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Die Lehre des Tantra unterscheidet sich von den meisten Religionen dadurch, dass sie die polaren Spannungen in der Schöpfung nicht als einen Konflikt zwischen Gut und Böse, zwischen Gott und Teufel sieht. Sehr wohl ist im Tantra das ethische Verhalten von großer Bedeutung, doch da es keinen persönlichen, richtenden Gott gibt, der in die Schöpfung eingreift, fehlt dem Tantra der Aspekt der Drohung, welcher für viele Menschen für moralisches Verhalten notwendig zu sein scheint.
Was die Allgemeinheit anbelangt, liegen die Religionen mit ihrer ethischen Botschaft richtig. Sie erfüllen damit eine wichtige soziale Aufgabe, verlieren aber zunehmend an Bedeutung. Die Lehre des Tantra ist als erzieherisches System auf der Basis von Belohnung und Bestrafung ungeeignet und kann die Religionen insofern nicht ersetzen. Der Tantra erteilt keine Lebensvorschriften und moralische Denkweisen sind ihm fremd. Es wird zwar der Egoismus abgebaut, jedoch nicht aus ethischen Erwägungen, sondern aus dem Bestreben des Nicht-Anhaftens. Ethik ist im Tantra ein spätes Ergebnis des individuellen Entwicklungsprozesses und entsteht aus dem Erkennen und Erleben der Alleinheit.
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Seitenzahl: 40
Das theoretische Grundkonzept des Tantra
Alfred Ballabene
Es wird behauptet, dass der Tantra etwa im zweiten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung entstand - weil die ersten Aufzeichnungen aus dieser Zeit stammen. Das ist eine typisch westliche Denkweise, in der etwas erst ab dem Zeitpunkt existiert, ab dem es belegt ist. Ob dies wirklich stimmt hängt sicherlich auch von der Definition des Tantra ab. Es gibt unterschiedliche Richtungen des Tantra, und auch Traditionen wie das Kumbha Mela, die sicherlich bis in etliche vergangene Jahrtausende zurück reichen. Es gibt Praktiken aus alter Vorzeit, die sich bis heute lebendig unter den Sadhus erhalten haben und als mündlich tradierte Geheimlehre in vielfältigsten Auslegungen und Methoden weiter gegeben werden. Wenn wir den Überlieferungen der Sadhus Gehör schenken, so lassen sich wesentliche Yogapraktiken des lebendigen Tantra auf eine Inkarnation von Shiva vor sieben tausend Jahren zurück führen. Wer immer das gewesen sein mag, er gilt als der Ursprung der Verehrungsform Shivas als Mahaguru. Für mich persönlich ist dieser Yogi aus uralten Zeiten Babaji, so wie ich ihn aus astralen Begegnungen kenne. Ich erwähne diesen Aspekt, weil er deutlich vor Augen führt, dass das Wesen des Tantra Yoga etwas Lebendiges ist und in erster Linie aus inneren Erfahrungen besteht und als individuelle Erfahrung nicht durch Buchstaben und Lexika fixiert werden kann. Das zu den Tantra Praktiken.
Sadhus beim Kumbha Mela Fest
Was den theoretisch-philosophischen Überbau des Tantra betrifft hat sich in diesem langen Zeitraum unweigerlich vieles an Anschauungen geändert. Deshalb ist es schwer zu sagen ab wann oder mit welchen Lehren der Tantrayoga überhaupt anfängt. Unbestritten ist sicherlich, dass Elemente verschiedenster Traditionen von der Gnosis beginnend bis zur Advaita sich den ursprünglichen magisch-schamanischen Ansichten überlagert haben.