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Wir hätten Weihnachten immer zusammen verbracht, heulte sie, und dies sei das erste Weihnachten, das anders sei. Sie wisse nicht, wo ihr der Kopf stünde, und morgen früh würden die letzten Weihnachtsbäume verkauft werden und sogar mit Rabatt angeboten werden. Und ich selten dämlicher Hund ließ mich breitschlagen: Frühmorgens Baum kaufen, zu Elke schaffen, dann zum Mittag zu Mama und Papa und dann zu meiner verwirrten Ich-brauche-dich-Ex, um Hansis Uralt-Kalauer zu belächeln und einen Amerikaner Zigarre rauchen zu sehen. Das war mein selbst auferlegtes Tagespensum. Elke war zufrieden und legte schluchzend auf. Ich war nun auch zum Schluchzen aufgelegt und hätte mir selbst in den Hintern treten können.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Als ich an diesem Morgen endlich erwachte, wurde mir bewusst, dass ich weder Geschenke noch einen Weihnachtsbaum besorgt hatte und das Fest unmittelbar vor der Tür stand. Ich hatte nicht mehr viel Zeit dafür, denn mein Kalender zeigte bereits den 23. Dezember und mahnte mich auf diese Weise zur Eile.
Meine Ex-Frau wollte zu Besuch kommen, denn ihr zukünftiger Ex-Freund war mal wieder auf Geschäftsreise in Amerika - und das über Weihnachten! Welcher Kunde lädt seinen Gerschäftspartner über Weihnachten nach Hause ein, fragte ich sie. Ein alter Schulfreund von ihm, sagte sie, denn Hans, Elkes next Top-Lover nach mir, und das meine ich nur chronologisch, war mit dem jetzigen Besitzer einer mittleren amerikanischen Büromittelfirma einige Zeit in eine Klasse gegangen, bevor der ausgewandert war. Dann hatten sie sich wieder getroffen - natürlich auf einem Klassentreffen, Brüderschaft getrunken und lagen sich besoffen in den Armen, bevor sie sich schworen, international "ganz groß" zusammen zu arbeiten. Elke war also Weihnachten allein - und ich erbarmte mich ihrer, warum, weiß ich selbst nicht. Aber das bedeutete auch, Tannenbaum, Geschenke und das ganze Bremborium, auf das ich allein verzichtet hätte, musste nun doch stattfinden. An diesem verschneiten 23. Dezember klingelte mich morgens der Briefträger aus dem Bett - und in Erwartung eines wichtigen Telegramms oder Einschreibens hoffte ich einen Moment lang, Weihnachten meine Ruhe zu haben, weil Elke absagt. Verschlafen und unrasiert öffnete ich die Tür, stand einem erschrockenen jungen Burschen gegenüber, der, nachdem er meine Unterschrift erhalten hatte, machte, dass er wegkam. "Ihnen auch frohes Fest!", rief ich ihm gnatzig hinterher, warf die Tür zu und erschrak nun sogar selbst vor meinem Spiegelbild. Fast hätte ich das Einschreiben vergessen zu öffnen.
„Hans und Richard treffen am 24. ein und besuchen mich. Komm doch auch, wenn du willst und bring einen Baum mit. Lieben Gruß Elke“
Momomomomoment mal: Der Büroklammern-King aus den USA? Und Hans, ihr Noch-Freund, der fleischgewordene Sparwitz auf zwei Beinen, dessen fade Gags niemand versteht und niemand hören will? Und was heißt, wenn ich will? Wer bringt den Baum mit, wenn ich zu Hause bleibe? Diese Art eines subtilen Zwangs hasste ich, denn so empfand ich die Einladung: Das wars, was mich an Elke auf die Palme brachte, dieses hinterhältige Manipulieren: Diese Mach-was-du-willst-Sache, der dann immer die Aber-du weißt-nicht-was dir-entgeht-Sprüche folgen.
Naja, ich würde mir einfach ansehen, was bei Elke am Heiligabend so ablief – als säße ich vor dem Fernsehen, ich muss mich ja auf nichts mehr einlassen…Auf diese Weise könnte die Zeit schnell vergehen… Und am ersten Feiertag hatte ich dann zu Hause wieder meine Ruhe. Ich brauchte eine Weile, um mich an den Gedanken zu gewöhnen, weswegen ich dann wohl auch die Kanne der Kaffeemaschine mit Wasser füllte und gedankenversunken in den Kühlschrank stellte. Ich bemerkte meine Desorientierung, als ich die Kaffeemaschine anschalten wollte und irgendetwas nicht wie immer war – klar, die Kanne fehlte. Wie gut, dass das Bügeleisen außer Reichweite ist, dachte ich, als das Telefon klingelte und ich den Hörer an mein Ohr hielt, ganz so, wie es in der Betriebsanleitung stand. Meine Eltern waren am Apparat und ja, ich hätte es ahnen müssen: Ich sollte Heiligabend zum Entenbraten kommen. Ohne Tannenbaum. Also rief ich Elke an, um abzusagen – das sparte mir immerhin 30 EURO für einen Nadelbaum. Ich sprach auf ihren Anrufbeantworter, offensichtlich war sie nicht zu Hause, oder saß daneben um abzuwarten und zu hören, wer anrief.
Damit wähnte ich mich von dem freiwilligen Zwang durch meine Ex frei, ihre Einladung anzunehmen oder nicht, aber in jedem Falle einen Weihnachtsbaum mitzubringen. Sollte sie ihn selbst aussuchen und nach Hause schleppen. Also durchkämmte ich die Geschäfte in der City, um Kleinigkeiten für meine Eltern zu kaufen und einpacken zu lassen – falls sich eine Bescherung nicht vermeiden ließ.