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Unbemerkt von der Öffentlichkeit treibt eine internationale Clique aus Politikern, Lobbyisten, Bankern und Managern die Plünderung der Welt voran. Eine globale Feudalherrschaft entsteht: Die Reichtümer der Erde wandern zu einer winzig kleinen Gruppe im Innersten des Finanzsystems. Die Regierungen wollen zu den Profiteuren zählen und zwingen ihre Bürger zu immer neuen Opfern. Unterstützt von mächtigen und verschwiegenen Organisationen wie der Weltbank, dem IWF, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und den Zentralbanken plündern die Regierungen die privaten Vermögen und kündigen den wirklich Bedürftigen die Solidarität auf. Ozeane von Falschgeld überfluten die ganze Welt, während sich globale Finanzströme der demokratischen Kontrolle entziehen. Recht wird nach Belieben gebrochen. Willkür ist die neue Ideologie. Anstand ist ein Fremdwort geworden. Um ihre eigene Haut zu retten, sind Regierungen und Finanzindustrie entschlossen, die Welt ohne Rücksicht auf Verluste zu plündern. Was bedeutet das für den Einzelnen? Ist Widerstand möglich? Gibt es gar eine Revolution?
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Für Ilka
New York, Park Avenue, Herbst 2007: Mittags stürmen die Mitarbeiter der Investmentbanken aus ihren Büros auf die Straße. Hastig holen sie sich von fahrenden Händlern Snacks in Plastikbehältern und verzehren sie, sobald sie wieder vor ihren Bildschirmen sitzen. Hier arbeitet John Cunningham.1 Er ist Chef einer großen Abteilung einer Investmentbank und bringt seiner Bank Milliarden-Profite. An seiner Bürotür steht nur sein Name. Öffnet man sie, ist man überrascht: In einem Großraum sitzen etwa 100 junge Männer in höchster Konzentration vor ihren Computern. Sie sprechen nicht miteinander. Auf ihren Bildschirmen flimmern Charts, Formeln, Grafiken.
Die Atmosphäre ist angespannt. Ganz in der Ecke hat Cunningham seinen Schreibtisch: Zehn Quadratmeter hinter Glaswänden. Cunningham ist ein bescheidener Mann. Trinkt nicht, engagiert sich in sozialen Projekten. Die Trader, die für ihn arbeiten, sind Informatiker und Mathematiker. Die meisten von ihnen kamen direkt von der Universität zur Bank. Ihr Job besteht darin, bestimmte Waren gleichzeitig an verschiedenen Orten der Welt zu kaufen und zu verkaufen: Lebensmittel, Rohstoffe, Firmenwerte. Sie spekulieren mit Formeln. Sie rechnen Tag und Nacht. Die Trader nutzen die Globalisierung und setzen Milliarden um. Das Geld für ihre Geschäfte kommt von den Kunden der Bank: Es sind die Vermögen der Superreichen und die Pensionsfonds der kleinen Rentner. Cunningham ist unruhig: Er wittert die ersten Anzeichen der Finanzkrise. Der Druck ist groß: »Wir hoffen, dass die Zentralbanken die Zinsen weiter senken. Sonst wird es schwierig.«
Zwei Jahre später ist Cunningham nicht mehr bei der Investmentbank. Seine Abteilung wurde dezimiert. Die Bank musste Mitarbeiter entlassen, um die Profite so hoch zu halten, wie die Eigentümer es erwarten. Cunningham nimmt 20 seiner besten Leute und startet sein eigenes Unternehmen. Er legt einen Fonds für Investoren auf. Sein vormaliger Arbeitgeber hat sich mit 5 Prozent an Cunninghams neuer Firma beteiligt, 20 Prozent hält eine Milliardärsfamilie. Die Bank hat einige große Vermögen an Cunningham weitergereicht, damit er sie verwaltet: Sie will die risikoreichen Geschäfte nicht in der Bilanz haben. Cunningham soll Hunderte Millionen Dollar investieren. Er mehrt das Vermögen seiner Anleger mit Wetten. Die Zentralbanken haben die Zinsen gesenkt. Vier Jahre später häufen sich die Verluste. Cunningham schließt seinen Fonds und zahlt den Anlegern das Geld zurück – bevor es zu spät ist.
Im Herbst 2013 kündigt Cunningham die Gründung einer neuen Firma an. Diesmal will er sich nur noch um sein eigenes Vermögen und das seiner Mitarbeiter kümmern. Cunningham dürfte etwa 100 Millionen Dollar verdient haben.
Mit mathematischen Formeln.
Mit Wetten, die er rund um den Globus platziert.
Wenn er keine großen Fehler macht, wird er sein Vermögen in den nächsten fünf Jahren verdoppeln.
Dann ist er 55 Jahre alt und will sich zur Ruhe setzen.
Szenenwechsel.
Januar 2012. Über Frankfurt am Main hängen dunkle Wolken. Man sieht die Bankentürme kaum, wenn man aus einem Fenster in der Deutschen Bundesbank auf die Skyline der Stadt blickt. Im Museum der Bundesbank sind D-Mark-Scheine ausgestellt. Auch Goldbarren kann man bewundern und eine Kuriertasche, mit der früher vertrauliche Nachrichten an wichtige Entscheider in Berlin überbracht wurden.
In den Büros der Bundesbank herrscht Nervosität. Die Staatsschuldenkrise ist auf ihrem Höhepunkt. Obwohl Milliarden für die »Rettung« Griechenlands aufgebracht wurden, müssen Italiener und Spanier plötzlich höhere Zinsen für ihre Schulden zahlen. Der Bundesbankmanager will zwar nicht von Panik sprechen. Trotz all der nächtlichen Krisensitzungen in Frankfurt, Berlin oder Brüssel. Dax-Chefs sprechen vom Euroaustritt Deutschlands.
Der Bundesbankmanager trägt einen dunkelblauen Anzug und wirkt fast wie ein Beamter.2 Sieht er das Ende des Euro kommen? »Wir sehen vor allem eines: dass die Anleger ihr Geld wiederhaben wollen. Denn sie fragen sich mittlerweile: Was nützt mir die beste Rendite, wenn ich am Ende mein Geld verliere? Es gibt jede Menge anlagesuchendes Kapital. Früher hatte man den Eindruck: Wenn ich in ein Unternehmen investiere, habe ich höhere Risiken als wenn ich in eine Staatsanleihe investiere. Denn ein Staat kann niemals insolvent werden. Das ist ein mündelsicheres Papier. Die Glaubwürdigkeit von Staaten war über jeden Zweifel erhaben. Das ist heute nicht mehr so.«
Der Bundesbankmanager ist ein besonnener Mann. Er stammt aus einer mittelgroßen Stadt in Nordrhein-Westfalen. Bevor er zur Bundesbank kam, war er in der Politik. Hat sich mit Haushaltsthemen beschäftigt. Er ist seriös wie ein Controller, dem man ohne Bedenken sein Geld anvertrauen würde. Doch nun muss er an weitreichenden Entscheidungen mitwirken. Die deutschen Sparer verlieren jedes Jahr Millionen, weil die Zentralbanken sich darauf verständigt haben, die Zinsen zu drücken. Der Bundesbanker sagt: »Alles, was in Europa passiert, hat Folgen für die Welt.«
Er will nicht namentlich genannt werden. Die Lage sei sehr unübersichtlich: Was wird die Europäische Zentralbank tun? Was denkt die Bundesbank? Wie wird sich die Bundesregierung entscheiden? Wird man die Schuldenkrise in den Griff bekommen? Zu viele reden, und keiner ist sich sicher, was zu tun ist.
Der Bundesbanker setzt auf kleine Schritte.
In welche Richtung man gehen soll, weiß er auch nicht.
Szenenwechsel.
In Berlin sagt ein staatlicher Investmentbanker, dessen Aufgabe es ist, Steuergelder ertragreich zu investieren, dass man die Dissonanzen zwischen Staaten, Banken und Zentralbanken nicht überinterpretieren solle:3 Er ist ungefähr in demselben Alter wie John Cunningham aus New York. Früher hätte man ihn einen »Bankier« genannt. Hohes Ethos, größte Diskretion. Auf die Frage, wem man denn nun trauen könne – Merkel, Draghi, Weidmann, Schäuble? – sagt der Bankier: »Jeder spielt seine Rolle.« Der Bankier will nicht sagen, ob das Stück gut ausgehen wird oder nicht. Nach der Arbeit spielt er Violine. Am liebsten Johann Sebastian Bach.
Jeder spielt seine Rolle.
Doch in welchem Stück?
Der Antwort gibt uns der Ökonom Roland Baader: »Was sich seit 2008 in der Welt der Banken und Finanzen, der Staatsbudgets und der Unternehmensbilanzen abspielt, ist … eine Verschuldungskrise von welthistorischen Ausmaßen. Mit Ozeanen aus Papiergeld und Krediten aus heißer Luft wurde eine globale und inflationäre Konsumorgie angeheizt, die nun zusammenbricht. Schulden müssen irgendwann zurückgezahlt werden, wenn nicht freiwillig, so durch zwanghafte Umstände.«4
Das Stück, mit dem wir uns in diesem Buch beschäftigen wollen, heißt: »Die Plünderung der Welt«.
Dieses Buch möchte eine Antwort auf die Frage finden, warum in Politik, Wirtschaft und Finanzwelt »eine Zeitenwende« zu beobachten ist, wie Baader das nennt.
Die Staaten haben mit ihrem Schuldensystem aus künstlichem Geld die Konzentration des Reichtums bei einer kleinen Elite beschleunigt. Doch sie haben überzogen. Um die Schulden abzubauen, wollen die Staaten nun die privaten Vermögen plündern. Sie werden den wirklich Bedürftigen die Solidarität aufkündigen. Mithilfe von internationalen Organisationen wie dem IWF und den Zentralbanken wollen sich die Staaten holen, was ihnen nicht gehört. Demokratie, Rechtsstaat und Moral werden Luxusgüter. Die Staaten rechnen mit Widerstand. Sie werden ihn zu brechen versuchen. Autoritäre Tendenzen sind zu erkennen. Soziale Verwerfungen sind unausweichlich. Die Freiheit wird zum raren Gut.
Die Schulden, die gemacht wurden, um alle Probleme der Menschheit zu lösen, sind die Ursache für einen brutalen Verteilungskampf. Baader schreibt: »Wohlstand kann nur durch Arbeit und Sparen entstehen – und übermäßiger Konsum und Verschuldung zerstören ihn.«5
Die »zwanghaften Umstände« werden Generationen belasten. Sie führen zu großer Ungerechtigkeit. Trotz der gigantisch aufgeblasenen Kredite sind nämlich nicht alle Menschen auf der Welt wohlhabend geworden, im Gegenteil: Wie wir in diesem Buch sehen werden, sind die Armen ärmer geworden. Gleichzeitig werden die Superreichen noch reicher. Das gilt für Deutschland, es gilt für die ganze Welt.
Eine sehr kleine Elite kontrolliert den Großteil der Vermögen weltweit.
Wir werden später eine erstaunliche Zahl näher untersuchen: Eine Computersimulation hat ergeben, dass das komplexe Netzwerk des globalen Finanzsystems dazu geführt hat, dass eine extrem kleine Gruppe das Vermögen der Welt beherrscht: 0,123 Prozent der Eigentümer von 43.000 internationalen Konzernen kontrollieren 80 Prozent dieser Konzerne.
Wie wir sehen werden, ist die Konzentration des Reichtums in den Händen einiger weniger und die große globale Umverteilung kein Zufall. Sie sind nicht unvorhergesehene Nebenwirkungen einer gut gemeinten Politik.
In einem System der hemmungslosen Flutung der Welt durch wertlose Versprechen wird die Ungerechtigkeit zum Stabilitätsanker einer globalen Feudalherrschaft.
Dieses System muss aufgebrochen werden.
Die Plünderung ist nämlich »alternativlos« in einer Welt, in der die natürlichen Gegensätze von Zwang und Freiheit, von Fürsorge und Verantwortung, von Staat und privat aufgehoben wurden zugunsten der Herrschaft einer kleinen Elite über die Mehrheit der Bürger.
Die Plünderung der Welt ist eine Auseinandersetzung, die mit ungleichen Waffen geführt wird. Der Wohlstand der Welt wird umverteilt, »weg von den privaten Sparern und hin zum verschwenderischen Staat und zu einer ausufernden Finanzindustrie«.6 Wie das geht, zeigt das Beispiel Amerikas: Die amerikanischen Privathaushalte hatten im Jahr 1962 um 37 Prozent weniger Schulden als Einkommen. Im Jahr 2009 hatten sie um 39 Prozent mehr Schulden als Einkommen. Die Deutschen waren im Vergleich zurückhaltend – die Spareinlagen der Deutschen betrugen Ende 2012 immerhin 4,94 Billionen Euro.7 70 Prozent der deutschen Haushalte bedienen regelmäßig ihre Schulden so, dass ihnen immer noch Geld zum Sparen bleibt.8
Genau deshalb sind Deutschland und die anderen Wohlstandsstaaten Europas in das Visier der Plünderer geraten.
Um nun festzustellen, wer eigentlich die Plünderer sind, die es auf die Sparguthaben, Werte und Ressourcen der Welt abgesehen haben, muss man sich eine gewisse Chronologie vor Augen halten: Durch die Einrichtung von Zentralbanken haben sich die Staaten das Monopol verschafft, Geld zu drucken – ohne dass es für dieses Geld eine Leistung gibt. Das war ein verhängnisvoller Fehler, wie Goethe in seinem Faust erklärt.
Das Interesse der Staaten an der grenzenlosen Geldvermehrung ist offenkundig: Der Staat kann sich auf diese Weise beliebig verschulden, ohne an eine Rückzahlung denken zu müssen. Die prinzipielle Legitimität von Steuern wird im Rahmen des Gesellschaftsvertrages von niemandem bezweifelt. Der Staat hat darüber hinaus das Recht, Gebühren und Abgaben zu erheben. Und eigentlich, so möchte man denken, müsste er mit all diesen Möglichkeiten auskommen.
Die modernen Regierungen sind jedoch unersättlich: Es ist heute selbstverständlich, dass die Staaten nach Belieben Geld drucken, um ihre Ausgaben zu finanzieren. Für die politischen Eliten ist dies der sicherste Weg, so lange wie möglich an der Macht zu bleiben. Es ist unerheblich, welche Parteien an der Regierung sind. Alle haben sich dem System des künstlichen Geldes unterworfen, weil es ihrem Zweck perfekt dient – zumindest für die überschaubare Zeit von einer oder zwei Wahlperioden. Schuldenkrisen sind eine Selbstverständlichkeit in der Geschichte. Sie laufen immer nach demselben Muster ab: Am Ende kollabieren überschuldete Staaten und Imperien und zwingen jene, die noch etwas haben, für den Schaden aufzukommen.
Die Öffnung der Schleusen des billigen Geldes hat auf all jene elektrisierend gewirkt, die daraus wirtschaftliche Vorteile ziehen. Für die Finanzindustrie wirkte das geschenkte Geld wie eine ewige Subvention. Die Unternehmen profitierten davon, wenn die Bürger auf Kredit einkaufen. Und die Bürger waren glücklich, wenn sie sich Dinge kaufen konnten, auf die sie eigentlich jahrelang sparen müssten oder die sie sich niemals leisten könnten. Eine ganze Industrie ist entstanden, die aus dem wertlosen Geld neue kreative Finanzprodukte geformt hat. Diese Produkte werden in den globalen Geldkreislauf gejagt. Doch diese »Finanzprodukte« sind brandgefährlich. Sie bringen die Welt aus dem Gleichgewicht. Sie tragen die leeren Versprechungen in die hintersten Winkel der Erde. Der Investor Warren Buffett hat diese Produkte als »Massenvernichtungswaffen der Finanzindustrie« bezeichnet.
Das sind kriegerische Töne.
Wir vernehmen den Kanonendonner einer nahenden Schlacht.
Die Maschine, die so lange scheinbar so gut funktioniert hat, richtet sich gegen ihre Erfinder.
Denn am Ende jedes Exzesses mit dem Geld steht, wie der Narr bei Goethes Faust als Einziger bemerkt, die Geldentwertung. Je stärker die Blase zuvor aufgebläht wurde, umso mehr wird am Ende entwertet. Der Narr, der immer die Wahrheit spricht, erkennt, dass er sich mit dem Geld Sachwerte kaufen muss, um der Inflation zu entgehen.
Die Plünderung der Welt hat begonnen, weil der Wettlauf um diese globalen Sachwerte eingesetzt hat.
Durch die Hyperglobalisierung kommt ein Prozess des ungebremsten globalen Lohndumpings in Gang. Arbeit ist nicht mehr an den Menschen gekoppelt, sondern ausschließlich an das Kapital. Supranationale Institutionen wie der IWF, die Weltbank oder die Bank für Internationale Zusammenarbeit werden in diesem Zusammenhang kritisch zu beleuchten sein.
Die Ausbeutung der Arbeiter auf der Welt ist Teil der Plünderung der Welt. Baader: »Mehrkonsum erfordert Mehrproduktion – nicht wertlose und verlogene Papierversprechen auf Mehrproduktion. Wenn eine Volkswirtschaft aufgrund der papierenen Illusion mehr konsumiert als produziert, dann betreibt sie Kapitalverzehr. Und das bedeutet Verarmung und Elend.«9 Die Arbeiter auf aller Welt sind die ersten Opfer der Plünderung. Der Einsatz von Sklaven beim Bau der Sportanlagen für die Fußball-WM in Katar zeigt die gravierenden Folgen der Plünderung.10
Die Illusion des Papiergeldes verzehrt auch die Menschen.
Die Menschen sind nur noch Mittel zum Zweck. Sie haben keine Würde mehr. Sie haben kaum noch Wert. Die Menschen haben nur noch einen Preis. Jungs lernen heute auf Spielkarten, wie hoch der »Marktwert« eines Fußballstars ist. Die Arbeit der Trader, die für John Cunningham arbeiten, besteht nicht mehr darin, mit anderen Händlern in Hongkong, Sydney oder Paris zu telefonieren. Sie steuern Computerprogramme, die automatisch auf Preisunterschiede reagieren. Ihre Arbeit hat eigentlich mit dem klassischen Banking nichts mehr zu tun: Informatiker gleichen Daten ab und machen den »Markt« zu einer virtuellen Angelegenheit. Das gilt auch für die Börsen und erst recht für riskante Wetten. Obwohl sie nichts Reales produzieren, verdienen die Computerexperten, die die Roboter der globalen Geldmaschine programmieren und steuern, ein Vielfaches der Löhne von Arbeitern in Indien oder in Deutschland.
Die Händler bestimmen die Preise. Man nennt sie daher auch »Market Maker«. Sie wissen alles über den Preis von Waren, Gütern und Unternehmen. Sie interessieren sich nicht für den Wert der Objekte, mit denen sie handeln.
Was zählt, ist der Preis.
Erst wenn alle Preise durch das wertlose Papiergeld aufgeblasen sind bis zum Platzen, wird der Wert wieder interessant.
In einem hochkomplexen, global vernetzten Umfeld haben alle den Überblick verloren, wann dieser Punkt erreicht ist. Dies erklärt, warum weder unser Trader aus New York noch unser Bundesbanker oder unser anständiger Bankier auch nur die leiseste Ahnung haben, wie man die Schuldenmaschine wieder stoppen könnte. Selbst die Zentralbanken, die die Macht über die Druckerpresse haben, wissen es nicht: Das Leitungsgremium der US-Notenbank (Federal Reserve oder Fed) beschäftigt 220 Wirtschaftsexperten. Im Jahr 2009 hatte die Fed 433 Millionen Dollar budgetiert, um bei Ökonomen Expertisen in »Geld- und Wirtschaftspolitik« anfordern zu können.11 Trotzdem hat sich die Fed beim jüngsten Stresstest für die US-Banken verrechnet, wie sie peinlicherweise nur einen Tag nach der Bekanntgabe der Ergebnisse einräumen musste.12 Der österreichische Steuerzahler musste bereits 300 Millionen Euro allein für Gutachten bezahlen, um der Regierung einen ersten Überblick über die staatliche Skandalbank HGAA zu ermöglichen.13
In diesem Buch geht es nicht um die Schuldzuweisung an einzelne Gruppen. Weder »die Banken« noch »die Regierungen« oder »die Konzerne« sind ja über Nacht verrückt oder kriminell geworden. Doch wurden »Fehlverhalten, Leichtsinn, Betrug, Maßlosigkeit, mangelnde Vorsicht« vieler Einzelpersonen durch das System begünstigt.14 Tatsache ist, dass trotz massiver Schäden kaum jemand für sein Fehlverhalten persönlich zur Verantwortung gezogen wurde. Einige kleine Sündenböcke, die das System zur Beruhigung der Öffentlichkeit geopfert hat, wurden als »Einzelfälle« aussortiert.15 All jene jedoch, die bisher aktiv an der Plünderung der Welt mitgewirkt und massiv von ihr profitiert haben, sind mit steuerfinanzierten Pensionen oder vom Anleger zu berappenden Bonuszahlungen nach Hause gegangen.
Deshalb werden wir in diesem Buch zeigen, dass am Ende gravierende Veränderungen im systemischen Bereich stehen müssen. Diese Veränderungen sind nicht besonders kompliziert. Es bedarf nur der Konzentration von »Politikern und Behörden auf das öffentliche Interesse«, wie die Finanzwissenschaftler Anat Admati und Martin Hellwig nüchtern erklären.16 Es bedarf allerdings der vollständigen Wiederherstellung von Recht und Gesetz, und zwar für alle Beteiligten gleichermaßen.
Damit sich das System ändert, muss sich vor allem die Rolle des Staates ändern. Dies kann nur durch ein Paradox geschehen: Der Staat muss gleichzeitig stark und schlank sein. Der Staat muss streng kontrollieren und die Einhaltung der Gesetze auch durch Strafen erzwingen. Der Staat muss, notfalls auch durch hohe Steuern für die Reichen, dafür sorgen, dass ein sozialer Ausgleich entsteht. Er muss ein Regelwerk vorlegen, das Betrug, Missbrauch und Exzesse verhindert. Das gelingt nicht durch immer komplexere Regulierungsversuche, sondern allein durch die Wiederherstellung des Prinzips der persönlichen Haftung für Banker, wenn sie ihre Kunden in riskante Geschäfte treiben oder sie gar betrügen. In Schottland gab es 130 Jahre lang das System des »free banking«. Es gab keine Zentralbank. Es gab keine Bankenrettung. Bei einer Bank haftete jeder einzelne Bankier mit seinem gesamten persönlichen Vermögen. Ein solch einfaches Prinzip führt dazu, dass 99 Prozent aller Schurken niemals Banker werden wollen.
Die scharfe Kontrolle durch eine Regierung wird auf diese Weise sehr leicht durchführbar.
Der Staat seinerseits muss lediglich die Einhaltung der Gesetze und Spielregeln kontrollieren – das allerdings streng und gerecht. Er darf keinesfalls wertloses Papiergeld unters Volk bringen.
Doch genau das machen heute alle Regierungen der Welt. Mit niedrigen Zinsen und anderen Waffen, auf die wir später blicken werden, wird Geld in den Markt gepumpt und Vermögen umverteilt.
Das hoheitlich verordnete Drucken von Falschgeld durch die Zentralbanken ist der Kontrolle durch die nationalen Parlamente vollständig entzogen. In vielen Staaten sind die Banken Eigentümer der Zentralbanken. Gleichzeitig üben die Zentralbanken, wie in Europa in Kürze die EZB, die Bankenaufsicht aus. Die Falschgeld-Drucker kontrollieren sich also selbst. Mario Draghi und Mark Carney von der Bank of England sind ehemalige Investmentbanker von Goldman Sachs. Die meisten anderen Führungskräfte in den Zentralbanken kommen aus der Politik, dem Finanzwesen und der – meist staatlich finanzierten – Wissenschaft.
Staaten, Zentralbanken, Banken – das ist die Troika, die am Steuer sitzt. Eine kleine, niemandem verantwortliche Finanz-Elite gängelt im Auftrag der sich immer weiter verschuldenden Staaten die gesamte Wirtschaft der Welt.
Das kann nicht gutgehen.
Dies ist nämlich eine Konstellation, von der Schurken nur träumen können: Welche Branche kann schon von sich behaupten, dass sie vom Staat unbegrenzte Subventionen ohne Verwendungsnachweis bekommt, sich selbst kontrollieren kann, und die, wenn alles zusammenbricht, auf jeden Fall vom Steuerzahler gerettet wird – und sei es durch Inflation?
Was in jeder anderen Industrie als unfair empfunden würde, ist im Fall des Geldes jedoch höchst gefährlich. Denn mit dem ungedeckten Papiergeld bringt der Staat, wie Roland Baader es bezeichnet, tatsächlich Falschgeld in Umlauf: Das Geld ist nichts wert, weil ihm keine Leistung oder kein Wert entspricht.
Wenn dieses Falschgeldsystem schließlich an sein Ende kommt, beginnt die weltweite Schnitzeljagd auf die realen Werte. Die Plünderung der Welt ist die zwingende Konsequenz eines solchen Systems.
Denn plötzlich gilt der Wert mehr als der Preis.
Das viele falsche Geld ist nichts anderes als Zettel, auf denen viele falsche Versprechungen stehen. Wenn sie alle gleichzeitig auffliegen, wird es ungemütlich: Recht und Gesetz werden gebrochen, der soziale Friede wird von oben zerstört.
Die Auflösung der Demokratie ist in diesem Fall die logische Folge. Die Alternativen sind allesamt nicht wünschenswert. Niemand kann ein weltweites Feudalsystem der Finanz-Eliten wünschen, wie es heute in Ansätzen zu erkennen ist. Totalitäre Tendenzen – seien sie bürokratisch oder ideologisch – müssen verhindert werden. Erste Vorboten davon sehen wir in den Krisenstaaten der Eurozone und in Fehlentwicklungen in der Europäischen Union.
Die Zeit drängt.
Carl Friedrich von Weizsäcker schrieb 1981 über das richtige Verhalten in Krisensituationen: »Der Bergsteiger, der eilen muß, um die Hütte vor Einbruch der Nacht zu erreichen, muß eben darum Karte und Kompaß in aller Konzentration zu Rate ziehen; sonst rennt er ins Unheil.«17
Genau das soll mit diesem Buch versucht werden: Wir müssen »Karte und Kompass« zu Rate ziehen, um zu wissen, was wir der Plünderung der Welt entgegensetzen können.
Die entscheidende Frage muss sich jeder Einzelne stellen: Welche Rolle will ich spielen? Wie sichere ich meine Ersparnisse? Wie entziehe ich mich der finanziellen Repression? Wie bleibe ich solidarisch und gleichzeitig realistisch? Wo kann ich von meiner Freiheit Gebrauch machen, um eine Veränderung anzustoßen? Vor allem aber: Wo kann und muss ich widersprechen oder wenigstens kritische Fragen stellen, wenn mir Märchen, Ideologien oder manipulative Propaganda verkauft werden? Wo kann ich meine Landtags- oder Bundestagsabgeordneten mit unangenehmen Fragen zum Denken und zum Handeln zwingen? Wie kann ich mich selbst engagieren, um die Plünderung der Welt zu stoppen? Was können wir gemeinsam tun, um das System aufzubrechen – in unserem eigenen Interesse, vor allem aber aus Verantwortung für die nächste Generation?
Für alle gilt im Grunde ein Imperativ: Frage nicht, was der Staat für dich tun kann. Frage, was der Staat unterlassen muss. »Der Staat« ist nicht der gütige Vater, der für seine Kinder sorgt. Der Staat ist eine Organisationsform der Gesellschaft. Nicht die Parteien oder Regierungen sind »der Staat«. »Der Staat« ist Ausdruck des Bürgerwillens. Die Gesellschaft entscheidet, in welchem Ausmaß sie ihren Vertretern das Recht überträgt, in legitimer Form Gewalt gegen ein Individuum auszuüben.
Die größte Illusion unserer Tage ist die Vorstellung, dass mehr Staat automatisch mehr Gerechtigkeit bedeutet.
Wir werden im Folgenden sehen, dass wir uns auf einem gefährlichen Weg befinden: Unsere Demokratien werden von einem globalen Feudalismus bedroht.
Der Kaiser ist nackt.
Die Plünderer sind schwer bewaffnet.
Die Menschheit verfügt im 21. Jahrhundert über eine Fülle an technologischen Möglichkeiten: Computer, Smartphones, Gentechnik, Biotechnologie, weltweite Kommunikation über das Internet, billige Flüge. Diese Epoche des Fortschritts und der Annehmlichkeiten ist für die meisten Menschen in Mitteleuropa und vor allem in Deutschland mit einem bisher unbekannten Maß an Wohlstand, Sicherheit, Konsum und Freizeit verbunden gewesen.
Doch die Ära geht zu Ende. Der Fortschritt kann nicht finanziert werden.
Wir sind pleite.
Die Daimler Bank gab im Frühjahr 2014 bekannt, dass jedes zweite Auto aus seiner Produktion auf Kredit oder Leasing gekauft wurde.18 Jeder zweite Mercedes-Stern auf unseren Straßen gehört nicht den stolzen Autofahrern, sondern der Daimler Bank. Das Geld kam aus dem Nichts. Der mit Schulden finanzierte Wohlstand wurde möglich, weil die Regierungen in den meisten Staaten der Welt die Staatsausgaben kontinuierlich erhöht haben.19 Die FAZ dazu: »Schulden sind die Wohlstandsillusion des Wohlfahrtsstaates, die Politiker und Bürger symbiotisch aneinander binden. Die einen teilen aus, die anderen sacken ein, und der Wettbewerb der Politik geht darum, wer mehr soziale Nettigkeiten im Angebot hat, um im Gegenzug dafür mehr Wählerstimmen auf sich zu vereinen.«20
Möglich wurde die Geldvermehrung durch die Zentralbanken, die die Leitzinsen in den vergangenen zehn Jahren auf ein Rekordniveau gesenkt haben. Und daher begleiten uns, trotz aller technologischen Fortschritte, in seltsamer Monotonie düstere Klänge.
Schuldenkrise, Eurokrise, Wirtschaftskrise, Währungskrieg.
Unbehagen beschleicht uns, eine diffuse Angst.
Angela Merkel hat den Europäern vorgeworfen, dass sie »über ihre Verhältnisse gelebt hätten«.21 König Willem der Niederlande hat seinem Volk gesagt, dass die fetten Jahre vorüber sind: »Unsere Wirtschaft schwächelt und das schon seit langem. Durch die Finanzkrise haben sich unsere wirtschaftlichen Probleme noch verschärft. Ein Teil unseres Wohlstands wird über Schulden finanziert. Nun ist es (…) an der Zeit, dass die Bürger, die Unternehmen und die Banken ihre Bilanzen in Ordnung bringen.«22
Neue Namen tauchen in den Schlagzeilen auf – oft in Form verstörender Abkürzungen von chinesischer Schönheit und sowjetischer Distanz: IWF, ESM, Troika, EZB, Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, Derivate, Konsolidierung.
Wir fragen uns: Was bedeutet das? Wer steht hinter diesen uns unbekannten Gremien und Einrichtungen? Welche Absicht verfolgen sie? Was wollen sie von mir? Was habe ich mit ihnen zu tun?
Wir fühlen uns bedroht – auch im reichen Deutschland. Die Bürger in Europa diskutieren über den Verlust der Souveränität, Kontrolle, Ausbeutung, Raubzüge, Plünderungen, Leiharbeit, Zweitjobs, Arbeitslosigkeit. Die Mittelschicht in Europa – Akademiker, Selbstständige, Freiberufler – beginnt plötzlich, sich Sorgen zu machen und fürchtet den Absturz in die Armut.23
Die Schuldenkrise, dieser Ozean aus wertlosem Papier, schlägt an unserer Haustür an: Viele müssen zusehen, wie ihre Ersparnisse dahinschmelzen. Sie brauchen zwei Jobs, um über die Runden zu kommen.24 Auch wenn die offiziellen Inflationszahlen niedrig sind, rechnen die Bürger nach und sagen: Wir haben zwei Mark für einen Euro bezahlt. Müsste dann nicht alles um die Hälfte billiger sein?
Viel Geld, viel Wohlstand auf Kredit und viel mehr globale Vernetzung haben jedoch die Lage der Menschheit in drei wesentlichen Bereichen nicht verbessert:
1.Die Verteilung der Einkommen ist nicht gerecht.2.Die Mitwirkung der Bürger ist nicht gestiegen.3.Wir haben keinen Plan für die Verwendung der Ressourcen.Die Spaltung der Welt verläuft in verschiedenen Dimensionen. Zum einen gibt es immer noch das Nord-Süd-Gefälle. Hier der reiche Norden, dort die armen Entwicklungsländer. Noch gravierender ist jedoch eine andere Spaltung: Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer – und zwar überall auf der Welt.25 Die Schnelligkeit des globalen Geldkreislaufs beschleunigt die Ungerechtigkeit. Aldous Huxley warnte schon 1946 vor der »Wohlstandstyrannei Utopias« und einem daraus folgenden »übernationalen Totalitarismus, hervorgerufen durch das soziale Chaos, das sich aus raschem technischem Fortschritt« ergeben kann.26
Wir ahnen, wenn wir die Seiten in den Wirtschaftszeitungen aufmerksam lesen, dass das Schlimmste möglicherweise noch vor uns liegt. Marc Friedrich und Matthias Weik haben mit ihrem Buch Der größte Raubzug der Geschichte einen Bestseller mit einem Thema gelandet, für das sich bisher eher nur die Insider interessiert haben: Sie befassen sich mit der Frage, wie die große Umverteilung vor sich geht und was sie bedeutet.27
Friedrich und Weik sind der Auffassung, dass es sich bei den kommenden wirtschaftlichen Umwälzungen nicht um eine Reihe von Zufällen, sondern um ein systemisches Problem handelt. Eine kleine Finanz-Elite treibt die Weltwirtschaft vor sich her. Die Autoren glauben, dass es zu einem großen »Crash« kommt und dass wir am Tag danach aufwachen, uns die Augen reiben, und uns dann, mehr oder weniger zuversichtlich, an die Arbeit machen müssen, um die Trümmer beiseitezuschaffen und von vorn zu beginnen – wie schon so oft in der Geschichte.
Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Welt, wenn sie ungebremst so weiterläuft wie bisher, zu einer Folge von vielen kleinen Crashs führen wird. Diese Crashs mögen weniger dramatisch sein als die Lehman-Pleite oder das Platzen der US-Immobilienblase. Doch sie werden in schneller Folge kommen. Die Opfer dieser Crashs werden die Bürger sein: Die Sparer, weil ihr Erspartes geplündert wird. Die sozial Bedürftigen, weil der Wohlfahrtsstaat nicht aufrechterhalten werden kann. Die kommende Generation, weil die Unternehmen ihr Kapital nicht mehr in Innovationen stecken werden, sondern in den Schuldendienst. Die Arbeiter, weil es irgendwo auf dem Globus immer Leute geben wird, die aus Not dieselbe Arbeit für noch weniger Lohn verrichten werden.
Aber wie wird das alles ablaufen? Worauf müssen wir uns einstellen?
In den vergangenen Jahren hat sich die Welt zwar unmerklich, aber doch dramatisch verändert: Die Globalisierung ist zu einer Hyperglobalisierung geworden. Alle Prozesse haben sich ungemein beschleunigt. Sie sind komplexer geworden. Niemand kann Ursache und Wirkung unterscheiden. Die Grenzen zwischen Freund und Feind verschwimmen.28
Formal leben wir in einem System, das für alle gut sein sollte. Die »soziale Markwirtschaft« sollte die wilden Kräfte der Wirtschaft in geordnete Bahnen lenken. Sie erhob zugleich den Anspruch, die Lebensbedingungen der Bedürftigen erträglich zu gestalten.
Doch dieses System ist korrumpiert.29
Das Attribut »sozial« ist ein Etikett: Es soll dem Bürger den Eindruck vermitteln, dass der Staat für ihn sorgen wird. Doch tatsächlich treibt die Schuldenmacherei des Staates die Bürger in die Arme der Plünderer. Man braucht sich nur in einer beliebigen Kommune den Zustand von Schwimmbädern, Schulen oder Kindergärten anzusehen. An der polnischen Grenze haben die Bürger bereits freiwillige Sicherheitsdienste eingerichtet, weil die Polizei wegen der Einsparungen nachts nicht mehr präsent sein kann. In anderen Städten gibt es eine »Billigpolizei« in Form von bezahlten Bürgerwehren. Bei einer Anhörung im Brandenburger Landtag protestierte ein Bürgermeister gegen diese Entwicklung: »Das kann nicht Aufgabe der Kommune sein, sondern dafür steht das Land in der Pflicht, dessen staatliche Kernaufgabe es ist, Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.«30
Kleine und mittlere Unternehmen haben Schwierigkeiten, trotz guter Produkte und engagierter Mitarbeiter im globalen Wettbewerb zu bestehen. Das billige Geld – an welches mittelständische Unternehmen niemals herankommen – bewirkt, dass große, global tätige Konzerne ihre Marktmacht weltweit ausbreiten. Diese Konzerne schaffen einen globalen Arbeitsmarkt, der durch einen schleichenden Prozess des globalen Lohndumpings gekennzeichnet und stabilisiert wird. Die Konzerne werden nicht mehr von Inhabern geführt, sondern von angestellten Managern. Die Eigentümer der Konzerne sind nicht mehr verantwortungsbewusste Unternehmer, sondern anonyme Aktionäre, deren Renditeansprüche an die Unternehmen wegen der niedrigen Zinsen steigen.
»Freie« Märkte gibt es immer seltener. Aufgrund der vielen Manipulationen, die in der Vergangenheit bekannt geworden sind, kann man Waren kaum noch unter fairen, transparenten Bedingungen kaufen und verkaufen. Die Preise sind nicht mehr das Ergebnis von Angebot und Nachfrage, sondern sind oft das Ergebnis von Willkür, Verdrängungsabsicht oder Verzweiflung.
Der Turbo, der diese Wirtschaft antreibt, ist das sogenannte »staatenlose Kapital«: Der Wirtschaftsjournalist Steven Solomon hat bereits vor 20 Jahren aufgezeigt, wie die Politik des unkontrollierten Gelddruckens durch die Zentralbanken zwangsläufig zu Chaos und Zerstörung der wirtschaftlichen Ordnung führt.31
In seinem Buch The Confidence Game: How Unelected Central Bankers are Governing the Changed Global Economy (»Das Vertrauensspiel. Wie nicht gewählte Zentralbanker die veränderte Weltwirtschaft regieren«) spricht Solomon vom »staatenlosen Geld«, welches keine Zuordnung mehr zu Nationalstaaten hat und von niemand anderem mehr kontrolliert wird als von den Zentralbankern: »Wenn es uns gelingt, das staatenlose Geld zu zivilisieren, dann können Kapitalismus und Demokratie für lange Zeit blühen und gedeihen. Aber wenn wir unser wirtschaftliches und politisches Schicksal weiter apathisch der ungezügelten weltweiten Mobilität und Volatilität des staatenlosen Geldes anvertrauen, dann wird es noch viele Ereignisse wie den Schwarzen Montag oder den Schrecklichen Dienstag geben – und eines dieser Ereignisse kann in einer Katastrophe enden, die auch die Zentralbanker nicht mehr verhindern werden.«32 Wie von den Ökonomen Mises und Hayek vorhergesehen, haben in einer extrem komplex gewordenen globalen Wirtschaft Zins, Geld und Kredit eine entscheidende Bedeutung.33 34 Künstlich niedrig gehaltene Zinsen lenken Konsum und Produktionsprozesse in die falsche Richtung.
Die Regierungen haben nicht das getan, was sie eigentlich müssten: nämlich die Finanzindustrie so zu regulieren, dass Auswüchse verhindert werden. Krise und Übertreibungen gehören zur Wirtschaft. Blasen dagegen sind, wie wir später noch sehen werden, kein Naturgesetz. Sie sind die Folge des billigen Geldes. Eine Krise wird daher »nur verlängert und verschlimmert, wenn die planwirtschaftlich agierende Notenbank sie mit denselben Mitteln bekämpfen will, mit denen sie das Desaster herbeigeführt hat, nämlich mit noch niedrigeren Zinsen und einem noch größeren Angebot von Geld und Kredit«.35 Im Zuge der gleichzeitigen Hyperglobalisierung gibt es auch keine wirkungsvolle Mitbestimmung der Arbeiter mehr. Die Gewerkschaften sind erpressbar geworden. Sie haben ihre wirkungsvollste Waffe verloren – den Kampf um höhere Löhne in Form von Streiks.36 Es ist bezeichnend, dass die großen Streiks etwa in Deutschland im öffentlichen Dienst stattfinden. Der Staat als Arbeitgeber kann vor seinen Mitarbeitern nicht davonlaufen. Die Arbeiter von internationalen Konzernen gehen meist erst auf die Straße, wenn es bereits zu spät ist.
Die hohe Verschuldung hat die Plünderung der Welt fast unausweichlich gemacht.37 Das ganze System beruht auf der Abhängigkeit von billigem Geld. Doch zu viele falsche Versprechungen zerstören alle Illusionen.
Jeder Kredit muss bedient werden. Irgendwann wird er fällig. Und wenn man nicht mehr zahlen kann, wird die Lage unangenehm – für Gläubiger und Schuldner. Der Verteilungskampf beginnt.
Genau an diesem Punkt stehen wir heute.
Gibt es einen Fluchtweg?
Manche, wie etwa David Graeber, der Anarchist und Vordenker von »Occupy Wall Street«, der ersten Widerstandsbewegung gegen die Finanz-Eliten, glauben, dass das Problem der Schuldenexplosion durch einen einfachen Trick aus der Welt geschafft werden könne: indem nämlich die Schuldner einfach ihre Schulden nicht zahlen, und sich, wenn es hart auf hart kommt, mit Gewalt und Demonstrationen zur Wehr setzen.38
Doch der Anarchist Graeber unterschätzt die Möglichkeiten des Staates, das Problem mit Zwang zu lösen. Diejenigen, die die Misere mit ihren Falschgeld-Fluten verursacht haben, werden entscheiden, wer am Ende bezahlt. Sie haben sich starke Verbündete an Bord geholt. Schulden sind für Banken immer ein lukratives Geschäft.39 In den vergangenen Jahren haben Regierungen und Zentralbanken – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – ein feinmaschiges, globales Inkasso- und Umverteilungssystem zum Eintreiben der Schulden etabliert: Sparprogramme, Enteignungen, Zwangsabgaben, höhere Steuern gehören heute zum Alltagsvokabular der Plünderung der Welt. In einer Demokratie vom Volk in der Erwartung gewählt, dass die Politiker seine Interessen vertreten werden, wird der Staat zum Gegenspieler des Bürgers. Eigentlich sollte sich der Staat auf seine wichtigsten Aufgaben konzentrieren, nämlich die Verteidigung und den Schutz der Individuen und ihres Eigentums. Er müsste alle Entwicklungen im Finanzsektor durch eine effiziente Verwaltung und eine unbestechliche Justiz wirkungsvoll kontrollieren. Doch wider besseres Wissen haben die Regierungen ihren Wählern immer neue »Leistungen« versprochen. Sie haben die Illusion geweckt, dass der Staat nicht bloß den Ordnungsrahmen setzt, sondern von oben herab für Glück und Reichtum für alle sorgen kann. Die Bezahlung der Geschenke haben die Regierungen klammheimlich an die nächste Generation weitergereicht.
Nun ist die Zeitenwende gekommen.
Staaten, Zentralbanken und Banken gehen gemeinsam gegen die Bürger vor. Sie sind entschlossen, sich das Geld nach all den Exzessen von den kommenden Generationen und jenen, die gespart haben, zu holen. Sie rücken ihren eigenen Bürgern zu Leibe, um die Schulden, die über Jahrzehnte angewachsen sind, abzutragen. Das Pfand für die Staatsschulden sind die Ersparnisse und Vermögen der Bürger. Mit niedrigen Zinsen entschulden sich die Staaten, während die Sparer dadurch ihre Ersparnisse verlieren. Banken werden mit Steuermitteln gerettet. Die Steuern werden erhöht. Die Sozialleistungen gekürzt.
Die modernen Staaten haben sich – wie alle Herrschaftssysteme in der Geschichte – zwei Monopole gesichert: das Gewaltmonopol und das Geldmonopol. Graebers Idee, dass die Schuldner nicht zahlen sollten, weil in Wahrheit viele der »Kredite« keine Darlehen unter Gleichrangigen sind, sondern oft auf Verführung und Erpressung beruhen, ist nicht zu Ende gedacht. Wenn die Schuldner nicht zahlen, werden sich die Staaten das Geld bei anderen holen. Mit dem Monopol des Gelddruckens im Rücken können Staaten und Banken gemeinsam eines sicherstellen: Die Unbeteiligten werden für die Party zahlen – nicht die größten Profiteure. Die Regierungen haben in den vergangenen Jahren die Rechtsgrundlagen geschaffen, die den Zugriff auf die Bürger ermöglichen. Wir werden dazu im Folgenden sehen: Die Plünderung der Welt erfolgt zielgerichtet, effizient und legal.