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Was ist das Böse? Diese Frage gibt es, solange es Menschen gibt. Alle Kulturen, Religionen und Philosophien und auch die Psychologien der modernen Zeit haben sich mit dieser Frage beschäftigt. Gibt es unterschiedliche Arten des Bösen? Welcher Unterschied besteht etwa zwischen Massenmördern wie dem Russen Alexander Pichushkin oder dem Deutschen Fritz Haarmann, marodierenden Soldaten in einem Krieg, einer ihre Patienten hinterhältig in den Selbstmord treibenden Ärztin, einer Person wie Adolf Hitler, einem Unternehmer, der Waffen an ein Land verkauft, das mit seinem eigenen Land im Krieg steht oder dem U-Bahn-Schläger, der "mal einfach so" einen Rentner im nächtlichen U-Bahn Tunnel zu Tode trampelt? Sind sie alle vom "selben Teufel" besetzt und wie steht es mit der Verantwortung und Schuld? "Warum lässt Gott so etwas zu?", haben sich schon viele gefragt. Oder wie verhält es sich, wenn man in einem Land mittels der Geheimdienste Unruhen anzettelt, um dort einen Machtwechsel im Sinne des eigenen Systems herbeizuführen und dabei aber viele Menschen in Not geraten oder gar zu Tode kommen? Zu einer doch etwas tiefgründigeren und vielleicht auch ungewöhnlichen Auseinandersetzung mit diesen Fragen und der allgemeinen Frage nach dem Wesen des sogenannten "Bösen", möchte das vorliegende Buch anregen.
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Seitenzahl: 325
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www.tredition.de
Günther Pauli
Die Ordnung der Kräfte
Vom Umgang des Menschen mit dem Bösen
www.tredition.de
© 2014 Günther Pauli
Autor: Günther Pauli Umschlaggestaltung, Illustration: Günther Pauli Satz: Günther Pauli Bildnachweise: Bei den einzelnen Bildern ausgewiesen.
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN:
978-7323-2912-0 (Paperback)
978-7323-2913-7 (Hardcover)
978-7323-2914-4 (e-Book)
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Teil 1: Die Vielfalt des Bösen
Was ist das Böse?
Das Böse in der Rechtsprechung
Das Böse in der Psychologie
Das Böse in der Mythologie und Phantasie
Das Böse in den abendländischen Religionen
Teil 2: Die göttliche Ordnung und der Werdegang des Menschen mit dem Bösen – Eine mögliche spirituell begründete Betrachtungsweise
Was ist Spiritualität?
Exkursion: Das Räumliche und das Raumlose – das Zeitliche und das Zeitlose
Die eigenständige Geistigkeit des Menschen bedingt notwendig auch das Böse
Die Abbildung der Dreiheit eines Geistigen in der Welt der Materie
Exkursion: Die „Kernkraft“ als Beispiel eines durch Konzentration aus der Materie freigesetzten „apersonalen Willens“
Teil 3: Der dreigliedrige Mensch
Die Dreigliederung des Menschen im Physischen
Die Dreigliederung des Menschen im Seelischen
Exkursion: Eine zerstörerische Kraft, die der Mensch aus seinen Seelenkräften freisetzt: Das „Ätherelemental“
Teil. 4: Beispiele für Kräfte des Bösen, die über Menschen wirksam wurden
4.1 Eine These: Der Nationalsozialismus mit der Person des Adolf Hitler ist ein Beispiel eines asurischen Wirkens
Welche Folgewirkung hatte das Erscheinen des Asura in der Person Hitlers für die Menschen und die Kultur in Europa und in der Welt?
Blieb oder bleibt die Wirkung des Asura auf Menschen wie Hitler oder Stalin beschränkt?
4.2 Eine weitere These: Das Wirken des Sorat in einem gegenwärtigen Menschen: Frau Dr. C
Die Begegnungen der Frau Dr. C mit verschiedenen spirituellen Personen: Welche Auswirkungen hatten diese Begegnungen für diese Personen?
Eine nähere Betrachtung in einzelnen Beispielen, wie Frau Dr. C in das Leben der verschiedensten Menschen manipulierend und zerstörend eingriff und immer noch eingreift
Teil 5: Wie kann der Mensch lernen, die verschiedenen Kräfte in eine neue Ordnung zu führen? – Der Geistschulungsweg
Das Menschenbild in dem hier vorgestellten Geistschulungsweg – Was ist ein Geistschulungsweg?
Wie arbeitet man auf einem Geistschulungsweg?
Anhang
Literaturverzeichnis
Der Autor Günther Pauli
Vorwort
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Tod Adolf Hitlers sind nun 70 Jahre vergangen. Man denkt heute meistens so, dass diese Zeit somit wohl längst vorbei und überwunden sei. Aber ist sie das wirklich? Hat man die tieferen Hintergründe des „Phänomens Nationalsozialismus“ bis heute wirklich geklärt? So ist es doch eine äußerst merkwürdige Erscheinung, dass man einerseits immer noch Gedenkfeiern für die Opfer des nationalsozialistischen Terrors abhält und auf der anderen Seite aber heute in der Weltöffentlichkeit duldet, dass in Gefängnissen der scheinbar für die Menschenrechte einstehenden Vereinigten Staaten von Amerika im großen Stil gefoltert wird und im Ausland hunderte von Menschen mit sogenannten „Drohnen“ ohne Gerichtsverhandlung hingerichtet werden. Und dies alles angeblich wegen der „Sicherheit“ dieser Weltöffentlichkeit.
Ist also die Erscheinung des „Dritten Reiches“ in gewöhnlichen politischen, psychologischen oder wirtschaftlichen Kategorien erklärbar, oder waren mit seinem Auftreten Kräfte verbunden, für die man andere Ebenen des Erklärens benötigt als die bekannten Ebenen und wirken solche Kräfte heute in anderer, vielleicht viel ungesehener Form weiter?
Es kommt auch in unserer Zeit ein neues Phänomen hinzu, dass es gar kein Problem mehr ist, an die hintergründigen Informationen zu gelangen, was vor einigen Jahrzehnten noch nicht so leicht möglich war. Edward Snowden hat sein Leben riskiert, um die Verletzung der Menschenrechte durch Abhören und Ausspionieren seitens der USA in großen Umfang offenzulegen. Er hat aber wohl nicht damit gerechnet, dass es einfach nach einer gewissen Zeit niemanden mehr interessiert beziehungsweise soweit dann doch nicht interessiert, dass man eine Haltung dagegen einnimmt, die diese Praktiken verbietet. Die fehlende Empörung, die fehlende Haltung gegenüber Unrecht kann aber der Mensch wohl erst einnehmen, wenn er das „Böse“ mit seinen tieferen Hintergründen studiert und daraus ein Ideal des Rechtes oder des Guten entwickelt.
Zu einer doch etwas tiefgründigeren Auseinandersetzung mit diesen Fragen und der allgemeinen Frage nach dem Wesen des sogenannten „Bösen“, möchte das Ihnen vorliegende Buch anregen.
Yvonne Pauli
Teil 1
Die Vielfalt des Bösen
Was ist das Böse?
Was ist das Böse? Diese Frage gibt es, solange es Menschen gibt. Alle Kulturen, Religionen und Philosophien und auch die Psychologien der modernen Zeit haben sich mit dieser Frage beschäftigt. Gibt es unterschiedliche Arten des Bösen? Welcher Unterschied besteht etwa zwischen Massenmördern wie dem Russen Alexander Pichushkin oder dem Deutschen Fritz Haarmann, marodierenden Soldaten in einem Krieg, einer ihre Patienten hinterhältig in den Selbstmord treibenden Ärztin, einer Person wie Adolf Hitler, einem Unternehmer, der Waffen an ein Land verkauft, das mit seinem eigenen Land im Krieg steht oder dem U-Bahn-Schläger, der „mal einfach so“ einen Rentner im nächtlichen U-Bahn Tunnel zu Tode trampelt? Sind sie alle vom „selben Teufel“ besetzt und wie steht es mit der Verantwortung und Schuld? „Warum lässt Gott so etwas zu?“, haben sich schon viele gefragt. Oder wie verhält es sich, wenn man in einem Land mittels der Geheimdienste Unruhen anzettelt, um dort einen Machtwechsel im Sinne des eigenen Systems herbeizuführen und dabei aber viele Menschen in Not geraten oder gar zu Tode kommen?
„Der Schlächter von Hannover“, Friedrich Haarmann, 1925 mit dem Fallbeil hingerichtet, während des Gerichtsprozesses 1924: “Ich will auf dem Klagesmarkt hingerichtet werden. Auf meinem Grabe steht der Spruch: Hier ruht der Massenmörder Haarmann. An meinem Geburtstag kommt Hans und legt einen Kranz nieder. Wenn ich einfach so gestorben wäre, dann wäre ich beerdigt worden und keinerhätte mich gekannt, so aber - Amerika, China, Japan und die Türkei - alles kennt mich.“ War sein Wahn also einfach krankhafte Geltungssucht? (Bild: Bundesarchiv, 102-10460, ohne Angabe)
Noch zwei weitere Beispiele zu den vielen Gesichtern des Bösen:
In der Machtpolitik spielt sich zur Zeit (Jahresanfang 2014) folgendes ab: Die US-amerikanische Regierung stationiert an der Ostgrenze der aktuellen Europäischen Gemeinschaft (EU), also in Ländern wie Polen oder Tschechien, ein Raketenabwehrsystem, über das die EU-Staaten selbst keine Befehlsgewalt haben. Diese Raketen sollen Europa vor einem „Atomschlag“ seitens Russlands schützen, wobei in den westlichen Medien zur Zeit immer behauptet wird, es ginge um eine Bedrohung durch den Iran. Man geht also in der US-Regierung scheinbar davon aus, dass die russische Regierung oder auch der Iran einen solchen Angriff planen oder zumindest in Erwägung ziehen. Jedenfalls stellt man diese angebliche Bedrohung in der Öffentlichkeit immer wieder so dar. Umgekehrt sieht die russische Regierung oder auch die iranische Regierung nun Russland oder den Iran durch diese Raketen bedroht, da nun Amerika beziehungsweise der „Westen“ in der Lage sei, Russland oder den Iran durch einen Angriff mit Atomwaffen auszuschalten, ohne einen verheerenden Gegenschlag mehr fürchten zu müssen. Das bisherige „Patt der Atomwaffen“ sei nun nicht mehr gegeben. Russland oder der Iran gehen in ihren Erwägungen also ebenfalls davon aus, dass eben der „Westen“ einen militärischen Schlag gegen Russland oder den Iran plane oder zumindest in Erwägung ziehe. Oder diese Länder gehen vielleicht davon aus, dass der „Westen“ sie mit einem militärischen Übergewicht „unter Druck setzen will“. Wer ist nun der „Böse“ oder wo sitzt er wirklich? Um dies herauszufinden, sollte man sich nicht nur an der relativen Oberflächlichkeit der üblichen Nachrichtenmedien orientieren, sondern man müsste das Zustandekommen der einzelnen Entscheidungen und die dahinterliegenden, oft in den offiziellen Medien nicht sichtbaren Motive, womöglich vor dem Hintergrund einer längeren Geschichte, wirklich tiefgreifend erforschen.
Start einer Mittelstreckenrakete zu Testzwecken:
Mittelstreckenraketen können sowohl mit konventionellen Sprengsätzen als auch mit biologisch oder chemisch wirksamen Mitteln (Seuchenkeime, Gifte) oder nuklearen Sprengsätzen bestückt werden.
(Zeichnung: Autor)
Oder:
Fünf Jugendliche verprügeln einen Obdachlosen und trampeln ihn anschließend zu Tode. „Schrecklich, abscheulich“ wird man sicherlich mit Recht sagen. Aber auch hier sollte man die tieferen Hintergründe erforschen und zwar nicht nur die sozialen, gesellschaftlichen Gegebenheiten, etwa wie „die Täter stammen aus einem gewalttätigen Elternhaus, einem „asozialen Milieu“ und so weiter. Es könnte und ich sage bewusst, es könnte sich auch um eine sogenannte „Verschiebung“ handeln. Was ist damit gemeint?
Es gibt Menschen, die nach außen einen unbescholtenen Eindruck machen, also scheinbar niemanden einen Schaden zufügen, in ihren ungesehenen, nicht erkannten Gedanken und Taten andere aber erheblich beeinträchtigen oder ihnen sogar die Lebensgrundlagen rauben. Diese Umstände wirken sich nicht nur auf die direkt betroffenen Menschen aus, sondern sie erzeugen aus metaphysischer Sicht Wirksamkeiten oder Wesen, die bestehen bleiben und auch auf Menschen wirken, die in keinem äußeren oder physischen Zusammenhang mit den Ausgangspunkten der ursächlichen Gedanken und Taten stehen. Also irgendwo in der Welt findet ein sehr schwerer Betrug statt und irgendwo anders, womöglich weit weg, geschieht eine Gewalttat. Äußerlich gibt es keinen Zusammenhang. Aber wie ist es wirklich?
Anmerkung: In der Sexualpsychologie kennt man bei Vergewaltigungen solche Verschiebungen: Das Opfer fühlt sich schuldig, empfindet die Schuld, die eigentlich der Täter aufgrund seiner Tat haben müsste. Diese Projektion bleibt solange erhalten, solange die Tat nicht wirklich ins Licht gekommen und geklärt ist, der Täter selbst kann solange ein unbeschwertes Leben führen und sogar weitere Taten begehen. Allerdings gibt es hier noch, im Gegensatz zum oben genannten Beispiel, den äußeren Zusammenhang der physischen Tat, der Täter und Opfer miteinander verbindet.
Das Böse in der Rechtsprechung
Die vielen Formen der Rechtsprechung und Fälle, die es bezüglich von „Straftaten“ gibt und die sich auch oft noch bezüglich der verschiedenen Staaten und Zeiten unterscheiden, werde ich hier nicht auflisten und behandeln, weil es den Rahmen dieses Buches sprengen würde. Der Leser möge sich gegebenenfalls hierzu über die entsprechende Fachliteratur informieren.
Nur ein Beispiel möchte ich kurz aufgreifen: Es ist das Töten eines Menschen unter den verschiedenen Umständen, die durch das Recht unterschieden werden. Grundsätzlich kann man einmal davon ausgehen, dass ein für alle geschriebenes verbindliches Recht, Verhaltensregeln mit Konsequenzen bei Nichteinhaltung vorgibt, die „böse“ Handlungen eindämmen beziehungsweise präventiv durch Strafandrohung verhindern sollen und man wird zunächst ohne Zweifel davon ausgehen, dass das Töten eines Menschen eine „böse“ Tat ist.
Artikel 2, Absatz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland besagt hier auch sehr eindeutig: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Das heißt, wer gegen dieses Recht verstößt, handelt „böse“ und muss mit Strafe rechnen.
Dann aber wird dieses Recht durch den Zusatz aufgeweicht: „In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ Das heißt also, durch ein Gesetz kann eine an sich verwerfliche Handlung, also zum Beispiel das Töten eines Menschen „legitimiert“, also zu einer erlaubten oder „guten“ Handlung erklärt werden. Ein Beispiel hierfür ist der sogenannte „finale Rettungsschuss“ in den Polizeigesetzen der meisten deutschen Bundesländer.
Geiselnahme, zum Zweck einer Polizeiübung, gestellt. „Als finaler Rettungsschuss wird in Deutschland der gezielte tödliche Einsatz von Schusswaffen im Dienst von Polizisten bezeichnet, um im Sinne der Nothilfe Gefahr von Dritten genau dann abzuwenden, wenn keine anderen Mittel zur Abwendung verfügbar sind. Ein Einsatzgebiet sind etwa Geiselnahmen, bei denen Verhandlungen und der Einsatz von nichttödlichen Waffen keine realistischen Aussichten auf Erfolg bieten.“ (Bild: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, public domain)
Abgesehen davon, dass das Wort „finaler Rettungsschuss“ selbst schon eine Verharmlosung darstellt, ist diese „Legitimation einer an sich als böse geltenden Tat“, also die Legitimation der Tötung eines Menschen durch ein Gesetz umstritten, wie folgendes Zitat von A. Reutlinger, München 2003 zeigt:
„Alle Menschen sind von Natur aus gleich. Es gibt keinen erkennbaren Unterschied, der eine Höherwertigkeit oder eine Minderwertigkeit einzelner Individuen oder Gruppen begründen würde und es gibt keine Privilegierten, Ausgezeichneten oder Auserwählten. Daraus folgt unmittelbar, dass kein Mensch das Recht hat, über das Leben anderer Menschen zu verfügen, also insbesondere zu töten oder töten zu lassen. Ebenso kann es kein Recht geben zu Vergewaltigung, Folter und Zwangssterilisation. Darüber herrscht noch weitgehend Einigkeit. Dieses ethische Prinzip gilt aber bedingungslos, auch im Falle der Notwehr oder Verteidigung. Hier scheiden sich die Geister.
Historisch betrachtet haben immer wieder mittelalterliche Kleriker und Fürsten, moderne Machthaber wie auch demokratisch legitimierte Staatenlenker die Notwehr als Recht zur Tötung betrachtet und sie sehr häufig dazu missbraucht. Das biblisch-christliche “du sollst nicht töten” hat selbst gläubige Christen nicht davon abgehalten. Noch heute gibt es die Todesstrafe, den Schießbefehl und den finalen Rettungsschuss in Gesetzbüchern.
Es ist streng zu unterscheiden zwischen dem präaktiven Recht auf eine Handlung [ein grundsätzliches Recht auf eine Handlung, auch wenn sie nicht vollzogen wird] und der postaktiven Toleranz einer Handlung [ein Akzeptieren einer Handlung, nachdem sie schon erfolgt ist]. Tötung kann nie ein Recht sein. Sie kann nur im Einzelfall nachträglich toleriert werden, indem die Gesellschaft auf Sanktionen verzichtet, wenn beispielsweise im Verlauf einer Handlung ein Mensch unvermeidlich getötet wurde, um Menschenleben zu retten. Es geht nicht um die Verhältnismäßigkeit der Mittel, sondern um einen unumstößlichen Grundsatz. Der Umfang der Toleranz darf daher nur im äußersten Fall a priori - d.h. gesetzlich, von vorne herein - bestimmt werden, denn gerade dadurch würde der Willkür die Türe geöffnet.“
Man sieht, dass es also schon auf der Ebene des Rechts in verschiedenen Situationen schwierig ist, wann ein Vorgang oder eine Tat, der oder die zunächst klar erscheint, wie „das Töten eines Menschen“ als „verwerflich, böse“ oder als „angemessen“ zu beurteilen ist.
Ein weiteres Beispiel auf der Rechts- und Moralebene mögen der Film „Right to Kill?“, USA 1985 (deutscher Titel „Das Recht zu töten“) oder ähnliche Werke zu der Problematik des Tötens und der „Selbstjustiz“ noch geben: „Hinter der biederen Fassade eines Finanzbeamten verbirgt sich ein Sadist. Er prügelt und quält seine Familie. Der 16-jährige Sohn hält den Terror nicht aus. Er tötet den Vater…“
Oder nehmen wir zum Thema der Verantwortung den Roman des Schweizer Autors Peter Stamm „Agnes“, dessen namenlose Hauptperson die Frau namens Agnes durch Berechnung, Manipulation und durch das Ausnutzen ihrer Naivität in den Tod treibt. Ist das geschilderte Verhalten etwas „Böses“ oder „vom Bösen Getriebenes“? Oder ist es nur „Unbedachtheit“ oder gar „normal“? Jedenfalls würde das im Roman Geschilderte, wenn es sich real ereignen würde, heute keinen Staatsanwalt oder Richter zum Eingreifen veranlassen. Ich denke, der Leser wird hier selbst noch viele Beispiele aus Filmen, aus der Geschichte oder aus Geschichten und aktuellen Begebenheiten finden, welche die Frage innerhalb des Rechtswesens nach dem Bösen oder der Schuld aufwerfen.
Anmerken möchte ich noch, dass es in der deutschen Rechtsprechung beziehungsweise im Strafrecht keine Gesetze und keine Paragraphen gibt, die etwa erfassen würden, wenn jemand durch massive Manipulationen auf der psychischen Ebene andere schädigt oder sogar in den Selbstmord treibt. Dies liegt natürlich auch daran, weil bisher generell für diese Vorgänge noch kein Bewusstsein und keine Sensibilität entwickelt wurde und daher auch eine Ursachenaufklärung zunächst schwer möglich ist. Das Recht ist hier auf einem Stand, dass eine Schädigung oder gar eine Tötung nur über einen unmittelbaren physischen Zusammenhang zur Rechtssache wird. Schafft es beispielsweise jemand, einen anderen Menschen durch anhaltende und schwere aber verborgene psychische Manipulationen ohne körperliche Gewalt in den Tod zu treiben, so gilt das bis heute nicht als Mord, sondern als Selbstmord des Betreffenden. Man kennt zwar schon das Phänomen des „Mobbings“ und das sogenannte „Stalking“ (deutsch: „Nachstellen, Verfolgen, Psychoterror“) ist mittlerweile im deutschen Strafgesetzbuch aufgenommen (§ 238), aber zeugniswirksam belegt werden können solche Straftaten wiederum nur durch unmittelbar physische Umstände, wie etwa der Rückverfolgung des Anrufers und dergleichen.
Das Böse in der Psychologie
Nach den Deutungen in der Psychologie entsteht das Schlechte oder Böse unter anderem dadurch, dass Verhaltensmuster, die in der Vergangenheit oder in vergangenen Zeiten erfolgreich oder „gut“ waren, zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr angemessen sind und daher zum Schaden der Beteiligten führen. Ein Beispiel hierfür wäre der „Gruppenegoismus“ als Überlebensstrategie in einer urzeitlichen Welt, weitergegeben in der Form eines genetischen Erbes, wie das oft in Theorien beschrieben wird, die in den Genen oder den molekularen Erbinformationen den Schlüssel für alles Verhalten sehen. Allgemein erkennt die heutige Psychologie im Bösen keine selbständige Wesenhaftigkeit, sondern lediglich ein aus einem entwicklungsbedingt entstandenen Aggressionstrieb des Menschen entspringendes Verhalten.
Interessante Beispiele für solche zeitliche Versetzungen von Strukturen oder Verhaltensmustern sind autoritär, hierarchisch aufgebaute Beziehungssysteme, also Systeme unter Menschen, die nach der Pyramidenstruktur funktionieren, in denen Anweisungen von oben nach unten weitergegeben werden. Diese Beispiele erscheinen mir auch wegen ihrer allgemeinen Aktualität doch wert, sie hier einmal genauer zu skizzieren:
An der Spitze stehen einige wenige, welche allein im Besitz der gesamten Übersicht hinsichtlich der Vorgehensweise und Ziele sind und die unter sich eine ganze Schichtenfolge von Hierarchiestufen mit Untergebenen haben, die nur über beschränkte, auf die Teilaspekte ihrer Arbeit bezogene Informationen und Kenntnisse verfügen. Solche hierarchischen Beziehungsstrukturen waren zum Beispiel im alten Ägypten von Bedeutung und für den damaligen Entwicklungsstand der Menschen angemessen: Ein Pharao stand als göttlich inspirierte Person an der Spitze der gesamten Gemeinschaft und führte diese bis in alle Einzelheiten, selbst die Handelspreise für Nahrungsmittel wurden durch ihn festgelegt.
Die hierarchische Gliederung der Bevölkerung im alten Ägypten, ca. 2200 v. Chr. (Bild: Autor)
In der Zeit über die Antike und das Mittelalter hinweg entwickelte sich das Bewusstsein des Menschen weiter und in der sogenannten Neuzeit, etwa seit den letzten 600 Jahren besteht die Entwicklungsanforderung für das Bewusstsein des Einzelnen darin, aus der eigenen, schaffenden und gestaltenden Individualität heraus eine freie Beziehung zu den Mitmenschen und zu den Dingen des Lebens zu kreieren. Eine für die heutige Zeit angemessene Beziehungsstruktur wäre daher ein Netzwerk unter den Menschen, einem Kristall gleich geordnet, aber die Ordnung entstünde nicht auf Anordnung einer Autorität „von oben“, sondern aus dem freien, schöpferischen Miteinander der einzelnen Menschen. Tatsache ist aber, dass sowohl in den institutionalisierten Religionen, in der Wirtschaft als auch in der Politik, ja sogar in vielen privaten Gruppierungen die meisten Beziehungsstrukturen heute noch nach dem alten hierarchischen Pyramidenprinzip funktionieren:
Ein Beispiel für die hierarchischen Strukturen in der modernen Zeit: Die verschiedenen Ebenen innerhalb eines größeren Unternehmens. (Bild: Autor)
Diese alten hierarchischen Formen erweisen sich heute immer mehr als ungünstig oder schädlich, ja sogar als das Böse fördernde Strukturen. Mit „das Böse fördernd“ ist hier zunächst gemeint, dass durch solche Strukturen Tendenzen gefördert werden, welche die im obigen Sinne beschriebene Entwicklung des Menschen hemmen und dadurch für eine größere Anzahl von Menschen entsprechende Schädigungen und Behinderungen ihrer Entwicklung mit sich bringen.
Warum ist das so, dass hierarchische Strukturen die Entwicklung des Menschen heute hemmen und ihn schädigen? Eine im Idealfall heute angemessene Form der Beziehung wäre, wenn Menschen als schöpferische Individualitäten ihre Beziehungen untereinander und auf gleicher Ebene so gestalten, dass jeder der Beteiligten eine Förderung in seinem Menschsein erfährt. Psychologische Analysen ergaben nun, dass der Anteil an Psychopathen, also an Menschen, die andere um des eigenen Vorteiles willen absichtlich schädigen oder sogar ausschalten, an der Spitze von Hierarchien im Mittel fünfmal so hoch ist, wie in der normalen Bevölkerung, dass also hierarchische Strukturen offensichtlich psychopathische Formen zu ihren Führungsebenen hin „konzentrieren“.
Um näher zu bringen, was dies bedeutet, führe ich eine Charakterisierung des Psychopathen oder des durch keinerlei Sozialgefühl gehemmten Menschen an. Sie stammt von Robert Hare (*1934), Kriminalpsychologe und emeritierter Professor der University of British Columbia:
„Psychopathen sind gesellschaftliche Raubtiere, die sich mit Charme und Manipulation skrupellos ihren Weg durchs Leben pflügen und eine breite Schneise gebrochener Herzen, enttäuschter Erwartungen und geplünderter Brieftaschen hinter sich lassen. Ein Gewissen und Mitgefühl für andere Menschen fehlt ihnen völlig und so nehmen sie sich selbstsüchtig, was sie begehren, und machen, was sie wollen. Dabei missachten sie gesellschaftliche Normen und Erwartungen ohne jegliches Schuldbewusstsein oder Reuegefühl. Ihre fassungslosen Opfer fragen sich verzweifelt: „Wer sind diese Menschen?“, „Was hat sie zu dem gemacht, was sie sind?“ und „Wie können wir uns schützen?““.
Die ebenfalls hierarchieförmig aufgebaute Struktur einer politischen Partei in Deutschland. (Bild: Autor)
Die verschiedenen Psychologen sind zwar unterschiedlicher Ansicht darüber, was einen Menschen bösartig macht (etwa Erziehung, Genetik, Erlebnisse usw.) und wie viele derartige Menschen es heute in der Bevölkerung gibt, aber bezüglich der oben von Hare beschriebenen Eigenschaften sind sie sich weitgehend einig. Das Wesentliche aber in Bezug auf hierarchische Strukturen ist, dass diese Menschen hinsichtlich des Wettkampfes um Positionen gegenüber ihren normalen Konkurrenten einen erheblichen Vorteil haben: Sie werden nicht durch Empathie oder Mitgefühl in ihrem Handeln geführt, sie haben „keine Skrupel“, wie man sagt und handeln entsprechend rücksichtslos. So sind ihre Aufstiegschancen in hierarchisch geprägten Strukturen deutlich höher als die von anderen Menschen. Je größer die Anzahl der Stufen in der Hierarchie, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, an der Spitze auf einen Psychopathen zu treffen. Dies kann man in mathematischen Modellen sogar simulieren:
Häufigkeit von Psychopathen in Hierarchien in Abhängigkeit von der Stufenzahl, nach dem Modell des logistischen Wachstums. Ausgegangen wurde von einem Psychopathenanteil von 5% in der Bevölkerung. Zunächst verdoppelt sich der Anteil von einer Stufe zur nächsten, weil die Psychopathen im Konkurrenzkampf nicht durch ein Mitgefühl für andere behindert sind. Ab einer gewissen Stufenzahl verlangsamt sich dann die Zunahme, weil die auf der immer enger werdenden Plattform in immer höherer Zahl auftretenden machtgierigen Menschen anfangen sich gegenseitig zu behindern und zu bekämpfen. Bei einer Hierarchiestruktur mit vier Stufen beträgt die Wahrscheinlichkeit, an der Spitze einen Psychopathen anzutreffen 36,7%, bei fünf Stufen beträgt sie schon 56,4%. Hinzu kommt nach verschiedenen Untersuchungen, dass in einem Beziehungsgeflecht, welches unter dem Einfluss von Psychopathen steht, auch andere Menschen mehr und mehr unter Persönlichkeitsstörungen leiden. (Bild: Autor)
Man muss bedenken, dass in der Zeit der altägyptischen Kultur das Bewusstsein des Menschen in einer ganz anderen Verfassung war als heute. Der Mensch damals „erkämpfte“ sich keine Positionen und Stufenplätze, sondern er wurde in diese hineingeboren, gehörte zu diesen also von Geburt an. Der Pharao selbst war eine in die geistigen Gesetze eingeweihte Person, die aus der geistigen Schau heraus das gemeinschaftliche Leben führte. Niemand in der damaligen Hierarchiestruktur wäre, zu mindestens in der frühen und hohen Phase der ägyptischen Kultur, auf die Idee gekommen, sich durch das Ausschalten von Konkurrenten einen höheren Rangplatz zu erstreiten, ganz einfach, weil es zu dieser Zeit noch keine der heutigen Bewusstseinsform vergleichbare Individualität mit egoistischen, zur Vereinzelung neigenden Tendenzen gab. Heute sammeln sich an den Spitzen hierarchischer Systeme krankhafte Naturen, die Entscheidungen ganz für den Aufbau ihrer Macht und für ihre Vorteile treffen. Die Folgen sind für viele andere Menschen eine immer größere Verknappung von Ressourcen, von Zeit, eine immer größere wirtschaftliche Abhängigkeit und auch Krankheiten, so dass viele Menschen in ihren Entwicklungsmöglichkeiten mehr und mehr eingeschränkt werden. Die hierarchische, pyramidenförmige Gesellschaftsstruktur war dem damaligen ägyptischen Menschen angemessen und für ihn förderlich, was aber für den heutigen Menschen nach den oben geschilderten Überlegungen sicherlich nicht mehr zutrifft.
Das Böse in der Mythologie und Phantasie
Der Gott Loki in der nordischen oder eddischen Mythologie nach Ólafur Brynjúlfsson (1760):
Kein anderer Gott kann einen so ambivalenten Charakter, eine so vielschichtige Persönlichkeit aufweisen wie der listenreiche Loki, der eine entscheidende Rolle in der „letzten Schlacht“ (Ragnarök) und im Untergang des nordischen Göttergeschlechts spielt. Loki ist als paradigmatische Gestalt eines Täuschers in die Kulturgeschichte eingegangen: Klug, durchtrieben und hinterhältig weiß er als unerkannter Drahtzieher im Hintergrund die Fäden des Geschehens zu ziehen, Menschen und Götter nach Bedarf zu manipulieren und für seine Zwecke auszunutzen. (Bild: Brynjúlfsson, Nordisk Mytologi)
Hier möchte ich, eine Vielzahl von Mythologien früherer Zeiten und Formen der modernen „Fantasy“ zusammenfassend, noch die Fantasiewelt „Arda“ von dem Philologen und Schriftsteller John Ronald Reuel Tolkien (*1892, †1973) erwähnen, die den Hintergrund für dessen weithin bekannte und verfilmte Romane „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ bildet. Der Engländer Tolkien studierte alte Sprachen und entlehnte für seine Romane viele Inhalte aus der altnordischen und eddischen Mythologie. Ähnlich den Darstellungen im Christentum und auch in der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners durchläuft das Böse in aufeinanderfolgenden Weltzeitaltern in seinen Auseinandersetzungen mit der Seite des Guten verschiedene Formen, bis es schließlich in das Gute zurückfindet oder besiegt wird. In den allgemeinen Formen der Mythologien und auch der Religionen findet sich häufig zumindest die Andeutung, dass die Entstehung des Bösen und die über große Zeiträume erfolgende Auseinandersetzung mit ihm einen wesentlichen Faktor für die Veränderung und Entwicklung der Welt darstellt.
„Sauron“ oder „Der Abscheuliche“:
In dem Roman „Der Herr der Ringe“ wird das Böse im Wesen des Sauron dargestellt. Als ansehnliche engelsähnliche Gestalt schmiedete er den „Einen Ring“, den Meisterring, auf den er einen Großteil seiner Macht übertrug, bevor er in den verschiedenen folgenden Auseinandersetzungen seine Körperlichkeit verliert. In „Der Herr der Ringe“ erscheint er schließlich körperlos als feuriges Auge mit einer tiefschwarzen, längsgeschlitzten Pupille, kriegstreibend auf der Jagd nach dem verlorenen Ring der Macht. (Zeichnung: Autor, nach dem Film „Der Herr der Ringe“)
Das Böse in den abendländischen Religionen
In den verschiedenen Religionen taucht ebenfalls immer wieder der Begriff des Bösen auf, das als „Versucher des Menschen“ und als Gegenspieler zu einer als „göttlich“ angenommenen Ordnung beschrieben wird. Im Folgenden möchte ich dem Leser ein paar Beispiele für Darstellungen und Beschreibungen des Bösen im abendländischen Kulturraum, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, vorstellen.
Der Sündenfall im Alten Testament
Nach der Darstellung im „Alten Testament“ der Bibel stellt der „Sündenfall“ ein symbolisches Ereignis in der Menschheit dar, in dem das „Urpaar“ Adam und Eva durch die Schlange als Versucher zur Erkenntnis von Gut und Böse verleitet wurde und das somit in der Folge mit allen seinen Nachkommen Zeitlichkeit, Endlichkeit und den Tod erdulden muss. Das letztere wird in dem Bild der Vertreibung aus dem Paradies durch den Engel Gabriel ausgedrückt. Nach der traditionellen Theologie wird dieses „dem Bösen Verfallensein“ als „Erbsünde“ auf alle kommenden Generationen übertragen und kann nur durch den „Bund mit Christus“ überwunden werden. Auch sieht man dort den Sündenfall als eine Folge der dem Menschen durch Gott gewährten Freiheit.
Der Sündenfall, von Julius Schnorr von Carolsfeld (*1794, †1872), einem Maler der deutschen Romantik:
Eva reicht Adam den Apfel vom „Baum der Erkenntnis“. Das Essen der Frucht führte nach dieser bildhaften Überlieferung zur „Erkenntnis von Gut und Böse“ und hatte für das mythologische Paar die Vertreibung aus dem Paradise durch den Erzengel Gabriel zur Folge. Der Anstifter zu dieser Handlung, Luzifer, erscheint auf dem Bild als um den Baum gewundene Schlange. (Bild: von Carolsfeld, Galerie Neue Meister, Dresden)
Das Thema des Sündenfalls bewegte über viele Jahrhunderte die Gemüter der Menschen, so zum Beispiel den englischen Dichter John Milton (*1608, †1674): Er erzählt in einem epischen Gedicht die Geschichte des „Höllensturzes der gefallenen Engel“, der Versuchung von Adam und Eva durch Luzifer und der Vertreibung aus dem Garten Eden. Der Inhalt ist in zwölf Bücher gegliedert, die jeweils zwischen 640 und 1200 Zeilen umfassen.
Die dreifache Versuchung Christi im Neuen Testament
Eine Dreigliederung des Bösen erscheint in dem sich steigerndem Dreischritt der „Versuchung Christi“ in der Überlieferung des „Neuen Testamentes“ (Matthäus 4,1-11):
James Tissot (*1836, †1902): „Jesus wird in der Wüste in Versuchung geführt“. (Bild: James Tissot, Brooklyn Museum)
Da ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt, auf dass er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.
Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.
Und er antwortete und sprach: Es steht geschrieben: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht.“
Da führte ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so lass dich hinab; denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln über dir Befehl tun, und sie werden dich auf Händen tragen, auf dass du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.
Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: “Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen.”
Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest.
Da sprach Jesus zu ihm: Hebe dich weg von mir Satan! Denn es steht geschrieben: “Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und ihm allein dienen.”
Da verließ ihn der Teufel; und siehe, da traten die Engel zu ihm und dienten ihm.
Die Dreiheit des Bösen in der Johannes-Apokalypse
Auch in der „Johannes-Apokalypse“ finden wir eine Dreigliederung des Bösen: „Das Tier am Himmel“, „Das Tier aus dem Meer“ und „Das Tier aus der Erde“.
Das Tier am Himmel:
„Ein anderes Zeichen erschien am Himmel: ein Drache, groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und mit sieben Diademen auf seinen Köpfen. Sein Schwanzfegte ein Drittel der Sterne vom Himmel und warf sie auf die Erde herab. Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war. Und sie gebar ein Kind, einen Sohn, der über alle Völker mit eisernem Szepter herrschen wird. Und ihr Kind wurde zu Gott und seinem Thron entrückt. Die Frau aberfloh in die Wüste, wo Gott ihr einen Zufluchtsort geschaffen hatte; dort wird man sie mit Nahrung versorgen, zwölfhundertsechzig Tage lang.“ (Apokalypse 11, 19; 12, 1-6)
Das Tier aus dem Meer:
„Und ich sah: Ein Tier stieg aus dem Meer, mit zehn Hörnern und sieben Köpfen. Auf seinen Hörnern trug es zehn Diademe und auf seine Köpfen Namen, die eine Gotteslästerung waren. Das Tier, das ich sah, glich einem Panther; seine Füße waren wie die Tatzen eines Bären und sein Maul wie das Maul eines Löwen. Und der Drache hatte ihm seine Gewalt übergeben, seinen Thron und seine große Macht. Einer der Köpfe sah aus wie tödlich verwundet; aber die tödliche Wunde wurde geheilt. Und die ganze Erde sah dem Tier staunend nach. Die Menschen warfen sich vor dem Drachen nieder, weil er seine Macht dem Tier gegeben hatte; und sie beteten das Tier an und sagten: Wer ist dem Tier gleich, und wer kann den Kampf mit ihm aufnehmen?“ (Apokalypse 13, 1-5.11-14)
Das Tier aus der Erde:
„Und ich sah: Ein anderes Tier stieg aus der Erde herauf. Es hatte zwei Hörner wie ein Lamm, aber es redete wie ein Drache. Die ganze Macht des ersten Tieres übte es vor dessen Augen aus. Es brachte die Erde und ihre Bewohner dazu, das erste Tier anzubeten, dessen tödliche Wunde geheilt war. Es tat große Zeichen; sogar Feuer ließ es vor den Augen der Menschen vom Himmel auf die Erde fallen. Es verwirrte die Bewohner der Erde durch die Wunderzeichen, die es im Auftrag des Tieres tat; es befahl den Bewohnern der Erde, ein Standbild zu errichten zu Ehren des Tieres, das mit dem Schwert erschlagen worden war und doch wieder zum Leben kam. Es wurde ihm Macht gegeben, dem Standbild des TieresLebensgeist zu verleihen, so dass es auch sprechen konnte und bewirkte, dass alle getötet wurden, die das Standbild des Tieres nicht anbeteten. Die Kleinen und die Großen, die Reichen und die Armen, die Freien und die Sklaven, alle zwang es, auf ihrer rechten Hand oder ihrer Stirn ein Kennzeichen anzubringen. Kaufen oder verkaufen konnte nur, wer das Kennzeichen trug: den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens, hier braucht man Kenntnis. Wer Verstand hat, berechne den Zahlenwert des Tieres. Denn es ist die Zahl eines Menschennamens; seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.“ (Apokalypse 13, 1-5.11-14; Bilder: Buchkodex, Bamberger Apokalypse, Staatsbibliothek Bamberg)
Die Bilder entstammen der sogenannten „Bamberger Apokalypse“. Die „Bamberger Apokalypse“, ist ein handschriftlicher Buchcodex zur Johannes-Apokalypse, ein Werk der Buchmalerei, das in der Zeit zwischen dem Jahr 1000 und dem Jahr 1020 im Benediktinerkloster auf der Insel Reichenau im Bodensee entstanden ist. Auftraggeber war vermutlich Kaiser Otto III (reg. 983-1002). Nach dessen Tod ließ Kaiser Heinrich II (reg. 1002-1024), der das Bistum Bamberg gegründet hatte, die Arbeiten am Codex fortsetzen und ihn fertigstellen.
Entsprechend dem gesamten Duktus in der Johannes-Apokalypse kann man auch hier von einer „Steigerung des Bösen“ ausgehen: Der dritte Drache, in manchen Beschreibungen auch als „Lügentier“ bezeichnet, dürfte wohl die stärkste Manifestation des Bösen sein. Man vergleiche auch die zweigehörnte Darstellung in der Apokalypse mit der imaginativen Darstellung des „Sorat-Wesens“ nach dem deutschen Geistforscher Heinz Grill in einem Bild des folgenden zweiten Teiles „Die göttliche Ordnung und der Werdegang des Menschen – Eine mögliche spirituell begründete Betrachtungsweise“. Auch Heinz Grill spricht in Bezug auf dieses Bild davon, dass das Sorat-Wesen ein „Meister der Lüge“ ist, das heißt, ein Wesen, das abgrundtiefe Dämonenhaftigkeit hinter einer Göttlichkeit verbirgt. Das Bild in der Apokalypse zeigt den Drachen so, dass er den dargestellten Menschen den Rücken zuwendet und nur sein Blick auf sie gerichtet ist. Damit wollte der Zeichner das Wesen der Lüge und Täuschung ausdrücken.
Zerlegt man die in der Apokalypse bei dem dritten Drachen genannte Zahl in folgender Weise:
400
200
6
60
und beachtet, dass diesen Zahlenwerten im Hebräischen folgende Buchstaben entsprechen:
ת Taw
ר Resch
ו Waw
ס Samech
Beachtet man weiterhin die Aussprache:
Taw t, at
Resch r
Waw o
Samech s
so erhält man, wenn man, wie es im Hebräischen üblich ist, von rechts nach links liest, das Wort „Sorat“.
Die Dreiheit des „Bösen“ in der gegenwärtigen Geistforschung
Wie dieser Begriff des Bösen in einer gegenwärtigen Geisteswissenschaft gedacht oder beschrieben wird kann zum Beispiel nach dem Geistforscher Rudolf Steiner (*1861, †1925) skizziert werden: Es gibt nach dessen Darstellung drei Kategorien des sogenannten Bösen: Es sind dies in personaler Form die als „luziferisch, ahrimanisch und asurisch“ bezeichneten Kräfte.
Wie ist die Wirkung dieser drei Wesen oder Kräfte im Zusammenhang mit dem Menschen genauer zu verstehen? Ich werde hier nun versuchen, eine Beschreibung von Rudolf Steiner zu diesem Zusammenhang in eigenen Worten wiederzugeben.
Der Mensch trägt die Kräfte geistiger Planetenwesen in sich, er ist vom Wirkungsfeld dieser Planetenwesen her gesehen wie ein Abbild dieser makrokosmischen geistigen Kräfte in seiner leiblich-seelischen Struktur. Damit ist aber nicht gemeint, dass er irgendwelche ominösen Kräfte von den astronomischphysischen Planetenkörpern empfängt. Die Planetenkörper der Astronomie und ihre Anordnungen im Sonnensystem sind selbst nur ein physischer Ausdruck oder „Abdruck“ der geistigen Planetenwesen. Wenn von „Planeten“ hier gesprochen wird, so sollte der Leser beachten, dass also nicht von den astronomisch-physikalischen Objekten die Rede ist, sondern von seelisch-geistigen oder kosmischen Qualitäten. (siehe hierzu auch Heinz Grill; „Die Signaturen der Planeten und die seelisch-geistige Entwicklung in der Pädagogik“ und Rudolf Steiner „Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt“)
So gaben die Wesen der sogenannten „oberen“ Planeten, Mars, Jupiter und Saturn in weit zurückliegender Zeit dem Menschen die Fähigkeit zu einem Gedankenleben, zu einem „Bewusstseinslicht“, zu einer Fähigkeit, Gesetzmäßigkeiten und Moralität zu erkennen. Die Geisteswesen der „unteren“ Planeten, Mond, Merkur und Venus bewirkten das Fundament des Menschen in der Physis, in der Möglichkeit zur physischen Strukturbildung, im Stoffwechsel, in der Willensanlage und in den Instinkten und Trieben, die ganz neutral ebenfalls zu dieser Physis gehören. Auch im heutigen Menschen sind von der Anlage her die Gedanken-Bewusstseins- und Erkenntniskräfte mit den oberen Planeten in Beziehung, während die Physis über den Stoffwechsel ihre Anregungen von den unteren Planeten erhält, so dass der Mensch schließlich von dieser gesamten Anlage her aus dem Sonnenstatus seiner Mitte heraus eine freie Beziehung sowohl zur geistig-seelischen Welt als auch zur irdisch-physischen Welt erbauen könnte, aus der heraus er, da er auch ein Kräftewirken aus dem Kosmos empfängt, wieder etwas in den Kosmos geben kann. Diese aus dem Geistigen erschaffene Gliederung des Menschen findet man auch ansatzweise in der „Chakrenlehre“, der Lehre über die „sieben feinstofflichen Energiewirbel“ innerhalb der verschiedenen spirituellen Traditionen wieder.
Die sieben Chakren als „Energiezentren“ im Menschen sind Teil des traditionell hinduistischen und chinesischen Menschenbildes und der daraus abgeleiteten Medizin. In den Chakren finden die seelischen Kräfte des einzelnen Menschen mit den kosmischen Kräften der Planetenwesen zusammen. Die drei oberen Chakren stehen mit Mars, Jupiter und Saturn in Beziehung, die drei unteren mit Mond, Merkur und Venus. Die Mitte in der Herzregion ist ein Ausdruck der „Sonnenkräfte“, sie steht also im kosmischen Wirkungsfeld der Sonne. (Zeichnung: Autor, nach Vorlage)
In der Zeit, in der die genannten Anlagen des Menschen entstanden, wirkte das Wesen „Luzifer“ noch mit den oberen Geistwesen zusammen und „Ahriman“ noch mit den unteren Geistwesen und „Asura“ wirkte als Sonnenwesen „auf die Mitte des Menschen“ selbst. Anmerkung: Manchmal steht die Bezeichnung „Ahriman“ oder „Luzifer“ nicht nur für ein Einzelwesen sondern für eine ganze Anzahl von Wesen: Ahrimanische Wesen, luziferische Wesen, die Asuras.
Die drei Mächte des Bösen waren also ursprünglich geistig-planetare Wesen und alle drei haben also dem Menschen einmal etwas gegeben oder waren an der Entstehung wichtiger Anlagen des Menschen mitbeteiligt: Luzifer bei der Anlage zum Gedankenleben, Ahriman bei der Möglichkeit zur Physis in Formoder Strukturbildung und Asura-Sorat gab ihm einstmals die Grundlage zum „Selbstsein“. Alle Drei sind geistige Kräfte, die, so beschreibt Rudolf Steiner, im Laufe der Welt- und Menschheitsentwicklung in unterschiedlichen Epochen als sogenannte Widersachermächte gewirkt haben, da sie später, wie Steiner das mehrmals auf etwas merkwürdige Weise ausgedrückt hat, „durch die göttliche Vorsehung dazu abkommandiert wurden, der Entwicklung entgegenzuwirken“, damit der Mensch durch die Wahlmöglichkeit zwischen „Gut“ und „Böse“ Freiheit erlangen kann. Sie blieben als „Bollwerk“ in der Folge der weiteren Entwicklung des Gesamten zurück und sind heute, zumindest, was Ahriman und Luzifer betrifft, an die Erdsphäre gebunden. Und sie wirken auch heute weiterhin und sogar verstärkt auf den Menschen. (siehe hierzu auch den Teil 2 dieses Buches „Die göttliche Ordnung und der Werdegang des Menschen mit dem Bösen – Eine mögliche spirituell begründete Betrachtungsweise“)
In der gegenwärtigen Geistforschung kann man das Verhältnis des sogenannten Guten zu dem Bösen noch allgemeiner formulieren: Es gibt in der geistigen Welt ein absolutes oder ewiges Gutes. Tritt dieses in die Zeit, also in die Entwicklung, so wird es zu einem zeitlichen Guten, das heißt, es ist seinem Wesen nach dann auf eine Zeitspanne begrenzt. Ist diese Zeitspanne überschritten und unterliegt dann dieses Wesen keiner Verwandlung, sondern verharrt so wie es ist, so wird es zu einem zeitlichen Bösen. Nach diesen Forschungen gibt es nur zeitliches Böses, aber kein absolutes oder ewiges Böses.
Die Theodizee
Die Frage, warum ein allmächtiger und gütiger Gott das Böse in der Welt zulässt, obwohl er es doch mit seiner Allmacht und Güte verhindern könnte, beschäftigte schon seit der Antike die Philosophen. Unter „Theodizee“ (das Wort heißt etwa „Gerechtigkeit Gottes“ oder „Rechtfertigung Gottes“) versteht man die Versuche der verschiedensten Denker, dieses religionskritische Problem aufzulösen. Der Ausdruck „Theodizee“ wurde von dem deutschen Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz (*1646, †1716) vermutlich erstmals 1697 in einem Brief an die Königin Sophie Charlotte von Preußen (*1668, †1705) verwendet. Eine alte und sehr kennzeichnende Formulierung des Problems ist durch den lateinischen Rhetoriklehrer und Kirchenvater Lucius Caecilius Firmianus oder „Lactantius“ (*ca. 250, †ca. 320) überliefert:
„Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht:
Dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
Oder er kann es und will es nicht:
Dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
Oder er will es nicht und kann es nicht:
Dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:
Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?“
Von den vielen Darstellungen zu dem Problem möchte ich zwei herausgreifen, die ich für die heutige Zeit recht bemerkenswert halte. Die erste ist von dem deutschen Philosophen Odo Marquard (*1928), emeritierter Professor für Philosophie: