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Wer würde als Pädagoge nicht manchmal an seinem Beruf zweifeln: Der Rahmenplan setzt Grenzen, Schüler und Eltern kosten jede Menge Nerven, Veränderungen scheinen illusorisch. Wer jedoch unter den bestehenden Bedingungen seine Perspektive verändert, wird neue Möglichkeiten zur Interaktion entdecken – und verändert letztendlich auch das System, unter dem er leidet. Detlef Scholz lädt Lehrer dazu ein, einen Schritt zurückzutreten und einen selbstironischen Blick auf die eigenen Gewohnheiten und Muster zu werfen – auf die eigene "Kunst des unglücklichen Lehrens". In Fallbeispielen eröffnet er durch wechselnde Perspektiven den Blick auf die möglichen "guten Gründe" für das Verhalten der Beteiligten. Diese "Brille" sowie einfache Übungen und Tipps zur Selbstbefragung machen den Perspektivenwechsel fast zum Selbstläufer. So lässt sich der Spielraum, den der Rahmen des Systems bietet, nutzen und erweitern und eine für beide Seiten entspanntere Lernatmosphäre schaffen. Im Vordergrund stehen dabei die (Wiederentdeckung der) Freude am Beruf sowie die Kompetenzentwicklung der Schüler.
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Seitenzahl: 74
SPICKZETTEL FÜR LEHRER
Für Claudia,die weiß, dass Lehrer ganz besondereMenschen sind, und dafür sorgt, dass ichlernfähig bleibe.
Detlef Scholz
Eine Anleitungin neun Schritten
2018
Reihe »Spickzettel für Lehrer«, Band 19
hrsg. von Christa Hubrig
Reihengestaltung: Uwe Göbel
Umschlag und Satz: Heinrich Eiermann
Printed in Germany
Druck und Bindung: Kösel, Krugzell
Erste Auflage, 2018
ISBN 978-3-8497-0222-9 (Printausgabe)
ISBN 978-3-8497-8126-2 (ePub)
ISBN 978-3-8497-8125-5 (PDF)
© 2017 Carl-Auer-Systeme Verlag
und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg
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CARL-AUER
»Hast du einen Spickzettel?« Diese Frage kennen wir noch aus der Schulzeit, aus der Schülerperspektive, wenn es darum ging, sich auf Prüfungen und Klassenarbeiten vorzubereiten. Wechseln wir die Rolle und Perspektive und stellen uns auf die andere Seite des Klassenzimmers, auf der die »Wissenden«, d. h. die Lehrer, stehen. Schnell wird deutlich: Bei aller Erfahrung gibt es doch erhebliche »Wissenslücken« im Umgang mit schwierigen Situationen, ob sie nun das Lernen selbst, die Schule als Organisation oder die Beziehungen und das Verhalten der Beteiligten betreffen.
Systemisch orientierte Pädagogen können sich hier ruhig und entspannt zurücklehnen, wohl wissend, dass sie selbst »Fragende« sind – Fragende bezüglich passender Antworten auf die sich stets wandelnden und neu entstehenden Konfliktfelder in der Organisation Schule, zwischen Schülern und Lehrern, zwischen Schule und Eltern und auch mit dem politischen Umfeld von Schule.
Aus systemischer Sicht sind Schwierigkeiten immer mit Lernchancen verbunden. Wo der Blick vom Problem auf die Lösung wechselt, wo man statt hinderlicher Defizite hilfreiche Ressourcen ins Auge fasst, kommt auch die Haltung in Bewegung. Ein gut platzierter Unterschied zieht dann oft viele positive Änderungen nach sich.
Die Bücher dieser Reihe wollen Einladungen sein, sich auf diese andere Sichtweise einzulassen. Sie sollen Lehrern, Erziehern und Schulleitern Methoden und Strategien zum täglichen Handeln anbieten, die Ihnen die Arbeit – und im besten Fall: das Leben – leichter machen. Sie sind auch Rezepte, die man ausprobieren und mit eigenen Zutaten verfeinern kann.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen, Erfahren und Ausprobieren!
Dr. Christa HubrigHerausgeberin der Reihe Spickzettel für Lehrer
Einstimmung und Auftakt
1Perspektive
1.1Seien Sie immer objektiv und positionieren Sie sich – möglichst sofort!
1.2Gehen Sie davon aus, dass andere genau das tun, was Sie erwarten!
1.3Schauen Sie nur auf die Schüler selbst – nie auf Ihre Beziehung zu ihnen!
2Kommunikation
2.1Nur was gesagt wird, zählt!
2.2Behalten Sie immer den Überblick und die Kontrolle – vor allem über sich selbst!
2.3Verändern Sie nie Ihr bestehendes Bild von einem Schüler!
3Erleben
3.1Die Fehlerbeseitigung ist das große Ziel!
3.2Seien Sie, wie die anderen Sie brauchen – auch ohne zu wissen, wer Sie sind!
3.3Schauen Sie immer auf das Wohl Ihrer Schüler – nie auf Ihr eigenes!
Anregungen für fachübergreifende Projekte
Ausklang mit Traum
Das Wichtigste in Kürze
Literatur
Über den Autor
Mehr als 30 Jahre nach Paul Watzlawicks ebenso befreiender wie erhellender »Anleitung zum Unglücklichsein« wird es Zeit, einige der hilfreichen Empfehlungen für unsere Berufsgruppe zu spezifizieren und um weitere Erkenntnisse der vergangenen Jahre zu bereichern. So komplex wie der Unterrichtsprozess selbst, so vielfältig sind die möglichen Wege zu komfortablem und dauerhaftem Unglücklichsein. Ein Blick in die Gesichter vieler Pädagogen lässt vermuten, dass es einige schon zu einer gewissen Meisterschaft gebracht haben. Vielleicht finden auch diese das eine oder andere Prinzip hier bestätigt und können es umso bestimmter den jüngeren Kollegen weiterempfehlen.
Wenn Sie als jemand, der nun schon einige Jahre (mehr oder weniger) erfolgreich unterrichtet (wer könnte das besser beurteilen als Sie selbst), dieses Büchlein zufällig in den Händen halten – gestatten Sie sich einen kurzen Blick zurück: Was haben Sie während Ihrer Schulzeit erfahren? Wie viel Ungerechtigkeit gab es in der Schule, im Unterricht? Wie viele Lehrer fanden keinen »guten Draht« zu ihren Schülern? Wie viele haben sich in einen autoritären Lehrstil oder beschämenden Sarkasmus geflüchtet?
Vielleicht litten auch Sie unter der Lustlosigkeit einiger Pädagogen und erlebten eine umfassende und offensichtliche Unsinnigkeit vieler Unterrichtsstunden.
Und Sie sind angetreten, einiges davon anders zu machen – gerechter zu sein, leidenschaftlicher, mitreißender, sinnvoller. Sie interessierten sich für eine spannende Arbeit mit Menschen und (mindestens) einen wissenschaftlichen Bereich – beides ließ sich im Lehrerberuf gut unter einen Hut bringen.
Und nach ein paar Jahren des Unterrichtens, endloser Stunden der Vorbereitung mit immer wieder neuen Ideen und der immer wieder neuen Erkenntnis, dass kaum einer Ihrer Vorschläge so von den Schülern aufgenommen wurde, wie er gemeint war, haben Sie sich für den scheinbar einzig gangbaren Weg entschieden: nur so viel Aufwand wie nötig – und damit so wenig Frust und Anstrengung wie möglich. Zumal es noch so viele andere Anforderungen gibt, die zu erfüllen sind. Viele Schüler besuchen letztlich nur deshalb die Schule, weil sie als pädagogische Zwangsinstitution gesellschaftlich etabliert wurde. (Wie viele Schüler kennen Sie, die freiwillig und freudvoll zum Unterricht kommen würden?)
Hinzu kommen die immer wiederkehrenden mühsamen Erklärungen, warum gerade dieser oder jener Unterrichtsstoff so wichtig sei, und die immer anstrengenderen Schlichtungen zwischen den Schülern, um (konstruktiven) Unterricht überhaupt erst zu ermöglichen.
So könnte es sein, dass Sie auf dem besten Wege sind, sich nachhaltig unglücklich zu machen. Um dieses fundiert und effektiv fort zu setzen, sollen Ihnen die folgenden Kapitel weitere Anregungen geben.
Am Ende werden Sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit noch besser entscheiden können, wie unglücklich Sie werden wollen. Es gibt also berechtigte Hoffnung, dass Sie das Maß Ihres Unglücks selbst regulieren können.
Warnhinweis: Falls Sie keinerlei Vorerfahrung im systemischen Denken haben, könnten Ihnen etliche Passagen dieses Buches zynisch erscheinen. Ich kann Sie beruhigen: Es handelt sich dabei um reine Ironie. Es wurde darauf verzichtet, die entsprechend aufzufassenden Abschnitte im Text gesondert zu markieren. Sicherlich erschließt es sich Ihnen schnell, wann Sie die systemisch-ironische Lesebrille aufsetzen müssen.
Zum Auftakt könnten Sie sich einige Fragen zu Ihrem derzeitigen Erleben, zum möglichen Handeln und Ihrer Haltung stellen. Machen Sie es sich bequem. Beine hoch. Eine Tasse Tee. Die Gedanken frei …
Erleben
•Wie froh bin ich jeden Morgen, mich auf den Weg in die Schule begeben zu dürfen?
•Wie groß ist die Vorfreude auf meine Begegnungen, wenn ich das Schulgebäude betrete?
•Mit welchen Kollegen genieße ich das Zusammensein in den Pausen (und/oder nach dem Unterricht) besonders?
•Auf welche(n) Schüler bin ich heute besonders neugierig?
•Welche Songs würden heute gut zum Soundtrack meines Schulfilms passen? Eher »Spiel mir das Lied vom Tod« oder »Happy Day«?
•Wie gelassen und zuversichtlich erlebe ich die verschiedenen Unterrichtssituationen?
•Welche Phasen des Unterrichtes genieße ich besonders?
•Wie gehe ich aus der Schule, wenn es ein richtig guter Tag war? Was spüre ich dann wo? Welche Ideen kommen auf? Was hat dazu beigetragen, dass es ein guter Tag wurde? Woran hätte ein Beobachter schon zu Beginn erkennen können, dass er gut wird? Wie viele solcher Tage hatte ich im vergangenen Monat? Wie viele sollten es mindestens sein?
•Worauf freue ich mich am Ende der Ferien am meisten, wenn ich an die wieder beginnende Schulzeit denke?
Handeln und Haltung
•Was kann ich tun, damit mehr Songs wie »Happy Day« zu meinem Soundtrack gehören?
•Für welche Kollegen interessiere ich mich besonders? Was unternehme ich demnächst mal mit einem oder mehreren Kollegen?
•Wie lässt sich meine Neugier auf den einen oder anderen Schüler steigern? Was ging mir in ihrem Alter durch den Kopf? Womit habe ich mich beschäftigt?
•Was könnte meine Gelassenheit und Zuversicht stärken? Welche Art und Form der Zusammenarbeit wäre dafür hilfreich? Würde mich beispielsweise eine engere Zusammenarbeit (evtl. mit gegenseitigen Unterrichtsbesuchen) eher verkrampfen oder entspannen?
•Auf welche Weise müsste ich an Schule denken können, damit das Urlaubsende vor allem freudige Erwartung der kommenden Schulzeit bedeutet?
Gelassenheit, Ruhe und Vernetzung stärken Ihre Präsenz.
Um uns positionieren zu können, nutzen wir oft verfestigte Muster, die uns in vergleichbaren Situationen zur Orientierung gedient haben. Als Lehrer mussten wir lernen, Reaktionen zu entwickeln, bei denen unsere Selbstachtung nicht übermäßig angekratzt wird. Wir klammern uns also nicht selten an Muster, die zu gegebener Zeit unsere Autorität gefestigt haben. Und wir nutzen diese immer wieder, auch wenn die Schüler, die Situation und die Zeit ganz anders geworden sind.