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Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Ein beeindruckender Perspektivwechsel: Obwohl Aischylos selbst auf griechischer Seite gegen die Perser unter Xerxes gekämpft hatte, schildert er ihre Niederlage mit tiefstem Mitgefühl aus ihrer Sicht. Er zeigt ihre Angst, ihren Schmerz, ihre Trauer. Auf schreckliche Weise bewahrheitet sich ein Angsttraum der Perserin Atossa: Ihr Sohn, der Fürst Xerxes, wurde von den Athenern besiegt. Fast das gesamte persische Heer wurde ausgelöscht, das mächtige Reich ist zerstört. Die Trauerklagen beschwören den Geist der verstorbenen Königs Dareios herauf, der die Ursache der Katastrophe benennt.
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Seitenzahl: 56
Aischylos
Die Perser
Aus dem Altgriechischen von Johann Gustav Droysen
Fischer e-books
Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.
Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.
Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.
ATOSSA
BOTE
CHOR PERSISCHER FÜRSTEN
DAREIOS’ SCHATTEN
XERXES
Palast der persischen Könige, vor dem Palast der Altar Apollons
CHORFÜHRER
Wir sind die Getreuen des persischen Volks,
Das zumal auszog zum hellenischen Land,
Sind Wächter der vielglückseligen und
Goldprangenden Sitze, die Xerxes selbst,
Mein König und Herr,
Auswählte, der Lande zu wachen.
Um die Heimkehr unseres Königes nun,
Um des goldenen Heers Heimkehr angstvoll
Vorahnend erbebt in der Brust mein Herz,
Von Bekümmernis voll.
Denn die Jugend des Reichs, denn Asias Kraft
Zog fort, nachjauchzt sie dem Jüngling;
Und es kommt doch zu Fuß, und es kommt doch zu Roß
Kein Bote zur persischen Heimat.
Und von Susa so, von Ekbatana fort
Und vom alten Gemäur der kissischen Stadt
Zogen sie fernhin,
Bald Scharen zu Roß, dann andre zu Schiff,
Und des Fußvolks Reihn,
Die der Kern im Gedränge der Schlacht sind.
Auszog Amistres und Artaphernes,
Aus Megabazes und Astaspes,
Die Gewaltgen im Reich,
Könige, dienstbar nur dem Großkönige,
Feldherrn von Heeren im Heere des Reichs,
Mit dem Bogen der Schlacht, auf schäumendem Roß,
Furchtweckend zu schaun und entsetzlich im Kampf
In des Muts vielwagender Hoffnung.
Und der Schlachtroßtummler Artembares auch,
Masistres auch
Und Imaios der Held, goldbogenbewehrt,
Und Pharandakes,
Und der Rosse Bewältger Sosthanes.
Und andre gesandt hat des schwellenden Nils
Fruchtüppiges Tal,
Susiskanes, Pegastagon,
Den Ägypten gebar, und der Fürst Arsames,
Der Memphis, die heilige Stadt, sein nennt,
Und der uralt herrlichen Theben Herr
Ariomardos,
Und vom Bruchland zog schiffsruderndes Volk
Mit hinaus, zahlloses Gewimmel.
Von dem weichlichen Volk aus Lydia kam
Kriegsvolk, dem zumal
Sich des Festlands Heer scharweis anschloß;
Die führt Arkteus und Matragathes,
Herrschende Könige.
Auch Sardes sendet, die goldene, viel
Kriegsscharen, verteilt in die Wagen der Schlacht,
Die mit Doppelgespann, dreifachem Gespann
Furchtbar toddräuend dahinziehn.
Die vom Tmolosgebirg und den Fluren umher,
Sie bedrohn Hellas mit dem knechtischen Joch;
So der Speeramboß Tharybis, Mardon
Und die mysischen Schleudrer. Von Babylon auch
Aus goldenem Tor in geschlängeltem Zug
Zog buntes Gewühl, teils Schiffsvolk aus,
Teils Schützen der Kunst des Geschosses gewiß;
Was Schwert nur trägt in dem ganzen Bereich
Asiatischen Stamms,
Nachfolgt es den Fahnen des Königs.
Ja, die Blüte des Volks aus persischem Reich
Zog fern in den Krieg,
Und Asias Land, das sie aufzog, seufzt
Und grämt sich um sie, von Verlangen gequält;
Und die Mutter, das Weib, die die Tage gezählt,
Sehn bang, wie die Tage dahinfliehn.
Erste Strophe
CHOR
Schon hineindrangen die burgstürmenden Kriegsscharen des Königs
In das jenseitige nachbarliche Festland
Auf der taubandigen Brück über den Sund der
Athamantischen Hella;
Um den Nacken der See schlang sich der dichtbalkige Heerweg.
Erste Gegenstrophe
Denn der vielvolkigen Flur Asia kampfkühner Gebieter,
In das Land trieb er die Heerwolke der Seinen
Wie ein Sturm, beides vom Festland, von der See her;
Er vertraut’ sich den kühnsten,
Den gewaltigen Feldherren, des goldnen Geschlechts göttliche Sonne.
Zweite Strophe
Mit dem bluttrunkenen Mordblick des zum Fang fliegenden Felsdrachen, so vielarmig, so vielschiffig hinab schießt er den Giftpfeil
Von dem Schlachtwagen Assyriens in die lanzenkundgen Städte.
Zweite Gegenstrophe
Und es tritt keiner hervor gegen die lautbrandende Heerflut, wie ein Bollwerk vor der unzwingbaren Meerwoge zu schirmen;
Denn unnahbar in der Schlacht kenn ich und kühn das Volk der Perser.
Epode
Doch der trugsinnenden Gottheit, wer entkommt ihr von den Menschen?
Wer entrinnt ihr mit dem raschfliehenden Fuß glückenden Sprunges?
Denn so süß lächelnd im Anfange sie liebkost, sie verlockt
In das Garn, draus nimmermehr
Noch hinausschleichend, noch ausweichend der Mensch wieder entkommt.
Dritte Strophe
Denn ein Gott ordnet’ die Lose des Schicksals; es gebot in der Urzeit schon den Persern,
Sich den burgstürmenden Kämpfen,
Sich der roßwimmelnden Feldschlacht, sich dem nächtigen Überfall zu weihn.
Dritte Gegenstrophe
Doch das Volk lernte das finstre, das sturmschauererschäumende weitrückige Meer sehn,
Sich der See heiligem Hain nahn,
Dem behend schwankenden Tauwerk und der Brücke des Völkerzugs vertraun.
Vierte Strophe
Drum zerreißet drinnen mein gramumnachtet Herz
Wehe!
Daß es nur des Perserheers Vaterstadt, die mannvereinsamte Stadt Susa nur es nicht vernimmt!
Vierte Gegenstrophe
Und der Kissier hohe Burg, wiederhallen wird sie dies
Wehe!
Diesen Wehruf weinend wird wieder schrein der Weiber Schwarm, wird entzweireißen Schleier und Gewand.
Fünfte Strophe
Alles streitbare Volk zog zu Roß und zog zu Fuß
Einem Schwarm Bienen gleich ihrem Heerkönig nach vom Reich hinaus,
Zog fernhin über ringsumjochte, beidem Gestade zugleich
Ufernahe Vorsee.
Fünfte Gegenstrophe
Doch daheim naßgeweint ist in Sehnsucht manches Bett;
Persis’ Fraun gramerschöpft, sich um den Mann jede sehnend, den sie liebt,
Den waffenkühnen, kampfberühmten, welchen sie gab in den Krieg,
Witweneinsam bleibt sie.
CHORFÜHRER
Ihr Perser, wohlan!
Nun setzt euch dort an den alten Palast
Und laßt uns treu tiefforschenden Sinns
Rat pflegen; die Not, sie gebeut es.
Wie wird es denn jetzt um Xerxes stehn,
Um Dareios’ Sohn,
Den erhabensten Zweig von der Väter Geschlecht!
Hat der Bogen Geschoß nun den Sieg sich erzielt?
Hat der Lanze Gewalt
Ihn mit eherner Stirn sich ertrotzet?
Aus der Königlichen Pforte wird Atossa herausgetragen
CHOR
Sieh dort! Wie in Strahlen der Gottheit naht
Sie, die Sonne, die Mutter des Königes uns,
Unsere Königin.
In den Staub werf ich mich. Laßt ehrfurchtsvoll
Uns alle zugleich
Anbetend im Staub sie begrüßen!
Sie fallen nieder und berühren den Boden mit der Stirn
CHORFÜHRER
Tiefgeschürzter Perserinnen allverehrte Königin,
Greise Mutter unsers Königs, Heil dir, Heil, Dareios’ Weib,
Gattin einst des Persergottes, Persergottes Mutter noch,
Wenn der alte Dämon jetzt nicht unser Heer verraten hat.
ATOSSA
Drum erschein ich, drum enteilt ich des Palastes goldnem Tor
Und verließ mein und Dareios’ einst gemeinsam Schlafgemach;
Und das Herz zerreißt mir Sorge. Aber sagen muß ich euch
Noch ein andres; selbst um mich nicht, Freunde, bin ich frei von Furcht,
Ob das Glück nicht, das Dareios einst, der Gottheit voll, erbaut,
Unser Reichtum stürzt, der hinzieht stolzen Schrittes, staubumwölkt.
Darum quält zwiefache Sorge unaussprechlich mein Gemüt;
Keiner scheut die Macht des Reichtums, wenn ein Mann sie nicht vertritt,
Noch umstrahlt den Gutentblößten seiner Macht gerechter Glanz.
Wohl ist gnug des Gutes, wohl auch für ein liebstes Auge Furcht –
Ja, des Hauses Auge heißt mir seines Herren Gegenwart.
Für das alles, falls es so ist, wie ich es fürchte, wollet nun,
Perser, vielgetreue Greise, treulich mir Berater sein;
Denn in euch und eurer Weisheit ruht mir aller beste Rat.
CHOR
Wiß es, Herrin, nicht vergeblich rufst du mit dem ersten Wort
Uns zu Rat, zu aller Tat auf, deren Kraft uns nicht gebricht.