Die Maya - Ulrike Peters - E-Book

Die Maya E-Book

Ulrike Peters

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Beschreibung

Die Zivilisation der Maya ist eine der faszinierendsten Hochkulturen der Welt, die den Vergleich mit der Alten Welt nicht scheuen muss. Mit dem am weitesten entwickelten Schrift-, Zahl- und Kalendersystem waren sie die Genies unter den präkolumbianischen Kulturen. Sie kannten bereits die Null, eine Errungenschaft, die im Abendland erst mit dem arabischen Zahlsystem bekannt wurde. Mitten im lebensfeindlichen tropischen Regenwald ermöglichte ihnen ein ausgeklügeltes Landwirtschaftssystem, zahlreiche Städte und prachtvolle Tempel zu erbauen. Trotz der neuesten Forschung sind noch längst nicht alle Geheimnisse der Maya, wie z. B. ihr plötzlicher Untergang, entschlüsselt, und von den archäologischen Fundstätten wurde bislang nur ein Bruchteil ausgegraben. So gibt es immer wieder sensationelle Funde, die eine Revidierung des bisherigen Wissens notwendig machen. Der vorliegende Band stellt nicht nur die »alten« Maya dar, sondern z. B. auch ihren Kampf um gesellschaftlich-politische Anerkennung in der Gegenwart. Eine über 3000-jährige Geschichte.

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Seitenzahl: 406

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ulrike Peters

DIE MAYA

Vergangenheit und Gegenwarteiner geheimnisvollen Kultur

Inhalt

Vorwort: Eine Hochkultur im Dschungel

Die Maismenschen und ihre Umwelt: Lebensraum und Einordnung der Maya-Kultur

Die Maya-Kultur – ein Teil Mesoamerikas

Nachbarkulturen der Maya: Olmeken, Teotihuacán und Tula

Das Kulturareal der Maya – geologisch gesehen

Flora und Fauna: Grundlage von Wirtschaft und Religion

Vielfalt von Sprachen, Ethnien und Siedlungsräumen

Die Quellen: Von den Inschriften der Maya-Herrscher bis zu den Berichten der spanischen Augenzeugen

Die vorspanische Maya-Kultur: Ein kurzer Überblick

Anfang und Aufstieg: Die Präklassik (1800 v. Chr. – 250 n. Chr.)

Die ersten Einwanderer: Das Archaikum

Der erste Schritt zur Hochkultur: Die Präklassik

Die wichtigsten Städte der Präklassik

Die Klassik im Tiefland: Städte und ihre Herrscher (250–950 n. Chr.)

Sternenkriege der Supermächte: Tikal und Calakmul

Palenque und Pakal, der berühmteste Maya-Herrscher

Copán, die Stadt der Künste

Caracol, der Global Player

Yaxchilán, der »geteilte Himmel«

Naranjo und die siegreiche Herrscherin

Bonampak und seine berühmten Wandgemälde

Piedras Negras und die Entzifferung der Maya-Schrift

Dos Pilas und die Petexbatún-Staaten

Das Ende des Goldenen Zeitalters: Der große Kollaps

Barock à la Maya, die Endphase der Klassik: Puuc-, Chenes- und Rìo Bec-Stil in Yukatan

Jaina, die Insel der Toten

Eine zweite Blütezeit: Die Postklassik im Hochland und in Yukatan (950–1697 n. Chr.)

Die K’iche’ im Hochland von Guatemala

Die Itzá in Yukatan: Chichén Itzá und Mayapán

Gesellschaft, Wirtschaft, Kunst und Handwerk

Leben wie ein Gott: Der Herrscher

Das Leben der einfachen Bevölkerung

Im Zeichen des »Großen Sterns«: Die Maya – ein kriegerisches Volk

Wirtschaft, die Grundlage des herrschaftlichen Luxuslebens

»Von der erregenden Wirkung der Denkmäler«: Kunst und Handwerk

Schrift, Kalender und Bücher der Maya

Eine Schrift aus Wörtern und Silben

Der Blick in die Zukunft: Kalender und Zahlen

Die 18 Monatsnamen des Haab

Die 20 Tagesnamen des Tzolk’in

Zeiteinheiten des Long Count

Codices: Die Bücher der Maya

Popol Vuh, Chilam Balam und weitere Literatur

Weltbild und Religion

Die »Maismenschen« und ihre Welt

Eine Vielfalt von Göttern: Das Pantheon

»Sie wurden auf Schultern getragen«: Priester, Schamanen und Heiler

Feste und Rituale

»Wenn sie ihm das Herz herausschneiden«: Blutige Opfer

Ballspiel als Gottesdienst

Der Mythos von den Göttlichen Zwillingen

»Unerhörte Grausamkeiten«: Die spanische Eroberung und Kolonialzeit

Erste Erkundungs- und Entdeckungsfahrten

Pedro de Alvarado und die Eroberung Guatemalas

Hernán Cortés und der Marsch nach Honduras

Francisco de Montejo und die Eroberung Yukatans

Die Missionierung der Maya

Unter spanischer Herrschaft: Die Kolonialzeit

Die Verwaltung Neuspaniens

Die Maya in der kolonialzeitlichen Gesellschaft

Maya heute: Vom Kastenkrieg zum Movimiento Maya

Die Unabhängigkeitsbewegung und die Maya-Aufstände

Ein eigener Maya-Staat: Der Kastenkrieg

Menschenrechte – ein Fremdwort: Caudillos, Diktatoren und der Bürgerkrieg in Guatemala

Die Pan-Maya-Bewegung: Movimiento Maya

Heilige, Cofradías und Schamanen: Religion als Faktor der Maya-Identität

Faszination Maya: Die Maya in Forschung und Esoterik

John Lloyd Stephens und die Wiederentdeckung der Maya-Kultur

Auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur: Die Maya-Forschung im Überblick

Mayanism – Die Maya in der Esoterikszene

Die Welt der Maya auf neuen Wegen: neue Entdeckungen, neue Entwicklungen

Neue Entdeckungen: Aktuelle Highligths der Maya-Forschung

Maya-Schamanen, Biopiraterie und moderne Medizin

Die Migrantenkarawane auf dem Weg nach Norden

Der Maya-Zug, ein Zug in die Zukunft?

Anhang

Liste der Herrscher in Tikal, Calakmul, Palenque, Copán, Caracol, Yaxchilán und Naranjo

Zeittafel

Literatur

Aussprache

In den Maya-Sprachen gilt der nicht selten vorkommende sogenannte Glottischlag als separater Laut und wird durch einen Apostroph gekennzeichnet wie zum Beispiel im Wort »B’alam«. Es handelt sich dabei um einen durch den Verschluss der Stimmlippen gebildeten, stimmlosen Verschlusslaut. Ein entsprechendes Beispiel aus der deutschen Sprache ist »Spiegelei« (gesprochen Spiegel-Ei) im Unterschied zu »Spiegelei« (im Sinne von „spiegeln“).

VORWORT:EINE HOCHKULTUR IM DSCHUNGEL

Nichts im Drama der Weltgeschichte hat je einen gewaltigeren Eindruck auf mich gemacht als der Anblick dieser einst bedeutenden und prächtigen Stadt, jetzt aber verfallenen, verödeten, tief im Waldesdunkel schlummernden, ja sogar namenlos gewordenen Stadt – trauriges Zeugnis eines Weltenwandels, der nichts verschont.1

So John Lloyd Stephens, der schon zuvor Ägypten und andere Länder des Orients bereist hatte und dem die Wiederentdeckung der vorspanischen Maya-Städte im 19. Jh. zu verdanken ist, über die Ruinen der bekannten Stadt Palenque, so wie er sie bei seinem Besuch erlebte. Heute sind viele Maya-Städte der klassischen Zeit zwar nicht mehr namenslos, aber nach wie vor wartet eine Vielzahl der Stätten der vorspanischen Maya-Kultur auf ihre Entdeckung im Dickicht des Regenwaldes. Trotz der Fortschritte der Maya-Forschung vor allem in den letzten Jahrzehnten sind noch längst nicht alle Geheimnisse der Maya-Kultur entschlüsselt. So gibt es immer wieder neue, sensationelle Funde, zum Beispiel das erst 2020 entdeckte Aguada Fénix (Mexiko), die eine Revidierung des bisherigen Wissenstandes notwendig machen. Musste sich John Lloyd Stephens noch mühsam zu Fuß und mit der Machete den Weg zu den Ruinen im Dschungel bahnen, ermöglichen heute eine ganze Reihe moderner technischer Methoden einen bequemeren und vor allem schnelleren Überblick.

Die Kultur der Maya ist eine der faszinierendsten Hochkulturen der Welt und muss den Vergleich mit den Kulturen der Alten Welt nicht scheuen. Eine immer noch als geheimnisvoll geltende Kultur mitten im tropischen Regenwald mit zahlreichen Städten und prachtvollen Tempeln. Mit dem am weitesten entwickelten Schrift-, Zahl- und Kalendersystem waren die Maya die Genies unter den präkolumbianischen Kulturen. Sie rechneten mit dem Zahlwert Null, eine Errungenschaft, die im Abendland erst um 1000 n. Chr. mit Einführung des arabischen Zahlsystems bekannt wurde und sich in Deutschland erst im 15. Jh. durchsetzte. Die Maya hatten nicht nur eines, sondern mehrere Kalendersysteme, die die Tage sogar – wenn auch nur ein wenig – genauer berechneten als unser heutiger gregorianischer Kalender. Aufgrund intensiver Beobachtungen – ohne Teleskope! – waren die Priester genauestens über den Verlauf der Gestirne wie Sonne, Mond oder Venus informiert und richteten ihre Tempelbauten danach aus. Alle diese kulturellen Leistungen fanden ein plötzliches Ende, dessen genaue Umstände immer noch nicht vollständig geklärt sind. Die Maya und ihre kulturellen Leistungen gerieten schnell in Vergessenheit. Erst im 19. Jh. wurden die Ruinen ihrer Städte und Tempel im tiefsten Dschungel auf abenteuerliche Weise wiederentdeckt. So kaufte John Lloyd Stephens die bedeutende Maya-Stadt Copán für ein paar Dollar, um sie zu erkunden und für die Nachwelt zu dokumentieren. Während der von Stephens initiierten Erforschung nahm man dann lange Zeit an, die Maya seien als Volk der künstlerischen und wissenschaftlichen Hochleistungen – im Gegensatz zu den Azteken – ein Volk ohne Kriege und Menschenopfer gewesen. Aber bald stellte sich heraus: Wie die Azteken führten auch die Maya zahlreiche Kriege und praktizierten Menschenopfer. Geheimnisvoll bzw. ungeklärt ist immer noch, wie es den Maya der klassischen Zeit möglich war, den für Menschen lebensfeindlichen, feuchtheißen Regenwald intensiv landwirtschaftlich zu nutzen, dort eine Hochkultur zu entwickeln und wie genau es zu deren plötzlichem Ende kam.

Die Geschichte der vorspanischen Maya-Kultur umspannt die Zeit von den Anfängen und ersten großen Zeremonialanlagen in der Präklassik (1800–250 v. Chr.) – über die Zeit der Klassik (250–950 n. Chr.), in der Schrift- und Kalendersystem sowie Kunst den Höhepunkt ihrer Entwicklung erlebten, und die geprägt war durch eine Reihe von Stadtstaaten im Tiefland, deren Herrscher miteinander konkurrierten – bis hin zur Postklassik (950–1697 n. Chr.), der letzten Blütezeit der Maya-Kultur im Hochland von Guatemala und in Yukatan.

Ebenso interessant und abenteuerlich ist die weitere Geschichte der Maya bis zur Gegenwart. Die vollständige spanische Eroberung des Maya-Gebietes dauerte 173 Jahre, länger als die Eroberung der Azteken-Hauptstadt Tenochtitlán und des Inka-Reiches. Während der Kolonialzeit wehrten sich die Maya gegen die »unerhörten Grausamkeiten«2 der Spanier. Es kam immer wieder zu Aufständen. Heute noch leben ca. sechs Millionen Maya in Südmexiko, in Guatemala, Belize, El Salvador sowie im Westen von Honduras, die nach wie vor um ihre gesellschaftlich-politische Anerkennung kämpfen. Vor allem im Bereich der Religion prägen traditionelle Vorstellungen und Praktiken das Alltagsleben: Beispiele dafür sind die Heiler bzw. »Schamanen«, die nach wie vor konsultiert werden, oder die Verehrung vorspanischer Gottheiten in Gestalt christlicher Heiliger.

Seit der Wiederentdeckung der Maya-Kultur durch John Lloyd Stephens übt sie nicht nur in der wissenschaftlichen Welt bis heute eine Faszination aus, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit. Ein Beispiel dafür ist die in der Esoterik-Szene erzielte Breitenwirkung nicht zuletzt durch den Hype des nach dem Maya-Kalender für 2012 prophezeiten angeblichen Weltuntergangs, der wiederum von einer Reihe traditioneller Maya-Schamanen aufgenommen wurde.

Der Leser ist eingeladen, an dieser Faszination teilzunehmen und die Anfänge der Maya-Kultur kennenzulernen, die spannende Geschichte der Städte und ihrer Herrscher in der klassischen Zeit im Tiefland und deren plötzliches Ende, die zweite Blütezeit im Hochland von Guatemala und in Yukatan sowie die einzigartigen kulturellen Leistungen der Maya bezüglich Schrift, Kalender und Kunst, die abenteuerliche Eroberung des Maya-Gebietes durch die Spanier, die zahlreichen Aufstände der Maya bis hin zum Kastenkrieg und den Zapatistas, die Rückbesinnung der Maya auf ihre eigene Tradition, aber auch die spannende Forschungsgeschichte, die nicht mit Fachgelehrten, sondern Quereinsteigern begann. Abschließend wird ein Blick geworfen auf die Nachwirkungen der Maya-Kultur in der Esoterikszene sowie die aktuellen Entwicklungen in der Maya-Forschung und in der heutigen Welt der Maya. Meinen Dank möchte ich hierbei Stefan Gücklhorn, Lektor des Verlagshauses Römerweg, für die hervorragend gute Zusammenarbeit aussprechen. Vor allem danke ich auch Dr. Heinz Ulrich Brinkmann für die Mühe und den Zeitaufwand, die er mit seinem äußerst gründlichen und hilfreichen Lektorieren des Manuskriptes freundlicherweise auf sich genommen hat.

Nach wie vor gilt angesichts der noch zu erwartenden Neuentdeckungen in der Maya-Forschung das, was Stephens schon im 19. Jh. feststellte: »[…] wenn das Geheimnis dieser Ruinen aber einmal enträtselt sein wird, muss die Weltgeschichte neu geschrieben werden.«3

1John Lloyd Stephens 1980, 170.

2Wie es Diego de Landa formulierte, einer, der es wissen musste, war er doch als Missionar selbst daran beteiligt.

3John Lloyd Stephens 1980, 191.

DIE MAISMENSCHEN UND IHRE UMWELT: LEBENSRAUM UND EINORDNUNG DER MAYA-KULTUR

Die Maya-Kultur – ein Teil Mesoamerikas

Das Gebiet von Nordmexiko bis Mittel- bzw. Zentralamerika4 ist in vorspanischer Zeit von einer Vielzahl von Hochkulturen geprägt, die man als mesoamerikanische Kulturen bezeichnet. Die Maya-Kultur ist neben der der Azteken die bekannteste unter ihnen. Den Fachausdruck Mesoamerika führte der Altamerikanist Paul Kirchhoff 19435 ein, um damit – unabhängig von den modernen Staatsgrenzen – das Ausbreitungsgebiet bzw. Kulturareal der dortigen vorspanischen Hochkulturen zu bezeichnen. Die Grenze Mesoamerikas verlief in Nordmexiko auf der Höhe des nördlichen Wendekreises, ungefähr in Übereinstimmung mit dem Verlauf der Flüsse Río Pánuco und Río Lerma. Im Süden gehörten die heutigen Staaten Guatemala, Belize, El Salvador und Honduras, zu gewissen Zeiten Nicaragua und Costa Rica zu Mesoamerika. D. h. die Grenzen Mesoamerikas veränderten sich und waren jeweils von den einzelnen Kulturen und ihren Zeiten abhängig – ähnlich wie die Ausbreitung und die Grenzen des Römischen Reiches sich mit den Zeiten veränderten. Nach dem Vorbild der griechischen Antike ordnet man die mesoamerikanischen Kulturen in eine archaische, präklassische (vorklassische), klassische und postklassische (nachklassische) Zeit ein.

Übersichtskarte über die mesoamerikanischen Kulturen (einschließlich der Maya)

Hier ein kurzer Überblick über die mesoamerikanischen Kulturen6, die für die Maya als Vorgänger und Nachbarkulturen von entscheidender Bedeutung waren. Die erste nachweisbare Hochkultur Mesoamerikas ist die der Olmeken in der präklassischen Zeit (1800–250 v. Chr.) mit ihren Zeremonialzentren San Lorenzo und La Venta (in den heutigen mexikanischen Bundesstaaten Veracruz und Tabasco). Die klassische Zeit (250–950 n. Chr.) wird durch die Blütezeit von Teotihuacán geprägt, einer Megastadt mit riesigem Zeremonialzentrum im Hochtal von Mexiko (nordöstlich von Mexiko-Stadt). Die postklassische Zeit (950 n. Chr. bis zur Ankunft der Spanier 1519) ist im Hochtal von Mexiko zunächst durch die Tolteken und ihre Stadt Tula (nordwestlich von Mexiko-Stadt; 950–1150 n. Chr.) gekennzeichnet. 1325 gründen die Azteken ihre Hauptstadt Tenochtitlán (heute Mexiko-Stadt), die 1521 von den Spaniern erobert wurde. Neben diesen Hochkulturen in Zentralmexiko sind als weitere »Nachbarkulturen« der Maya die der Zapoteken und Mixteken in Oaxaca mit ihrem Zentren Monte Albán und Mitla zu nennen. Alle mesoamerikanischen Kulturen zeichnen sich durch Gemeinsamkeiten aus, die Paul Kirchhoff erstmals zusammenstellt hat. Er betonte dabei folgende gemeinsamen Merkmale:

· Hierarchisch in Adel, Priester, Krieger, Handwerker und Bauern gegliederte Gesellschaften;

· Kultzentren und Stadtanlagen mit Tempelpyramiden, Palästen und Ballspielplätzen;

· hochentwickelte Kunstwerke wie Keramik, Skulpturen oder Malereien;

· Schrift-, Zahlen- und Kalendersysteme

Darüber hinaus lassen sich noch weitere Gemeinsamkeiten der mesoamerikanischen Kulturen feststellen. So basierten sie alle auf einer hochentwickelten Landwirtschaft mit Bewässerungstechniken. Die Grundnahrungsmittel waren und sind bis heute das »Dreigestirn« Mais, Bohnen und Kürbis. Man verwendete keine Werkzeuge aus Eisen. Nur mit Steinwerkzeugen errichtete man die monumentalen Pyramidenbauten. Zug- und Reittiere sowie Pflug und Töpferscheibe kannte man nicht.

Angesichts der kulturellen Leistungen in Mesoamerika stellt sich immer wieder die Frage, ob es sich dabei um eigene, autochthone Leistungen handelt oder ob die mesoamerikanischen Kulturen ihren Ursprung den Kulturen der Alten Welt verdanken oder zumindest von ihnen beeinflusst wurden. In der Wissenschaft stehen sich als Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der neuweltlichen Kulturen zwei Theorien gegenüber: Die Diffusions- und die Konvergenztheorie. Die Diffusionstheorie besagt, dass gleiche bzw. ähnliche Kulturleistungen und -merkmale einen einzigen, gemeinsamen Ursprung haben, von dem aus sie sich verbreitet haben. Sie vertritt daher auch die Ansicht, dass die Leistungen der mesoamerikanischen Kulturen aus der Alten Welt stammen. Nach der Konvergenztheorie dagegen beruhen ähnliche Kulturphänomene nicht auf einem gemeinsamen Ursprung, sondern sind an verschiedenen Orten unabhängig voneinander mehrmals entstanden. Danach haben sich die mesoamerikanischen Kulturen ohne Einfluss der Alten Welt entwickelt.

Auf Ähnlichkeiten zwischen der Alten Welt und speziell der Maya-Kultur wurde zum Beispiel in Hinblick auf das Kalender- und Zahlensystem hingewiesen: Sowohl die alten Inder als auch die vorspanischen Maya rechneten mit der Zahl 0. Und die Kalendersysteme beider Kulturen rechneten mit großen Zeit- bzw. Weltepochen. Sogar der Beginn der Zeitrechnung ist ungefähr gleich: für die Inder ist es das Jahr 3102 v. Chr., für die Maya 3114 v. Chr. Eine Parallele zum alten China ist die besondere Verehrung des Drachen. Die »Gefiederte Schlange« – oft einem Drachen verblüffend ähnlich dargestellt – ist eine der wichtigsten Gottheiten in den mesoamerikanischen Kulturen. Ferner glaubte man, in einigen Skulpturen der Olmeken und Maya Ähnlichkeiten zu asiatischen Buddhadarstellungen feststellen zu können. Und sowohl in China als auch bei den Maya galt Jade als wertvoll und wurde häufig für Schmuck u. a. verwendet.

Generell ist aber von einem autochthonen Ursprung der mesoamerikanischen Kulturen auszugehen. Denn bisher hat man keinen einzigen archäologischen Fund vorliegen, der ganz eindeutig aus der Alten Welt stammt. Somit fehlen bislang »handfeste« Beweise für einen Einfluss der Alten auf die Neue Welt. Selbst wenn es solche Einflüsse vielleicht gegeben haben mag, dann waren sie nicht von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der mesoamerikanischen Kulturen. Als Teil Mesoamerikas standen die Maya immer wieder mit den anderen mesoamerikanischen Kulturen (vor allen denen von Zentralmexiko) in Kontakt und erhielten von ihnen dementsprechend Impulse. In der präklassischen Zeit waren es die Olmeken, in der klassischen Zeit die Stadt Teotihuacán und in der postklassischen Zeit Tula, die Kontakte mit der Maya-Kultur hatten und sie beeinflussten. Diese werden im Folgenden kurz dargestellt.

Nachbarkulturen der Maya: Olmeken, Teotihuacán und Tula

Der Beginn der Maya-Kultur in der präklassischen Zeit ist eng mit der Kultur der Olmeken verbunden. Diese beeinflusste als erste Hochkultur in Mesoamerika überhaupt nicht nur die Maya, sondern auch alle anderen mesoamerikanischen Kulturen wie Teotihuacán, Zapoteken, Mixteken, Tolteken und Azteken. Denn schon in der olmekischen Kultur sind alle typischen Merkmale der mesoamerikanischen Hochkulturen nachweisbar, wie Stadtanlagen mit Tempeln, Schrift, Zahlen- und Kalendersystem oder das Ballspiel. Wer die Olmeken bzw. die Träger der olmekischen Kultur waren, ist nicht bekannt. »Olmeken« ist kein Eigenname einer Ethnie, sondern eine Benennung durch Archäologen mit einem Nahuatl-Wort, das »Leute aus dem Kautschukland« bedeutet.

Die olmekische Kultur ist durch zwei Phasen und zwei Orte gekennzeichnet: San Lorenzo im mexikanischen Bundesstaat Veracruz (1500–1150 v. Chr.) und La Venta im mexikanischen Bundesstaat Tabasco (1000–475 v. Chr.). In San Lorenzo bestand ein Zeremonialplatz mit zwei großen, mit Erde aufgefüllten Pyramiden sowie vielen Steinskulpturen, unter anderem den als Markenzeichen dieser Kultur geltenden riesigen Köpfen. Die Keramik der Olmeken war in weiten Teilen Mesoamerikas verbreitet, was auf einen intensiven Handel hindeutet. Das Ende von San Lorenzo kam plötzlich, wahrscheinlich durch Eroberung von außen. Ebenso wurde La Venta zerstört, erholte sich dann aber wieder und wurde zum zweiten Zentrum der Olmeken-Kultur. Das Zeremonialzentrum in La Venta glich dem von San Lorenzo. Kennzeichnend war eine große, 32 m hohe Pyramide mit rechteckigen Grundriss. Möglicherweise gehörte zudem ein Ballspielplatz zum Zentrum.

Kennzeichnend für die Olmekenkultur sind die vielen Steinskulpturen, oft in monumentaler Größe. In San Lorenzo fand man acht der riesigen, individuell gestalteten Köpfe aus Basalt. Diese sind ungefähr einen Meter hoch und bis zu 20 Tonnen schwer. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um Darstellungen von Herrschern. Viele kleine, aus Jade und Serpentin geschnitzte Figuren, die man in La Venta fand, zeigen ein sogenanntes baby-face, bei dem sich die Züge eines Babys und eines Jaguars vermischen. Ferner gibt es Skulpturen, die wahrscheinlich einen Würdenträger (Herrscher oder Priester) darstellen. Ein anderer besonderer Typ von Steinmonumenten sind die großen, tischförmigen Altäre. An einer Längsseite befindet sich jeweils ein Relief mit der Darstellung eines Herrschers bzw. Würdenträgers im Schneidersitz, oft mit einem Kind oder »Jaguar-Baby« im Arm oder mit einem Kriegsgefangenen. In der Religion spielten der Jaguar und der Werjaguar (ein Wesen halb Mensch, halb Jaguar) eine wichtige Rolle.

Der Einfluss der Olmeken reichte sehr weit: Im Nordwesten bis Puebla im Hochtal von Mexiko, Guerrero, Morelos und Oaxaca und im Süden bis Guatemala und El Salvador. Dies lässt sich anhand der Verbreitung von Handelsobjekten und des Kunststiles belegen. So gab es im Kerngebiet der Olmeken kein Obsidian. Es musste aus dem Hochland von Mexiko und aus Guatemala importiert werden. Aus dem Obsidian wurden Werkzeuge (Messer) und Figuren hergestellt. Die Expansion der Olmeken erfolgte vermutlich eher über Handelsbeziehungen als über militärische Eroberungszüge. Bezüglich der Beziehung zwischen Olmeken- und Maya-Kultur ist noch nicht alles geklärt. So ist die Frage, ob es nur einen einseitigen Einfluss der Olmeken auf die Maya-Kultur oder eventuell auch eine gegenseitige Beeinflussung gab, bislang unbeantwortet. Bei diversen archäologischen Funden ist es im Einzelfall nicht immer einfach oder gar unmöglich, sie konkret der einen oder der anderen Kultur zuzuordnen.

Ein Verbindungsglied zwischen Olmeken und Maya ist Izapa an der Pazifikküste des mexikanischen Bundesstaates Chiapas – ein Knotenpunkt des damaligen »internationalen« Handels. Izapas Besiedlungsgeschichte reicht von ca. 1900 v. Chr. bis 1000 n. Chr., die Blütezeit ist von 850 bis 100 v. Chr. anzusetzen. Berühmt ist die Stadt vor allem wegen ihrer 89 Stelen, die sich durch einen eigenen Stil auszeichnen: Sie zeigen Darstellungen von Gottheiten oder Herrschern in rituellen Szenen zwischen den Bereichen Himmel, Erde und Unterwelt. Diese Stelen weisen keine Hieroglypheninschriften oder Datumsangaben auf – im Unterschied zu den Stelen der späteren Epi-Olmeken (den Nachfolgern der Olmeken) und der Maya. Vielleicht hat man ganz bewusst auf Schriftzeichen verzichtet, da Izapa ein Schnittpunkt zwischen verschiedensprachigen Ethnien und Kulturen war. Zudem fanden sich 61 Altäre, meist in Form von Fröschen. Diese Stelen und Altäre standen in einem engen Zusammenhang, sodass man von einem Stele-Altar-Komplex spricht, der ebenso für die spätere klassische Maya-Zeit kennzeichnend ist. Einige Wissenschaftler vermuten, dass der 260-Kalender (Tzolk’in) hier entstanden und keine Erfindung der Maya ist.

Teotihuacán im Hochtal von Mexiko, ca. 50 km von Mexiko-Stadt entfernt, entwickelte sich in der Zeit der Klassik zu einer Megastadt, deren Handelsbeziehungen und Einfluss bis ins Maya-Gebiet reichte. Teotihuacán war religiöses Wallfahrtszentrum und Handelsmetropole in einem – größer als das antike Rom und die meisten europäischen Städte dieser Zeit.

Wer genau die Träger der Kultur von Teotihuacán waren, weiß man nicht. Die Anfänge eines Zeremonialzentrums sind in der Zeit zwischen 1 v. Chr. und 150 n. Chr. anzusetzen, die Blütezeit von 250–550 n. Chr. In der Zeit zwischen 550 und 650 n. Chr. zerstörte ein Brand das Stadtzentrum und beendete so diese Kultur.

Der schachbrettmusterartige Grundriss der Stadt Teotihuacán ist durch zwei Hauptachsen in vier Bezirke unterteilt. Eine dieser beiden Achsen ist die »Straße der Toten«, die das Zeremonialzentrum von Teotihuacán prägt. Diese Straße, die 2,5 km lang und 40 bis 50 m breit ist, verläuft in Nordsüd-Richtung. Rechts und links von ihr liegen – neben der riesigen »Pyramide der Sonne« und der etwas kleineren »Pyramide des Mondes« – eine Unzahl kleinerer Pyramiden, auf denen sich früher Tempel befanden. Die Mondpyramide befindet sich am südlichen Ende der Straße der Toten, die Sonnenpyramide, etwas zurückversetzt, an der Westseite dieser Straße. Die Straße der Toten endet nördlich im Zentrum mit dem Komplex der sogenannten Zitadelle und des Quetzalcoatl-Tempels. Bei der Zitadelle handelt es sich wahrscheinlich um den Herrscherpalast. Dahinter verlief eine zweite große Straße in Ostwestrichtung, sodass die Zitadelle und der Quetzalcoatl-Tempel sich an der Kreuzung der beiden Straßen und damit im Zentrum der Stadt befanden. Der Quetzalcoatl-Tempel wurde von den Archäologen nach seinem Fassadenschmuck benannt: Dieser zeigt abwechselnd vollplastische Köpfe der Gefiederten Schlange (Quetzalcoatl) mit federartigem Kopfputz und des Regengottes mit brillenartigen Augen. Dies ist die erste Darstellung der Gefiederten Schlange, die dann als Quetzalcoatl in Tula und als K’uk’ulkan in Chichén Itzá große Verehrung erlebte. Auf diesen beiden großen Pyramiden, der Sonnen- und der Mondpyramide, befand sich jeweils ein Tempel. Die Sonnenpyramide, 65 m hoch, hat eine Grundfläche von 225 m2 und einen Inhalt von 1 Mio. m3(halb so viel an Rauminhalt wie die Cheopspyramide in Ägypten). Die Mondpyramide ist nicht ganz so groß wie die Sonnenpyramide. Welchen Gottheiten die beiden Pyramiden geweiht waren, ist unbekannt. Im Inneren der Mondpyramide wurden mehrere Opfergräber gefunden. Interessant ist das Opfergrab 5: Hier wurden drei Männer im Alter zwischen vierzig und siebzig Jahren im Schneidersitz nach Westen blickend bestattet, eine Bestattungsform, die nur sehr ranghohen Personen vorbehalten war. In Teotihuacán ist es das einzige Beispiel dieser Bestattungsform. Zwei der Männer trugen als Brustschmuck Pektorale, wie sie bei hohen Würdenträgern der Maya üblich waren, der Dritte trug zwei große, scheibenförmige Ohrringe. Nicht nur die Pektorale, sondern auch die Bestattungsform im Schneidersitz weisen auf das Maya-Gebiet hin. Das Grab wäre somit ein Beleg für die Kontakte und Handelsbeziehungen zwischen Teotihuacán und den Maya. Bei den Toten handelt es sich dementsprechend vermutlich um Würdenträger, Botschafter, Krieger oder vielleicht Händler aus dem Maya-Gebiet.

Die Grundlage der Kultur von Teotihuacán war neben einem intensiven Feldbau mit künstlicher Bewässerung vor allem ein »weltweiter« Handel weit nach Norden (bis Sinaloa), bis nach Oaxaca im Westen, zur Golfküste im Osten und nach Süden bis ins Maya-Gebiet hinein. Trotz des oben erwähnten intensiven Feldbaus wurden große Mengen von Lebensmitteln aufgrund der hohen Bevölkerungszahl von außerhalb eingeführt, ebenso Keramik und Luxusartikel (Türkissteine, Jade, Gold, Federn exotischer Vögel, Kakao etc.). Andererseits exportierte Teotihuacán zum Beispiel Keramikwaren nach Oaxaca, Veracruz und ins Maya-Gebiet bis Guatemala. Ein wichtiger Exportartikel war Obsidian.

Zwischen Teotihuacán und dem Maya-Gebiet bestanden dementsprechend zunächst Handelskontakte, denn die exotischen Güter wie Jade, Kakao oder Vogelfedern aus dem Maya-Land waren in Teotihuacán begehrt, und umgekehrt war grünes Obsidian bei den Maya gefragt. Später kam es allerdings zu einer Invasion durch Teotihuacán in Tikal und anderen Maya-Städten.7

Tula im Hochtal von Mexiko, ca. 90 km nördlich von Mexico-Stadt, war die Hauptstadt der Tolteken in der Frühen Postklassik. Über die Tolteken sind wir durch aztekische Berichte und Mythen informiert. Die Stadt Tula selbst bestand aus drei zeremonialen Komplexen: Tula Chico, Tula Grande und El Corral. Das bekannteste Gebäude von Tula Grande ist der Tempel des Quetzalcoatl, auch Tempel des Tlahuizcalpantecuhtli (»Morgenstern« bzw. »Venusstern«; eine Erscheinungsform des Quetzalcoatl) oder Tempel B genannt. Er ist schon von Weitem durch die auf der Pyramidenplattform stehenden Säulen in Gestalt von Kriegern erkennbar. Die Krieger stellen wahrscheinlich Quetzalcoatl dar, und zwar in seiner Erscheinung als Tlahuizcalpantecuhtli, dem Morgenstern. Sie tragen jeweils einen Panzer aus Baumwolle, einen Helm aus Quetzalfedern, einen Schild auf dem Rücken und ein Schmetterlingswappen oder -schild auf der Brust sowie Waffen (Pfeile und Atlatl, die Speerschleuder). Man nennt die Krieger-Figuren auch Atlanten, da man davon ausgeht, dass sie als eine Art Säulen das Dach des Tempels getragen haben. Die Basis der Pyramide ist mit Reliefplatten versehen, die abwechselnd Jaguare und Adler zeigen, die Herzen verschlingen. Neben dem Tempel des Quetzalcoatl befinden sich der »abgebrannte Palast« (Palacio Quemado) und der »Haupttempel«, von dem heute nur noch die vordere Seite erhalten ist. Vor den toltekischen Tempeln waren oft Chak Mo’ol-Figuren aufgestellt: mit angewinkelten Beinen auf dem Rücken liegende Kriegerfiguren, den Kopf zur Seite gedreht und mit den Händen auf dem Bauch eine Schale haltend. Wahrscheinlich hatten sie die Funktion von Altären, in die Schale wurde das Opfer gelegt. Schließlich sind in Tula Grande noch zwei Ballspielplätze zu erwähnen.

Man vermutet, dass die Kultur der Tolteken durch einen kriegerischen Aspekt gekennzeichnet war, denn die Städte sind befestigt oder auf Bergen angelegt und es werden sehr häufig Krieger dargestellt. Notwendige Nahrungsmittel und Luxusartikel, die man selbst nicht besaß bzw. herstellte, erwarb man durch Handel oder durch mit Waffengewalt erzwungene Tribute. Der Handel der Tolteken – vor allem Export von Obsidian und Import von Keramik – reichte weit nach Westen und Norden sowie bis ins Maya-Gebiet hinein. Nicht zufällig gelten daher Tula und Chichén Itzá als Zwillingsstädte: Beide Städte sind in gleicher Art und Weise geplant und gebaut. Außerdem finden sich in Chichén Itzá toltekische Architekturmerkmale: Chak Mo’ol-Figuren, Säulen in Form von Schlangen mit Schlangenköpfen an der Basis, Krieger- und Jaguarfiguren, die als »Bannerträger« für Papierfahnen und als Trägerfiguren (»Karyatiden«) von Altären dienten. was auf eine mehr oder weniger intensive Beziehung schließen lässt. Wie diese Beziehungen konkret aussahen, ist bis heute nicht geklärt.

Durch den Mythos bekannt und wahrscheinlich eine historische Person von Tula ist der Herrscher Ce acatl topiltzin (»Unser Herr Eins Rohr«), der gleichzeitig Priester des Gottes Quetzalcoatl war und als solcher auch den Namen Quetzalcoatl trug. Angeblich lebte er von 947 bis 999 n. Chr. Der Mythos erzählt vom Ende der Herrschaft dieses Quetzalcoatls und der Tolteken: Von seinen Kontrahenten ließ er sich verleiten, Alkohol zu trinken und war deshalb als Herrscher und Priester nicht mehr tragfähig. So verließ er die Stadt und fuhr mit einem Schiff übers Meer. Hier stellt sich die Frage, ob der Mythos Bezug nimmt auf die historische Auswanderung von Einwohnern Tulas nach Chichén Itzá. Damit könnte die Erwähnung von Diego de Landa in seinem Bericht aus Yukatan in Verbindung stehen, dass ihm die Indios in Yukatan von drei Häuptlingen erzählt hätten. Diese seien mit ihren Leuten aus dem Westen nach Chichén Itzá gekommen. »Sie waren große Verehrer ihres Gottes, und darum errichteten sie viele Gebäude, die sehr schön sind, insbesondere eines, das größte8 […] Diese Häuptlinge, erzählen sie, hätten ohne Frauen und überaus ehrsam gelebt, und solange sie so lebten, hätten alle sie immer hochgeachtet und ihnen gehorcht.«9 Aber nach dem Verschwinden oder Tod eines dieser Häuptlinge begingen die Nachfolger solche »Verfehlungen«, sodass das Volk sie getötet und den Ort zerstört und verlassen habe.

Das Kulturareal der Maya – geologisch gesehen

Das etwa 350 000 km2 große Kulturareal der Maya umfasst den südlichen/südöstlichen Teil von Mexiko (mit den Bundesstaaten Tabasco, Campeche, Yukatan, Quintana Roo und Chiapas), alle Gebiete der heutigen Staaten Guatemala und Belize, El Salvador sowie den westlichen Teil von Honduras. Geografisch gesehen gehört das Maya-Gebiet zum nordamerikanischen Kontinent, wobei der größte Teil zu der als Zentral- bzw. Mittelamerika bezeichneten Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika gehört. Dabei bildet der Isthmus von Tehuantepec die nördliche Grenze. Aufgrund seiner Lage südlich des Wendekreises des Krebses ist das Maya-Gebiet den Tropen zuzuordnen. Geografisch unterscheidet man die pazifische Küstenregion, das durch Gebirgsketten geprägte Hochland und das flache, durch Regenwald sowie – im Fall von Yukatan durch Savannenlandschaft – gekennzeichnete Tiefland. Diese Einteilung entspricht weitgehend den Kulturarealen der Maya. Man spricht auch von einer Südregion (pazifische Küstenebene und Hochland), einer Zentralregion (südliches Tiefland) und einer Nordregion (nördliches Tiefland bzw. Yukatan). Diese Kulturareale sollen im Folgenden geologisch näher beschrieben werden.

Die Südregion ist das Hochland, das vom mexikanischen Bundesstaat Chiapas über Guatemala bis El Salvador reicht. Dieses Hochland besteht aus mehreren von Nordwesten nach Südosten verlaufenden Gebirgsketten wie der Sierra de los Cuchumatanes im Norden und der Sierra Madre de Chiapas im Süden mit größtenteils noch aktiven Vulkanen. Der Vulkan Tajumulco in der Sierra Madre ist mit 4220 m Höhe der höchste Vulkan Mittelamerikas, der Vulkan Tacaná erreicht 4093 m. Im Hochland befinden sich die Quellen der drei großen Flüsse des Maya-Gebietes: des Río Grijalva, des Río Usumacinta und des Río Motagua. Die Südregion ist klimatisch der Tierra Templada (gemäßigte Zone) und Tierra Fría (kalte Zone) zu zuordnen. Die Tierra Templada umfasst das Gebiet in einer Höhe von 800 bis 1800 m, mit vorwiegend aus Laubbäumen bestehenden Mischwäldern. Hier erreichen die Tagestemperaturen maximal 30 Grad und die Nachttemperaturen liegen unter 20 Grad. Die Tierra Fría (kalte Zone) liegt über 1800 m Höhe und weist eine den Alpen ähnliche Vegetation mit Mischwäldern aus Nadel- und Laubbäumen sowie Graslandschaft auf. Die durchschnittliche Tagestemperatur liegt bei 15 bis 25 Grad und die Nachttemperaturen können gelegentlich auch um den Gefrierpunkt liegen. Der Übergang von Hoch- zum Tiefland ist durch einen – aufgrund der langen Regenzeit tropischen – Bergwald gekennzeichnet.

Übersichtskarte über das Gebiet der Maya-Kulturen

Das Zentralgebiet, auch »südliches Tiefland« genannt, umfasst die guatemaltekischen Departamentos Petén und Izabal. Es reicht in die Nachbarländer Mexiko (Tabasco sowie die südlichen Teile von Campeche und Quintana Roo) einerseits und Belize sowie Honduras andererseits hinein. Das Gebiet besteht größtenteils aus Regenwald. Klimatisch ist dieser Regenwald der sogenannten Tierra Caliente (heißen Zone) zuzuordnen – einer Zone, die bis zu 800 m über dem Meeresspiegel reicht. Kennzeichnend sind Tagestemperaturen bis zu 40°C und Nachttemperaturen um die 20°C. Diese tropische Regenwaldzone hat einen durchschnittlichen Jahresniederschlag von 2000 bis 4000 mm und eine Luftfeuchtigkeit von 70 bis 80 %. Im Vergleich hat Köln einen Jahresniederschlag von 804 mm. Zur Zentralregion gehören als einziges Gebirge die bis zu 1000 m hohen Maya Mountains in Belize. Ansonsten ist das Grenzgebiet zwischen Guatemala und Belize durch Sumpf und eine Seenlandschaft (Dep. de Petén, Guatemala) geprägt. Der Westen des Tieflandes bzw. der mexikanische Bundesstaat Tabasco ist sumpfig bzw. ein Schwemmgebiet des Usumacinta und seiner Nebenflüsse.

Die Nordregion entspricht dem nördlichen Teil der Halbinsel Yukatan und umfasst die mexikanischen Bundesstaaten Yukatan, den Norden von Campeche und von Quintana Roo sowie einen kleinen Teil von Belize. Diese in die Karibik hineinreichende Halbinsel mit savannenartiger Landschaft und buschartiger Vegetation ist geologisch gesehen eine insgesamt 450 km breite Kalksteinplatte. Durch den Einbruch von unterirdischen Höhlen entstand unter dem Erdboden Yukatans ein ganzes System miteinander verbundener Wasserbecken.10 Diese Cenotes, wie sie in der Mayasprache heißen, waren letztlich die einzige Möglichkeit der Wasserversorgung und galten den Maya daher als heilig. Die Stadt Chichén Itzá (»am Rand des Brunnens der Itzá«) verdankt einem solchen Cenote ihre Entstehung und ihren Namen. Denn Yukatan ist eine sehr regenarme Landschaft ohne größere Flüsse, mit Ausnahme des Usamacinta und des Belize River.

Geologische Besonderheiten des Maya-Gebietes sind die immer wiederkehrenden Erdbeben, die Vulkantätigkeiten und die Hurrikans bzw. tropischen Wirbelstürme. Das Maya-Gebiet liegt an dem durch Vulkane und Erdbeben geprägten »Pazifischen Feuerring«. Vor allem in Guatemala besteht daher ein extrem hohes und ständiges Erdbebenrisiko. Ursache dafür sind zwei Faktoren: Zum einen schiebt sich an der Pazifikküste die Cocos-Erdplatte unter die leichtere Karibische Erdplatte, und zum anderen gibt es darüber hinaus eine zweite Verschiebung zwischen der Karibischen und der Nordamerikanischen Erdplatte. Das Hochland besteht aus vielen Vulkanen, von denen die meisten nach wie vor aktiv sind. Durch diese tektonische und vulkanische Aktivität ist der Boden reich an Mineralien und daher für den Ackerbau besonders geeignet.

Der Unterschied zwischen Sommer und Winter ist im Maya-Gebiet nicht so entscheidend wie der zwischen der Regenzeit von Juni bis Oktober (in den nördlichen und östlichen Gebieten bis Dezember) und der Trockenzeit von November bis Mai. Kennzeichnend für die Regenzeit sind kurze, starke Schauer, meist zur Nachmittagszeit, nicht Dauerregen. Ein Phänomen der Regenzeit und kennzeichnend für die Küstengebiete sind die allseits gefürchteten Hurrikans. Diese tropischen Wirbelstürme haben eine Windstärke von 12 bzw. eine Windgeschwindigkeit von 118 km/h. Vermutlich verdanken die Worte »Hurrikan« und »Orkan« ihre Herkunft einer für Sturm und Wind zuständigen Maya-Gottheit namens Huracán (Hun-r-akan).

Flora und Fauna: Grundlage von Wirtschaft und Religion

Das Maya-Gebiet ist durch eine sehr hohe Biodiversität (d. h. eine Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren) geprägt. Grund dafür sind die gerade beschriebenen sehr unterschiedlichen Lebensräume. Im Folgenden soll ein Überblick über die wichtigsten Pflanzen und Tiere gegeben werden, die nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für das Weltbild und die Religion der Maya von Bedeutung waren. So zeigt sich die bedeutende Rolle des Maises als wichtigstes Nahrungsmittel im Leben der Maya in der Religion, wie zum Beispiel im zentralen Mythos von der Erschaffung der ersten Menschen aus Mais.

Die für die Maya-Wirtschaft wichtigen Pflanzen Mais, Bohne, Kürbis, Kakao, Tomate, Vanille, Tabak, Avocado und Papaya sind als indianisches Erbe heute auch bei uns bekannt. Mais, Bohne und Kürbis sind dabei die wichtigste Nahrungsgrundlage der Maya und auch der Nachbarkulturen. »Aus gelbem und weißen Mais machten sie sein Fleisch. Aus Maisbrei machten sie die Arme und Beine des Menschen. Einzig Maismasse trat in das Fleisch unserer Ahnen, der vier Menschen, die geschaffen wurden.«11 So berichtet der Schöpfungsmythos im Popol Vuh über die Erschaffung des Menschen aus Mais. Dieser Mythos über die »Maismenschen« belegt die Bedeutung der Maispflanze als Hauptnahrungsmittel bis heute nicht nur der Maya, sondern in ganz Mesoamerika. Besondere Bedeutung kommt dem Beginn der Domestikation des Maises in Mexiko um 5000 v. Chr. zu, weil diese den Übergang von der nomadischen Großwildjägerkultur zur sesshaften Ackerbauerkultur und somit den ersten Schritt zur Hochkultur markiert. Der Beginn der Kultivierung des Maises war daher eine kulturelle Revolution ähnlich wie der Beginn des Getreideanbaus in der Alten Welt. Die Anfänge des Maisanbaus lassen sich archäologisch im Gebiet des heutigen mexikanischen Bundesstaates Tamaulipas nachweisen, im Tal von Tehuacán (Puebla) bis hin nach Oaxaca.

Mais (Zea mays) gehört zur Familie der Süßgräser. Der Name stammt aus der Sprache der Arawak–Indianer der Karibik und Südamerikas, auf die Christoph Kolumbus auf einer seiner Entdeckungsfahrten traf. Kolumbus war es, der den ersten Mais nach Europa brachte. Schon 1525 gab es in Spanien die ersten Maisfelder. Ursprünglich auf wärmeres Klima angewiesen, wird der Mais heute in entsprechend klimatisch resistenten Sorten weltweit angebaut – in den meistens Ländern als Tierfutter. Der kultivierte Mais stammt von dem Wildgras Teosinte ab. Die Ähre der Teosinte mit zwei Reihen von Körnern ist dem Aussehen nach eher den Ähren von Weizen oder Gerste vergleichbar als den großen Kolben mit mehreren Körnerreihen heutiger Maispflanzen, die ohne menschliche Hilfe nicht mehr fortpflanzungsfähig sind. Trotz dieser Unterschiede haben aber Teosinte und der heutige Mais dieselbe Chromosomenzahl, ihre Blüten gleichen sich und sie können sich miteinander vermischen. Daher ist man sich heute sicher: Teosinte ist die Urform des Maises.

Die bei uns hauptsächlich verzehrte Gartenbohne (Phaseolus vulgaris L.) mit ihren verschiedenen Sorten (grüne Bohne, rote Kidney-Bohne, weiße Bohne oder gelbe Wachsbohne) stammt aus Zentralamerika und ist bis heute neben dem Mais das Grundnahrungsmittel der Maya. Als drittes wichtiges Nahrungsmittel sind die verschiedenen Sorten der Kürbisse (Cucurbita) zu nennen. Der Kürbis ist ebenfalls eine Pflanze amerikanischen Ursprungs, die vermutlich schon 10 000 v. Chr. domestiziert wurde. Und schließlich verdanken wir den Maya noch Kakao und Schokolade. Schon 1502 lernten Kolumbus und seine Mannschaft die Kakaobohnen kennen, als sie auf ein Handelskanu der Maya trafen.12 Sie waren darüber verwundert, wie eifrig sich gleich mehrere Maya bückten, um heruntergefallene Kakaobohnen aufzuheben. Kakao war bei den Maya ein Luxusgut, sowohl als Zahlungsmittel als auch als Getränk der High Society. Die Wörter Schokolade und Kakao stammen von den Maya-Wörtern cacau haa und chocol haa (»heißes Wasser«). Die Spanier machten aus chocol haa das Nahuatl-Wort chocolatl und so wurde es in die anderen europäischen Sprachen übernommen.13

Die Kakao-Pflanze (Theobroma cacao) gehört zur Familie der Malvengewächse. Die Pflanze ähnelt einem Obstbaum: Die Früchte wachsen direkt am Baumstamm und sehen wie Honigmelonen oder übergroße Zitronen aus. Eine Frucht enthält 20 bis 60 Bohnen. Heute werden – je nach Schokoladenart – aus 15 bis 100 Kakaobohnen eine halbe bis drei Tafeln Schokolade hergestellt. Bei der Ernte löst man die Kakaobohnen aus dem Fruchtfleisch und legt sie zum Trocknen in der Sonne aus. Die Herkunft der Kakaopflanze ist nicht eindeutig geklärt, wahrscheinlich stammt sie aus Südamerika. Der Anbau des Kakaos aber begann im Maya-Gebiet. Einen Hinweis für den Beginn des Anbaus liefern uns auf die Zeit um 1150 v. Chr. datierte Keramikreste in Honduras (Ulúa-Tal), in denen der in Mittelamerika nur in Kakao vorkommende Stoff Theobromin nachgewiesen wurde. Das Hauptanbaugebiet der Kakao-Pflanze ist heute nicht mehr Mittelamerika, sondern Afrika.

Der Siegeszug des Kakaos bzw. der Schokolade in Europa begann erst, nachdem die Spanier diese ihrem Geschmack angepasst hatten: Während die Maya den Kakao heiß und mit Chili-Pfeffer gewürzt tranken, genossen die Spanier diesen kalt oder lauwarm mit Zutaten der Alten Welt wie Zucker, Zimt, Anis und teilweise schwarzen Pfeffer. Für das Jahr 1544 ist erstmals belegt, dass das Schokoladengetränk an den spanischen Königshof gelangte, neben anderen Geschenken und Handelsgütern für den König. 1585 wurde dann erstmals eine Schiffsladung Kakao von Veracruz nach Sevilla geliefert. Als Getränk fand die Schokolade dann von Spanien aus ihre Verbreitung in ganz Europa, zum einen durch die Königs- und Fürstenhäuser, zum anderen durch die Klöster bzw. Orden, vor allem den Jesuitenorden. Die Schokolade entwickelte sich zu einem beliebten, aber gleichzeitig nach wie vor der High Society vorbehaltenen exotischen Getränk. Für die Kirche war die Einordnung des neuen Getränkes nicht einfach, sodass damals Theologen Streitgespräche darüber führten, ob und inwiefern der Genuss von Schokoladengetränken in der Fastenzeit erlaubt sei oder nicht.

Die Agave, die bis zu einer Höhe von knapp über 2000 m vorkommt, ist seit der vorspanischen Zeit eine wichtige Nutzpflanze: Aus den Blättern stellte man die Kleidung der einfachen Bevölkerung her, die Dornen benutzte man als Nadeln und für das Blutopfer.

Die Baumwollpflanze (Gossypium hirsutum) ist ein ca. sechs Meter hoher Strauch, dessen Früchte sich durch lange Faserbüschel auszeichnen, die zur Herstellung von Textilien dienen. Während das Importgut aus dem Orient Baumwolle in der europäischen Antike als Luxusgut galt und erst im Mittelalter weite Verbreitung fand, lässt sich der Anbau von Baumwolle in Zentralmexiko im Tal von Tehuacán bereits in der Zeit zwischen 3400 und 2300 v. Chr. nachweisen. Im Maya-Gebiet kommt die Baumwolle in zwei Arten, einer weißen und einer braunen, vor, wie Diego de Landa berichtet: »Man erntet wunderbar viel Baumwolle, und sie wächst überall im Land; von ihr gibt es zwei Arten: Die eine säen sie jedes Jahr aus, und ihr Strauch, der klein ist, hält sich nur jenes eine Jahr; der andere Strauch hält sich fünf oder sechs Jahre; und in jedem Jahr liefert er seine Früchte, die ein paar walnussgroße Kapseln mit grüner Schale sind; sobald eine derartige Kapsel reif ist, platzt sie an vier Stellen auf, und dann hat man die Baumwolle vor sich.«14

Im tropischen und sehr artenreichen Regenwaldgebiet der Maya sind diverse Baumarten von wirtschaftlicher Bedeutung zu erwähnen. Bäume, die den Maya Früchte lieferten, sind der Brotnussbaum (Brosimum alicastrum), der Avocado-Baum (Persea americana), der Papaya-Baum (Carica papaya) oder die Schwarze Sapote (Diospyros ebenaster), ein Baum mit tomatenähnlichen Früchten. Aus dem gegorenen Saft des Amapolabaums (Pseudobombax elipticum) wurde ein alkoholisches Getränk für kultische Zwecke gewonnen. Die Früchte des Brotnussbaums wurden ähnlich wie Mais gemahlen und zu Tortillas verarbeitet. Aus dem Copal-Baum (Protium copal) wurde das Räucherharz (Copal) gewonnen, aus dem Milchsaft des Breiapfel- bzw. Sapotebaums (Manilkara zapota) das Chicle-Gummi, das wir heute als Erbe der Maya für die Kaugummiherstellung verwenden. Ebenfalls ein indianisches Erbe ist der vom Panamakautschukbaum (Castilla elastica) stammende Kautschuk, aus dem die Maya die Vollgummi-Bälle des rituellen Ballspiels herstellten und der heute als Gummi in verschiedenster Form (einschließlich Latex) Verwendung findet. Schon die Maya nutzten das gegen Feuchtigkeit und Termiten resistente Holz des bis zu 70 m hohen Amerikanischen Mahagoni-Baums (Swietenia macrophylla; auch Caoba genannt) für ihre Bauten. Und schließlich ist der heilige Baum der Maya zu nennen, der Kapokbaum (Ceiba pentandra) – oder Yaxché, wie der Maya-Name lautet –, der mit einer Höhe von bis zu 70 m, einer weit ausladenden Krone und einem Stammumfang von drei bis fünf Metern nicht nur im Regenwald auffällt, sondern auch als Schattenbaum die Plätze bzw. Zócalos der Dörfer und Städte damals wie heute prägt. Als kosmischer Baum symbolisierte er für die Maya die alles verbindende Weltachse.

Kaffee, Banane, Kokosnuss, Zuckerrohr und Zitrusfrüchte sind Pflanzen, die ursprünglich nicht in der Neuen Welt beheimatet waren, sondern aus der Alten Welt stammen, aber heute in der Landwirtschaft des Maya-Gebietes vor allem als Exportgüter eine durchaus wichtige Rolle spielen.

Die Tierwelt des Maya-Gebietes, vor allem die des Regenwalds, ist sehr artenreich, sodass hier wiederum nur die wirtschaftlich relevanten Arten aufgezählt werden sowie die, die das Weltbild, vor allem die Religion, der Maya besonders prägten. Als Säugetiere sind zu nennen Jaguar, Hirschwild, Kaninchen, Pekari, Affen, Opposum und Fledermäuse. Von den Vögeln sind vor allem der Quetzalvogel, Papageien, Tukan und Kolibris zu erwähnen, von den Reptilien die verschiedenen Schlangenarten, Krokodile, Leguane und Schildkröten und schließlich die verschiedenen Fisch- und Muschelarten.

Der Jaguar (Panthera onca) zählt zu den Großkatzen. Er ist die drittgrößte Katzenart der Welt nach Tiger und Löwe und die größte auf dem amerikanischen Kontinent. Sein Körpergewicht beträgt durchschnittlich 60 kg, die Körperlänge (ohne Schwanz) variiert zwischen 1 und 1,80 m. Seine Beutetiere sind sehr vielfältig, von größeren Säugetieren wie Hirsch, Affen oder Nagetieren über Vögel, Reptilien bis hin zu Fischen.

Schon in der ersten Hochkultur Mesoamerikas, bei den Olmeken, wurde dem Jaguar eine ganz besondere Verehrung zuteil. Dies erklärt man damit, dass der Jaguar als größte Raubkatze Amerikas für den Menschen ein gefährliches und furchteinflößendes Tier war. Indem man den Jaguar im Kult verehrte, hoffte man, die Gefährlichkeit des Jaguars zu bannen und seine Macht für sich nutzbar machen zu können. Dies war vor allem die Macht, Regen und somit Fruchtbarkeit zu bringen. Diese Eigenschaften wurden dem Jaguar wohl deshalb zugeschrieben, weil er nicht nur auf der Erde und auf Bäumen, sondern auch oft an Flüssen und Gewässern seine Beutetiere jagt und ein guter Schwimmer ist. Als »Herr der Tiere«, der diese jagt und erbeutet, selbst aber keine Feinde hat außer den Menschen, gilt der Jaguar in ganz Mesoamerika als Symbol der Macht, mit dem sich auch die Herrscher und Krieger gerne darstellten.

Im Schöpfungsbericht des Popol Vuh werden Waldjaguar, Nachtjaguar und Mondjaguar als Namen der ersten Menschen genannt. Die Bezeichnung »Jaguar« ist öfters Bestandteil des Namens der Maya-Herrscher, wie zum Beispiel »Schlangen-Jaguar« (Chan B’alam) von Palenque oder »Stammvater-Jaguar« (Yat B’alam) von Yaxchilán. Zudem ließen sich Herrscher sowie Krieger gerne mit Attributen des Jaguars als Ausdruck ihrer Macht darstellen, zum Beispiel mit Umhängen aus Jaguarfell oder Jaguarmasken sowie Schuhen aus Jaguartatzen. Einige Maya-Herrscher ließen sich mit diesen Jaguar-Attributen auch bestatten, wie Funde in Kaminaljuyú, Uaxactún oder Altun Ha zeigen. Anlässlich der Bestattung des Herrschers Yax Pac von Copán opferte man 15 Jaguare. Die Macht eines Herrschers zeigte sich nicht zuletzt im Krieg. Bekannt ist die Stele 26 von Yaxchilán, die wohl die Vorbereitung eines Krieges zeigt: Der Herrscher Schild-Jaguar steht in Kriegerrüstung vor seiner Frau Xoc, die ihm ein Getränk in einem Gefäß in Form eines Jaguarkopfes reicht. Auch in der nachklassischen Zeit sind in Chichén Itzá (Yukatan) – ähnlich wie in der Toltekenhauptstadt Tula – Reliefdarstellungen von Jaguaren üblich, die Menschenherzen verschlingen und sich mit Kriegerdarstellungen abwechseln, ebenso Steinaltäre in Jaguarform. Diese Darstellungen können als Belege für die Verbindung des Jaguars mit Menschenopfern und Krieg gelten.

Fleischlieferanten der Maya waren Pekari, Hirsch, Kaninchen und Opposum. Das Pekari oder Nabelschwein (Tayassu) kommt in zwei Gattungen vor. Ebenso gibt es eine Reihe verschiedener Hirscharten der Gattung Odocoileus, die sowohl im Regenwald als auch in der Savannenlandschaft von Yukatan und im Hochland verbreitet sind. Ob Wüste, Sümpfe, Wald, Buschland oder Gebirge, die diversen Arten der Baumwollschwanzkaninchen (Sylvilagus) sind überall präsent. Sie erscheinen als Attribut der Fruchtbarkeits-, Mond- und Wassergottheit Ix Chel. Als Tageszeichen 8 Kaninchen wurde es in den Maya-Kalender aufgenommen, und selbst ein Herrscher von Copán trug den Namen 18 Kaninchen.

Als Affenarten sind vor allem die Klammeraffen (Ateles) und der Brüllaffe (Alouatta palliata) zu nennen. Der Schutzpatron der Schreiber war eine Affengottheit. Als nachtaktive Tiere wurden die Fledermäuse von den Maya mit der Unterwelt in Verbindung gebracht. Im Unterschied zu den Fledermäusen der Alten Welt zählen ihre neuweltlichen Verwandten zu den Vampirfledermäusen (Desmodontinae) und ernähren sich vom Blut ihrer Beutetiere. Eine Ausnahme sind die Fruchtvampire, die sich (wie der Name schon sagt) von Früchten ernähren, wie die nur ca. vier Zentimeter große, vor allem in Honduras vorkommende Weiße Fledermaus (Ectophylla alba).

Der Mittelamerikanische Tapir (Tapirus bairdii) gilt im Dresdner Maya-Codex als Symbol des Planeten Mars und heute als Wappentier von Belize. Diego de Landa schreibt dazu: »Die Indios hielten es für eine große Heldentat, dieses Tier zu töten, und das Fell oder Teile von ihm wurden als Andenken gehütet und bis an die Urenkel weitervererbt […].«15 Als weitere Säugetiere sind die zu den Kleinbären zählenden Nasen- bzw. Rüsselbären (Nasua), der Wickel- bzw. Honigbär (Potos flavus), die Ameisenbären und Faultiere, Gürteltiere sowie ferner diverse Nagetiere wie die mit den Meerschweinchen verwandten Pacas (Cuniculus) und Agutis (Dasyproctidae) sowie das Südopossum (Didelphis marsupialis), eine Beutelrattenart, zu nennen.

Die bunten Federn der artenreichen Vogelwelt (allein bis zu 900 Arten in Guatemala) fanden bei den Maya als kostbarer Schmuck in vielfältiger Form Verwendung. Von den vielen Papageienarten ist vor allem der Hellrote Ara (Ara macao) zu erwähnen, der mit fast einem Meter Länge weltweit zu den größten Papageien zählt. Ebenso gehören Eulen wie der Virginia-Uhu (Bubo virginianus) oder die Amerika-Schleiereule (Tyto furcata) zur Vogelwelt. Die Eule gilt als Attribut des Gottes L, dem die Bereiche Schöpfung und Unterwelt zugeordnet werden. Und schließlich ist eine Reihe von Greifvögeln zu nennen: Adler, Geier, Falken und Sperber. Die vorwiegend sich von Aas ernährenden und so als Gesundheitspolizei wirkenden Geierarten wie der Königsgeier (Sarcoramphus papa) und der Kleine Gelbkopfgeier (Cathartes burrovianus) mit ihren farbigen Köpfen sowie der einem Truthuhn ähnelnde Truthahngeier (Cathartes aura) wurden in den Kalender als Tageszeichen Geier aufgenommen. Neben dem Adler ist die Harpyie (Harpia harpyja) als einer der größten und stärksten Greifvögel der Welt zu nennen. Es ist zu vermuten, dass bei der Bezeichnung Adler in den Quellen oft in Wirklichkeit die Harpyie gemeint ist. An kleineren Vögeln sind die Sägeracken (Motmots) oder Kolibri-Arten zu erwähnen. Auffallend sind die zur Familie der Spechtvögel zählenden Tukane (Ramphastidae) mit ihren bunt gefärbten riesigen Schnäbeln, die unter anderem zur Regulierung der Körpertemperatur dienen. Wie Diego de Landa berichtet, ergänzten tauben- und rebhuhnartige Vögel sowie Wachteln, Enten und Gänse den Speiseplan der Maya.16

Das Maya-Gebiet ist für die Vielfalt an Schlangenarten bekannt: Während Mexiko weltweit als Land mit den meisten Schlangenarten gilt, 705 an der Zahl, kommen in Guatemala dagegen »nur« an die 100 Schlangenarten vor. Zu erwähnen sind hier vor allem die Grubenottern (Crotalinae) und die Abgottschlange (Boa Constrictor) mit verschiedenen Unterarten. Zu den Grubenschlangen gehören zum Beispiel die Klapperschlangen, die vorwiegend kleine Säugetiere und Vögel erbeuten, indem sie diese mit dem klapperartigen Geräusch ihres Schwanzes ablenken und gleichzeitig zubeißen. Die Klapperschlangen warten dann, bis die Beute durch den Giftbiss getötet wurde. Extrem giftig ist die ebenfalls zu den Grubenschlangen gehörende, bis zu zwei Meter große Terciopelo-Lanzenotter (Bothrops asper). Nicht giftig, aber nicht weniger gefährlich ist die teilweise bis zu drei Meter große Abgottschlange (Boa constrictor), die ihre Beute (vorwiegend Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien, die sie bewältigen kann) mit ihrem mächtigen Körper so lange würgt, bis diese an Herzkreislaufversagen sterben. Die Schlange, wie andere Reptilien auch, wächst ständig und häutet sich dabei, indem sie ihre alte Haut abstreift und mit der neuen Haut verjüngt erscheint. Dies führte dazu, dass die Schlange in vielen Kulturen und Religionen weltweit eine bedeutende Rolle spielt und ihr Fruchtbarkeit, Regeneration und Unsterblichkeit, aber auch der Bereich Unterwelt und Tod zugeordnet werden.

Die Schlange war eine der wichtigsten Gottheiten in ganz Mesoamerika, die schon bei den Olmeken, häufiger aber seit der klassischen Zeit in Teotihuacán als Gefiederte Schlange