

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Für Ursula Naruhn und Marlis Lemmle

Inhaltverzeichnis

Teil I

Die Katze, die zum Insel-Hopping an die deutsche Ostsee fährt

Über uns

Was in der Zwischenzeit geschehen ist

Fritzis neues Jahreshoroskop

Elke schmiedet Reisepläne

Fritzi und Elke planen den Besuch mehrerer Inseln

Fritzis neue wireless Apple Magic Mouse 2

Elke portraitiert Fritzi in verschiedenen Techniken

Fritzis Erinnerungen an das Theaterstück

Cabaret

im English Theatre

Der lange Weg an die Ostsee

Rügen, die unbekannte Insel

Wer die Nachtigall stört

Fritzi begegnet Yotta, einem Kater von der

Isle of Man

Eine Inselrundfahrt mit Bernd

Fritzi trifft Yottas Zwillingsbruder Giga

Die Insel Hiddensee, genannt

Capri der Ostsee

Stralsund und das Segelschulschiff Gorch Fock 1

Usedom, Deutschlands zweitgrößte Insel, genannt

Nizza der Ostsee

Abschied von Yotta

Teil II

Die Katze, die Herrenbesuch bekommt

Katrin aus Dresden sagt sich an

Fritzis bekommt Besuch von einem Kater

Fritzi, Icke, Katrin und Elke besuchen das Städel

Eine Stippvisite zur Gerbermühle

Im Goethe-Haus

Eine Maxi-Tour über das Vorfeld des Frankfurter Flughafens

Spaziergang durch den Palmengarten

Abendessen im Pak Choi in der Elbestraße

Zwei Ausstellungen in der Kunsthalle Schirn

Im Dom und auf der

Fressgass

Vor der Alten Oper

In der Goethestraße

Auf dem Maintower

Fritzis und Ickes vorab letzte gemeinsam verbrachte Nacht

Teil III

Die Katze, die zuhört, wenn Elke neue Geschichten vom Airport erzählt

Wenn Fritzis liebster Mensch nach der Arbeit nach Hause kommt

Elke erzählt ihrer Freundin Marlis neue Geschichten vom Flughafen

Fünf Liter Ölfarbe im Handgepäck

Eine Muschel, die zu einem Waschbecken umgearbeitet werden soll

Zwei gehörlose Damen aus Bilbao

Der kleine Amir aus Priština wartet auf seine Eltern

Dolores aus Puerto Plata strandet in Frankfurt

Für einige Erwachsene ist lesen und schreiben ein großes Problem

Die Schalterhalle ist kein Spielplatz

Nicht alles was man tragen kann darf als Handgepäck mit an Bord

Wie es kam, dass fremde Leute Fotos von Elke knipsten

Warum man im Kundenservice freundlich sein sollte

Herr Idriss Abou Weddeye und seine Gattin

Als Mitreisende auf einem ganz besonderen Flug in die Ukraine

Teil IV

Die Katze, die von ihren neuen Erlebnissen berichtet

Ein Tag auf der International Tattoo Convention

Fritzi, Joe und Elke schweben über den Reben

Fritzis Erinnerungen an den Besuch einer Heimtiermesse

Elke liest im

Freilichtmuseum Hessenpark

aus Fritzis Büchern vor

Über den Nutzen eigene Bücher zu schreiben

Fritzi überlegt, wo sich ihre Seele befindet

Ist Soul die Sprache der Seele?

Hygge, gepaart mit Happiness und Zufriedenheit

Elke hat Probleme mit dem Einschlafen

Besuch von Elkes Kolleginnen

Was man außer Mut braucht, um etwas zu verändern

Fritzis Gedanken über Rache und Vergeltung

Mitbringsel und Souvenirs aus diversen Urlauben

Das merkwürdige Verhalten einiger Zweifüßer

Fritzis Gedanken über Fairness, Teamfähigkeit und soziales Verhalten

Fritzis Oberbekleidung und ihre Vibrissen

Gedanken über die Modifizierung der Inhalte zukünftiger Storys

Fritzi überlegt, ob sie sich für ein Fernstudium einschreiben soll

Die traurige Lebensgeschichte von Kaspar Mauser

Fritzi denkt über ihr zukünftiges Glück nach

Wie das ideale Personal für Katzen aussehen sollte

Fritzi möchte Influencer und Bloggerin werden

Mit Lieselotte auf der Ambiente, einer Lifestyle Messe

Laut Google gibt es im Umkreis von Frankfurt neun Taunus-Kliniken

Elke wird in der S-Bahn des Schwarzfahrens beschuldigt

Schwierigkeiten beim Nachweis der Gültigkeit von Elkes Jahresticket

Die verhinderte Fahrt in die Neurologische Reha Klinik in Falkenstein

Post von Frau Annabell Sommer, Mitarbeiterin der Deutschen Bahn

Teil V

Die Katze, die über Polen nach Sachsen fährt

Fritzi und Elke schmieden erneut Urlaubspläne

Mit Bernd und Heinz auf dem langen Weg nach Breslau

Unser neuer Guide heißt Jurek

Im Restaurant Karczma Bida

Fritzi entdeckt außerhalb von Gleiwitz den Schlesischen Eiffelturm

Besuch in Nikiszowiec, einem Vorort von Kattowitz

Krakau, die ehemalige Königsstadt an der Weichsel

Auf dem Rynek Glówny, dem Marktplatz

Auf der Wawel-Anhöhe

Die Sage vom Drachen Smok

Eine Bootstour auf der Weichsel

Fritzi und Elke erkunden die Innenstadt

Im unterirdischen Museum

Rynek Underground

Scherben bringen Glück

Der Besuch im Café Camelot

Fritzi und Elke laufen auf der

Straße der Könige

zum Wawelhügel

Die Geschichte vom treuen Hund Džok

Fritzi und Elke besichtigen Kazimierz

Eine Wallfahrt nach Tschenstochau

Freizeit in Oppeln

Auf die Schwarze Madonna von Tschenstochau ist Verlass

Beim Gedanken an Icke hat Fritzi gemischte Gefühle

Eine interessante Stadtführung mit Claudia durch Dresden

Fritzi und Elke warten auf Katrin

Die Fahrt nach Mobschatz

Fritzis Rendezvous mit Icke

Nachwort

Vorwort

Ich, Fritzi Kullerkopf, finde es äußerst ungerecht vom Schicksal, dass ich mich fast täglich damit abmühe, neue Geschichten aufs Papier zu bringen, die von den Zweifüßern kaum zur Kenntnis genommen werden und auch nur wenige von ihnen zu interessieren scheinen.

Es wird allerhöchste Zeit, endlich als Nachwuchsautorin von der lesenden Bevölkerung meines Heimatlandes wahrgenommen und beachtet zu werden. Mit jeder Faser meines Herzens wünsche ich mir, dass meine Bücher von den Literaturkritikern auf den Kulturseiten der wichtigen Tageszeitungen als kleine Meisterwerke der Erzählkunst erwähnt werden. Nicht nach meinem Ableben sollen meine Werke gelesen werden - sondern jetzt! Und zwar ein bisschen dalli!

Mit einem gelegentlichen Verriss in einem Feuilleton könnte ich vielleicht leben. Jedenfalls würde es mir zeigen, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, meinen neuen Roman bis zum Ende zu lesen.

Ich bin recht ehrgeizig und schreibe meine Geschichten so treffend und klug wie ich es nur kann. Meine Leser*innen haben später die Wahl zu entscheiden, ob etwas Brauchbares dabei herausgekommen ist oder eher nicht. Dazu müssten sie aber zuerst einmal wissen, dass es mich als schriftstellernde Katze überhaupt gibt und ich eine Autorin bin, die zahlreiche Bücher mit noch mehr Kapiteln geschrieben hat. Nichts ist für eine sensible Person (wie ich eine bin) schlimmer und demütigender, als von der Allgemeinheit übersehen und einfach ignoriert zu werden.

Wenn ich die Verkaufszahlen meiner Bücher betrachte, müssten eigentlich bei mir fortan tiefe Traurigkeit und depressive Verstimmung Hand in Hand oder zutreffender Pfote in Pfote gehen. Aber von Natur aus bin ich eine Zweckoptimistin und denke mir beim nächsten Buch wird alles anders.

Ich schreibe für Leserinnen und Leser, die ich eines Tages vielleicht selbst einmal kennenlernen werde, für Leute aus meiner Gegenwart und meiner Generation. Meine Geschichten tippe ich nicht für den Nachwuchs, der vielleicht noch nicht geboren ist. An die Personen, die nach mir kommen, verschwende ich derzeit keine Gedanken.

Möglicherweise gibt es im nächsten Jahrhundert gar keine Bücher mehr. Dann erzählt vielleicht ein Extraterrestrischer oder ein Nachfahre der virtuellen Assistentinnen namens Alexa oder Siri auf Zuruf, Fingerschnipsen oder Pfötchen zusammen klatschen den Kindern Gute Nacht Geschichten, die auf einem heute noch nicht erfundenen Chip oder Stick gespeichert sind. Wer weiß das schon.

Wenn ich nicht gut oder zu wenig geschlafen habe, sind meine Geduld und mein Selbstbewusstsein fragil und nicht besonders belastbar. Ehrlich gesagt, ich giere nach Anerkennung. Verbal und schriftlich ausgesprochenes Lob ist für mich ein Streicheln mit Worten. Ernstgemeinte Ermutigungen machen mich für eine Stunde lang so high wie ein brandneues Catnip-Mäuschen. Gegen den ständigen Zweifel, der mein literarisches Schaffen begleitet, wirkt Beifall auf mich wie ein Esslöffel Baldriantinktur, die mich gleichzeitig euphorisch und wuschig im Kopf macht.

Für mich ist das Schreiben meiner Geschichten ein Balanceakt zwischen Selbstzweifeln und Entschlossenheit.

Gern würde ich über verzehrende Leidenschaften und verhängnisvolle Affären berichten, über hinterhältige Verschwörungen und blutige Racheakte, über vernichtende Tragödien und brutale Niederlagen. In aller Ausgiebigkeit kann man heute noch, in zahlreichen von den alten Griechen verfassten und überlieferten Schriften, über das Panoptikum der damaligen Heldinnen und Helden lesen. Damit von den zeitlosen Dramen des Daseins nichts in Vergessenheit gelangt und sie noch lange lebendig bleiben, spielt man die Tragödien auch weiterhin auf vielen Theaterbühnen. Obwohl eigentlich der Wandel der Sinn des Lebens ist, hat sich bei den großen Themen bisher nicht viel geändert. So bleibt kaum etwas Neues für mich übrig, über das ich in meinen Geschichten berichten kann.

Mächtig irritieren würde es mich, wenn die Themen, über die ich in meinen Storys erzähle, keine Menschenseele mehr interessiert. In meinem Leben passieren fast ständig kuriose Begebenheiten, die mich auf die allerschnurrigsten Ideen bringen. Einfälle habe ich so viele wie im Sommer Kirschen an einem Kirschbaum hängen. Dann denke ich mir Viel hilft viel. Sollen sich doch meine Leserinnen und Leser herauspicken, was ihnen gefällt. Ob ich damit richtig liege weiß ich nicht. Vielleicht hätte ich ein paar meiner hier gedruckten Storys aus dem Inhaltsverzeichnis entfernen und sie im Zwischenspeicher unseres Äppels als Reserve auf Halde legen sollen. Dann könnte ich sie kommendes Jahr in meinem nächsten Roman einfügen, wenn ich an einer Schreibblockade leide und mir tagelang nichts Tippenswertes einfällt. Aber ehrlich gesagt, in keinem Alter sollte man allzu Vieles auf später vertagen oder in die Zukunft verschieben, denn niemand von uns weiß mit Sicherheit, ob er oder sie diesen Zeitpunkt noch erleben wird.

Also, wenn dir eine meiner Geschichten im hier vorliegenden Buch nicht gefällt oder dich nicht interessiert - dann mach dir deshalb keinen Stress. Überblättere sie einfach und fang weiter hinten an einer anderen Story an!

Nein, ich bin nicht everybodys Darling (jedermanns Liebling). Das ist auch nicht mein Bestreben. Meine Bücher müssen nicht allen Personen gefallen. Ich bin eine Geschichtenerzählerin und rücke in meinen Storys meinen Lieblingsmenschen und mich ins Rampenlicht. Elke gehört zu meiner Sippe, auch wenn wir nicht blutsverwandt sind. Zusammen sind wir ein gutes Team. Allein auf mich gestellt würde ich gut durchs Leben kommen - was ich von meiner Dosine bezweifele. Sie ist oft ein bisschen zerstreut und dösig, aber sie hat ja mich. Ich kümmere mich um die wichtigen Dinge in unser beider Leben, indem ich dafür sorge, dass wir im Urlaub den Weg zurück zu dem jeweiligen Hotel finden, wahlweise zum Busparkplatz oder zum Treffpunkt mit unserer Gruppe.

Für mich ist jedes meiner neuen Bücher eine Abenteuerreise, in der ich anfangs nicht weiß, wo sie hinführen wird. Sie ist auch eine Liebeserklärung an meine treuen Leserinnen und Leser. Schon seit Jahren folgen sie mir zu meinem jetzt hier vorliegenden Buch. In unserer schnelllebigen Zeit ist das recht ungewöhnlich. Darauf bin ich richtig stolz, schließlich lautet mein Familienname weder Tolstoi noch Schiller, sondern Kullerkopf.

Erfolg ist oft flüchtig, damit muss jeder Autor rechnen. So wie es eine Zeit vor Fritzi Kullerkopf gab, wird es irgendwann auch eine Zeit danach geben.

Meine Bücher sind keine Produkte, die im Akkord und über Nacht entstanden sondern in Etappen über einen langen Zeitraum hinweg. Mein Ziel ist es nicht zu belehren, zu verbessern oder zu berichtigen, sondern kurzweilig zu unterhalten und Langeweile zu vertreiben. Sollte es mir gelingen, dass sich bei dem einen oder anderen meiner treuen Fans eine Bewusstseinserweiterung einstellt, würde mich das allerdings sehr freuen und zufrieden machen.

Zu gern würde ich freitags in den späten Talkshows der dritten Programme mein Gesicht in alle Kameralinsen halten. Ich bin ein Frauentyp, obwohl ich selbst ein Weibchen bin. In meinen Tagträumen stelle ich mir vor, wie mich Bettina Böttinger, Judith Rakers oder Barbara Schöneberger interviewen und mich nach meinem Werdegang zur gefeierten Autorin befragen. Nonchalant würde ich dann mit interessanten Anekdoten kontern und witzige Bonmots von mir geben. Gern würde ich mich am Schluss der Sendung mit meinen Anhängern aus dem Publikum knipsen lassen und ihnen Autogrammkarten mit meinem Pfotigramm überlassen. Ja, das wäre so richtig nach meinem Geschmack.

Schlussendlich möchte auch ich nicht vom Glück übersehen werden und eine Auszeichnung oder einen Preis ergattern. Es muss ja nicht gleich ein ausgewachsenes güldenes Bambi sein. Ich würde auch ein winziges Kitz nehmen, aus polierter Bronze. Jedenfalls für den Anfang.

Lass dir von mir sagen, dass wir Schnurrbacken ähnlich denken und fühlen wie unser Personal. Wir sind erfindungsreich und versuchen des Öfteren (nicht immer erfolgreich), uns Zweifüßern verständlich zu machen.

Meine manchmal unglaublichen, aber wahren Geschichten handeln von Vertrauen, Empathie, Freundschaft und auch von Liebe, zueinander und untereinander.

In meinem hier vorliegenden achten Buch geht es um Selbstbehauptung, um eigene Identität, um Freundschaft zu anderen Lebewesen und um die Suche und das Finden des persönlichen Glücks.

Frankfurt, im Frühling 2020

Teil I
Die Katze, die zum Insel-Hopping an die deutsche Ostsee fährt
Über uns

Als meine Dosine neulich am Telefon zu unserer Freundin Marlis aus Wolfsburg sagte, sie würde in letzter Zeit immer öfter versuchen von überlieferten Traditionen loszulassen und nicht mehr mit aller Kraft auf ihrem Recht zu beharren, erstaunte mich das sehr. Sie würde auch nicht mehr erbittert um eine bestimmte Sache kämpfen, meinte sie, denn in ihren Augen lohne es sich oft nicht, nutzlos Energie zu verpulvern. Darin unterscheiden Elke (mein liebster Mensch) und ich uns gravierend voneinander. Was mir gehört ist mein Eigentum; das ist so klar wie Kloßbrühe. Meinen mühsam erkämpften Besitz will ich unbedingt bewahren und selbst behalten. Mit all meiner Kraft verteidige ich ihn. Sollte sich noch ein klitzekleines leeres Eckchen in meinem Magen befinden, käme es mir nicht in den Sinn, einen von mir gefangenen Graupelz loszulassen, um ihn einer fremden Person zu schenken. Auch ihn als Futterspende - noch ganz warm, fast unversehrt im Ganzen und aus erster Hand - einer anderen Schnurrbacke zu überlassen, ist für mich schlichtweg indiskutabel, inakzeptabel, absolut absurd und auch widernatürlich.

All den Besitz, den meine Sozialpartnerin in unserer Wohnung angehäuft hat und dort seit Jahrzehnten hortet, gehört natürlich auch mir. Schließlich haben wir bei meinem Einzug in mein jetziges Domizil keinen schriftlichen Adoptionsvertrag (ähnlich dem eines Ehevertrags) abgeschlossen. Elke und ich teilen uns den Wohnsitz, denn wir leben in einer WG zusammen. Zu unserem Apartment mit den beiden Balkons gehören noch ein Lattenverschlag im Keller und ein geräumiges Kabuff auf dem Dachboden. Die sind natürlich bis unter die Decke mit allerlei Sachen gefüllt, die wir derzeit nicht griffbereit in unserer Wohnung benötigen.

*

„Besitz allein macht nicht glücklich“, sagte mein liebster Mensch neulich zu mir, als sie sich auf dem Sofa neben mich setzte und mich von dem Samtkissen herunter schubste, auf dem ich mich zum Chillen ausgestreckt hatte.

„Im Gegensatz zu dir brauche ich nur ein Kissen, um mit mir und der Welt im Einklang zu liegen“, miaute ich angesäuert, als sie sich hinlegte. „Du brauchst dazu anscheinend fünf.“

Wir einigten uns auf einen Kompromiss. Ich überließ ihr mein Kissen und kuschelte mich stattdessen in die Kuhle ihrer Kniekehlen. Anschließend breitete sie eine Flauschdecke über uns aus und gut war’s.

Bisher erlebte ich unterschiedlich kurze Phasen von echtem Glück, das seltener als Gold zu sein scheint. Auch wenn es schon lange her ist, erinnere ich mich daran, dass ich einst flüchtige Augenblicke im Stadium des wunschlos-glücklich-seins erlebte. Manchmal denke ich darüber nach, dass mein Leben höchstwahrscheinlich ganz anders verlaufen wäre, wenn mich meine Mutter, meine Geschwister und meine ersten Menschen nicht versehentlich bei ihrem Umzug in einen Nachbarort in unserem Garten zurückgelassen hätten. Entweder war es Schicksal oder einfach nur ein dummer Zufall, dass sich seinerzeit mein Lebensweg von dem meiner Familie trennte und mich in eine andere Richtung führte. So akribisch und ausdauernd ich sie damals auch suchte, meine Mama und zwei meiner Geschwister traf ich erst eine lange Zeit später wieder, als ich bereits erwachsen war und sie mich unterdessen schon fast vergessen hatten. Der großen Katzenfee sei gedankt, dass meine Verwandten wohlauf und bei bester Gesundheit waren.

‚Was dich nicht umbringt, das macht dich stark’, waren früher die Worte meiner klugen Mutter gewesen, wenn ich oder einer meiner sieben Wurf-Geschwister wegen einer Lappalie weinend zu ihr liefen, um getröstet zu werden.

Meinen Erzeuger lernte ich nie kennen, denn er besuchte meine Mutter nur nachts, wenn wir Kinder bereits schliefen. Einmal wachte ich von dem Lärm auf, als sich meine Eltern lauthals stritten. Ich weiß nicht was der eigentliche Anlass war, aber meine Mama schrie ganz laut, sie wünschte sich, seine andere Frau und deren Kinder würden von der großen Katzenfee oder vom Teufel geholt werden. Ich verstand nicht ganz was um mich herum vor sich ging. Instinktiv versuchte ich mich unsichtbar zu machen, petzte meine Augen fest zu und presste meine Pfötchen über die Ohren. Vor Angst schien mein Herz jeden Moment in Stücke zu zerbrechen. Wie ein Metronom hörte ich laut meinen Pulsschlag in den Ohren klopfen. Ich traute mich kaum zu atmen und hielt die Luft an so lange es ging. Trotzdem bekam ich mit, dass sich meine Eltern heftig prügelten. Lauthals kreischten beide Beschuldigungen, die man bestimmt bis hinaus auf die Straße hören konnte. Mit überschnappender Stimme schrie meine Mutter: ‚Du charakterloser Bezirksbesamer! Du perverser Lustmolch! Verschwinde umgehend aus meinem Leben! Mach dich unsichtbar du notgeiler Frauenverderber! Du krimineller Triebtäter!’

‚Nichts lieber als das!’, erwiderte der Kater, der wohl mein Vater war. ‚So eine rollige Schlampe wie dich finde ich an jeder Hausecke!’

Dann klatschte es mehrmals. Meine Mama schrie ganz laut. Plötzlich herrschte Stille, denn mein Erzeuger hatte uns auf Nimmerwiedersehen verlassen. Von dem Moment an gab es keine nächtliche häusliche Gewalt mehr, denn meine Mutter brachte meine Geschwister und mich allein über die Runden.

Ein privates Glück in einer funktionierenden Beziehung blieb für meine Mama und uns Kinder weiterhin ein Fremdwort. Aber was man nicht kennt, das vermisst man auch nicht wirklich. Meine Eltern hatten überdeutlich gezeigt, dass manchmal nur ein ganz schmaler Grat zwischen blinder Liebe und abgrundtiefem Hass liegt. Für mich war das alles unerklärlich, irgendwie auch schwindelerregend und höchst beängstigend. Diese Erfahrung verfolgte mich noch sehr lange, obwohl ich gar nichts für die unüberbrückbare Trennung meiner Eltern konnte. Als ich meine Mama eines Tages nach dem Verbleib meines Papas fragte, und warum sie uns allein großziehen würde, erwiderte sie achselzuckend, dass keiner von uns Kleinen an der familiären Misere schuld wäre. Das Leben sei wie eine Wundertüte; man wisse bei keinem Partner im Voraus, was als Nächstes passieren würde.

*

Obwohl ich als kleines Kind kurz darauf von meinen gesamten Bezugspersonen verlassen wurde, ließ ich mich nicht unterkriegen. Ich nahm große Strapazen und auch Obdachlosigkeit auf mich, als ich mich mutterseelenallein auf den Weg machte, sie zu suchen. In der kommenden Zeit hatte ich das Glück, mehrmals Zweifüßern zu begegnen, die mich mit etwas Essbarem versorgten, bis ich in der kleinen Grünanlage am Eisernen Steg Elke traf, meinen jetzigen Lieblingsmenschen. Sie nahm mich mit zu sich nach Hause und adoptierte mich. Seitdem wohne ich im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen im Hasenpfad 10 in einem weißen Haus. Der Name der Straße ist irreführend, denn hier sah ich noch nie einen Feldhasen oder gar ein Wildkaninchen vorbei hoppeln.

Wenn man von der Straße kommt, muss man zuerst durch einen winzigen Vorgarten gehen, um zu unserer Eingangstür zu gelangen. Was man von dort aus nicht sehen kann, ist ein hinter dem Haus gelegener verwinkelter Garten. Eigentlich ist es nur ein umzäuntes Stück Rasen mit zwei großen Linden, ein paar Sträuchern und einem Quittenbaum. Manchmal lässt mich Elke ein paar Minuten in den rückwärtigen Garten, damit ich mir die Beine vertreten und meine Lunge lüften kann.

Mit Elkes Mitbewohner, dem Kater Rüdiger, hatte ich erneut Bonheur, denn er jagte mich nicht vor Eifersucht und Neid prügelnd davon. Nein, er mobbte mich auch sonst nicht, ganz im Gegenteil. Anfangs duldete er mich nur, aber in den folgenden Wochen gewöhnte er sich an meine Anwesenheit. Ganz langsam, man kann auch sagen im Zeitlupentempo verliebte er sich in mich. Wir verbrachten sogar mehrere Urlaube zusammen, fuhren gemeinsam an Nord- und Ostsee und flogen auf die Insel Kreta im fernen Mittelmeer.

Selig vor Glück war ich, als ich kurz darauf von einem Talent-Scout als Charakter-Darstellerin entdeckt wurde, und bei einem Casting für einen Spielfilm eine kleine aber äußerst wichtige Rolle ergatterte. Leider verglühte mein kurzer Ruhm als talentiertes Nachwuchs-Sternchen allzu bald in einer Art Strohfeuer, denn weitere Rollenangebote blieben aus.

Als Ausgleich dafür krönte im Frühjahr darauf das Schicksal Rüdigers und mein privates Glück mit der Geburt unserer Welpen Murmelkopf, Klickerkopf, Marlon und Leroy. Wir wurden Eltern von gesunden und hübschen Vierlingen. Es waren zwei intelligente zartgliedrige Mädchen mit runden Köpfen und Pausbacken und zwei kräftige Lausbuben, mit deren Erziehung ich alle Hände voll zu tun hatte. Den ganzen Sommer über trug ich schwer an der Verantwortung und der Sorge um unseren Nachwuchs, denn Rüdiger hielt sich aus jeglicher Erziehung, Prägung und frühkindlicher Bildung heraus. Allzu schnell verging die Zeit bis zum Herbst. Dann zogen unsere Kinder von daheim aus, um bei anderen Zweifüßern ihr weiteres Leben zu verbringen. Anschließend folgte eine kurze ruhige Phase des Glücks, zusammen mit meinem Lebensgefährten. Es hätte eigentlich wunderschön sein können, aber die unbekümmerte Stimmung war trügerisch, denn es schwelten unausgesprochene Konflikte zwischen meinem Partner und mir. Mein Glücksfaden riss endgültig ab, als nicht lange danach Rüdiger zuckerkrank wurde. Zuerst glaubte ich ihm seine Beschwerden nicht. Ich unterstellte ihm sogar, dass er ein Hypochonder sei, der, um mehr Aufmerksamkeit zu erhaschen, seine minimalen Zipperlein aufbauschte und sie grenzenlos übertrieb. Rüdigers Krankheit war irgendwie unlogisch und auch absurd, mied er doch - so lange ich ihn kannte - alles Süße und jegliche Kohlenhydrate. Sein körperlicher Zustand verschlechterte sich zusehends. Elke hätte ihm eigentlich täglich mit dem Impfschwert seine Diabetes-Medizin spritzen müssen, aber er ließ es nicht zu. Er verweigerte auch die kleinen Bällchen aus magerem Rinderhack, in dem sie ihm seine zerdrückte Antidiabetika-Tablette versteckte. Er magerte weiterhin ab und wurde immer schwächer. Jeden zweiten Tag brachte ihn mein liebster Mensch zu Frau Doktor Grobiana, die ihm Aufbauspritzen verabreichte und nahrhafte Astronautenkost in den Mund spritzte. Mir schmeckte sie sehr gut, aber Rüdiger weigerte sich mit allen vier Pfoten und letzter Kraft sie überhaupt zu probieren. Wenn Elke ihn daheim auf den Schoß nahm, ihn festhielt und mit nachdrücklicher Überredungskunst versuchte eine erbsengroße Menge der schmackhaften Creme auf seine Zunge zu bugsieren, presste er seine Lippen aufeinander und drehte seinen Kopf zur Seite. Gelangte doch einmal etwas von der vitaminierten Paste in seinen Mund, dann spuckte er sie sogleich aus. Als mein Mann nur noch mit Mühe stehen konnte, wurde er stationär ins Spital eingeliefert. Möglicherweise verließ er es nicht mehr lebend. Genau weiß ich das nicht. Aber es wird wohl so gewesen sein. Mit mir spricht Elke nicht darüber, obwohl ich sie mehrmals fragte.

Im selben Jahr verabschiedete sich ohne Vorwarnung das Glück auch von meinem Lieblingsmenschen. Es war wie verhext, denn eine nach der anderen bzw. einer nach dem anderen verließen uns unsere liebsten Freunde und siedelten um in eine andere Galaxie. Fast unser ganzer Freundeskreis verschwand ohne vorherige Ankündigung auf Nimmerwiedersehen: Johanna, Ingrid, Dagmar, Manuela, Joachim, Annemarie und Rolf. Kurze Zeit später folgte ihnen auch noch Camilla.

Es dauerte viele Monate bis Elke und ich wieder ein wenig aufatmeten konnten, bis der Schmerz und das Gefühl unwiederbringlich verlassen-worden-zu-sein etwas nachließen. Nein, die Zeit heilt keine Wunden, das ist eine alternative Behauptung (sprich: Lüge). Nur die Narben werden etwas flacher und die Erinnerungen verblassen ein wenig.

Was in der Zwischenzeit geschehen ist

Im Jahr darauf hatte das Schicksal für uns eine ganz spezielle Art von unerwartetem Glück in petto. Wir erhielten das Schreiben eines Notars, in dem er meiner Dosine mitteilte, dass sie den Nachlass eines Vorfahren erbt, der vor Jahrzehnten nach Amerika ausgewandert war. Um das unerwartete Vermächtnis antreten zu können, mussten wir nach Nashville in Tennessee reisen. Wir überließen den ganzen Papierkram dem Juristen, der sich wochenlang mit dem dortigen Nachlassgericht herumstritt, bis alles verkauft war und Elke ihr Erbe antreten konnte. Die Zwischenzeit nutzten wir, indem wir in dem riesigen Land hin und her reisten. Dabei trafen wir interessante Leute und fremde Tiere. Wir besichtigten Museen, Freizeitparks und Kasinos. Außerdem probierten wir viele ungewöhnlich schmeckende Speisen und Getränke.

*

Auf dem Weg von Los Angeles nach Kona/Kailua auf Big Island überlebten wir in einem ausgebuchten Flugzeug einen Schwelbrand. Mir fiel als Erste der süßliche Gestank nach verschmorendem Plastik auf. Sogleich schlug ich Alarm. Nur weil ich an Bord war, und durch meine Aufmerksamkeit der elektrische Kurzschluss in einem der Overhead bins (Klappschränke an der Flugzeugdecke) rechtzeitig bemerkt wurde, geschah nichts Fatales. Höchstwahrscheinlich hätte man sonst an diesem Abend in der Tagesschau über eine missglückte Notwasserung im Pazifik berichtet. Als Kollateralschaden und persönliches Pech wären Elke und ich niemals in Kona/Hawaii gelandet.

Rückblickend betrachtet hätte ich eigentlich von der Fluggesellschaft ein Bonus-Dauerticket für ihr gesamtes Streckennetz geschenkt bekommen müssen. Als Reisebegleitung und persönliche Sherpa würde ich natürlich immer meinen Lieblingsmenschen mitnehmen. Schließlich kann ich sie nicht allein in Frankfurt zurücklassen. Irgendjemand muss schließlich auf sie aufpassen.

Auf fünf der bewohnten Hawaii-Inseln versuchte ich das Paradies zu finden, war aber nicht besonders erfolgreich dabei. Trotzdem bin ich für diese Reise unendlich dankbar, denn dort erlangte ich, nach all der Trauer um meine abhanden gekommenen Freundinnen und Freunde, meine Gelassenheit und meine Zufriedenheit zurück. Am eigenen Leib merkte ich Das Leben geht weiter! Außerdem kam ich zu dem Schluss, dass ich überall dort daheim bin, wo mein blaues Essnäpfchen steht und mein Lieblingsmensch neben mir schläft.

*

Im folgenden Jahr unternahm ich mit meiner Dosine und zahlreichen Kommilitonen der U3L (Universität des dritten Lebensalters) eine interessante Bildungsreise nach Wien ins ferne Ösiland. Wie so oft war meine Sozialpartnerin verpeilt und vergaß mir vor der Abfahrt mitzuteilen, dass Kaiserin Sisi nicht mehr unter den Lebenden weilt. So konnte sie für mich auch keine Audienz bei der blaublütigen Durchlaucht und ihrem adeligen Gatten arrangieren. Bescheiden wie ich bin, musste ich mich damit begnügen, in Sisis früheren Schlössern und Parks auf ihren Spuren zu lustwandeln.

*

Letzten Winter verbrachten Elke und ich unseren Jahresurlaub in Mexiko. Dort besichtigten wir unzählige antike Paläste und Pyramiden der Olmeken, Maya, Zapoteken, Mixteken, Teotihuacános, Tolteken und Azteken. Es gab auch noch jede Menge Ruinen und Hinterlassenschaften anderer Völker, deren Namen ich inzwischen vergessen habe. Auf der Rundreise durch das riesige schöne Land ereilte mich eine Überdosis an barocken Kapellen, Kirchen, Basiliken und Domen, die ich mir - ohne mich wehren zu können - von Innen und Außen ansehen musste. In Mexiko gab es noch mindestens tausend weitere Sehenswürdigkeiten und Attraktionen zu besichtigen, von denen wir vermutlich 985 aufsuchten. Rückwirkend betrachtet war die Möglichkeit an dieser Reise teilzunehmen für mich eine große Bereicherung. Welche Katze auf meinem Kiez kann schon behaupten, dass sie sich in einen Azteken verliebt hat? Gut, vergessen wir einmal das unrühmliche Ende der Lovestory mit Juán Jesús, die eigentlich nicht viel mit Liebe zu tun hatte.

*

Die Reiselust meiner Dosine scheint inzwischen wieder grenzenlos und ungebrochen zu sein. Die Venenentzündung in ihrem Bein ist auskuriert; zwischenzeitig lösten sich die Thromben in den Adern auf. Seitdem stapeln sich in unserem Wohnzimmer wieder bunte Broschüren und Kataloge unzähliger Anbieter und Veranstalter. Überall liegen geöffnete Hefte herum, sogar im Hygienedepartement neben ihrem Porzellanthron. Wenn Elke abends nicht vor der laufenden Glotze in Morpheus Armen liegt und schlummert, vergleicht sie zwischen den Sendungen Schiffsgrößen, Decks, Häfen, Saisonzeiten, Anzahl der angebotenen Ausflüge, plus Halb- und Vollpension der verschiedenen Anbieter. Mir ist das eigentlich latte (neudeutsch: egal). Von mir aus bräuchten wir dieses Jahr gar nicht zu verreisen. Voraussetzung wäre nur, mein liebster Mensch würde mich wieder regelmäßig nachts Gassi-gehen lassen, zumindest in den Nächten, in denen es nicht regnet.

Was nützen mir all die Urlaube an fremden Stränden, wenn ich meiner Freundin Aida aus dem Blumenladen am Südbahnhof nichts davon erzählen kann, oder mich mein Freund Tom Jupiter aus Friedberg nicht in den Ferien begleiten darf.

Fritzis neues Jahreshoroskop

Eben entzifferte ich in der neuen Hör zu-Fernsehzeitschrift mein Horoskop für die kommenden Monate. Dort stand zu lesen, in den vergangenen Jahren hätte ich Vieles bewegt. Darauf könne ich sehr stolz sein, da ich mich dabei enormen Herausforderungen gestellt, sie erfolgreich bewältigt und überwunden hätte. Die Schwierigkeiten der vergangenen Zeiten lägen jetzt alle hinter mir.

Das war beruhigend zu wissen. Einer mein Leitsprüche lautet: Es gibt keine Probleme, sondern nur Herausforderungen mit erschwerten Bedingungen.

Dem Zeitungsorakel kann ich nur beipflichten, denn bisher ist alles zutreffend, was dort geschrieben steht! Um mehr über meine Zukunft zu erfahren, las ich weiter. Schwarz auf weiß stand dort, voraussichtlich würde die vor mir liegende Zeit die glücklichste meines Lebens werden. Mehrere Personen würden mich lieben und umsorgen; ich könnte mich dabei rundum wohl und geborgen fühlen. Im Frühjahr und im Herbst würde es ein wenig ungemütlich werden, und zwar dann, wenn ich mich in endlose Diskussionen verstricken ließe, oder ich wichtige Entscheidungen treffen müsste. Außerdem las ich, dass ich von Natur aus mit viel Energie, Tatkraft und Mut ausgestattet sei, mich nach großen Anstrengungen rasch wieder erholen würde, so auch im kommenden Jahr. Das ist beruhigend zu wissen.

Dort stand auch noch, dass ich mit dem Powerplanet Mars in meinem eigenen Widder-Sternkreiszeichen und dem Glücksbringer Jupiter in einem günstigen Trigon (astrologischem Dreieck) verfügen würde. Zum Winterende hin bekäme ich sogar noch mehr Antriebskraft und Optimismus. Das war zwar irgendwie unlogisch, denn bedingt durch die sparsam scheinende Sonne und die anhaltende Kälte schalten wir Felidae um auf Sparflamme, und halten uns gern in der Wohnung vor dem Ofen, oder auf einem Heizkörper auf. Dass mein Freund Tom Jupiter mein Glücksbringer ist, ist für mich nichts Neues. Bereits seit langer Zeit weiß ich das.

Nur in den Monaten Juli und August solle ich kürzer treten und mich gesundheitlich schonen. Dann hätte ich höchstwahrscheinlich eine etwas stressige Phase, die für mich aber eher eine Challenge (englisch: Herausforderung) als ein Hindernis wäre, da ich ein Gewinnertyp sei. Daraus schließe ich, dass meine Dosine und ich im Sommer auf Reisen gehen.

Aus meinem Horoskop ergibt sich das Fazit, dass ich weiterhin konsequent meinen eigenen Weg gehen werde und mir diesbezüglich von niemandem pseudo-korrigierend reinreden lasse.

Einer meiner Wahlsprüche lautet: Siegerinnen zweifeln nicht, denn Zweifler*innen siegen nicht!

Elke schmiedet Reisepläne

„Fritzi-Schatz, in diesem Jahr fliegen wir in den Ferien nicht irgendwo hin wo es schön ist, sondern wir fahren ans Meer!“ Mit dieser Überraschung begrüßte mich heute mein liebster Mensch, als sie von ihrer Arbeit am Flughafen nach Hause kam. „Der Weg ist das Ziel.“ Dabei strahlte sie mich an, als wäre ihr gerade ein vor geraumer Zeit erloschenes Licht wieder aufgegangen, das sie schon lange vergeblich gesucht, aber erst jetzt wiedergefunden hatte.

„Wie gut, dass du mich von Anfang an in deine Pläne mit einbeziehst. Es ist beruhigend zu wissen, dass ich um meine Meinung gefragt werde, meine eigenen Wünsche nicht hinten anstellen muss, sondern sie gleich bei der Planung äußern darf. Jetzt fühle ich mich selbst wichtig und freue mich, dass du mich nicht einfach übergehst.“

„Mein Engelein! Ich plane doch nie etwas ohne dich!“, erwiderte Elke mit treuherzigem Blick. Wer sie nicht besser kennt als ich, würde ihr glauben.

„Nicht alle Engel haben Flügel“, miaute ich. „Manche haben Schnurrhaare.“

„So ist es!“, strahlte sie mich dabei an, wie auf dem Weihnachtsmarkt ein Honigkuchenpferd mit Rosinenaugen. „Findest du es nicht auch schön, als zukünftige Globetrotterin wieder neue Pläne zu schmieden, bereits in Gedanken zu verreisen und dabei deinen Horizont zu erweitern?“

Ich überging ihre Frage, denn über den Horizont kann niemand außer der großen Katzenfee gucken, auch sie nicht. „Wie willst du denn das anstellen?“, fragte ich stattdessen. „Mit unerschöpflichem Einfallsreichtum, überbordender Phantasie und ohne jeglicher Ortskenntnisse? Indem du eine Pauschalreise buchst, mit Übernachtung, Vollpension und jeder Menge organisierter Ausflüge?“

„Fritzi, ich weiß nicht wovon du sprichst“, antwortete sie missbilligend und schüttelte ihren Kopf. „Wirklich nicht.“

„Vielleicht wird Autowandern eines Tages ein neues Hobby von mir werden, wenn ich alt und grau bin“, miaute ich leichthin. „Möglicherweise machen mir dann langweilige und zeitraubende Ausflüge mit Bus und Bahn ein bisschen mehr Spaß als jetzt.“ Ich überlegte einen Moment. „Elke, hast du etwas dagegen, wenn ich Tom Jupiter frage, ob er Lust hat mich zu begleiten, damit ich nicht immer so allein bin und mich langweilen muss?“

Meine Dosine ignorierte meine Frage. Stattdessen blätterte sie in einer der vielen Broschüren. Auf mehreren Deckblättern stand in großen Lettern geschrieben: Wenn Sie bis Mitte des Monats ihre Urlaubsreise buchen, sparen Sie pro Person bis zu 200 Euro.

„Fritzi, warst du eigentlich schon einmal an der Ostsee?“, fragte meine schusselige Perle kurz darauf, ohne mich anzusehen. „Ich glaube nicht.“

„Klar doch! Vor ein paar Jahren waren wir alle zusammen dort! Zuerst fuhr uns Johanna mit ihrem Camper nach Hamburg. Dort besuchten wir deinen Cousin. Am nächsten Tag ging’s weiter gen Lübeck und in das Seebad Timmendorfer Strand. Anschließend fuhren wir nach Großenbrode und setzten über auf die Insel Fehmarn. Nachdem wir sie durchquert hatten, nahmen wir die Autofähre zu der Insel Falster in Dänemark. Dort blieben wir ein paar Tage auf dem Campingplatz von Marielyst, bis uns Herbststürme und Dauerregen zu einer raschen Abreise zwangen. Weißt du das etwa nicht mehr? Hast du das alles vergessen?“ Beängstigende Befürchtungen einer meiner Dosine drohenden Demenz, kombiniert mit partiellem Gedächtnisverlust und hochgradiger Dösigkeit huschten mir durch den Kopf.

Elke guckte mich groß an; dann lächelte sie versonnen und nickte. In Gedanken war sie ganz woanders. Statt mir auf meine Fragen zu antworten meinte sie: „Ja, ja. Ist schon klar. Und im Frühjahr darauf waren wir vier zusammen auf der griechischen Insel Kreta. Ach, war das schön! Damals war Rüdiger noch gesund. Aber kurz darauf verunglückte Johanna und ...“ Sie verstummte und presste ihren Mund zusammen.

„... und Rüdi verschwand auf Nimmerwiedersehen“, setzte ich ihren angefangenen Satz fort.

„Fritzi-Schatz, dein Rüdiger fand seine ewige Ruhe. Du weißt doch, dort wo ein Regenbogen die Erde berührt, da liegt ein Schatz begraben“, sagte sie. „Das hat schon der dänische Dichter Hans Christian Andersen vor zweihundert Jahren gewusst.“ Sie biss sich auf ihre Unterlippe und guckte sparsam. Wahrscheinlich sollte ich nicht merken, dass sie flunkerte. Insgeheim fragte ich mich, woher der Poet gewusst haben konnte, an welchem Ort Jahrhunderte später mein Rüdiger begraben sein würde? Er war doch kein Wahrsager, der in die Zukunft sehen konnte. Oder etwa doch? Rasch stand Elke auf und schob ihren Stuhl zurück.

„Ich hatte bisher erst einen Schatz, sah aber schon unzählig viele Regenbögen“, miaute ich mit schwerem Herzen. „Nichts ist mehr so wie es einmal war.“ Da ließ sich mein liebster Mensch wieder zurück auf den Stuhl fallen. Fix sprang ich auf ihren Schoß und rollte mich auf ihren Oberschenkeln zusammen.

Zärtlich strich mir Elke mit der Hand über den Rücken. „Vermisst du deinen Rüdiger noch?“

„Das werde ich vermutlich in den nächsten hundert Jahren noch tun“, miaute ich leise. „Er fehlt mir sooo.“

Kurz darauf tropften dicke Tränen auf meinen Pelz. Rasch wischte mein Lieblingsmensch sie mit der Hand weg. Dann schnüffelte sie eine Weile mit der Nase. Es lag wohl kein Taschentuch in Griffweite.

*

Eine Weile sagten wir beide nichts und hingen unseren trüben Gedanken nach. Später meinte sie: „Fritzi, was hältst du davon, wenn wir nächsten Monat auf Deutschlands größte Insel fahren? Laut Statistik hat Rügen die meisten Sonnenstunden des Landes. Von dort aus machen wir dann Tagesausflüge auf die Inseln Hiddensee und Usedom. Die Reise würde mich sehr interessieren. Ich wollte schon immer einmal an die Störtebeker-Küste fahren.“ Im nächsten Moment hielt sie mir das bunte Faltblatt vor die Nase. „Der Preis ist ein Witz, so günstig ist er.“ Sie drehte die Broschüre um. Auf der Rückseite waren die Reisetermine aufgelistet. „Wenn wir am zehnten April den Bus nehmen sind wir noch vor meinem Geburtstag zurück.“

„Aber das lohnt sich doch gar nicht, nur für ein paar Tage den weiten Weg ans Meer zu fahren!“

„Fritzi, wir nehmen an der Aktion Kurzurlaub mit Langzeitwirkung teil! Am Achtzehnten könnten wir dann - wenn wir wollen - übers Wochenende mit einem anderen Bus des Veranstalters nach Wien düsen.“

„Aber dort waren wir doch vorletztes Jahr bereits“, erwiderte ich rasch. „Hast du das auch schon vergessen? Damals wollte ich Kaiserin Sisi besuchen, um sie persönlich kennen zu lernen. Die Audienz klappte aber leider nicht, weil du so getrödelt hast und Sisi inzwischen gestorben war.“

„Na ja, gestorben ist nicht das richtige Wort! Fritzi, die Kaiserin wurde in Genf ermordet! Der Regentin stach ein Anarchist mit einer spitzen Feile ins Herz. Das hörte daraufhin auf zu schlagen und stand still! Jedenfalls lautete so der Obduktionsbericht.“

Eigentlich hätte ich meiner Perle antworten können, aber ich verkniff es mir: ‚Vom medizinischen Standpunkt aus kommt es beim Tod (unabhängig von der eigentlichen Sterbeursache) immer zu einem Herzstillstand. Dabei handelt es sich um eine Art Kettenreaktion.’

„Gell, jetzt sagst du nichts mehr“, meinte Elke. „Fritzi, dem Himmel sei Dank, dass du nichts vom Sterben weißt.“

Ich hätte meiner Dosine wortwörtlich zitieren können, was ich vor wenigen Abenden in der Glotze in einer Gesundheitssendung von einer weiß gekleideten Frau erfahren und nicht vergessen hatte, verkniff es mir aber.

‚Wenn das Herz nicht mehr pumpt, werden der Kopf und die Organe nicht mehr mit Blut versorgt. Logischerweise bricht dadurch der Kreislauf zusammen und die Atmung erliegt. Es kommt zu einem Stillstand des Herzens, egal was die eigentliche Ursache dafür war. Zum Herztod können natürliche Gründe führen wie Rhythmusstörungen, Herzschwäche oder Verschlüsse der Adern durch Thromben oder Verkalkungen. Zu einem Herzstillstand führen möglicherweise auch Unfälle und Attacken mit Gewaltanwendungen. Zudem kann man mit Medikamenten, Drogen und Giften nachhelfen. Deshalb darf der Arzt, der den Tod feststellt, auf dem Totenschein keinesfalls Herzversagen als Todesursache eintragen, obwohl das immer zu einhundert Prozent zutreffend ist.’ Ich holte tief Atem und dachte abschließend: ‚Um das zu wissen brauche ich keine ärztliche Diagnose und auch keine fundierten Kenntnisse in forensischer Autopsie.’

„Fritzi, du hast wahrscheinlich inzwischen vergessen, wie Kaiserin Sisi ums Leben kam. Höchstwahrscheinlich nahmen wir es vor geschätzten hundert Jahren im Geschichtsunterricht in der Schule durch. Das ist aber bereits so lange her, dass ich mich nicht mehr genau daran erinnern kann. Bewusst erfuhr ich es von unserer Dozentin, als wir vorletztes Jahr mit der U3L (Universität des dritten Lebensalters) in Wien waren.

„Du nimmst mich ja nicht mehr mit, wenn du zur Uni gehst. Deshalb muss ich ständig improvisieren, um nicht dumm zu bleiben oder vorzeitig zu verblöden.“

„Oh, Fritzi, das haben wir doch in der Vergangenheit schon alles getestet. In die Uni nehme ich dich nicht mehr mit, weil du seinerzeit schon vor Vorlesungsbeginn eingeschlafen bist“, unterbrach sie mich. „Außerdem ist dort das Mitbringen von Haustieren verboten.“

„Das stimmt so nicht!“, erwiderte ich rasch. „Ich bin unschuldig! Mich übermannte ein Sekundenschlaf, eine Art Narkolepsie, da ich in der Nacht zuvor auf der Jagd war. Nur aus diesem Grund überwältigte mich kurz der Schlaf. Außerdem war der Lehrsaal voller Menschen, von denen auch einige nach kurzer Zeit die Augen schlossen und träumten. Außerdem fehlte es in dem Raum an frischer Luft und ausreichend Sauerstoff.“

„Ja, nein, ist klar“, erwiderte sie und schüttelte vehement den Kopf. „Fritzi, dich trifft keine Schuld. Niemals nie!“

Kurz darauf versuchte ich es noch einmal: „Solltest du mich verdächtigen, die Wiederholungen der Uralt-Serie Die Schwarzwaldklinik mit Professor Dr. Brinkmann frühmorgens in der Glotze gesehen zu haben, nein, die tat ich mir nicht an. Mein Wissen stammt aus den Sendungen Medical Detektives, Fatales Vertrauen, Cold Cases, First 48 Hours, Visite und weiteren medizinischen oder kriminalistischen Doku-mentationen, die ich mit Interesse verfolge. Es scheint mächtig zu bilden, wenn man im Fernsehen regelmäßig entsprechende Reportagen guckt - wenigstens den Anfang - bis es langweilig wird. Sonst könnte ich nicht so oft kenntnisreich mitreden.“

Elke erwiderte nichts. Höchstwahrscheinlich hatte es ihr die Sprache verschlagen.

Fritzi und Elke planen den Besuch mehrerer Inseln

Etwas später am Abend sagte mein liebster Mensch: „Fritzi, ich kann ja mal unverbindlich im Internet nachsehen, ob es im April in dem Bus an die Ostsee noch freie Sitzplätze gibt. Anschließend muss ich dann bei dem Veranstalter noch nachhaken, ob ich dich mitnehmen darf.“

„Gut, in der Zwischenzeit rufe ich in Friedberg an und frage Tom Jupiter, ob er mich begleiten möchte.“ Rein rhetorisch fügte ich rasch noch hinzu: „Du hast doch nichts dagegen, wenn er mitkommt?“ Elkes Blick an die Zimmerdecke und ihren Griff mit beiden Händen (in gespielter Verzweiflung) an ihre Stirn ignorierte ich.

„Fritzi, mit zwei unternehmungslustigen Katzen zu verreisen ist wahrlich kein Vergnügen für mich!“, wand sie abwehrend ein. „Ich glaube nicht, dass das gut funktionieren wird.“

„Sorry, aber jetzt muss ich dich korrigieren! Du solltest dich erinnern, dass ich eine lebhafte Kätzin bin und Tom Jupiter ein braver Kater ist!“, erwiderte ich rasch. „Nur damit du es weißt, ich würde gern einmal in männlicher Begleitung unterwegs sein.“

„Du sagst es!“, erwiderte sie. „Und ich erst!“ In ihren Augen blitzte es gefährlich.

Der Rest der Geschichte ist rasch erzählt. Bei Tom Jupiters Familie war niemand daheim. Ihr Anrufbeantworter sprang auch nicht an. Entweder war er defekt, oder sein Personal war einige Tage weggefahren und hatte ihn und Paule (seinen Halbbruder, einen prächtigen roten Maine Coon-Mix) mitgenommen. Komisch war nur, dass mir mein Freund zuvor nichts von ihrer geplanten Reise erzählt hatte. Später stellte sich heraus, dass die ganze Sippe spontan unsere gemeinsame Freundin Angela in München besucht hatte. Tom Jupiter und Paule waren von Angelas blauen Wellis fasziniert. Während ihres mehrtägigen Aufenthalts nutzten sie aber keine der sich ihnen bietenden Chancen mit den Wellensittichen zu fraternisieren (sich verbrüdern). Wie langweilig und frustrierend war das denn, dem tschilpenden Kleingeflügel stundenlang akribisch zuzugucken, sich dabei die trockenen Lippen zu lecken und gleichzeitig zu versuchen das ständige Magenknurren zu unterdrücken? Für wen oder was sollte diese Selbstbestrafung gut sein? Irgendwie grenzte sie an Folter.

Abgesehen von ausgeprägter Vorfreude war in München wohl nichts Erwähnenswertes passiert. Zu einem späteren Zeitpunkt erzählte mir Tom Jupiter: „Fritzi, du kannst es mir glauben, während ich stundenlang das Verhalten der beiden Flattermänner beobachtete und mich dabei nicht vom Fleck rührte, musste ich immerzu schlucken. Fast wäre ich an meinen Speichelstürzen ertrunken oder an ihnen erstickt. Sie waren mindestens so ergiebig wie im Frühjahr die Isar während der Schneeschmelze.“

*

„Was verpassen wir denn, sollten wir nicht an die Ostsee fahren, sondern woanders hin?“, fragte ich meine Dosine kurz darauf. Irgendwie hatte ich keine Lust bereits Anfang April nach Norden ans Meer zu fahren. Vielleicht würde dort noch hoher Schnee liegen, oder Tag und Nacht eisige Polarstürme brausen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir seinerzeit im Spätsommer auf dem Campingplatz von Marielyst gefroren hatten.

„Also, vier Nächte schlafen wir in einem Hotel auf Rügen, der größten deutschen Insel“, erwiderte Elke. „Tagsüber machen wir mit dem Bus, einem Dampfzug und per Schiff diverse Ausflüge und Rundfahrten. Mit einem Boot schippern wir an den weltberühmten Kreideklippen vorbei. Die hat die Unesco sogar als Weltkulturerbe anerkannt. An der Nordspitze der Insel, am Kap Arkona suchen wir neben dem Leuchtturm im feinsandigen Strand nach Bernsteinen und versteinerten Seeigeln, nach Donnerkeilen und Hühnergöttern.“

„Hühnergötter, was sind denn das für Dinger? So etwas wie Chicken McNuggets?

„Aber Fritzi! Du denkst wieder nur ans Essen. Dabei handelt es sich um Findlinge aus Feuerstein mit einem klitzekleinen Loch darinnen. Als magischer Talisman sollen sie den Trägern unlimitiertes Glück bringen.“

„Oh, ja, wenn ich einen kleinen Hühnergott entdecke, schenke ich ihn Tom Jupiter“, miaute ich rasch. „Dann habe ich ein selbst gefundenes Souvenir für ihn, das er sich an einem Bändchen um seinen Hals hängen kann. Ein von mir aufgespürter Hühnergott ist bestimmt wertvoller als ein im Laden gekaufter Brilli-Anhänger von der Firma Swarovski.“

„Fritzi, das ist eine gute Idee“, erwiderte mein liebster Mensch und lachte mich an. „Darüber wird er sich bestimmt sehr freuen.“

„Und was machen wir sonst noch so den lieben langen Tag?“

„Da lass mich mal sehen.“ Sie raschelte mit der Broschüre und schlug eine andere Seite auf. „Am zweiten Tag fahren wir morgens mit der Fähre nach Hiddensee. Das ist eine kleine Insel westlich von Rügen. Am dortigen Hafen lassen wir uns von einer Pferdekutsche abholen. Mit der fahren wir auf der einzigen Straße der Insel an unzähligen Sanddornbüschen vorbei, bevor wir anschließend zu Fuß das kleine Städtchen Vitte erkunden. Autos dürfen auf Hiddensee nicht fahren.“

„Gibt es dort am Strand auch Hühnergötter?“

„Schatz, woher soll ich das denn wissen?“, erwiderte mein liebster Mensch und zog eine Grimasse. „Ich war doch noch nicht dort!“

„Ich dachte, es steht vielleicht in dem Prospekt.“

„Nee, hier steht, dass wir am Nachmittag auf dem Festland die Hansestadt Stralsund besichtigen und mit einem Guide einen Stadtrundgang machen.“

„Besichtigen wir dort - genauso wie in Mexiko - alle Kirchen, Klöster und historischen Bauten?“ Elke schüttelte verneinend ihren Kopf. „Und was unternehmen wir sonst noch?“

„Fritzi, du nervst!“ Streng guckte sie mich an.

„Ja, rede nur weiter! Ich höre dir zu.“

„Am nächsten Tag fahren wir an der Küste entlang gen Osten. Über eine Brücke oder einen Damm erreichen wir Usedom. Der östliche Zipfel der Insel gehört zu Polen. An der Küste erkunden wir dann die hinter Kiefernwäldern gelegenen berühmten Kaiserbäder Heringsdorf, Ahlbeck und Bansin.“

„Haben wir denn noch einen Kaiser?“, fragte ich irritiert. Um mein Denkvermögen anzuregen kratzte ich mich mit der Pfote hinter dem Ohr. „Kann ich bei dem vielleicht eine Audienz bekommen und ihn besuchen?“

„Oh, Fritzi, dazu kommst du zu spät! Nein, unser letzter Kaiser hieß Wilhelm II. Er regierte Deutschland bis zum Ende des ersten Weltkriegs. Der endete vor gut hundert Jahren.“

„Aha“, miaute ich und hörte auf mich zu kratzen. „Und seitdem regiert bei uns Äintschi?“

„Na ja, so ungefähr“, erwiderte mein liebster Mensch ausweichend und lachte.

„Und was unternehmen wir sonst noch den ganzen Tag lang? Besuchen wir dort auch einen Vergnügungspark, einen wie im Disney-Land?“

„Schatz, sonst machen wir nichts. In unserem nächsten Urlaub faulenzen wir. Wenn die Sonne scheint sitzen wir in einem Strandkorb am Meer und strecken alle Viere von uns.“

„Und wenn es regnet?“, hakte ich nach. Schließlich wollte ich es genau wissen. „Was machen wir dann?“

„Dann suchen wir uns auf der Promenade ein Café mit einem windgeschützten Platz unter einer Markise, trinken Kaffee und essen Torte. Du wirst sehen, die Zeit verstreicht ganz rasch, wie im Fluge. Am fünften Tag fahren wir nach dem Frühstück schon wieder zurück nach Hause“, erwiderte sie. „Also, hast du es dir nun überlegt? Willst du mit an die Ostsee fahren oder bleibst du lieber allein zurück in Frankfurt?“

„Du hast mich überredet. Ich gebe nach und komme mit“, miaute ich leise. Der Gedanke daran, dass ich fast eine Woche lang allein in unserer Wohnung verbringen müsste, um nur einmal am Tag jemanden aus der Nachbarschaft kurz zu sehen, das schien mir nicht erstrebenswert. Vierundzwanzig Stunden Langeweile und Einsamkeit, nur unterbrochen von fünf Minuten Zweisamkeit, in denen mir mein Tröglein mit etwas Nahrung hingestellt und bei der Gelegenheit noch rasch die Klumpen aus meiner Streu im Klo gefischt würden, schien mir nicht allzu verlockend. Das kleinere Übel war wohl mit meiner Dosine ans Meer und auf die unbekannten Inseln zu fahren.

Es dauerte dann noch endlos lange, bis Elke und ich endlich aufbrechen konnten, denn sie musste zuvor bei ihrem Arbeitgeber Urlaub beantragen.

„Wird das in diesem Frühjahr eigentlich noch was mit unserem Inselhüpfen?“, frage ich ungeduldig, als sie eines Abends nach Hause kam und sogleich zum Telefon griff.

„Geduld ist die Mutter aller Wunder“, orakelte sie lachend, anstatt mir eine aussagefähige Antwort zu geben.

„Ich kenne nur Elefanten in einem Porzellanladen“, miaute ich und starrte sie durchdringend an.

Fritzis neue wireless Apple Magic Mouse 2

Was ich dir jetzt erzähle ist wirklich wahr. Darauf kannst du dich verlassen, denn ich habe einen Zeugen. Er heißt Benny und ist unser Nachbar.

Nachdem ich drei Jahre lang mit einer aufladbaren Funk-Maus auf unserem Äppel-Desktop viele Geschichten getippt habe, begann sie vergangenen Mittwoch ohne Vorwarnung zu streiken. Auf ihrer Unterseite flackerte das dort installierte grüne Lämpchen noch einmal kurz auf, dann verlosch es. An ihren Ehrgeiz appellierend stupste ich sie mehrmals mit meiner Nase an und rief aufmunternd: „Mausi, mach jetzt bitte nicht schlapp! Bevor ich in Urlaub fahre müssen wir meine angefangene Geschichte noch zu Ende tippen!“ Der Kunst-Nager erwiderte nichts. Er schwieg beharrlich und spielte Aus die Maus. Höchstwahrscheinlich war das Ding überarbeitet oder vom vielen tippen heiß gelaufen. Vielleicht litt es aber auch an Herzschwäche, Hexenschuss oder am Burnout Syndrom. Bevor ich Mausi zum späteren Ausruhen in die stabile Seitenlage drehte wollte ich sie zuerst manuell reanimieren und ihr durch punktgenaue Akupressur fachmännisch ausgeführte Erste Hilfe angedeihen lassen. Medizinisch bin ich vorgebildet, denn Elke und ich gucken in der Glotze (außer Krimis und Zoo-Dokumentationen) auch noch jede Menge Gesundheitssendungen. Wenn ich nicht zuvor einschlafe lerne ich dabei immer Nützliches, das sich später von mir vielleicht einmal in der Praxis anwenden lässt. Eines habe ich begriffen, bei jedem Notfall ist es äußerst wichtig, dass man zuerst eine möglichst zutreffende Diagnose stellt. Daraus ergibt sich dann die Dringlichkeit und Reihenfolge des Ablaufs. Mit dem Wichtigsten muss man umgehend beginnen, und nicht wertvolle Zeit damit verplempern, zuvor einen Kollateralschaden zu beheben.

Rasch drehte ich die Verblichene mit meinem Pfötchen um, sodass sie nun auf ihrem weißen Rücken auf dem Schreibtisch vor mir lag. Dann fing ich mit Mausis Wiederbelebung an. Um ihre fehlende Herztätigkeit wieder in Gang zu setzen, drückte ich auf ihrer Unterseite mit der Kraft meiner Vorderpfötchen rhythmisch in die Mitte der kleinen Bauchklappe, unter der sie ihre Akkus verbirgt. Dazu schnurrte ich den Takt von ‘Staying alive’ von den Bee Gees. Mein Vorhaben erwies sich als recht schwierig, denn Mausi lag nicht etwa still da wie andere Verstorbene, sondern sie kibbelte und wippte auf ihrer jetzt unten liegenden gewölbten Oberseite hin und her. Hoffnung keimte in mir auf und motivierte meine Reanimation, als ich sah, dass das grüne Lämpchen zwischendurch ein paarmal kurz aufflackerte, bevor es wieder erlosch. Wie es aussah war Mausi den Weg eines jeden Vergänglichen ins Nirwana gegangen. Sie war nicht mehr zu retten und endgültig mausetot. Als ich einmal aufblickte, las ich auf dem Bildschirm Fehlender Funkkontakt, Bluetooth nicht verfügbar. Es war mir noch nicht einmal möglich mein zuvor Getipptes zu speichern, denn plötzlich knipste jemand hinter dem Bildschirm das Licht aus und die Mattscheibe wurde dunkel. Jetzt war guter Rat teuer.

*

Im Flur hinter unserer Wohnungstür legte ich mich auf die Lauer und wartete auf das Heimkommen meiner Dosine. Die Stunden zogen sich hin wie die ausgeleierten Gummibänder in ihren rosa Schlübbern. Sobald ich im Treppenhaus den Klang ihrer Schritte hörte begann ich aufgeregt zu rufen: „Rasch! Ein Notfall! Mausis Akkus sind leer. Sie ist vor Stunden einfach gestorben! Du musst sofort ihre Batterien aufladen! Bitte beeil dich und mach hinne!“ Als Elke unsere Wohnungstüre aufschloss sprang ich aufgeregt um sie herum. Laut jammernd rief ich: „Mausi ist scheintot! Was soll ich nur ohne sie machen?“

„Fritzi, lass mich zuerst einmal hereinkommen und aufs Klo gehen“, erwiderte meine Perle nicht gerade freundlich. Im Flur wechselte sie ihre Hackelpumps gegen Gesundheitsschlappen. In Slow motion (Zeitlupentempo) schälte sie sich dann aus ihrer Uniform heraus. Die hing sie auf einem Kleiderbügel an der Rückseite der Schlafzimmertür auf. Dann zog sie einen ihrer - vom vielen waschen formlos ausgebeulten - und farblich nicht mehr identifizierbaren Jogginganzüge an.

Während der ganzen Zeit trippelte ich ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. ‚Jede Rennschnecke ist flotter zu Fuß als meine Sozialpartnerin’, dachte ich bekümmert, während ich meine offensichtlich müde Dosine beobachtete.

„Die Akkus können noch gar nicht leer sein“, murmelte Elke und schlurfte in unser Arbeitszimmer. „Gestern Abend hingen sie stundenlang an dem Ladegerät in der Steckdose!“

„Aber jetzt ist Mausi mausetot!“, miaute ich weinerlich. „Sie verschied ganz plötzlich und unerwartet, viel zu früh, ohne Vorwarnung und ohne mein eigenes Zutun.“

„Ist dir die Maus vielleicht auf den Fußboden gefallen?“, fragte mein liebster Mensch argwöhnisch. Misstrauisch guckte sie mich an. „Fritzi, war es so? Dann gib es gefälligst zu!“

Verneinend schüttelte ich meinen Kopf. „Um anschließend entgegen der Schwerkraft wieder zurück auf den Schreibtisch zu springen?“, erwiderte ich ihr unlogisches Verhör mit einer Gegenfrage. „Das musst du mir erst einmal vormachen!“

Meine Perle nahm Mausi in die Hand, öffnete sie an der Unterseite, entnahm ihr die beiden Batterien, drehte sie in der Hand um, sodass die linke jetzt auf der rechten Seite lag und setzte sie wieder ein. Nichts. Das grüne Lämpchen leuchtete nicht auf. Auch leichtes Schütteln zeigte keinen Erfolg.

„Fritzi, kein Stress. Ich kauf dir morgen nach der Arbeit im Äppel-Shop eine neue Maus“, versprach sie und tätschelte beruhigend meinen Kopf, „sofern ich pünktlich vom Flughafen wegkomme!“

„Und was soll ich bis dahin ohne sie machen?“, miaute ich gedehnt.

„Schatz, du geduldest dich einfach bis morgen. Zuerst isst du jetzt gleich dein Abendbrot. Dann siehst du aus dem Fenster. Anschließend hörst du in dich hinein, ob deine Verdauung noch funktioniert. Dann meditierst du ein Stündchen und anschließend putzt du dich. Später guckst du dir mit mir in der Glotze den neuen Tatort-Krimi an, bevor wir ins Bett gehen.“

Mir blieb nichts anderes übrig als mich zu fügen. Zaubern kann mein Lieblingsmensch nicht, das weiß ich. Schließlich stammt sie nicht aus der Copper-field-Sippe.

*

Am nächsten Nachmittag brachte Elke eine kleine weiße Schatulle mit nach Hause und legte sie auf den Schreibtisch. „Fritzi, hier drinnen ist deine neue wireless Magic Mouse 2 (zweite Version der drahtlosen Zaubermaus). Die schenke ich dir. Für das Teil habe ich eben in dem Äppel-Laden auf der Fressgass (eigentlich heißt der Straßenabschnitt im Zentrum Frankfurts Große Bockenheimer Straße) fünfundachtzig Euro hingeblättert“, sagte Elke mit leichtem Vorwurf in der Stimme. „Bitte lass sie nicht wieder auf den Boden fallen!“ Wegen der Unterstellung war ich wie vor den Kopf geschlagen.

Einer von uns beiden ist klüger als du, dachte ich, als mir spontan keine passende Antwort auf ihre letzte Bemerkung einfiel. Meinen Geistesblitz behielt ich aber für mich. Stattdessen beroch ich die schöne weiße Präsentbox von allen Seiten, in der meine neue Maus im Ruhemodus lag und sicher schon ungeduldig auf einen Einsatz wartete. Zappelig begann ich mit meinen Krallen an dem Kästchen zu kratzen. „Mach mal schnell auf und pack das neue Mausi aus!“, delegierte ich.

Elke riss die Zellophan-Hülle auf und hob den Deckel des stabilen Kästchens ab. Da lag sie vor mir, meine neue Maus. Sie roch noch ganz fremd. Rein optisch gesehen hätte sie ein Klon der gestern Verstorbenen sein können, denn auf den ersten Blick unterschieden sie sich nicht voneinander.

In der Box befanden sich auch noch ein Ladekabel und eine klitzekleine mehrsprachige Operater instruction. Nach einem Blick in die Bedienungsanleitung stammelte mein liebster Mensch entsetzt: „Die winzigen Buchstaben und Ziffern kann ich mit meiner Brille gar nicht lesen! Sogar hier hat man an Papier gespart!“

„Macht nix“, erwiderte ich souverän. „Guck zuerst einmal, dass du die deutsche Übersetzung findest!“ Mit ihren dicken Fingern blätterte sie blind wie ein Maulwurf in den kleinen Seiten herum.

„Das hier könnte sie sein, aber ohne Vergrößerungsglas kann ich nichts lesen.“ Mit diesen Worten ging Elke ins Wohnzimmer und suchte nach einer Lupe. Für mich war die Handhabung der neuen Maus logisch und selbsterklärend. Mir war nur noch nicht klar, wozu das Ladekabel da war.

„Ich weiß nicht was das jetzt soll“, erwiderte meine Perle, als sie mit der Lupe zurückkam. Ratlos zuckte sie mit den Schultern. „Heute ist eh nicht mein Tag. Nichts als Stress. Am Flughafen war kaum ein Flieger pünktlich. Nichts klappte spontan. Es gab nur Aufregung, Geschrei und Gedrängel. Und vorher in dem Äppel-Laden duzte mich auch noch der junge Verkäufer, was mich mächtig irritierte, denn ich kannte ihn nicht. Zudem wusste er zuerst auch nicht wovon ich sprach, als ich sagte, ich bräuchte außer einer neuen funkbetriebenen Maus noch einen Battery Charger für die im Keyboard befindlichen Akkus und für die der neuen Maus. Seit geraumer Weile vermute ich nämlich, dass die alten Akkus von dem externen Batterie-Ladegerät nicht mehr fehlerfrei aufgeladen werden.

‚In unserem Flagship-Store (Vorzeigeladen) führen wir kein veraltetes Equipment!’, erwiderte der junge Mann ein wenig hochnäsig. ‚Um eine funktionsfähige alte Maus zu finden kannst du dich mal auf dem Flohmarkt umgucken. Vielleicht hast du Glück und findest dort eine, die jemand nicht mehr braucht. Die Akkus, der bei uns im Shop zum Verkauf stehenden Geräte, sind seit etlichen Jahren alle fest in den Geräten installiert. Man muss sie nur vor Gebrauch und gelegentlich zwischendurch kurz am PC mit dem der Verpackung beiliegenden Kabel aufladen!’ Fritzi, stell dir vor, als ich nach einem Adapter für die Steckdose fragte, meinte er, der würde weitere fünfundzwanzig Euro kosten.“

„Das kann ich gar nicht glauben“, miaute ich und begann mich vor Ungeduld heftig am Bauch zu kratzen.

„Fritzi, ich muss nur mal rasch zur Toilette“, sagte meine Perle dann und verschwand im Hygienedepartement. „Gleich lese ich nach, was es mit dem Kabel auf sich hat.“

So lange mochte ich nicht warten. An dem einen Ende der Strippe befand sich ein silberner gewellter Stöpsel. Auf der Rückseite des PCs steckte ich ihn wie einen USB-Stick in einen der drei kleinen Schlitze. Er passte wie angegossen. Eine andere Möglichkeit gab es auch nicht. Das sah ich ohne in der Bedienungsanleitung nachzulesen. Anschließend fummelte ich das silberne kleine andere Kabelende in die klitzekleine Öffnung auf der Unterseite der neuen Maus. Ich beeilte mich, denn meine Dosine ist eher für grobmotorige Angelegenheiten zuständig als für diffizile Feinmechanik.

„Wieso muss man meine neue Funk-Maus per Kabel mit dem Desktop verbinden?“, fragte ich sogleich wissbegierig, als Elke zurückkam. „Wenn Mausi bereits aufgeladene Akkus enthält, ist das doch unlogisch. Außerdem ist es ein megagroßer Schritt zurück in die Vergangenheit, sozusagen in die Steinzeit der Elektronik!“

Ganz dunkel erinnere ich mich daran, dass bei meinem Einzug in unsere Wohnung ein Vorgängermodel des jetzigen PCs auf dem Schreibtisch stand. Bei dem waren Keyboard, Bildschirm, Rechner, Festplatte, Drucker und Maus mittels mehrerer Kabel und Strippen untereinander verbunden.

Gebannt starrten Elke und ich auf die derzeit immer noch nicht betriebsbereite Maus. Sie lag falsch herum auf dem Schreibtisch, denn das andere Ende des Ladekabels steckte bis zu seinem Anschlag in ihrem Bauch. Mein neues Mausi sah aus wie ein auf seinem gewölbten Rücken liegender dicker silberweißer Käfer, der von dem Ladekabel in seinem Unterleib aufgespießt wurde. Nach einer Weile nahm mein liebster Mensch das neue Teil vorsichtig in die Hand um nachzusehen, ob inzwischen das grüne Lämpchen leuchtete. Das wäre wahrscheinlich auch bei diesem Modell das Zeichen dafür, dass die Akkus genug Strom geladen hatten und die Maus betriebsbereit war. Nichts war zu sehen. Auch der neue Nager streikte.

Mich am Kopf kratzend dachte ich nach. „Elke, du hast vermutlich eine falsche oder eine fehlerhafte Maus erstanden!“, rief ich laut klagend. „Mit dem kaputten Ding kann ich nichts anfangen. Du musst sie umtauschen gegen eine ganze, die auch funktioniert!“

„Fritzi, es gibt derzeit nur zwei Sorten von Apple-Mäusen“, erwiderte mein liebster Mensch hilflos. Vor Aufregung kratzte sie sich jetzt lange rote Striemen in die blasse Haut ihres Halses. „Unsere vor gut vier Jahren gekaufte und jetzt offensichtlich kaputte Funkmaus kostete damals fünfzig Euro. Für das heute erstandene Nachfolgemodell zahlte ich bereits fünfundachtzig und für ein spacegraues (weltraumfarbenes) Luxusmodell hätte ich hundertneunzehn Euro berappen sollen.“

„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“, begann ich zu lamentieren. „Wie soll ich denn jetzt meine Geschichte fertig schreiben? Kannst du mir das bitte mal erklären. Gerade jetzt, wo ich inmitten eines Schreib-flows (Schreibflusses) bin!“

„Fritzi-Schatz, es tut mir leid, aber das weiß ich auch nicht“, sagte sie hilflos.

„Warum klingelst du nicht nebenan bei unseren Nachbarn und fragst Benny, ob er uns helfen kann?“, kam mir in den Sinn. „Der weiß bestimmt was zu tun ist. Der ist clever.“

Gesagt, getan, aber unsere Nachbarn waren übers Wochenende weggefahren. Später stellte sich heraus, dass sie meine Freundin Kira mitgenommen hatten. Am Dienstag kamen sie endlich zurück. Nach dem Abendessen klingelte unser Hausgenosse bei uns. Er brachte Kira mit, ein schwarzes Lackfellchen mit weißen Fibrissen (Schnurrhaaren), die mich gleich in ein Gespräch verwickelte.

„Lauf mal schnell in der Küche und bediene dich an meinen Schmackis“, sagte ich großzügig. „Ich komm gleich nach.“ Zuvor wollte ich verfolgen, wie Kiras Doserich meine teure neue Maus dazu überreden konnte, endlich ihren Dienst aufzunehmen.

Es ging dann alles ganz rasch. Nach einem kurzen Blick auf die neue Maus und anschließend in die Gebrauchsanweisung sagte unser Nachbar zu meiner Dosine: „Wie es aussieht ist diese Magic Mouse 2 nicht mit Ihrem derzeitigen Mac