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In ihren Kurzgeschichten entwirft Theresa Rath feinsinnige Szenarien und offenbart so manch bittere Wahrheit über die Spezies Mensch. Angetrieben vom Wunsch nach Erfolg, Liebe, Anerkennung, nach dem perfekten Körper und dem perfekten Leben sind ihre Helden gefangen in gesellschaftlichen Zwängen und Abhängigkeiten. Die meisten haben es sich in einer zweifelhaften Sicherheit bequem eingerichtet und nur wenige sind willig, die Ketten, die sie (zurück)halten, zu sprengen.
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Seitenzahl: 138
Theresa Rath: „Die Ketten, die uns halten“
1. Auflage, September 2012, Periplaneta Berlin, Edition Periplaneta
© 2012 Periplaneta – Verlag und Mediengruppe Inh. Marion Alexa Müller, Bornholmer Str. 81a, 10439 Berlin, www.periplaneta.com
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Übersetzung, Vortrag und Übertragung, Vertonung, Verfilmung, Vervielfältigung, Digitalisierung, kommerzielle Verwertung des Inhaltes, gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.
Lektorat & Projektmanagement: Nadine Heßdörfer
Coverfoto/Skulptur: Gaby Semtner Autorinnenfoto: Johannes Meskouris Satz, Layout, Konvertierung: Thomas Manegold
E-Book-Version: 1.3
print ISBN: 978-3-940767-90-5
ePub ISBN: 978-3-943876-08-6
www.ebook.periplaneta.com
Theresa Rath
Die Ketten, die uns halten
Kurzgeschichten
periplaneta
Das Rütteln und Zerren
an den Fensterläden meines Kopfes
ist wie ein langes Nervenleiden,
das an die Wurzeln geht.
Wahrnehmung ist Gewalt.
6.30 Uhr oder früher: Der Wecker klingelt, der Hahn kräht, die Bombe schlägt ein. Wir quälen uns aus den Federn und schleppen uns im Halbschlaf unter die Dusche, wo kaltes Wasser uns brutal den Schlaf aus dem Gesicht spült. Kaffee wird gekocht, Brote werden belegt, Frühstückspakete zusammengestellt, wenn Zeit dafür bleibt. Und auf der verzweifelten Suche nach dem Autoschlüssel werden Papiere vom Schreibtisch gefegt, Klamottenstapel lernen fliegen und die Zeitungen der letzten zehn Tage wandern auf die andere Seite des Zimmers. Dann: Tür zu.
Während ich noch am Esstisch hocke und verschlafen in meinem Müsli stochere, stürzt der Kurs an der Börse in Frankfurt schon wieder in den Abgrund und die Spekulanten kauen sich die Fingernägel ab. Während ich schon ahne, dass mir keine Zeit mehr bleibt, den Kaffee auszutrinken, fluchen in langen Schlangen die Pendler in ihren Autos und hupen den Vordermann an. Während ich wie versteinert da sitze und nicht entscheiden kann, ob Kaffee trinken oder zu spät kommen, Kaffee trinken oder zu spät kommen, Kaffee trinken oder… – hat die Sonne ihren Auftritt verpasst, wird gehänselt, verlacht, als sie aufgeht, denn das Leben hat schon angefangen, die Nacht ist längst vorbei.
Als ich mich endlich entschieden habe, den Kaffe auszutrinken und trotzdem pünktlich zu kommen, und daher schnell, schnell, schnell Collegeblock, Apfel und Stift in meinen Rucksack schaufle, den Schlüssel aus der Hosentasche reiße und die Haustür zuknalle, laufen in den Hauptstädten emsig die Geschäftsmänner auf und ab, seit vier Uhr auf den Beinen und mager und zerfallen im Gesicht von zu viel Arbeit.
An Schreibtischen rackern sich Familienväter ab, denn sie sparen auf ein neues Auto. In Autowaschanlagen stehen im Blaumann übernächtigte Halbwüchsige und arbeiten für den Aufstieg. Auf Parkplätzen spreizen Freudenmädchen die Beine für den nächsten Schuss oder eine Cola oder ein besseres Leben. In Metropolen rauchen kreative Köpfe für den abstrakten Wert der Idee – ach, und natürlich ein bisschen auch für Geld.
Wieder zurück zur Börse: Hier ist jeder schon reich und will reicher sein, denn reicher sein ist schöner als reich sein. Alle aber hechten sie, eilen, rennen, rutschen, fluchen, hasten, gleiten, stolpern, stürzen, fliehen, rasen, springen, hetzen durch ihr Leben.
Hier in meinem Kopf dreht sich alles, der Boden schwankt unter meinen Füßen, ich lebe im Akkord. Mit flatternden Lidern und rasendem Herzen werfe ich mich immer wieder in den Menschenstrom, lasse mich forttreiben zum Endpunkt hin. Haste, hechte, renne, eile mit, will erreichen, will gewinnen, will erlangen, was auch immer, aber Hauptsache ist, ich will, will, will…
Und dann geht mir plötzlich die Puste aus. Ich kann nicht mehr. Ich suche mir meinen Weg, drängle mich vorbei, stoße mich mit Ellenbogen durch die Masse bis ich eine freie Fläche erreiche, stehe dort und frage atemlos:
„Aber – halt – kann – ich – vielleicht mal – einen – Moment – stehenbleiben – Atem holen – und mir darüber klar werden – wohin ich eigentlich will?“
Abendübelkeit
ersetzt den
Tageseifer.
Das sind die Stunden
der Leere,
in denen alles fällt.
Wenn ich nur
keinen Kopf
zum Denken hätte
und kein Herz,
das schlägt.
Es war einmal in einer kleinen Stadt ein Haus mit einem grünen Garten und einer niedrigen Mauer. Der Rasen des Hauses war üppig und in den Beeten blühten bunte Blumen. Im Herbst hingen Äpfel reif an den Bäumen und immer schien die Sonne über dem Haus. Die einzigen Wolken stieß der Schornstein aus, wenn im Winter ein warmes Feuer im Kamin prasselte.
Ein junger, schöner Mann wohnte dort mit seiner Familie. Seine Frau war ein liebliches Geschöpf mit rosigen Wangen und weichem, goldenen Haar. Vor kurzem hatte sie einen kleinen Jungen geboren, dem sie ihre himmelblauen Augen und ihr entzückendes Lächeln geschenkt hatte.
In der kleinen Stadt war die Taufe des Kindes gefeiert worden wie Weihnachten. Jeder war gekommen, um das Glück der jungen Familie zu bewundern. Auch der junge Mann konnte sein Glück kaum fassen. Wenn er sonntags mit seiner Frau am Küchentisch saß und goldbraune Brötchen frühstückte, zwickte er sich manchmal, um sicher zu sein, nicht zu träumen. Mit jedem Blick auf seine Familie sah er, wie viel das Leben ihm gab. Und beinahe wagte er es nicht, wegzusehen, aus Angst, der Traum könne platzen. Er kam aus einer Familie, in der Neid und Missgunst regiert hatten. Nun fand er sich in einem Leben, das sich anfühlte wie ein einziger glücklicher Seufzer.
Manchmal beschlich ihn ein leises Gefühl, dass all dies nicht für ihn bestimmt sein könne. Er schaute dann wie aus der Ferne auf Frau und Sohn und sah die beiden in einer Blase von Glück und Schönheit schweben, die ihm zu perfekt vorkam, als dass er ein Teil von ihr hätte sein können. Wenn er dies dachte, dann kroch von ganz tief unten ein Unbehagen hervor, welches misstrauisch jede Liebesbekundung beäugte und beim Anblick eines Lächelns erzitterte. Doch schien ihm dieses Unbehagen nur verständlich für jemanden, der plötzlich so glücklich geworden war und er beruhigte sich schnell wieder.
Der junge Mann war in einer kleinen Firma in der Stadt angestellt. Immer, wenn er seine Arbeit am Abend beendete, schwoll die Freude auf seine Familie in seinem Bauch an wie ein Ball. Seine Frau empfing ihn mit ihrem Sohn in den Armen und kochte ihm ein gutes Essen. Er verbrachte die Tage in einem Schleier aus Glück und jeder kam ihm schöner vor als der vorangegangene.
So merkte er gar nicht, dass der Ball aus Freude, den er jeden Abend mit sich nach Hause trug, irgendwann so groß geworden war, dass er ihn ganz und gar erfüllte. Seine Fingerspitzen kribbelten und seine Zunge klackte freudig in seinem Mund, der Wind pfiff durch seine Haare und seine Schritte trugen ihn beschwingter als jemals zuvor.
Als er die Tür aufschloss und seine Frau ihn empfing, war der Kuss, den er ihr gab, pure Freude, und die Nähe, die er zu ihr verspürte war überwältigend.
An diesem Abend konnte er nicht einschlafen. Das Kribbeln in seinen Gliedern wollte nicht aufhören und er keinen Tropfen von dieser edlen Freude verschwenden. So küsste er sanft seine Frau wach und versank in ihrem Blick, bis sie sich so intensiv liebten wie noch niemals zuvor. Als sie danach in seinen Armen lag, fühlte er, dass dies der richtige Moment zum Sterben sei. Niemand konnte jemals glücklicher gewesen sein als er. So lag er noch lange da, bis schließlich doch der Schlaf ihn übermannte.
Am nächsten Morgen war das einzige, was er fühlte, Angst. Er schlug die Augen auf und sie war da. Sie hatte sich fest in seine Brust gekrallt und schnürte ihm die Kehle zu. Er wandte seinen Kopf zur Seite, um am Haar seiner Frau zu riechen. Aber da war niemand. Der Schreck fuhr ihm eisig durch die Glieder und er wusste, dass er gestern hätte sterben sollen, als er so glücklich gewesen war. Wie versteinert lag er im Bett und starrte auf die Kuhle, die seine Frau in die Matratze gelegen hatte.
Da hörte er die Dielen knarren. Die Tür ging auf und seine Frau trat herein. Die goldenen Haare fielen ihr über beide Schultern und umrahmten ihr rosiges Gesicht. In den Händen trug sie ein Tablett und lächelte ihn strahlend an. Kaffeeduft breitete sich im Zimmer aus.
Er erwachte aus seiner Versteinerung und setzte sich auf. Mit zitternden Fingern nahm er seine Kaffeetasse entgegen. Sie fragte ihn, ob es ihm gut gehe. Er antwortete bloß, er habe schlecht geträumt.
In kleinen Schlucken trank er den Kaffee und spürte, wie er ihm die Zunge verbrannte. Die Hitze tat gut, doch der Schreck saß ihm noch immer in den Knochen. Er machte ihn wachsam und so lauschte er auf jede Bewegung, sein Geist war eigentümlich hell und klar. Die Konturen der Schlafzimmermöbel stachen scharf in seine Augen und der Kaffee schmeckte bitter. Da fiel ihm eine Stille auf, die er nicht kannte. Es dauerte einen Moment, aber dann wusste er es: Es drang kein Laut aus dem Kinderzimmer.
Der Schreck kam noch einmal mit doppelter Kraft. Er stieß die Kaffeetasse um, schleuderte die Bettdecke beiseite und hastete in das Zimmer seines Sohnes. Da schlief der Junge, seine Wangen waren rosig wie eh und je und sein kleiner Kinderatem ging ruhig.
Alles Blut, das dem jungen Mann in die Füße gesackt war, begann nun wieder zu zirkulieren. Die Angst lockerte ihren Griff um seine Brust ein wenig, doch ein leichtes Gefühl der Beklommenheit blieb. Als er ins Schlafzimmer zurückkehrte, warf seine Frau ihm einen Blick leichter Besorgnis zu, aber bevor sie ihn zu sich ziehen konnte, hatte er das Schlafzimmer wieder verlassen. Er stieg unter die Dusche und schrubbte sich, bis seine Haut rot und schuppig war.
Dieser Tag wurde anders als die anderen. Auf der Arbeit waren seine Gedanken nicht so unbeschwert wie sonst. Er schien durch einen Sumpf von Zahlen zu waten und die Ergebnisse, die er errechnete, waren falsch.
Als der Abend näherrückte, begann er, etwas zu vermissen.Ein stechendes Gefühl ersetzte die Leere in seinem Bauch, als er spürte, dass es seine Freude war. Er packte seine Sachen ein, aber die Papierstapel raschelten nicht verheißungsvoll und sein Schritt die Treppe hinab war nicht so beschwingt wie sonst.
Sein Haustürschlüssel lag in seiner Hosentasche wie ein Stein. Und dieser Stein wurde schwerer, je näher er seinem Haus kam. Als er das kleine Vorgartentor erreichte, ging er seitlich gebeugt, so schwer wog der Schlüssel in seiner Tasche.
Seine Frau kam ihm entgegen, als er die Tür öffnete und küsste ihn wie immer voller Liebe, aber seine Lippen waren wie vereist. Als sie ihn streichelte, brannte ihre Berührung auf seiner Haut und ihr Duft schien plötzlich wie etwas lang Vergangenes, an das er sich nur dunkel erinnerte.
Seine Tage wurden grauer, doch er zwang sich in seine tägliche Routine zurück. Er schlug morgens die Augen auf und wandte den Kopf, um seine Frau zu küssen. Wenn er von der Arbeit kam, nahm er seinen Sohn in die Arme. Er frühstückte goldbraune Brötchen und goss die bunten Blumen im Garten. Auch fühlte er, dass er seine Frau und seinen Sohn liebte, aber der Ball aus Glück und Freude wollte nicht mehr auftauchen.
Stattdessen nahm ein Unbehagen seine Stelle ein. Dieses Unbehagen blieb den ganzen Tag und begleitete nachts seine Träume. Dunkle Ringe erschienen unter seinen Augen.
Das Misstrauen, das er früher gelegentlich verspürt hatte, war nun sein ständiger Begleiter. Beinahe wartete er nur auf den Moment, in dem alles zerfallen würde und er zurückkehren könnte zu der inneren Hässlichkeit, in der er aufgewachsen war.
Und noch mehr hatte sich verändert: Manchmal hatte er Impulse, die er kaum unterdrücken konnte. Sie entsetzten ihn und meistens vergaß er sie gleich, denn sie waren zu schrecklich, um die Erinnerung an sie lange zu ertragen. Einmal, als er seinen schlafenden Sohn in den Armen hielt, spürte er das Verlangen, ihm ein Kissen aufs Gesicht zu drücken. Beinahe hätte er das Kind fallen gelassen, als ihm dies bewusst wurde. Nur mit Mühe konnte er verhindern sich zu übergeben.
Auch ertappte er sich dabei, wie er auf der Arbeit mit seinen Kolleginnen flirtete und sich auf der Straße immer häufiger den Kopf nach anderen Frauen verdrehte. Dabei fand er diese Frauen gar nicht attraktiv und war noch immer von der Schönheit der seinen überwältigt. Doch ein Trieb hatte sich seiner bemächtigt, gegen den er nicht ankam.
Schließlich befand sich der junge Mann in einem Zustand, in dem er sein verändertes Handeln nicht mehr wahrnahm. Er selbst bemerkte nicht, dass er aufhörte, seiner Frau zu sagen, dass er sie liebte, er wusste nicht, dass er sich seit Wochen keine Zeit mehr für seinen Sohn nahm und es fiel ihm nicht auf, dass er immer länger auf der Arbeit blieb.
So bemerkte er auch nicht, dass seine Gespräche mit einer der Angestellten immer häufiger wurden und dass er sich immer mehr Mühe gab, sie zu beeindrucken. Er hatte sich auch gar nicht vorgenommen, sich mit ihr zu verabreden und wunderte sich selbst ein wenig, als er plötzlich bei ihr zuhause auf dem Sofa saß. Auch der Wein schien sich von selbst nachzuschenken und seine Hände glitten ohne sein Zutun über die Brüste seiner Kollegin. Als er in sie eindrang, spürte er es kaum. Der Schlaf, in den er danach fiel, fühlte sich für ihn genauso unwirklich an wie die Stunden davor.
Es war ein läuterndes Erwachen. Beinahe schien es der Gegenpol zu jenem Erwachen zu sein, das ihn vor einigen Monaten unter das Joch der Angst gestellt hatte. Er drehte wie gewohnt den Kopf zur Seite. Doch neben ihm lag nicht das goldene Haar seiner Frau, sondern ein brauner Schopf, den er zuerst nicht erkannte. Als ihm einfiel, was geschehen war, war der Schreck nicht eisig wie jener, den er damals verspürt hatte. Er war erhebend und es kam ihm vor, als sei er aus einem jahrelangen Schlaf erwacht. Noch nie hatte er die Liebe zu seiner Familie so sehr gespürt wie in diesem Moment, da er das Bett der fremden Frau verließ und nach Hause fuhr.
Zuhause angekommen holte er einen großen Koffer vom Speicher. In den warf er ein Kuscheltier seines Sohnes, ein Kleid seiner Frau und die Fotos, die sie auf dem Kaminsims aufgestellt hatten. Er ging ins Badezimmer, um sich mit dem Parfüm seiner Frau einzusprühen und aß den Brei seines Sohnes, der ihm in diesem Moment wie das Liebenswerteste vorkam, das er je in sich gespürt hatte. Dabei liefen ihm die Tränen über die Wangen und Schluchzer schüttelten ihn. Er fühlte, dass er nichts mehr liebte als Frau und Sohn, und doch war es wahr: Dieses Leben war immer zu richtig für ihn gewesen.
Als er sein Bedürfnis nach Frau und Sohn ein wenig gestillt hatte, als er allen Babybrei leergegessen und die Parfümflasche über die Sachen in seinem Koffer ausgeleert hatte, nahm er noch ein paar Hemden aus seinem Schrank und verließ das Haus. Er war sich sicher, dass noch nie jemand so große Liebe verspürt hatte, wie er sie in jenem Moment fühlte. Nie wieder wollte er diese Liebe loslassen, und so nahm er sie mit sich fort.
Die Angst vor dem Einschlafen,
der Schrecken beim Aufwachen,
die Zeit dazwischen,
ein schwarzes Loch,
die Bewusstlosigkeit
meine einzige Ruhe.
Der nackte Oberkörper des Mannes auf dem Plakat war makellos und strotzte vor Kraft. Sein Sixpack glänzte, als wäre es ein fein gearbeitetes Stück Metall, das der Schmied sorgsam poliert hatte. Der Mann hielt die Arme vor der Brust gekreuzt, die Hände in den roten Boxhandschuhen.
Vor dem Plakat stand das Ebenbild dieser Figur und blickte zu sich selbst hinauf. Leonard Wacker betrachtete mit in den Nacken gelegtem Kopf seine stahlharten Arme, seinen gefährlichen Blick und die Schrift auf dem breiten Gummizug seiner Boxerhose.
„Jeder Kampf ein Sieg“– die Worte zergingen ihm auf der Zunge. Welches Kompliment hätte er sich mehr wünschen können? Und es stimmte. Noch keinen Kampf hatte Wacker verloren, jeden Gegner hatte er zu Boden gezwungen. Dreiundzwanzig Kämpfe hatte er gekämpft und dreiundzwanzig Kämpfe hatte er gewonnen, unglaubliche neunzehn davon durch K.O.
Unter seinem dünnen Sommermantel spannte er seinen Bizeps an. Er liebte das Gefühl der Stärke, das ihn dann durchströmte. Wacker dachte an seinen nächsten Gegner: Stanislaw Turchenko – eine harte Nuss. Der Russe war stark und riesengroß. Wacker war beeindruckt gewesen, als er Turchenko das erste Mal hatte kämpfen sehen. Lange hatte er darauf hingearbeitet, diesem Giganten gegenüberstehen zu können und fieberte nun dem Kampf entgegen. Er war sicher, dass er Turchenko schlagen würde.
Sein Blick schweifte noch einmal über das Plakat, das seinen Kampf gegen den Russen ankündigte. Im Geiste überblendete er sein Foto mit dem Bild des Gegners: etwas größer als er, etwas schwerer, ebenso durchtrainiert und mit stahlharten Muskeln. Aus dieser Perspektive kam er sich beinahe etwas klein gegen Turchenko vor und er ahnte, dass es kein einfacher Kampf werden würde.