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Sling (Paul Felix Schlesinger) liebte das Spazierengehen in der Stadt. Tagein, tagaus schrieb er auf, was er sah: Damenboxkämpfe, Jazzkonzerte, Sechstagerennen, Revuen, Ausverkäufe, Gerichtsverhandlungen – der Alltag gab ihm Anlass zu beobachten, wie die Haupstädter leben. Er porträtierte den eleganten Westen, immer wieder Moabit, aber auch die grauen Proletarierviertel rund um den Alexanderplatz waren sein Terrain. Hier begegnete er seinen "Helden": den Aussteigern und Aufsteigern, den kleinen Leuten, dem veramten Mittelstand, ehemaligen Offizieren, Sonderlingen, Hochstaplern und Lebenskünstlern. Es entstanden Feuilletons, Skizzen, Glossen voller Mutterwitz, weltstädtischem Charme und leiser Ironie.-
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Seitenzahl: 248
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Saga
Von einer sehr unbeliebten Nation kann man wohl behaupten, daß sie eines nicht sei: kokett. Unter den Deutschen sind wir Berliner die unbeliebtesten. Wir gehen allen anderen auf die Nerven. Wir wissen das, ändern aber nichts an unserem Betragen. Denn wir haben keine Lust, uns zu verstellen. Das ist unsere Tugend.
Wir sind immerhin stolz und bewußt genug, um darüber unterrichtet zu sein, daß wir eine Reihe ausgezeichneter Eigenschaften haben. Aber wir tragen sie nicht wie Sandwichmen auf Brust und Rücken. Wir überlassen es den anderen, unsere Tugenden zu finden. Daß diese sie nicht einmal suchen, spricht nur gegen die Intelligenz der anderen. Wären diese Leute wirklich klug, würden sie lieber mit angenehmen als mit unangenehmen Menschen zusammensein. Sowie sie aber unseren guten Eigenschaften auf die Spur kommen, wenden sie sich ab, sie können es nicht vertragen, daß wir (neben allem anderen) auch noch liebenswürdig sind.
Eines unserer Hauptverdienste ist, daß wir Berlin bewohnen. Das ist sozusagen eine Last, die wir für die ganze Nation auf uns genommen haben. Anstatt uns dafür auf den Knien zu danken, sagt man uns ins Gesicht, Berlin sei scheußlich, und wir seien daran schuld.
Der Berliner aber ist bis zu dem Grade wahrheitsliebend, daß er ebenfalls behauptet, Berlin sei scheußlich – was wiederum nur auf seinen Mangel an Koketterie zurückzuführen ist. Jeder Einwohner von Neustadt an der Knatter oder ähnlichen Metropolen ist überzeugter von den Schönheiten seiner Heimat als der Berliner von den Vorzügen seiner Vaterstadt. Deshalb wurde auch nichts aus Neustadt, wohingegen Berlin – ich würde es loben, wenn ich nicht Berliner wäre.
Den äußersten Mangel an Koketterie zeigt der Berliner in seiner Behandlung der deutschen Sprache. Man beachte nicht nur Gespräche von Müllkutschern, sondern etwa das Frühlingsgezwitscher der Berliner Schulmädel. Mit dem Ausdruck einer gewissen Übelkeit werden die Worte herausgequetscht und auf das Straßenpflaster geworfen, von den Straßenfegern zusammengekehrt. Ein unerhörtes Temperament tut sich kund, das kein anderes Objekt hat als die deutsche Sprache. Die Beinchen sind krumm vom Asphalt, die Augen stumpf von den hohen Häuser, die armen Händchen greifen in die dicke, von Industrie geschwängerte Luft. Jedes Rasenplätzchen eingezäunt – und meist zu weit entfernt für die spärliche Freistunde. Das Kleidchen muß geschont werden, die Stiefel nicht minder, und sogar die Schürzen haben die Aufgabe, sauber zu sein. Was nicht immer gelingt. Das einzige, womit das Berliner Kind machen kann, was es will, ist die deutsche Sprache. Wir kennen die Folge.
Das Wahrzeichen unseres Mangels an Koketterie ist die Berliner Droschke. In anderen Städten und Ländern ist es etwas Feines, Droschke zu fahren. Kutscher, Pferd und Gast und Wagen haben ein Bewußtsein davon. Die kunsthistorische Bildung des Florentiner Kutschers, der beißende Witz des Parisers, die unnachahmliche Eleganz des Wiener Fiakers findet in Berlin kein Gegenstück. Sogar der Münchner Kutscher hat einen Ehrgeiz, er tut so, als sei er zugleich der Diener auf dem Bock und springt ab, um dem Fahrgast den Schlag zu öffnen. Der Berliner steht zu dem Fahrgast in gar keinem Verhältnis. Am Ende des Krieges gab es eine Zeit, in der er wenigstens versuchte, ihn zu betrügen. Auch das hat aufgehört. Er ist sachlich, und er rechnet auf kein Trinkgeld. Er ist nicht von dem Gefühl durchdrungen, einer Equipage vorzustehen, oder der Fahrgast sei etwas Feineres als er selbst, und er trägt den zweiundzwanzigmal geflickten blauen Mantel mit demselben Gleichmut, mit dem der Fahrgast sich auf das zerschlissene Polster niedersetzt. Auch er hat nicht das Gefühl, der Welt Bewunderung dadurch abzuringen, daß er Droschke fährt.
Der Berliner liebt es, zuzeiten ein gut geführtes, wohlausgestattetes Restaurant aufzusuchen. Dort haben die Kellner eine gewisse Haltung, die eine Mischung von Hochmut und Bedientenhaftigkeit ist. Unter diesen vornehmen Kellnern befinden sich selten Berliner. Der Eingeborene unterliegt zuweilen den Reizen der Vornehmheit. Er ist leicht befangen, und wenn er mehr zahlt, als er eigentlich mußte, so ist es aus Schüchternheit. Aber es gibt auch Berliner, die nicht schüchtern sind, und die machen Krach, wenn ihnen eine zu hohe Rechnung vorgelegt wird. Niemals zahlt der Berliner, weil er das für vornehm hält. Immer läßt er seinen Gefühlen freien Lauf: entweder es kracht, oder er ist eben schüchtern.
Wenn der schüchterne Typ sich auf die Reise begibt, hält ihn niemand für einen Berliner. Der krachmachende Typ ist außerordentlich unbeliebt – besonders bei den Kellnern.
Im Grunde haben wir alle ein bißchen von Michael Kohlhaas. Ich erinnere mich an eine Fahrt über den Bodensee vor einigen Monaten. Ich stand oben auf dem Verdeck neben der Kommandobrücke, als ein rot angelaufener Herr dahergestürmt kam und den Kapitän zu sprechen wünschte. Dies war der Tatbestand: Der Herr reiste mit zwei Damen. Während er und seine Frau sich noch um das Gepäck kümmerten, war die zweite Dame in die Kajüte gegangen, hatte sich bei dem Kellner ein Schnitzel bestellt. Bevor dieser Befehl noch ausgeführt war, kam der Herr mit seiner Frau dazu und bestellte (in Unkenntnis des bereits verlangten Schnitzels) deren drei. Infolgedessen brachte der Kellner vier. Der Kellner verlangte dafür auch Bezahlung. Jeder andere hätte das vierte Schnitzel (so überwältigend groß war es ja nicht) gegessen und bezahlt. Der Herr war aber aus Berlin. Infolgedessen machte er einen unerhörten Krach, der Kellner kam ihm nachgelaufen und krachte mit. Wer sich in der Nähe des Zankenden zeigte, wurde angezapft: »Mein Herr, wollen Sie Schiedsrichter sein.«
Als wir auf der Schweizer Seite ankamen, ließ man den Berliner nicht vom Schiff, ehe er bezahlt hatte. Das Schnitzel aß später der Kellner. Dieser Berliner hatte sich sehr lächerlich gemacht, aber ich liebe ihn gerade, weil er so gar nicht kokett war, sondern seine Lächerlichkeit mitten auf dem Bodensee angesichts der Schweizer Alpen und einiger mitreisender Ententediplomaten ausbreitete. Die anwesenden Süddeutschen und Schweizer lächelten vergnügt vor sich hin und sagten: »Ein Berliner.« Niemand ist auf den Gedanken gekommen, daß der Restaurateur des Schiffes kulanterweise hätte sagen können: »Verzeihen Sie den Irrtum, ich nehme das Schnitzel mit Vergnügen zurück – die Schnitzel, die Sie gegessen haben, sind ja auch von gestern.« Daß er das nicht gesagt hat, hätte man ihm nur verübelt, wenn sich die Szene nicht auf dem Bodensee, sondern auf dem Wannsee abgespielt hätte. Die Bewohner von Nichtberliner Gegenden können eben noch auf ganz anderen Gebieten machen, was sie wollen, wie wir, die eben nur die deutsche Sprache zur Verfügung haben.
März 1921
Frühmorgens, auf der Potsdamer Tram, die zum Bahnhof fährt, stehen zwei prächtig gediehene Geschäftsherren; man hört aus dem Gespräch: Jeder hat seine bedeutende Firma in Berlin; jeder hat seit fünfzehn Jahren seine Wasservilla in Potsdam. Es sind ideal veranlagte Menschen, denn sie preisen die Schönheit der Havel, den Reiz ihrer Gärten, den Ausfall ihrer Spargelernte. Nun, auf der Nauener Straße, sprechen sie mit Entzücken von den Potsdamer Architekten. Sie überbieten sich in ihrer Kenntnis jedes einzelnen Hauses; wie fein seien die Verhältnisse abgewogen, wie reizend dieses Kapitäl, wie würdig und heiter das Ganze.
Und dann sagt der gewichtigere der beiden Herren: »Wie unkultiviert dagegen das traditionslose Berlin!« Der andere fügt dazu: »Und zu denken: Diese Ochsen von Berlinern kommen tausendweis nach Potsdam und sehen von alle den Schönheiten nichts!«
Beim Anhören dieser Worte werde ich ein bißchen traurig. Ich weiß natürlich, daß nicht jeder Berliner seine Wasservilla in Potsdam hat, daß er nicht alle Tage über den Potsdamer Alten Markt fährt, daß das feinere Verständnis für Architektur nicht gleichmäßig allen Berliner Kindern mit der Muttermilch überkommen ist. Aber ich weiß auch, daß – wenn die Berliner nach Potsdam fahren – sie dies tun, um schöne Häuser und schöne Parks zu sehen. Daß sie dabei auf ihre Art fröhlich sind und die Gastwirtschaften füllen. Und daß sie in dieser pikfeinen Stadt immer ein bißchen wie auf den Zehenspitzen gehen, weil ja die Schönheit nicht immer »verstanden« werden muß – weil sie sich zuweilen, und gerade in Potsdam, offenbart und auch den einfachsten Menschen überwältigt.
Ich würde ja so gern noch viel zum Lobe von uns Berlinern sagen, wenn ich nicht wüßte, daß der Herr mit der Wasservilla, der von uns Ochsen gesprochen hat – Berliner ist.
Juni 1925
Abends im Vorortzug, der die Eingeborenen nach dem Arbeitstag in der Großstadt zu ihren Landhäusern und Gärten zurückführt. Eine besondere und fröhliche Rasse, diese Eingeborenen. Man sieht es ihnen an: Die revolutionären Elemente unter ihnen wählen Deutsche Volkspartei. Sie haben das Talent, den Ärger des Geschäfts im Augenblick zu vergessen, wo sie in der Bahn sitzen. Man ist da immer so behaglich zusammen, auch ist manchmal eine eingeborene Dame dabei, die in Berlin ihre Einkäufe gemacht hat. Also, man plaudert und lacht schon, bevor der Zug losgeht. Im letzten Moment kommt noch ein Herr, ein rüstiger, behaglicher Mann mit großem Paket.
Man begrüßt ihn: »Nanu, Sie in Berlin, Sie hatten es doch nicht nötig!« Der Herr lächelt auf eine feine Art – nein, das ist kein Kaufmann. Vielleicht ... jedenfalls Akademiker.
Dann denkt sie plötzlich daran, wie die Herrschaften zu Hause eingerichtet sein mögen. Behaglich auf alle Fälle – sicher nicht protzig. Nur eben so, wie man es in den Möbelfabriken sieht. Wie denn auch anders! Vielleicht bei dem Akademiker doch ein wenig besonders. Sicher sieht‘s ein bißchen so aus, als wäre er der Direktor des vorstädtischen Gymnasiums. Die Schulmeister haben zuweilen ihre Finessen.
Der Zug geht ab. Und die Dame fragt: »Was haben Sie wirklich in der Stadt gemacht?«
Und er lächelt wieder auf seine feine, etwas listige Weise. »Ich habe ein Geburtstagsgeschenk für meine Frau abgeholt. Diesmal fällt Pfingsten gerad auf ihren Geburtstag, und da habe ich mir was ausgedacht. Meine Frau steht doch morgens so spät auf ...«
Schon ist er dabei, das breite und flache Paket auszupacken. Man merkt ihm an, er tut es nicht sosehr, um es den anderen zu zeigen, wie um sich selbst noch mal an dem Anblick zu laben. Also löst er bedächtig, wenn auch mit leis erregten Fingern die äußere Papierhülle. Dann gibt es eine zweite Hülle aus gewellter Pappe. Dann waren zwei flache Gegenstände in Seidenpapier sichtbar – ich erkenne sofort zwei Bilderrähmchen.
Ich hab‘s doch gewußt, ein kultivierter Mann. Er hat jetzt Gravüren rahmen lassen – aber welche? Seine Frau steht so spät auf – vielleicht was ganz Modernes, Problematisches, fürs Schlafzimmer, was der Frau keine Ruhe läßt, stundenlang halboffenen Auges vor sich hin zu blinzeln. Vielleicht auch was Ermunterndes, wie das süße Schwindsche Morgenbild aus der Schackgalerie, das in allen Kunsthandlungen zu haben ist. Aber es sind doch zwei Rähmchen.
Und nun enthüllt er sie. Die Rähmchen sind aus feinstem Mahagoni. Aber es ist kein Bild drin, sondern mit großer schwarzer Druckschrift und goldener Verzierung ist auf das eine gemalt:
»Der Schlaf vor Mitternacht ist der beste!«
und auf das andere:
»Morgenstunde hat Gold im Munde!«
Die Rahmen werden herumgezeigt. Man ist sprachlos. Und der glückliche Schenker fügt erklärend hinzu: «Abends liest sie so lange Zeitung, und morgens kann sie nicht aufstehen!«
Die Dame versucht eine Einwendung: »Ob sich Ihre Frau sehr dazu freuen wird ...«
»Aber sicher – es ist doch kein Druck – alles mit der Hand gemalt – eigens angefertigt.«
»Und die hängen Sie nun als Pendant nebeneinander auf?«
»I wo – der Schlaf vor Mitternacht kommt ins Wohnzimmer, wo sie abends immer liest – und die Morgenstunde ins Schlafzimmer.«
»Hm.«
Bescheiden packt er seine Bilder wieder ein. Ich aber weiß nun, wie mein Akademiker eingerichtet ist.
Mai 1925
Morgens, in der Straßenbahn, es ist ziemlich voll. Ein dicker, etwas strenger Herr sitzt gegenüber seiner langen, dürren, sicher gemütsweichen Frau. Ich setze mich neben den Herrn. In demselben Augenblick schreit die Dame leicht und hell auf. Auch ich habe südwärts eine sonderbare Empfindung, erhebe mich so rasch, wie ich kann, während der Herr unter mir seinen vollkommen zerbeulten schwarzen, bis vor wenigen Sekunden steifen Filzhut hervorzieht.
Bevor ich noch meine Entschuldigung stammeln kann, schnauzt der Herr seine Frau an: »Was machst du denn für ein Geschrei!!«
Ich stammele meine Entschuldigung, wie leid es mir täte ...
Aber er hört gar nicht zu, sondern schimpft weiter mit seiner Frau. »Wie kannst du nur so ein Geschrei machen?«
Sie: »Aber ich sah es doch kommen.«
Ich stammele weiter, werde aber absolut nicht beachtet.
»Das ist doch kein Grund, so zu schreien!«
Sie: »So habe ich ja gar nicht geschrien!«
Ich höre auf zu stammeln, von mir nimmt man ja doch keine Notiz, sehe nur zu, wie der Herr den vergeblichen Versuch macht, die Delle wieder glatt zu streichen. Es gelingt ihm keineswegs. Er brummt weiter: »Wegen so was zu schreien ...«
Da wirft sie ihm einen Blick zu, einen einzigen, aber einen vollgültigen Beleg für ein fünfundzwanzigjähriges Eheleben, rafft sich auf und sagt scharf und leise: »Halt schon den Mund.«
Zwei Stunden später bin ich in einem öffentlichen Gebäude, möchte telephonieren, verlange ein Telefonbuch, man weist mich in ein großes Büro. Aus dem großen Zimmer werde ich in ein etwas kleineres geführt, in dem ein junger Beamter am Schreibtisch sitzt. Neben dem Schreibtisch noch ein Tisch, und auf diesem liegt das Telefonbuch und auf diesem der weiße Strohhut des Beamten.
»Sie gestatten, daß ich was nachsehe?«
Ich bekomme keine Antwort, lege den Hut beiseite, nehme das Telefonbuch vor, sehe nach, klappe zu, gehe.
Plötzlich schreit eine Unteroffiziersstimme hinter mir her: »Wollen Sie nicht wenigstens ...«
Sofort fällt mir ein, daß ich das Telefonbuch ziemlich quer auf dem Tische haben liegen lassen. Ich lege es rasch wieder ordentlich hin, lege auch den weißen Hut darauf.
Der Mann ist aufgesprungen und schreit weiter: »Wenn Sie auch kein Beamter sind, so sollten Sie doch wissen, daß es der Anstand erfordert ...«
Jetzt werde auch ich fuchsteufelswild: »Ich verbitte mir jegliche Belehrung. Ich habe meinen Fehler wiedergutgemacht, darüber hinaus haben Sie mir kein Wort zu sagen!«
Wir pöbeln uns noch eine Weile weiter an, meine Stimme ist die lautere, endlich hält er den Schnabel. Ich gehe hinaus.
Als ich draußen bin, fällt mir ein: Wie kommt dieser Mensch dazu, seinen privaten, weißen Strohhut auf das amtliche Fernsprechbuch zu legen? Ganz abgesehen von den höchst verschiedenen Besitzverhältnissen, in denen sich diese beiden Gegenstände befinden: Das Buch ist viereckig, der Hut ist rund, und es ist doch überhaupt fraglich, ob sich ein runder Hut in eine vorschriftsmäßige Lage bringen läßt. Ich würde keinen Moment zögern, diesen Mann wegen Mißbrauchs des amtlichen Fernsprechverzeichnisses bei seiner vorgesetzten Behörde zu denunzieren, wenn ich mir nicht bewußt wäre, selbst den Hut untertanenhaft wieder auf das Telefonbuch gelegt zu haben.
So kommt man runter.
August 1925
Wenn ich morgens das Schlafgemach verlasse und mich zum Frühstück auf den Balkon begebe, betrete ich sozusagen die Schlafzimmer der andern. Die Häuser in meiner Straße sind merkwürdigerweise so gebaut, daß sich die meisten Leute entschlossen haben, ihre Schlafzimmer nach vorn zu legen. Da ich sehr hoch wohne, habe ich die beste Einsicht in die verschiedensten Verhältnisse. Gemeinhin ist man sehr diskret, bis auf eine Dame in vorgerückten Jahren, die glaubt, Sonnenbäder nehmen zu können, ohne verbotene Gefühle zu erwecken. In dieser Beziehung ist sie sogar im Recht. Indessen irrt sie in einem andern Punkt. Sie läßt sich mit Vorliebe den Rücken bescheinen. Da sie sich zu diesem Zweck auf den Bauch legt, glaubt sie, auch die andern sähen es nicht. Man hat sie über diesen Irrtum schriftlich aufgeklärt.
Wenn die Menschen mit dem Schlafen und Waschen fertig sind, öffnen sie in löblicher Sehnsucht nach Morgenfrische die Fenster. Die Damen, wenn sie jünger sind, haben dann rosarote oder himmelblaue Morgenkleider an. Die Herren sind meist in Hemdsärmeln und knöpfen ihre Kragen zu. Zuweilen tanzen noch einige Kinder im Hemd herum. Sie werden von ihren Eltern außerordentlich geliebt. Dann folgen die Leute meinem Beispiel und betreten ihren Balkon. Erst halten sie ein bißchen Umschau und prüfen, was auf unserer Seite Interessantes zu sehen ist. Sie ruddeln [!] einige Minuten über uns, dann setzen sie sich auch zum Kaffee. Wir sind so an die vierzig Männer, die täglich zusammen frühstücken, Kinder und Frauen erziehen – oder selbst erzogen werden – und dabei Zeitung lesen. Es gibt sehr korrekte Männer mit sehr langweiligen Frauen. Es gibt korrekte Männer mit amüsanten Frauen. Es gibt amüsante Männer mit langweiligen Frauen. Amüsante Männer mit amüsanten Frauen sind sehr rar – wenigstens in unserer Straße. Es ist in den Ehen so, daß gewöhnlich einer Zeitung liest, während ihn der andere dabei stört. Frauen bevorzugen die Lektüre von Büchern; in diesem Falle wird ihnen von den Männern die Zeitung vorgelesen, was die Frauen nicht leiden können.
Die Männer gehen morgens in ihr Geschäft, die Frauen bleiben allein, ohne daß sie darüber in Tränen ausbrechen. Gewöhnlich genügt ein flüchtiger Kuß auf die Stirn, zu dem weiter nichts gesprochen wird. Wenn der Mann vorher seine Brieftasche ziehen muß, weil das Wirtschaftsgeld nicht gereicht hat, unterbleibt der Kuß. Die Frauen sitzen noch eine Weile, während der Mann schon auf dem Wege zur Arbeit ist. Dann machen sie sich zum Ausgehen zurecht, verlassen das Haus. Ihr Hauptvergnügen bleibt das Geldausgeben.
Abends finden wir uns wieder. Dann sitzen wir noch lange beim Lampenschein beieinander, bis ein Paar nach dem andern verschwindet. Im Schlafzimmer, das dann wundervoll in Ordnung ist, wird Licht gemacht, die Fenster werden geschlossen, die Vorhänge zugezogen. Noch eine Weile ist ein rosiger Schimmer sichtbar, dann erlischt auch er.
Zuweilen bekommt man Besuch, dann muß gesprochen werden, und das ist recht schwer. Es gibt sehr wenig Gesprächsthemen. Wenn man gar nichts mehr weiß, spricht man von der anderen Seite der Straße. Klügere Leute greifen gleich zu den Karten; das sind diejenigen, die es keinen Augenblick ohne geistige Betätigung aushalten. Es gibt Ehemänner, die jeden Abend mit ihren Frauen Sechsundsechzig spielen. Darunter sind grauköpfige Männer, die ihre Frauen bemogeln. In jüngeren Jahren mogelt die Frau. Beim weiblichen Geschlecht wirkt das Alter läuternd. Der Mann wird mit den Jahren sachlicher. So hat jeder seine Gründe.
Im großen und ganzen hat man den Eindruck, daß keine zwingende Notwendigkeit für das Zusammenleben der Paare besteht. Wahrscheinlich wäre es amüsanter, wenn alle Männer auf der einen und alle Frauen auf der anderen Seite der Straße wohnen würden. Indessen ist wenig Aussicht, daß an der bunten Reihe, die man nun mal gemacht hat, was zu ändern ist.
Im allgemeinen kennen wir uns nicht. Aber vor vier Wochen sind Bekannte gegenüber eingezogen. Wir Männer bemerkten uns gegenseitig von unseren Balkons, nickten uns freundlich zu und stellten uns gegenseitig mit empfehlender Handbewegung unsere Frauen vor. Sonst verkehren wir nicht miteinander. Es genügt sozusagen, wenn man sich immer sieht. Wir sehen uns täglich stundenlang, wir können den Fetzen Abendrot, der unserer Straße gegönnt ist, nicht genießen, ohne uns zu sehen. Wenn ich melancholisch vor mich hin blicke, sehe ich ihn, und wenn ich freudetrunken die Arme hebe, sehe ich ihn. Setze ich mich an meinen Schreibtisch und hebe meinen Blick vom Papier, so sehe ich ihn. Und wenn ich die Vorhänge zuziehe, sehe ich ihn. Ich trinke keinen Schluck und esse keinen Bissen ohne ihn. Ich hasse ihn, und ich würde ihm durchs Telefon unsere Bekantschaft kündigen, wenn ich nicht längst Rache geübt hätte; blickt er melancholisch vor sich hin, so sieht er mich; reckt er die Arme freudetrunken zum Himmel, so sieht er mich. Ißt er, trinkt er – er sieht mich. Vielleicht platzt er.
Mai 1921
Zuweilen gibt ein ganz gewöhnlicher Schnupfen Gelegenheit, die musikalische – man kann auch sagen: die seelische Struktur eines Hauses kennenzulernen. Für gewöhnlich hört man im Eigenlärm über die Geräusche der andern hinweg. Doch wenn ein sanftes Leiden die zärtliche Schonung der eigenen Familienmitglieder hervorruft, wenn alles auf Zehenspitzen geht, das Telefon nur noch verschämt röchelt und sogar der Einbrecher sich draußen die Schuhe auszieht – dann, o Mensch, nimm zwei Aspirine, eine heiße Limonade, hülle dich in die ganze Wolle deines Bürgertums, und wenn du dann noch nicht schwitzest – höre, was die Menschen im Hause spielen.
Moderne Nachbarschaft ist eine der unheimlichsten Angelegenheiten. Man denke an die Mieterversammlung. Wir Bewohner desselben Hauses leben doch – man kann sagen, was man will – unter denselben klimatischen Verhältnissen (die Zentralheizung funktioniert bei keinem), und dennoch ist die Mieterzusammenkunft immer ein Kongreß von Eingeborenen vierundzwanzig verschiedener Erdteile. Jeder redet in seiner Sprache an dem andern vorbei. Man will auch gar nicht verstanden werden. Im Grunde hassen wir uns gegenseitig, unsere Stiefel, unsere Zigarren, unsere Dienstmädchen, unsere Kinder, unsere Eheweiber. Eine der größten Verwirrungen bietet das Betreten der unter oder über uns gelegenen, also völlig gleichgroßen Wohnung. Wenn wir sehen, was andere Menschen aus diesen selben Räumen gemacht haben, so packt uns das Grauen. Wir erleben nämlich denselben Gedanken, von einem andern gedacht. Ich habe plötzlich den Kopf des andern auf der Schulter.
Wir haben dieselben Räume (auf Grund irgendwie ähnlicher Verhältnisse oder Ansprüche) – unser häusliches Leben ist in denselben Rhythmus gezwungen. Es macht schon etwas aus, vom Speisezimmer ins Schlafzimmer, vom Arbeitsraum zu den Kindern genau dieselbe Schrittzahl zu benötigen. Gleiche Weite des Blicks, gleiche Aussicht, gleiche Winkel und Krümmungen. Und wie unerhört anders hat der andere Mensch diesen selben Gedanken bevölkert, möbliert, will sagen: beseelt. Das kann reicher oder ärmlicher sein, spröder oder lasterhafter, eine gefühllose Öde oder ein Aufschwung zur Schönheit; familiäres Behagen oder pure Pflichterfüllung. Die Schönheit kann gebildet sein aus ein paar kargen Möbeln, von einer guten Hand geordnet; erlesene Dinge können zum Selbstbetrug vor dem Gebieter in grotesker Lächerlichkeit strammstehen. (Was können Möbel lügen – wie gut und wie schlecht!) Kann alles sein, würde uns gar nicht berühren – geschäh es nicht in unsern Räumen! Der andere in uns greift uns an, die Verzweiflung: Der Mensch unter – über – neben dir ist gar nicht das, was dir Mensch ist.
Diese Auseinandersetzung über die Verschiedenheit der Menschen mußte sehr langatmig sein, um das Folgende besonders wirkungsvoll zu machen:
Jeder dieser höchst verschiedenen Menschen hat ein Klavier, und alle spielen dieselben Stücke. Man entschuldige das nicht mit der notorischen Armseligkeit unserer Musikliteratur. Tatsächlich kommen die Menschen mit einem Bruchteil des Vorhandenen aus: sie nähren sich von einem knappen Dutzend Sonaten, Mozart oder Beethoven; ein paar Walzern, Notturnos oder Mazurkas von Chopin, zwölf bis zwanzig Minuten Wagner und einigen musikalischen Momenten Schuberts. Dann stehen noch ein paar Bachsche Fugen oder Händelsche Variationen in der Hausapotheke oder ein paar Schnäpse von Walter Kollo, Leo Fall und ähnlichen Melomanen.
Diese Menschen also haben das fast gleichartige Bedürfnis nach musikalischer Heiterkeit oder Heroismus, Schwermut oder Tändelei. Sie sind innerlichst gezwungen, dieselben Ton-Gedanken-Gefühlsreihen immer wieder zu durchlaufen. Die Musik ist ihr seelischer Generalnenner.
Man merkt’s im ganzen Umfange erst im Schnupfenfalle: vom Parterre dampft Chopin zu mir herauf, im ersten Stock braust Beethoven, im vierten wabert Wagner. Zehn Minuten später hat sich’s gedreht: Wagner wabert aus dem Parterre, Chopin tropft auf mich herab, Beethoven prasselt mir von der Linken in die Weichteile. Man könnte (unter dem Einfluß der heißen Limonade) eine große Wut bekommen auf die gesamte Musik und feststellen, daß in den Konzerten in nur wenig vergrößertem Maßstabe dasselbe vor sich geht. Unsinn: wenn alle andern Komponisten nicht auf die Welt gekommen wären und Mozart nichts als die g-Moll-Sinfonie geschrieben hätte – wäre das ein Beweis gegen die Musik? Aber es ist richtig, daß für die Hausbewohner der Unterschied kein sehr großer wäre – mir wurde gestern die »Appassionata« von drei verschiedenen Seiten zugleich entgegengedonnert.
Vom Standpunkt eines gütigen Menschenbetrachters läßt sich sagen: Die Musik hat in weiten Kreisen die Stelle eingenommen, die früher die Heilige Schrift innehatte. Man hatte sich jahrhundertelang an den sehr schönen, sehr erhabenen Geschichten erbaut und wird es auch in Zukunft tun – aber der liebe Gott träufelte neue himmlische Propaganda auf uns herab. Als feiner Menschenkenner hatte er sich gesagt, daß die Methode, seine gesammelten Werke möglichst in einem, höchstens in zwei Bänden herauszugeben, die Menschen eher von der Lektüre abhält als zu ihr einladet. Die Art, das Ganze groß und feierlich zu nehmen, ist sehr anständig, aber nicht sehr reizvoll. Die unerhörte Fülle und Mannigfaltigkeit widerstrebt der einheitlichen typographischen Gestaltung. Jeder andere Dichter findet sich (soweit er nicht überhaupt an seinen gesammelten Werken zugrunde geht) dann doch zu einer ihm gemäßen Erscheinungsform. Nun tritt auch die Bibel gelegentlich vornehm und bis zu einem gewissen Grade weltmännisch in den Kreis der Werke, die gelesen sein wollen. Eine feine List des großen Psychologen, mit Goethe und Schiller, Möricke und Poe, E. T. A. Hoffmann und Gogol in scheinbaren Wettbewerb zu treten und zu tun, als seien die anderen Werke nicht von ihm.
Mit der Musik indessen ließ er es nicht soweit kommen. Das widerstrebt der Sammlung im Großen. Das vertreibt sich am besten durch Einzelausgaben und zwingt zu frommer Beschäftigung mit Fingersätzen und Pedalen.
Auch diese Abschweifung war nötig, um auseinanderzusetzen, daß es von diesem Standpunkt aus nicht so sehr darauf ankommt, wie gespielt wird. Wenn rings um mich her gewabert und gerast wird, wenn die Fingersätze fliegen und die Pedale ächzen, so weiß ich, daß in meinem Hause augenblicklich wenig gesündigt wird. Es bleiben höchstens einige Rechnungen unbezahlt. Denn der Dilettant ist an seinen Übungen mit allen Sinnen und Gliedmaßen beschäftigt. Man muß schon ein Künstler sein, um so zwischen Präludium und Fuge Vater oder gar Mutter zu werden.
Denn Künstler sind Priester und haben das Lächeln.
November 1921
Die vielerörterte Frage lautete eigentlich dahin, ob man für den Sommerüberzieher ein neues Futter oder für das Futter einen neuen Sommerüberzieher anschaffen sollte. Freunde, denen das Kleidungsstück zur Begutachtung vorgelegt wurde, brachen in den fugierten Ruf aus: »Reiniget ihn.« Dementsprechend wurde gehandelt. Die Frau ging noch einige Tage überlegend durch die Straßen und widmete ihre Aufmerksamkeit jenen sonderbar nachdenklichen, fast leeren Schaufenstern, in denen zuweilen eine gebügelte Männerhose mit einer rosa Damenbluse oder ein grüner Unterrock mit einer karierten Männerweste von vergangenen Tagen stumme Zwiesprache halten. Dann öffnete sie die Tür eines dazugehörigen Ladens, in dem vor verhüllten Schränken eine seit dreißig Jahren auf irgend etwas wartende Dame stand und schließlich mit saurer Miene sagte: »Gut, wir werden den Mantel abholen.«
Am nächsten Tage klingelte es, und vor der öffnenden Frau stand ein blasses, blondes, zwölfjähriges Mädel mit blau erloschenen Augen und einem unerhört breiten, gradlinigen Mund.
»Is hier der Paletot abzeholen?«
Die Frau nickte, holte das von den letzten peinlichen Resten des Futter befreite Kleidungsstück aus dem Schrank und reichte es dem Kinde, das noch einmal den Mund weit öffnete, um mit heller Stimme zu schmettern: »Witta vasichat?«
Die Frau, die das Unglück hatte, nicht in Berlin geboren zu sein, sagte zunächst gar nichts. Das Mädchen hielt sie infolgedessen für schwerhörig, holte noch einmal tüchtig Atem und schrie, so laut und so rasch es konnte: »Witta vasichat?«
Die Frau, die immer noch nicht wußte, aber mutmaßte, daß ein irgendwie gearteter Irrtum vorliegen mußte, sagte: »Nein, er soll gereinigt werden.«
Das Mädchen zuckte bloß mit der rechten Schulter: »Wolln Se’n nich lieba vasichan?«
Nun lächelte die Frau und meinte: »Wird er denn davon auch sauber?«
»Nee.« (So eine dumme Dame war dem Mädchen noch nicht vorgekommen.) »Er kommt bloß nich wech.«
»Wieso kommt er denn weg?«
Das Mädchen wiegte ungeduldig den auf dünnem Halsstengel sitzenden Kopf: »Villeicht kommt er ooch nich wech.«
»Na also«, meinte die Frau. »Im übrigen ist es eure Sache, dafür zu sorgen, daß er nicht wegkommt. Ich übergebe euch einen Paletot, und ihr habt ihn mir gesäubert zurückzubringen.«
Das Mädchen ließ sich auf juristische Erörterungen nicht ein und sagte bloß: »Wenna wech is, dann issa wech.«
Da schwoll der guten Frau die Zornesader, und sie schrie: »Na, dann ›issa wech‹! Und er wird auch nicht ›vasichat‹!« und schlug dem Mädchen die Tür vor der Nase zu.
Am Abend erzählte es die Frau dem Manne. Der hörte schweigend zu. Dann ergriff er ihre liebe kleine Hand und küßte sie. Die Frau wurde nervös und fragte unsicher: »Hätte ich ihn doch versichern sollen?«
Der Mann schüttelte den Kopf. Sein Auge sah wehmütig in die Ferne, dann sagte er, der das Glück hatte, in Berlin geboren zu sein, leise mehr zu sich, als zu seiner Frau: »Nu issa wech.«
[1924]
Eine wäßrige Nacht. Wir waten vom Theater zur Stadtbahn, haben gerade ein paar Minuten trockenes Obdach, und dann klatscht uns das Wasser wieder ins Gesicht. Die Menschen patschen unter den glänzenden Schirmen durch die Pfützen.
An unserer Bahntreppe ist im Sommer ein grüner Fleck, sorglich mit mannshohem Lattenzaun eingefriedet. Damit die Droschkenpferde nicht die Böschung hinaufrasen. Jetzt im Winter ist der Zaun ziemlich überflüssig.
Nein, er ist es nicht. Denn plötzlich mache ich einen Griff nach dem Zaun. Die Frau an meinem Arm bemerkt es gar nicht. Sie sieht nur plötzlich, daß in die Krücke meines aufgespannten Schirms eine andere Krücke eingehakt ist, und an der hängt ein Spazierstock.
»Wo kommt der Stock her?« tönt es durch den prasselnden Regen.
»Ich hab ihn mir gelangt.«
»Woher?«
»Vom Zaun ... er hing am Zaun.«
»Wie kommt er an den Zaun?«
»Weiß nicht. Ich habe immer darüber nachgedacht, wozu der Zaun da ist – jetzt weiß ich’s.«
»Und du hast ihn dir einfach genommen?«
»Natürlich – ich kann doch nicht noch eine halbe Stunde im Regen daneben stehenbleiben. Übrigens prima Malakka, zwanzig Goldmark.«
»Und du ... das geht doch gar nicht.«
»Du siehst doch, daß es geht. Hätte ich den Stock da hängenlassen sollen? In jeder Minute gehen fünfzig Leute vorüber, sehen ihn oder sehen ihn nicht – ich habe ihn gesehen.«
»Ob ihn jemand verloren hat?«
»Wahrscheinlich – übrigens ein ordentlicher Mensch, dieser Verlierer. Der schmeißt seine Sachen nicht einfach auf die Straße wie jeder andere Liederjahn, sondern hängt ihn an den Zaun.«
»Vielleicht war er betrunken, dacht’, er stünde im Regen wie zu Hause unter der Brause, und fing an, sich auszuziehen. Zuerst hängt er den Stock auf ...«
»Man zieht sich doch nicht unter der Brause aus.«
»Er war doch betrunken.«
»Hm.«