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Pressemitteilungen werden für Journalisten geschrieben. Sie sollen interessant und verständlich sein, damit der Redakteur das Thema schnell erfassen und beurteilen kann.Die Praxis sieht anders aus: Unverständliche Überschriften und lange Leadsätze, verschachtelte Satzkonstruktionen und nicht erklärte Zusammenhänge erschweren Journalisten täglich ihre Arbeit und minimieren die Chance, dass die Nachricht eines Unternehmens, einer Organisation oder eines Verbandes in den Medien berücksichtigt wird. Dieses Manko will Wolfgang Zehrt mit seinem Buch beheben. Er zeigt, wie wichtig die Themenfindung und -absprache bei Pressemitteilungen ist. Ausführlich und anhand zahlreicher Positiv- und Negativbeispiele geht er auf deren Aufbau sowie auf Sprache und Stil ein. Dies allein reicht aber für eine erfolgreiche Ansprache der Medien nicht aus: Es ist auch wichtig, die Arbeitsweise von Redaktionen zu kennen und die Journalisten über einen guten Verteiler persönlich anzuschreiben. Und schließlich sollte man auf Anfragen von Journalisten vorbereitet sein und die Resonanz von Pressemitteilungen überprüfen können. Die zweite Auflage wurde grundlegend überarbeitet und um neue Beispiele ergänzt – der Autor geht auch ausführlich darauf ein, wie das Web 2.0 die Pressearbeit verändert. Pressestimme zur 1. Auflage: 'Der Ratgeber ist breit zu empfehlen, da er für Unternehmen, Verbände und Vereine genauso geeignet ist wie für gesellschaftliche Gruppen.' EKZ-Informationsdienst
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[1][2]
Wolfgang Zehrt ist Geschäftsführer der »text-on«-GmbH in Berlin und Köln. Er hat die Kommunikationsdienstleister AOP (Hamburg) und »directnews« (Leipzig) gegründet und viele Unternehmen bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit beraten. Zuvor hat er als Journalist u. a. für »Zeit«, »Stern« und die ARD gearbeitet.
Blog: www.digitalkommunizieren.de
[3]Wolfgang Zehrt
Die Pressemitteilung
2., völlig überarbeitete Auflage
UVK Verlagsgesellschaft Konstanz · München
PR Praxis Band 5[4]
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISSN 1863-8988
ISBN 978-3-86496-024-6
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1. Auflage 2007
2. Auflage 2014
© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014
Einband: Susanne Fuellhaas, Konstanz
Einbandfoto: Bernd Sonneck, Konstanz
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UVK Verlagsgesellschaft mbH
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Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98
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eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de
[5]Inhalt
Pressemitteilungen im digitalen Zeitalter
1
Medien und Zielgruppen
1.1
Wie wichtig sind meine Themen für Medien und Multiplikatoren?
1.2
Welche Zielgruppen kann ich erreichen?
1.3
PR auf unterschiedliche Medien abstimmen
1.4
Das unerwartete Medieninteresse
1.5
Der Verteiler ist ein zentrales PR-Werkzeug
1.6
Wo fängt die internationale Pressearbeit an?
2
Gute Themen und interne Abstimmung
2.1
Journalistische Anlässe für Pressemitteilungen
2.2
Personalmeldungen als häufige Sonderform
2.3
Der Mittelstand hat viele Themen
2.4
Eigenlob nie ohne Nachweis
2.5
Eine gute interne Abstimmung ist ein Muss
2.6
Pressemitteilung in der internen Kommunikation
3
Der Aufbau einer guten Pressemitteilung
3.1
Das Wichtigste zuerst – nach wie vor
3.2
Die W-Fragen helfen zu strukturieren
3.3
Die Pyramidenform – Symbol für die Zuspitzung auf ein Thema
3.4
Lead als Einstieg
3.5
Quellenangaben sind eine Selbstverständlichkeit
3.6
Nebeninformationen gehören nach hinten
3.7
Hintergründe helfen einzuordnen
3.8
Absender und Kontaktangaben
[6]4
Sprache und Stil einer Pressemitteilung
4.1
Einfaches Schreiben
4.2
Zeitformen
4.3
Partizipialkonstruktionen
4.4
Verben statt Substantive
4.5
Aktiv und Passiv
4.6
Zitate und indirekte Rede
4.7
Adjektive
4.8
Abkürzungen
4.9
Zeitangaben
5
Überschriften
5.1
Schlechte Überschriften sind das Aus
5.2
Fachwörter in Überschriften
5.3
Überfrachtete Überschriften
5.4
Werbeslogan statt Überschrift
5.5
Gelungene Überschriften
5.6
Der einfachste Weg, Überschriften zu kontrollieren
6
Formale Regeln für eine Pressemitteilung
6.1
Umfang und Länge
6.2
E-Mails und Dateianhänge
6.3
Pressemitteilungen mit verborgener Absicht
6.4
Wie sollte eine Pressemitteilung aussehen?
7
Bilder in der Pressearbeit (Dieter Georg Herbst)
7.1
Einleitung
7.2
Bedeutung von Bildern
7.3
Anforderungen: Wie Pressebilder sein sollten
7.4
Motive für Journalisten: gefragte Bilder
7.5
Fehlerquellen meiden
7.6
Erfolgskontrolle: Haben die Pressebilder gewirkt?
8
Der Umgang mit Journalisten
8.1
Wie Journalisten über Themen entscheiden
8.2
PR-Fachleute als Dienstleister der Medien und der Öffentlichkeit
8.3
Der Arbeitsalltag eines Redakteurs
[7]8.4
Redaktionsabläufe bei den relevanten deutschen Tageszeitungen
8.5
Telefonisches Nachfassen
8.6
Produkt-PR oder Werbung?
8.7
Oft ohne Distanz: Meldungen von Nonprofit-Organisationen
8.8
Bekannte Marken haben es leichter
8.9
Superlative und Tatsachenbehauptungen
9
Die Verbreitung der Pressemitteilung (Peer Brockhöfer)
10
Nach der Pressemitteilung beginnt die Arbeit
10.1
Die Vorbereitung auf die Reaktion der Medien
10.2
Zeitliche Verfügbarkeit für Rückfragen
10.3
Staffelung nach Medien bei Rückrufen
10.4
Weiterführende Informationen und Interviewangebote
10.5
Das Feedback auf die Meldung
11
Online-PR und Social Media
11.1
Pressemitteilung für Online-Redaktionen
11.2
Form und Format der Online-Pressemitteilung
11.3
»Pressemitteilungen« für die breite Online-Öffentlichkeit
11.4
Pressemitteilungen für Suchmaschinen optimieren
12
Die vertonte Pressemitteilung: Hörfunk-PR
13
Die rechtliche Prüfung des Inhalts (Holger Weimann)
13.1
Relevanz rechtlicher Fragen
13.2
Überblick über Problemstellungen
13.3
Persönlichkeitsrecht
13.4
Wettbewerbsrecht
Autoren
Literatur
Index
[8][9]Pressemitteilungen im digitalen Zeitalter
FACEBOOK, TWITTER und andere soziale Netzwerke haben die Kommunikation in den vergangenen Jahren radikal verändert. Medienkanäle (besonders auch digitale) haben sich nicht nur vervielfacht, die einstigen Leser und Nutzer sind auch selbst zu Produzenten und Verbreitern von Nachrichten geworden. Diese Medienkanäle zu nutzen und auch den Endkunden direkt zu adressieren, ist bis auf wenige Ausnahmen für Unternehmen, Verbände und Institutionen unerlässlich geworden. Trotzdem gibt es Prinzipien der Public Relations, die weiterhin Bestand haben: Nach wie vor ist eine aufmerksamkeitsstarke Öffentlichkeitsarbeit nicht möglich, wenn es schlicht keine Story zu erzählen gibt. Dann hilft nach wie vor nur, gegenüber mächtigen Verbandspräsidenten oder allzu sendungsbewussten Geschäftsführern und Eigentümern Rückgrat zu zeigen und zum Verzicht zu raten. Und nach wie vor ist es, zumindest bei den Budgetverantwortlichen, vor allem die Printpresse, die als Gradmesser für den Erfolg einer Kommunikationsmaßnahme dient. Für einige Kommunikatoren gilt das allerdings nicht mehr: Bei Lifestylemarken wie Adidas oder Red Bull spielt der Abdruck einer Pressemitteilung kaum noch eine Rolle, Klicks, Views und Likes sind hier die entscheidenden Größenordnungen.
Stirbt die Pressemitteilung? Eine Pressemitteilung fasst in aller Kürze und nach möglichst journalistischen Handwerksregeln Ihre aktuelle Geschichte im Unternehmen zusammen und wird immer die erste und beste Möglichkeit bleiben, die eigene Themenidee zu prüfen: Trägt der Inhalt wirklich? Für welche exakt definierten Zielgruppen und welche Medien ist der Inhalt relevant? Mache ich mich mit einigen Aspekten angreifbar? Wie muss die Geschichte bebildert werden? Lässt sich diese Story auch für TV oder Radio umsetzen? Mit welchen Links zu weiterführenden Inhalten, zu Videos oder Landing Pages kann ich das Thema besonders gut für Online-Redaktionen und Blogs umsetzen?
Inhaltsleeres Getöse wird auch in den sozialen Netzwerken abgestraft. Egal, welche Kanäle Sie nutzen, die Pressemitteilung ist ein hervorragender Ausgangspunkt für Ihre Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation.
[10]Mein herzlicher Dank gilt den Koautoren und Mitstreitern:
Prof. Dr. Dieter Georg Herbst, Geschäftsführer source1 networks GmbH in Berlin.
Dr. Holger Weimann, Medienanwalt, Kanzlei Beiten Burkhardt in München.
Peer Brockhöfer, freier Journalist und PR-Berater in Hamburg.
Eva für die intensive Mitarbeit, Johanna und Pia für die große Unterstützung!
Berlin, im Februar 2014
Wolfgang Zehrt
[11]1
Medien und Zielgruppen
1.1
Wie wichtig sind meine Themen für Medien und Multiplikatoren?
Die Medien haben innerhalb von wenigen Jahren eine unglaubliche Zellteilung erlebt: Es gibt kaum noch eine Zielgruppe, für die es nicht ein inhaltlich exakt zugeschnittenes Angebot gäbe. Sei dieses Angebot ein Fachportal, ein fokussierter Newsletter, eine Fachgruppe bei LINKEDIN oder XING, einfach nur ein Experte mit TWITTER-Account oder eine FACEBOOK-Community: die Medien sind Geschichte. Rund um die professionellen Angebote hat sich eine auch für Experten nicht mehr überschaubare Zahl an semiprofessionellen oder nebenberuflichen »Inhalteanbietern« aufgestellt. Diese Inhalteanbieter adressieren zudem auch ganz unterschiedliche Zielgruppen: Der Betreiber eines hochkarätigen Blogs zum Thema »Regenerative Energie« will sich vor allem mit gleichgesinnten Technikern und Ingenieuren austauschen, der Viel-Twitterer zum Thema Fitness ist in Wirklichkeit vielleicht Betreiber einer Fitnessstudiokette und sucht hier neue Kunden, und die Regionalzeitung möchte nach wie vor mit lokalen Inhalten Punkten, weil sie den Aktualitätskampf bei überregionalen Themen längst gegen das Internet und die sozialen Medien verloren hat. Blogger, die gestern noch unbekannt waren, können morgen zu den wichtigen »Influencern«, den Meinungsmachern und Multiplikatoren in genau Ihrer Zielgruppe, gehören. Wie finde ich hier noch die richtigen Adressaten für meine PR-Botschaft?
Die Adressaten Ihrer Kommunikation sind heute nicht mehr nur Journalisten und Medien, dazugekommen sind Meinungsmacher, Multiplikatoren und Endverbraucher, die durchaus auch mit Pressemitteilungen erreichbar sind. Die größte hinzugekommene Zielgruppe, die Gruppe der Verbraucher und Kunden selbst, gibt heute bei GOOGLE die Suchkombination »Kaffeemaschine Entkalker« ein und gelangt damit direkt zu Ihrer Pressemitteilung, die Sie zu dem umweltfreundlichen neuen Entkalkungsmittel gestern verbreitet haben. Wenn Sie dies nicht wollen, werden Sie bewusst auf die Online-Verbreitung Ihrer Pressemitteilung verzichten müssen, denn Sie schreiben nicht mehr nur für andere Kommunikationsprofis.[12] »Breit streuen« – diese Formulierung war lange in Pressestellen und in PR-Agenturen zu hören, wenn es darum ging, eine Pressemitteilung zu verbreiten. Breit streuen ist weiterhin das Gegenteil von gezielter Kommunikation, wenn es um die Zusammenarbeit mit professionellen Journalisten geht. Geht es aber darum, eine möglichst hohe Online-Reichweite für einen Inhalt zu erreichen, ist eine breite Kommunikation an möglichst viele Online-Portale unumgänglich. Eine möglichst große Reichweite im Internet entscheidet maßgeblich mit über den Erfolg einer PR-Maßnahme oder einer ganzen Kampagne. Pressemitteilungen so zu optimieren, damit sie im Internet möglichst schnell und oft gefunden werden (»Suchmaschinenoptimierung« oder Search Engine Optimization, kurz SEO) ist ein elementarer Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit geworden. Auch wenn solche SEO-Maßnahmen dazu führen, dass Pressemitteilungen nicht immer im richtigen, passenden inhaltlichen »Online-Umfeld« abgedruckt werden, hilft hier tatsächlich die möglichst umfassende Verbreitung. Aber dies gilt eben nicht für die klassischen, traditionellen Medien, egal, ob Zeitung, Zeitschrift, Radio oder TV.
Wer hier breit streut, kann oder will sich nicht mit der Arbeitsweise der Journalisten und Medien auseinandersetzen, er nimmt sie nicht ernst. Breit streut, wer nicht weiß, für wen seine PR-Botschaft interessant sein könnte und/oder nicht weiß, wie er seine Zielgruppe in den Medien erreichen kann. Dieses Gießkannenprinzip führt dazu, dass auf den Schreibtischen der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG die Pressemitteilungen sozialdemokratischer Ortsvereine, bayerischer Mittelstandsvereinigungen und Hamburger IT-Unternehmen mit 20 Angestellten landen, die dem Wirtschaftsredakteur den neuen »PCSIU-Controller TF34« nahebringen wollen.
Für wen ist Ihr Unternehmen, Ihre Institution, Ihr Verband wirklich relevant, zunächst unabhängig vom Thema? Welche Zeitungen, Zeitschriften, Blogs, Foren und Communities kommen generell für Ihre Themenwelt infrage, exotische Ausnahmethemen ausgeklammert? Haben Sie diese Standortbestimmung gemacht und sie auch regelmäßig wiederholt? Diese Bestimmung Ihres Standortes ist einer der Mosaiksteine, um die eigene Medienarbeit zu professionalisieren.
Der Redakteur einer Angelzeitschrift wird sich vermutlich beruflich nie für die neuen Designersofas interessieren, die auf einer Möbelmesse vorstellt werden, um ein einfaches Beispiel zu nennen. Die Frage aber, ob das eigene Unternehmen eine solche Strahlkraft hat, dass man auch die überregionale und vielleicht sogar die europäische Fach- und Wirtschaftspresse für seine Pressearbeit berücksichtigen muss, ist schon schwieriger einzugrenzen.[13] Aber es gilt auch die umgekehrte Regel: Wer im Prinzip zu den wichtigen und wichtigsten Absendern von Unternehmensnachrichten gehört, darf dies nicht für jedes Thema voraussetzen. Sicher ist es für einen PR-Treibenden bei Unternehmen wie Porsche oder Allianz leicht festzustellen, dass die großen Themen dieser Unternehmen immer überregional und für jeden Wirtschaftsredakteur interessant sind. Diese Unternehmen müssen aber für kleinere Themen, beispielsweise Fach- oder Regionalthemen, genauso exakt eine bestimmte Zielgruppe adressieren.
Ein negatives Beispiel: Ein erfolgreicher deutscher Automobilhersteller wollte eine Pressemitteilung verbreiten, in der eine 25.000-Euro-Spende für ein Jugendzentrum in Sachsen vorgestellt werden sollte. Der Verbreitungswunsch an den Dienstleister lautete: »Bitte an alle relevanten Wirtschaftsjournalisten und über die Nachrichtenagenturen REUTERS und VWD bitte im Originaltext.« Auch hier wird breit gestreut und mit einer Kanone auf Spatzen geschossen. Denn die Tatsache, dass der Absender in der Regel tatsächlich bundesweit interessante Themen besetzt, ist kein Grund für einen solchen Flächenabwurf. Mit Fingerspitzengefühl gelang es, den Absender zu überzeugen, sich auf die regionale Presse im Bereich des besagten Jugendzentrums, die regionale Presse am Unternehmenssitz und die Fachpresse im Bereich »Sponsoring« und »Corporate Responsibility« zu beschränken.
»Schicken Sie das mal an die Medien!« – es gibt nicht mehr die Medien. Wer das berücksichtigt und weniger kommuniziert, dies aber auf handwerklich höchstem Niveau, und das Ergebnis seiner Arbeit anschließend gezielt an ausgewählte Journalisten, Blogger und Portalbetreiber weiterleitet, wird die Resonanz auf seine Themen deutlich steigern können. Diese intensive Beschäftigung mit der Medien- und Multiplikatorenlandschaft ist auch die Voraussetzung dafür, sich einem der Zukunftsthemen der Öffentlichkeitsarbeit zu nähern, nämlich dem Content Marketing und dem Storytelling.
»Marketing mit Inhalten« (Content Marketing) setzt voraus, dass ein Thema klar umrissen als Ausgangspunkt genommen wird, um weitere Geschichten um dieses Ereignis herum zu erzählen. Der Auftrag für einen Klavierbauer aus Leipzig, eine Orgel in Prag zu installieren (es wird eine Manufaktur vorausgesetzt, die beides im Portfolio hat), hat zahlreiche Facetten, die mit dem eigentlichen Produkt, dem Klavier, nur noch wenig zu tun haben. Der alte Klavierbaumeister, der für den komplizierten Auftrag aus der Rente zurückgeholt wurde, der mühsame Spezialtransport, das Suchen der speziellen Hölzer, die für die Orgel erforderlich sind: Das ist Geschichtenerzählen in einer Qualität, wie sie bei hochwertigen Wochenendbeilagen[14] zu finden ist, entsprechend bebildert schafft sie größte Aufmerksamkeit und vor allem Sympathie und Nähe zum Produkt und zum Unternehmen.
Nur wenn ich über die für mich relevanten Mediengattungen und Meinungsmacher (neudeutsch »Influencer«) möglichst viel weiß, kann ich Themen entwickeln, die abseits von Produkt- und vertriebsunterstützender PR hochwertig Inhalte liefern, die nur indirekt und charmant die Marke meines Unternehmens, meiner Institution oder meines Verbandes in der Wahrnehmung Dritter unterstützen.
Checkliste: Die wichtigsten Medien für meine Öffentlichkeitsarbeit
Bin ich mir selbst über die entscheidenden Medien, einschließlich Social Media und allen Online-Medien, für mein Unternehmen oder meinen Verband im Klaren?
Bin ich souverän und professionell genug, News mit regionaler Relevanz wirklich nur an die regionale Presse zu geben? Auch wenn ich für die Öffentlichkeitsarbeit eines DAX-Konzerns verantwortlich zeichne, der oft in der TAGESSCHAU präsent ist?
Unterscheide ich bei der Ansprache zwischen den einzelnen Adressaten: sehr gezielt bei Bloggern und Journalisten, breit streuen nur im Bereich Online-PR?
Habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie meine Pressemitteilung bei Endkunden, Verbrauchern und anderen interessierten Medienlaien ankommt?
1.2
Welche Zielgruppen kann ich erreichen?
Unzählige Blogger, Moderatoren von Chats, hyperlokale Online-Magazine, Bewertungsportale und Netzwerke sind in den vergangenen Jahren entstanden, die eine Meinungsmacht entwickelt haben, die den professionellen Medien zumindest teilweise ebenbürtig ist. Der berühmte Shitstorm, also der beleidigende Sturm der Entrüstung im Internet zu Produkten, Politikern oder Unternehmen zeigt, dass sich die öffentliche Meinungsbildung erheblich verändert hat. Wer heute eine Pressemitteilung schreibt, der schreibt sie für Journalisten, aber unausweichlich immer auch für den[15] Endverbraucher oder Amateurexperten. Die Bedeutung des Journalisten als Bindeglied zwischen Absendern und Empfängern von Nachrichten, als »Gatekeeper«, hat dramatisch nachgelassen.
Umso bedeutender ist für den PR-Treibenden die Identifizierung der für sein Unternehmen relevanten Zielgruppen und der entsprechenden Mediengattungen. In der nun folgenden Abbildung ist eine exemplarische Einteilung der Zielgruppen in den Medien dargestellt.
Zielgruppen in den Medien
In dieser Grafik fehlen absichtlich globale Medien wie BLOOMBERG, CNN, INTERNATIONAL HERALD TRIBUNE, WALL STREET JOURNAL oder NEWSWEEK. Wenn ein PR-Thema nur den Hauch einer Chance hat, in eines dieser Medien zu gelangen, haben die führenden Nachrichtenagenturen garantiert darüber berichtet. Über die Büros der Nachrichtenagenturen AFP oder DPA z. B. gelangt das Thema also auch zu CNN oder zum WALL STREET JOURNAL.[16] Aber zurück nach Deutschland, nach wie vor einer der Staaten mit einer beachtlichen Medienvielfalt, an der auch die Veränderungen der Medienlandschaft nicht viel geändert haben. In Zahlen:
383 Zeitungen (IVW-2013-Q II), davon:
363 Tages- und Sonntagszeitungen
20 Wochenzeitschriften
ca. 10.500–11.500 Zeitschriften (mind. quartalsmäßiges Erscheinen), davon:
ca. 1.600 Publikumszeitschriften (lt. VDZ 2013-QI: 1.542)
ca. 3.900 Fachzeitschriften (lt. Deutsche Fachpresse 2012: 3.757 Titel)
ca. 4.000 wissenschaftliche Zeitschriften
ca. 1.000-2.500 Fachtitel aus Klein- und Kleinstverlagen (geschätzt)
1.435 Anzeigenblätter (lt. BVDA 2013)
226 private und 63 öffentlich-rechtliche Radioprogramme (lt. ag.ma, 2013)
2013 kann der durchschnittliche Haushalt in Deutschland 79 TV-Programme empfangen (lt. AGF 2013).
Medienlandschaft in Deutschland
Deutschland ist ein Land mit vielen Tausend professionellen Medien, alle Gattungen und Erscheinungszyklen eingeschlossen. 300 Radioprogramme, aber nur 130 Vollredaktionen in der Presse. Vollredaktionen, also Redaktionen, die zumindest die traditionellen klassischen Ressorts Wirtschaft, Politik, Sport und die Titelseite selbst produzieren und nicht druckfertig zugeliefert bekommen (z. B. von Zentralredaktionen oder Nachrichtenagenturen), sind mit die einflussreichsten Adressaten in der PR-Arbeit. Es gibt rund 3.900 Zeitschriften, aber nur eine überregionale Boulevardzeitung, eine immer größer werdende Zahl an TV-Sendern, aber nur zwei begrenzt erfolgreiche nationale Nachrichtenkanäle. Dazu kommen unzählige Websites und Internet-Portale sowie Weblogs, Podcasts, Communities, TWITTER-Accounts.
Nach Branchenangaben gibt es derzeit etwa 45.000 hauptberufliche Journalisten in Deutschland (sinkend) und rund 40.000 freiberufliche[17] Journalisten in Deutschland (ansteigend). Das jährliche Durchschnittseinkommen eines Vollzeitjournalisten liegt bei rund 36.000 Euro. Nach Schätzungen beschäftigen sich gegenwärtig rund 50.000 Menschen zumindest, so die Definition, »überwiegend hauptberuflich« mit Public Relations. Diese Zahl kann nur ein Annäherungswert sein, denn sie umfasst nicht all die PR-Beauftragten, die entweder PR als Zweitjob machen (vor allem Journalisten), und auch nicht die, die eigentlich eine andere Funktion im Unternehmen haben und die Öffentlichkeitsarbeit »so mitmachen«, und auch nicht die, die als Geschäftsführer eines kleineren Unternehmens auch der eigene Pressesprecher und PR-Verantwortliche sind. Zusammengefasst kommt auf jeden Journalisten mindestens ein überwiegend hauptberuflicher PR-Profi.
Selbst große Kommunikationsstäbe und PR-Agenturen können kaum noch den Überblick über die ganze Medienlandschaft behalten. Umgekehrt ist der Trend ähnlich: Wie soll heute noch ein Journalist diese unglaubliche Informationsmenge im Auge behalten, wie soll er sicher sein, nichts zu übersehen? In dieser Informationsüberflutung muss sich Ihre Pressemitteilung, Ihr Thema behaupten! Handwerkliche Perfektion ist da schon die Mindestanforderung, größtes Medienwissen unabdingbar und kreative Themenfindung unbedingt erforderlich.
Checkliste: Zielgruppen in der komplexen Kommunikationslandschaft
Was sind meine entscheidenden Zielgruppen?
Weiß ich, welche Medien diese Zielgruppen nutzen?
Unterschiedliche Zielgruppen verlangen zum Teil völlig unterschiedliche Ansprachen. Es gibt nur ganz selten die perfekte Pressemitteilung für alle Mediengattungen.
Ein Verteiler mit möglichst vielen Details über Ihre relevantesten Ansprechpartner in Medien, Blogs und Fachportalen ist ein zentrales Werkzeug für eine erfolgreiche Kommunikationsarbeit.
1.3
[18]PR auf unterschiedliche Medien abstimmen
Mediengattungen unterscheiden sich zunächst nach Verbreitungsgebiet und Erscheinungshäufigkeit. Für Sie als PR-Entscheider ist aber eine zweite Klassifizierung ebenso bedeutsam, wenn nicht noch erheblicher. Innerhalb der Mediengattungen lässt sich sehr ausdifferenziert nach Zielgruppen unterscheiden: von den konsum- und trendorientierten Jugendlichen mit geringem Einkommen, die vorwiegend Internet, TV und Radio nutzen, bis hin zu den Managern und Entscheidern mit überdurchschnittlichem Einkommen und hoher Bildung, an die sich vorwiegend die Wirtschaftspresse, Fachzeitschriften und überregionale Zeitungen wenden. Nun mag es z. B. sein, dass Sie es schaffen, in der einzigen verbliebenen Wirtschafts-Tageszeitung in Deutschland, dem HANDELSBLATT, eine Meldung über Ihr Engagement für Universitätsabsolventen zu platzieren. Dies freut auch Ihren Vorstand. Nur haben Sie damit leider Ihre Zielgruppe so gut wie gar nicht erreicht, weil diese gerade vom schon nicht mehr so coolen FACEBOOK in ein anderes, neues soziales Netzwerk abgewandert ist. Versuchen Sie für den Vorstand auf jeden Fall, die Platzierung im HANDELSBLATT umzusetzen,[19] im Sinne des Kommunikationszieles können Sie auf diese Mediengattung aber verzichten.
Kommunikationssituation
Abgesehen vom inhaltlichen Schwerpunkt und der Leserschaft bzw. den Nutzern der zu adressierenden Medien müssen Sie die Erscheinungsweise und alle Online-Produkte des Zielmediums kennen. Was für den SPIEGEL nie interessant sein wird, kann für SPIEGEL ONLINE ein Thema sein.
Was für die Finanzseiten von T-ONLINE möglicherweise nicht infrage kommt, kann vielleicht als Corporate-TV-Beitrag im Videoportal laufen. Und die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG besetzt ganz andere Themen als die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Ihr Grundwissen über die zeitlichen Abläufe in Redaktionen müssen Sie zusätzlich immer wieder auffrischen: Exemplarisch finden Sie auf Seite 165 den Redaktionsablauf bei der BILD und weiteren Tageszeitungen. Dies kann deswegen auch für ähnliche Medien ein guter Anhaltspunkt sein. Die Erscheinungsweise bedeutet für den Öffentlichkeitsarbeiter weniger den Erstverkaufstag, sondern den Redaktionsschluss, möglichst sogar den Redaktionsschluss der einzelnen Ressorts. So können überregionale Zeitungen heute fast alle bis 23 Uhr noch Breaking News auf die Titelseite bringen. Zu diesem Zeitpunkt ist im Ressort Wirtschaft aber seit mindestens zwei Stunden alles gelaufen. Selbstverständlich kann das ZDF HEUTE-JOURNAL noch in der laufenden Sendung umgestellt werden, dies wird aber nur bei absolut herausragenden Ereignissen passieren. Die Pressemitteilung, dass der Vorstandsvorsitzende von VW zurücktritt, hätte so durchaus Chancen, auch zehn Minuten nach Beginn der Sendung noch berücksichtigt zu werden.
Schwierig ist es bei Fachzeitschriften, hier gibt es keinen standardisierten Redaktionsschluss. Je kleiner die Zeitschrift, desto weniger können Sie sich auf Regelmäßigkeiten verlassen. Hier ist der persönliche Kontakt und der regelmäßige Redaktionsbesuch unumgänglich, um Ihre Pressearbeit möglichst genau auf den Redaktionsablauf abstimmen zu können. Selbst einflussreiche Fachorgane haben oft nur einen einzigen hauptamtlichen Redakteur, alle anderen sind freie Mitarbeiter und Journalisten in Redaktionsbüros. Dies gilt übrigens auch für PR- und Kommunikationszeitschriften: Hier werden zumindest inhaltliche Schwerpunktthemen oft ausgegliedert, also an Redaktionsbüros oder freie Fachredakteure als Auftragsarbeit vergeben. Das macht die zielgenaue Übermittlung Ihrer Pressemitteilung zunächst nicht einfacher. Aber machen Sie sich die Mühe, diesen Kontakt herzustellen, denn dann haben Sie schon Dutzende, wenn nicht Hunderte konkurrierende Pressemitteilungen aus dem Rennen geworfen.
Haben Online-Redaktionen, Blogger und Communities Redaktionsschluss? Im Prinzip natürlich nicht, aber … Sie werden selbst bei den wenigen[20] personell gut besetzten Online-Redaktionen mit einer Pressemitteilung um 18 Uhr wenig Begeisterung auslösen, ebenso wenig bei einem hauptberuflichen Blogger. In der Redaktion wird um diese Zeit die Zahl der Mitarbeiter auf »Nachtschicht« reduziert, der Blogger möchte langsam Feierabend machen. Gerade hier kann das persönliche Wissen, der persönliche Kontakt aber Berge versetzen. Denn große Online-Redaktionen müssen trotz Redakteursknappheit am späteren Abend noch einmal aktualisieren, dasselbe gilt für den frühen Morgen. Eine Pressemitteilung, die Sie zu dieser Zeit an [email protected] mailen, wird sicher untergehen. Aber wenn ein Ihnen persönlich zumindest von einem Telefonat bekannter Online-Journalist um 6.10 Uhr ihre perfekte Pressemitteilung erhält, kann dies erfolgreich sein, denn dann schweigen selbst die Nachrichtenagenturen noch weitgehend, es herrscht Themenmangel.
Damit nicht genug: In Fachpublikationen der Medienbranche (KRESS.DE, MEEDIA.DE, DWDL.DE, NEWSROOM.DE) können Sie recherchieren, wie sich die Konkurrenzsituation zwischen Online- und Printausgabe verhält (immerhin hat ein solcher Konflikt im April 2013 maßgeblich zum Rauswurf der beiden streitenden SPIEGEL-Chefredakteure geführt). Denn wenn Sie einen Inhalt Ihres Unternehmens erfolgreich in der Online-Ausgabe eines Mediums integrieren konnten, werden Sie oft keine Chance mehr für die Printausgabe bekommen und umgekehrt.
Checkliste: Zielmedium
Was weiß ich über die Arbeitsweise meiner Zielmedien?
Wann war ich das letzte Mal auf einem Redaktionsbesuch?
Habe ich Journalisten, mit denen ich abseits von meinen tagesaktuellen Themen auch über grundsätzliche Fragen der besten Zusammenarbeit reden kann, z. B.: Wann soll ich wie welche Presseinformation wohin schicken?
Kenne ich die fünf einflussreichsten Blogger meiner Branche oder meines Hauptthemas persönlich, wenigstens aber vom Telefon?
1.4
[21]Das unerwartete Medieninteresse
Die Standortbestimmung für Ihre Themen regelt den Normalfall: Die Medien, die regelmäßig berichten, sind bekannt. Diese werden natürlich nicht nur mit Pressemitteilungen adressiert, hier ist die persönliche und direkte Kontaktpflege unverzichtbar. Es muss nicht zwangsläufig eine Krise sein, die Ihr eigenes Unternehmen, Ihren Verband oder Ihr Institut auf einmal in Kontakt mit ganz anderen Medien bringt. Wer könnte im Ausnahmefall, bei einer sehr positiven oder sehr negativen Entwicklung, zusätzlich und vermutlich zeitlich begrenzt, auf einmal Interesse an meinem Unternehmen oder Verband haben? Die Auslöser, die den bisher gewohnten medialen Interessentenkreis auf einmal verändern, können vielfältig sein:
interne Krisenthemen: Massenentlassung, Umweltskandal, Ermittlungsverfahren wegen Steuerthemen, Verfehlungen einzelner Manager, Behauptungen im Internet über Ihr Unternehmen (Shitstorm);
interne, positive Themen: wirklich bedeutende Innovationen mit dem Potenzial, die eigene Branche zu verändern. Sehr relevante Partnerschaften (»mittelständisches IT-Unternehmen schließt Entwicklungskooperation mit Apple/IBM/Microsoft);
Themen von außen: Branchenkrise (bei der Ihr Unternehmen nur exemplarisch herausgegriffen wird), aber auch positive Veränderungen in Ihrer Branche (z. B. Hype um E-Autos oder E-Bikes).
Das plötzliche Engagement eines größeren US-Venture-Capital-Unternehmens bei einem mittelständischen Maschinenhersteller katapultiert diesen über Nacht in die überregionale Wirtschaftspresse. Auch Fachverbände können überraschend zu einer völlig ungewohnten Medienaufmerksamkeit kommen: Dass die Geflügelzüchterverbände von etwas belächelten Exotenorganisationen zu gefragten Interviewpartnern wurden, liegt aber wirklich nur an der Vogelgrippe und wird nicht zur Folge haben, dass sich Wirtschafts- und sogar Politikredakteure auch nach dem Abflauen des Medien-Hypes noch großartig für diese Organisationen interessieren werden. Eine Standortbestimmung für die eigene Pressearbeit muss also auch schnell auf neue Themen und vor allem auch auf Krisen reagieren können. Selbstverständlich ist es ein legitimes Werkzeug der Public Relations, sich mit eigenen Inhalten und PR-Meldungen an ein solches Thema anzuhängen. Das Medieninteresse an dem erfolgreichen Börsengang eines Herstellers von E-Bikes wird jeder Wettbewerber nutzen, um die Öffnung für dieses Thema in den Medien für sich einzusetzen. Vorsicht, solche Offenheit gegenüber neuen Themen kann in den Medien sehr kurzfristig sein!
[22]Der Unternehmer, der seine Pressekontakte ansonsten auf die regionale Presse beschränkt, sollte sich über eines klar sein: Wenn zwei seiner Mitarbeiter in Afghanistan entführt werden, ist sein Unternehmen sofort für die bundesweite Presse interessant. Jetzt hätte ihm niemand übel genommen, bundesweit eine Stellungnahme zu verbreiten, in der er seine Sicht der Dinge beschreibt. Im Gegenteil, dies wäre journalistisch korrekt gedacht gewesen.
Die Gefahr, durch eine Krise auf einmal in den Mittelpunkt eines weit größeren Medieninteresses zu stehen, birgt auf der Gegenseite auch eine Chance. Wenn es gelingt, bei einem »großen Thema« auf der Bugwelle mit zu schwimmen, ist dies handwerklich legitim, wenn man denn auch wirklich einen journalistisch interessanten Aspekt zu dieser »Topstory« beitragen kann. Denn dann sind manchmal auch die überregionalen Medien froh, einen Interviewpartner zu diesem Thema präsentiert zu bekommen, den die Konkurrenz noch nicht hat.
Als Ende Mai 2013 sogar Autobahnen wegen andauernder Wolkenbrüche gesperrt werden mussten, wäre dies auch eine großartige Chance gewesen, sich (zudem an einem nachrichtenschwachen Sonntag) ganz schnell in diese Nachrichtenlage einzuschalten:
Die regionale Versicherungsgesellschaft aus dem betroffenen Gebiet mit dem Hinweis »Ohne angemessene Fahrweise kein Versicherungsschutz bei Aquaplaning«.
Das regionale Reifenfachhändler-Netzwerk mit »Nach dem Regenschock: Unbedingt Reifenprofil regelmäßig überprüfen lassen«.
Der größte Modeanbieter der Region mit »Regen und Kälte im Mai – mit ›Zwiebelbekleidung‹ Erkältungen verhindern«.
Aber nicht nur mit solch nicht planbaren Themen können Absender, die sonst nicht auf das größte Interesse der überregionalen und vor allem General-Interest-Presse stoßen, zu einem überproportionalen Medienecho verhelfen.
[23]EM 2012 – Party feiern, aber bitte ohne Kater-Kopfschmerzen
Die Vorfreude auf den Beginn der Fußball-EM steigt von Tag zu Tag. Selbst verständlich sind bei den meisten Fans auch schon die Party-Vorbereitungen in vollem Gang. Der Fernseher ist ausgerichtet, der Grill ist bereit und das Bier steht auch schon kalt. Damit es am nächsten Morgen kein böses Erwachen gibt, hier einige Informationen zum Thema Kater-Kopfschmerz.
Wer mit einem Kater am Morgen erwacht, und da sollte man sich nichts vormachen, der hat tatsächliche eine leichte Alkoholvergiftung erlitten … Wer sich allerdings auf ein alkoholisches Getränk beschränkt und nicht querbeet Wein, Bier, Whiskey und Schnaps mischt, hat bessere Chancen, dass der Kater nicht allzu unangenehm ausfällt […]
Wer dennoch eine Schmerztablette einnehmen möchte, sollte bei Kater-Kopfschmerzen ein Medikament mit dem Wirkstoff Ibuprofen wählen und besser auf Wirkstoffe […]
Weitere Informationen sowie unseren gesamten Ratgeber Gesundheit finden Sie unter www.arzneimittel.de.
Warum ist das nun ein positives Beispiel, obwohl das eigentliche Kriterium »News-Wert« nicht erfüllt ist? Schließlich hat »arzneimittel.de« nichts mit dem Fußballturnier zu tun und. Dass dieses stattfindet, ist nun keine neue Nachricht mehr?
Unter der Nachrichtenkategorie »News you can use«, also Service- und Ratgeberthemen, passt dieser Text sehr gut.
Der Absender unternimmt keinen Versuch, zu suggerieren, das Unternehmen selbst habe etwas mit der eigentlichen Nachricht zu tun, sondern bleibt völlig im Hintergrund. Nur der Hinweis am Ende stellt einen Zusammenhang mit dem Absender her, dies ist aber unter dem Aspekt »Quellennennung« zu viel der Zurückhaltung. Die Angabe »Damit es am nächsten Morgen kein böses Erwachen gibt, hier einige Informationen der Online-Apotheke arzeinmittel.de zum Thema Kater-Kopfschmerz …« hätte nicht geschadet.
Die Fachkompetenz des Absenders ist bei diesem Thema glaubwürdig.
Negativ: Etwas weniger Prosa in der Einleitung wäre besser gewesen, der Satz »Der Fernseher ist ausgerichtet …« ist unnötig, so schwer ist dieses Szenario nicht zu verstehen.
[24]Also kein hartes News-Thema, kein unverzichtbares Thema – aber ein Thema, das zahllose Medien sofort aufnahmen. Journalistisches Kriterium: Das Thema Champions League war ohnehin unumgänglich, da kommt dieses Seitenthema als Ergänzung, als Füllstoff, als nette Randmeldung gerade recht. Wer mittels nachvollziehbarer Kriterien etwas zu einer aktuellen, überregionalen Entwicklung oder zu einem überregionalen Ereignis sagen kann, darf sich an solche Themen anhängen. Nur darf der Zusammenhang nicht völlig aus der Luft gegriffen sein.
Checkliste: Unerwartete Themen
Seien Sie auf die Ausnahme vorbereitet: Welche Themen könnten auf einmal ein starkes Medieninteresse auslösen? Hätten Sie die Antworten?
Gibt es Möglichkeiten, sich handwerklich korrekt an »große Themen« zu hängen und so zumindest zeitlich befristet mehr Resonanz zu bekommen?
Mit welchen (Natur)Ereignissen steht unser Produkt oder unsere Dienstleistung in Verbindung?
An welche Themen des täglichen Lebens können wir unsere Pressearbeit ausrichten?
1.5
Der Verteiler ist ein zentrales PR-Werkzeug
Diskutieren und recherchieren Sie, für welche Medien Ihre Themen interessant sein könnten. Unter Umständen müssen Sie dies auch für Teilbereiche, Tochtergesellschaften, Unterverbände oder andere Standorte tun. Aber ohne diese zeitaufwendige und mühsame Recherche, deren Ergebnisse mindestens drei- bis viermal im Jahr überprüft werden müssen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als Ihre Pressemitteilungen als Massenware zu verbreiten: in der Hoffnung, dass sich schon ein berichtender Journalist finden wird. Aus der Recherche entsteht ein Verteiler, nach wie vor mit das grundlegende Werkzeug in der Öffentlichkeitsarbeit. Es reicht nicht, hier den Namen und die Kontaktdaten des Journalisten oder Bloggers zu speichern, dies ist nur der Anfang. Mindestens sollte Ihr Verteiler enthalten:
[25]Name, Telefonnummer, direkte Mailadresse, Postanschrift, Alter des Journalisten (vor allem, um die Frage zu beantworten, ob er schon mit TWITTER & Co aufgewachsen ist);
Medium, Ressort und Themenschwerpunkte;
XING- oder LINKEDIN-Profil, Blogs;
Beispielartikel des Autors;
muss persönlich abgefragt werden: Wie wünscht der Kollege Pressemitteilungen, mit oder ohne Anhang, mit oder ohne Plain Text usw.;
andere Informationen wie persönliche Lieblingsthemen des Redakteurs, Notizen von persönlichen Treffen etc.
Je mehr zumindest über die Journalisten bei den 20 Top-Zielmedien bekannt ist, desto passender können Inhalte für diese Empfänger aufbereitet werden. Eine Arbeit, die sich unbedingt lohnt, auch und gerade bei einer immer unübersichtlicheren Kommunikationslandschaft.
Angesichts der mehr als 80.000 haupt- und freiberuflichen Journalisten, ohne Blogger mitzuzählen, stellt sich selbst für große Unternehmen die Frage, ob man sich in der Pressestelle wirklich im Detail mit der exakten Adressierung dieser journalistischen Zielgruppen beschäftigen kann. Bei allen Veränderungen in der Medienbranche bleibt aber ein Grundsatz gültig: Nichts ersetzt einen persönlichen Kontakt zu einem Journalisten oder Multiplikator, nichts ist hilfreicher als ein direkter Zugang zu einer Redaktion. Konzentrieren Sie sich auf eine größtmögliche Zahl persönlicher Kontakte!
Denn auch der Berater der von Ihnen beauftragten PR-Agentur wird nie so authentisch mit einem Journalisten reden können, wie Sie es als Botschafter Ihres Unternehmens, Ihres Verbandes oder Ihrer Institution tun. Das heißt: Wenigstens zehn bis zwanzig Journalisten bekommen immer und ausschließlich von Ihrem persönlichen Mail-Account die Presseinformationen, und diese »journalistischen VIPs« sind für Ihren PR-Dienstleister oder Ihre PR-Agentur tabu. Distributionsdienstleister in diesem Bereich haben nur die Funktion, diejenigen Journalisten mit Ihrer Pressemitteilung zu versorgen, die sich generell auch für Ihre Branche oder Ihre Themen interessieren könnten und sorgen so für ein mediales Grundrauschen.
Auch wenn Distributionsdienstleister gerne behaupten, man würde auch relevante Blogger mit Unternehmensinformationen versorgen können: Dies stimmt so selten und ist auch nicht sinnvoll. Für jede Branche ist es möglich, die relevanten Blogger selbst zu recherchieren und den persönlichen Kontakt aufzunehmen. Die Professoren Lothar Rolke und Andrea Beyer schreiben im Februar 2013 für DER PRESSESPRECHER über Blogger und ihren Umgang mit PR:
[26]»Sie werden in einzelnen Branchen zu professionellen Publizisten, die sich zwischen klassischen Journalisten und Facebook-Aktivisten erfolgreich positioniert haben. Für PR-Leute werden sie zunehmend zu interessanten Mitspielern, weil es ihnen gelingt, relevante Teile der Netzöffentlichkeit auf ihre Plattform zu ziehen. 10 bis 20 Blogger dürften in den großen Branchen bereits meinungsbeeinflussend sein oder über ein entsprechendes Potenzial verfügen. Und deshalb die kommunikativen Interessen von Unternehmen berühren. Doch Blogger sind anders. Sie sind eigenwilliger als Journalisten und nachhaltiger als Facebook-Aktivisten. Wer sie kennenlernen möchte, dem nützt das traditionelle Handwerkszeug der Pressearbeit wenig. Er muss sich Zeit nehmen, die Welt der freien digitalen Publizisten und der Experten für Nischenthemen zu erkunden.«
Wenn Sie Blogger ernst nehmen und mit ihnen wirklich in den Dialog treten, haben Sie ein gutes Stück PR-Arbeit für Ihr Unternehmen geleistet
Checkliste: Medien gezielt adressieren
Wenn ich nichts über den Beruf des Journalisten weiß, kann ich nicht auf Augenhöhe mit Journalisten reden.
Wenn ich nicht die wesentlichen Entwicklungen im Medienbereich kenne, kann ich kein akzeptierter Gesprächspartner für die Medien sein.
Nur im persönlichen Kontakt lassen sich Themen erfolgreicher platzieren als über den Versand einer Pressemitteilung.
Ein persönlicher Kontakt nimmt auch viel eher meine Pressemitteilung positiv auf.