Die Reise zum Mittelpunkt der Zeit - Michael Marrak - E-Book

Die Reise zum Mittelpunkt der Zeit E-Book

Michael Marrak

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Beschreibung

Jenseits der Grenzen der Schöpfung, im Mittelpunkt der Zeit, liegt, so steht es geschrieben, das sagenumwobene Land Tamuria. Unbedarfte Reisende behaupten, es sei nicht mehr als ein ephemeres Trugbild, und sein Name lediglich ein ausgeschmücktes Anagramm des Wortes "Traum". Meta-Somnambulisten, Wachkoma-Automaten und Zwölfschläfer wissen jedoch, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Wenn Menschen, Mechanoide oder Neuronenglänzer bezeugen, sie hätten einen wunderbaren, einen aufregenden oder gar einen furchterregenden Traum geträumt, waren sie womöglich zu Besuch in jenem Land, das so fern aller Länder und Welten liegt - und doch so nah, dass jeder es bei Tag und Nacht zu bereisen vermag. Wenn Traumwandler behaupten, sie hätten geträumt, dann waren sie womöglich über Tamurias Flure gewandelt; mit Freude, Entzücken und Lust - oder auch mit Grauen, Schauder und Schrecken, denn der Mittelpunkt der Zeit wahrt für jeden, der seine Gestade erreicht, ein eigenes Gesicht. Die Fortsetzung zum "Kanon mechanischer Seelen". Bereits bei Amrun erschienen: Der Kanon mechanischer Seelen Der Garten des Uroboros (März 2019)

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© 2018 Amrûn Verlag Jürgen Eglseer, Traunstein

Umschlagbild und -gestaltung: Michael Marrak Lektorat und Korrektorat: Isa Theobald

Alle Rechte vorbehalten ISBN TB – 978-3-95869-377-7

Printed in the EU

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amrun-verlag.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar

1 18

 

 

 

 

 

 

 

 

Diese Novelle entstand im Rahmen der Wiedereröffnung der Bibliothek des Goethe-Instituts in Dublin

im September 2018.

 

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Goethe Instituts Irland

 

 

MICHAEL MARRAK

DIE REISE

 

 

 

Dreifach ist der Schritt der Zeit: Zögernd kommt die Zukunft hergezogen, Pfeilschnell ist das Jetzt verflogen,

Ewig still ist die Vergangenheit.

 

Friedrich Schiller

 

 

I 1 I

CHRONIK DER TEMPORALEN ZEITMASCHINE AEON ALUMNI

Kapitel I: Tempora mutantur

ÜBERSETZT UND TRANSKRIBIERT

VON DER MASCHINE, DIE ALLE PROBLEME LÖST UND UNSERE SPRACHE SPRICHT

ANNO 8299 MAGNI DYNAMI AETERNI FASTIS

Vor der Zeit, dem Raum und dem Äther gab es nur das Nichts – und Myriaden vergehender, ziellos umhergeisternder Partikel dessen, was davor gewesen war. Bemüht, ersten unfertig erdachten Proto-Zeitfunken auszuweichen, trieben sie auf der Suche nach Sinn und Bedeutung durch unmechanische Eindimensionalität.

Das Nichts war wild, still und voller Punkte.

Als die Zeit begann, verhielt sich alles Erdenkliche mit einem Mal undenkbar merkwürdig. Eine erste Molekülwolke geriet in Turbulenz, begann selbstvergessen zu rotieren, drohte ohne ein strahlendes Ideal jedoch einsam wieder zu verwehen. Sie stieß zur Stabilisierung eine unter ihrer Temporalkorona verborgene Akkretionswolke aus, stolperte in die Dynamik der Ekliptik und entkam einer fatalen Kausalkette nur durch das Auswerfen jovianischer Materiegeschwüre. Erleichtert zündete sie ihren Kern, erstrahlte hell, erschrak ob ihrer einzigartigen Schönheit, schlingerte geblendet aus ihrem Brennpunkt – und verglühte.

Zeit verging. Raum expandierte.

Lichtbögen tanzten verblassend ins Nichts.

Ein erstes stabiles Kontinuum bildete sich und schuf einen Urgrund ohne Horizonte. Unsichtbares geschah, Sichtbares nicht, manches mit Absicht, das meiste ohne.

Dann öffnete sich das Substanzverlies, und der Gott mit den unzertrennlichen Entitäten trat heraus. Es war ein Augenblick universeller Sensation und Illumination. Der große Himmelsmechaniker begann zu schöpfen, tat es länger, bald schon höher und auch weiter. Er duplizierte sich, trat auf sich zu, wich wieder zurück und hielt Rücksprache mit der Parallelität. Schwebte vorwärts in die Mitte des expandierenden Raumes, zählte seine Geistesblitze, zog sie von allen bereits existierenden Atomen ab und erhielt minus acht. Schwebte rückwärts, begann eine Romanze mit einer mikrokosmischen Betise, subtrahierte sie von seinem Intellekt und erhielt ebenfalls minus acht. Sinnierte über die Wahrscheinlichkeit des Zufalls, addierte ihn zu seinen Entitäten, kam jedoch auf keinen grünen Zweig. Schließlich begnügte er sich einen kosmischen Atemzug lang mit Abstrakta, verlor das Gleichgewicht und stürzte in den kausalen Zusammenhang der niederen Quantenphysik.

Das Substanzverlies schloss sich, die Entitäten des Gottes ohne Entitäten blieben zurück. Verwaisten. Begannen umherzuwandeln. Erreichten die Grenzen des Vorstellbaren. Kehrten zum Mittelpunkt des Universums zurück und ließen sich nieder als Zeit und Raum.

I 2 I

Ninive ließ ihren Blick über das acht Meter hohe Stadttor schweifen. Es hieß, der Große Dynamo selbst hätte es einst anfertigen lassen, nachdem er beim Durchschreiten des alten hölzernen Tores mit seinem Magnetwalzen-Cephalon am First hängengeblieben war. Da es einem Mecharegenten nicht oblag, sich beim Betreten seiner eigenen Kronstadt vor selbiger zu verneigen, hatte er kurzerhand verfügt, das alte Stadttor zu verfeuern und ein neues zu errichten. Ein würdiges, monumentales, ehernes Portal, das ihn und seinesgleichen lobpries, sobald er oder niedererer Mecha-Adel sich ihm näherten. Und das Streuner, Gesindel und Wildmechanoiden in die Schranken wies, sobald es ihrer gewahr wurde, um sie von der Stadt fernzuhalten.

Umrahmt von aus Bronze gegossenen Konterfeis aller Magistrate und Ratspräsidenten, die in den vergangenen tausend Jahren die Geschicke der Stadt gelenkt hatten, prangte im Zentrum der Torflügel ein lebensgroßes Abbild des Großen Dynamos.

Staunend betrachtete Ninive das monumentale Relief. Es zeigte ein kegelförmiges Gebilde mit Kugelkopf und sechs armartigen Auswüchsen, aus deren Enden stilisierte Blitze zuckten. Auf die Wandlerin wirkte er mehr wie ein Weltenzerstörer als ein Deus mechanicus.

Einige der Magistratengesichter hatten den Blick gesenkt und starrten grimmig auf die Besucherin herab.

»Hallo!«, rief Ninive in die Höhe. »Mein Name ist …«

»Ich kenne dich!«, grollte das Tor aus allen Mündern. »Jeder kennt dich! Du bist hier nicht erwünscht!«

Unbewusst war die Wandlerin einen Schritt zurückgetreten.

»Was soll das denn heißen?«

»Dass du ein Problem bist.«

»Ich könnte dich entseelen«, warnte Ninive. »Problem gelöst.«

»Mitnichten, Menschending. Ich wurde vom Großen Dynamo persönlich zum Leben erweckt. Daran beißt selbst du dir die Zähne aus.«

»Wir können es gerne auf einen Versuch ankommen lassen«, schlug Ninive vor.

»Zudem ist Wildwandlern das Beund Entseelen innerhalb dieser Mauern aufs Strengste untersagt!«, fügte das Tor eilig hinzu, als die Besucherin sich ihm mit ausgestreckter Hand näherte.

»Bereits der Gedanke daran, diese verwerfliche Gabe zu nutzen, ist meldepflichtig und unbedingt ahndungswürdig!«

Ninive verdrehte die Augen. »Was willst du?«, rief sie. »Einen Obolus?«

Die Köpfe auf dem Tor warfen sich bedeutungsvolle Blicke zu.

»Das ist zu wenig«, erklang es im Chor. »Einen für jeden von uns! Das ist gerecht.«

»Sie darf passieren!«, widersprach eine Frauenstimme. »Und gewiss zollfrei.«

Den bronzenen Gesichtern gefror das Lächeln auf den Lippen.

»Verräterin!«, gifteten sie, bevor die Unbekannte überhaupt zu sehen war. »Zwietrachtsäerin! Ich mache Meldung! Jawohl, Meldung!«

Am Fuß des Portals hatte sich der Spalt einer Tür geöffnet. Aus dem Dunkel dahinter schlüpfte jedoch kein Mecha oder beseeltes Artefakt ins Freie, sondern eine alte, fast gänzlich in weiße und violette Tücher gehüllte menschliche Frau. Obwohl sie auf Ninive nicht wirkte, als führte sie Böses im Schilde, wich diese erneut ein Stück zurück.

»Ninive Barthellemy«, sagte die Frau, nachdem sie aus dem Schatten getreten war. »Willkommen!«

Die Wandlerin blickte skeptisch auf das Stadttor. »Ach, wirklich?«

»Nein!«, grollten die Magistratenköpfe.

»Schweigt still!«, gebot die Frau ihnen, ohne das Lächeln auf den Lippen zu verlieren. Sie blieb vor Ninive stehen, musterte die Besucherin von oben bis unten und sagte: »Ich habe lange auf diesen Tag gewartet, mein Liebes. Trägst du Waffen bei dir?«

»Was? Nein!«

»Was hast du in deinem Rucksack?«

»Nur …«

»Zeig her!«

Ehe Ninive sich versah, hielt die Frau selbigen in den Händen.

»Wie … wie habt Ihr das gemacht?«, staunte die Wandlerin, zu perplex, um wütend auf die Dreistigkeit ihrer vermeintlichen Helferin zu sein.

»Ich bin alt«, murmelte die Frau. »Und lebe in einer Stadt voller Mecha-Gauner, die einem beim Laufen die Schuhe von den Füßen und den Schmalz aus den Ohren klauen, wenn man nicht Acht gibt.« Sie kramte mit einer Hand im Rucksack, verdrehte dabei die Augen und murmelte »Mhm« und »Aha«. Dann reichte sie ihn Ninive zurück, nickte mit dem Kopf zum Tor und sagte: »Wir sollten uns beeilen, ehe einer der Ordnungsbarken auffällt, dass die Tür offensteht.«

»Warum tut Ihr das?«, fragte die Wandlerin. »Bekommt Ihr wegen mir keinen Ärger mit dem Exekutiv-Paragraphon?«

»Ach, was soll mir die alte Brüllschüssel denn schon anhaben?« Sie schob Ninive in Richtung Portal. »Ich erhalte eine Anzeige wegen Schleuserei, das Stadttor von mir eine Anzeige wegen Wegezollschleicherei, das gibt sich die Waage. Aber bevor die ersten Wächter ausschwärmen und das ganze Geheule und Geschepper losgeht, sollten wir uns von hier verdünnisiert haben.«

Hinter dem Stadttor lag ein halbkreisförmiger, zu Ninives Erstaunen menschenund maschinenleerer Platz, über dem lediglich ein gutes Dutzend bunte Willkommensfahnen im Wind flatterten. Von ihm führten drei schmale, bald schon finstere, mit Oberhäusern, Promenadendächern, zahllosen Torbögen und Etagentunnels überbaute Gassen in die Limbusstadt, die den Kernzonenbereich ringförmig umgab. Über den Dächern und Fahnen jedoch schwebten touristenbeladene Aerodroschken, Rohströmer, Batterietransporter, Energieschmerle, Wolkenschieber und mit allen Armen wedelnde Ordnungsbarken umher, hupten, brummten, pfiffen, spielten Mischmaschinenmusik oder ließen Warnsirenen heulen, sobald sie einander zu nahe kamen. Dass von all dem dennoch kaum ein störender Ton den Erdboden erreichte, verdankte die Stadt einer Legion von Gegenschallern, die mit in den Himmel gerichteten Lautsprechern auf sämtlichen Gebäudedächern saßen.

»Woher wusstet Ihr, dass ich vor dem Tor stehe?«, fragte Ninive, während sie der Frau durch die verwinkelten Gassen folgte.

»Denkst du etwa, die Stadt sieht nur, was innerhalb ihrer Mauern vor sich geht?«, antwortete die Fremde in leicht belustigtem Tonfall. »Ich habe dich beobachtet, seit du Flodds Quelle passiert hast.«

»Ihr kennt Flodd?«, staunte Ninive.

»Natürlich, mein Kind. Jeder kennt Flodd. Velocipedior III. war bereits drauf und dran, ihn hierher einzuladen.«

»Flodd? In die Stadt?«

»In der Tat«, bestätigte die Frau. »Der Präsident hatte sogar schon das einstimmige Einverständnis des Dynamo-Rates, ihm zu diesem besonderen Anlass ein temporäres Premium-Gastflussbett graben zu lassen – samt der Erlaubnis, dass Flodd die unterirdischen Kanäle nutzen dürfe, um eigens im großen Barnacoll-Gedächtnisbrunnen aufzusprudeln und die Ehrenbürgerschaft entgegenzunehmen.«

»Weiß er etwas davon?«

»Flodd? Nein. Mein Primusmündel und ich hatten den Rat davon überzeugt, dass die Einladung eines beseelten Flusses in eine Stadt, in der mit Wasser so gut wie alles angestellt wird, was einen cholerischen Elementargeist auf die Palme bringt, keine so gute Idee wäre …«

»Was ist denn ein Primusmündel?«

Die Frau warf Ninive im Gehen einen mitleidig-amüsierten Blick zu. »Liebes Kind …«

»Ich bin kein Kind!«, beschwerte sich die Wandlerin.

»… glaubst du etwa, der Präsident hätte die Zeit, sich tagein, tagaus um seine menschlichen und mechanischen Protegés zu kümmern?« Sie blieb an der Einmündung auf eine breite Quergasse stehen und hielt Ninive an, einen Augenblick zu warten. Prüfend warf sie einen Blick um beide Ecken, dann sah sie in die Höhe und suchte den Himmel nach Ordnungsbarken ab.

»Der Vorstadtlimbus endet hier«, erklärte sie der Wandlerin.

»Sieh dich ab jetzt nicht mehr um wie eine Diebin, sondern so, als würdest du hierhergehören.«

»Wie denn?«

»Nicke allen Mechas freundlich zu, höre auf die Stimmen überdir und grüße die Häuser, die Straßen und die Luft …«

I 3 I

Ninive hatte jenseits der Bezirksgrenze geschäftiges Treiben erwartet, doch abgesehen von vereinzelt umherhuschenden mechanischen Gestalten waren die Gassen, durch die die geheimnisvolle Fremde sie schleuste, leer.

Das heißt: fast leer – denn kaum hatten sie und Ninive die Kernstadt erreicht, standen auf allen Straßen und Plätzen wahllos verstreut viereckige, kaminartige Gebilde herum. Sie waren vielleicht anderthalb Meter hoch, aus gebrannten Ziegelsteinen gefertigt und unterschieden sich untereinander kaum in der Breite. Manche von ihnen waren sogar verputzt und geschmackvoll gestrichen, während andere nur blankes Mauerwerk aufwiesen. Alle besaßen ein kleines Dach, viele sogar ein winziges Fenster mit zugezogenen Gardinen. Auch bei den Dächern entdeckte Ninive Unterschiede. Einige von ihnen bestanden nur aus Stroh oder Riedgras, andere aus Holz, Ziegeln oder Schiefer. Es gab Walmdächer, Satteldächer, Kuppeldächer, Mansardendächer und Zeltdächer. Jene Kamine, die ein besonders schönes Dach und einen besonders geschmackvollen Anstrich zur Schau trugen, besaßen sogar einen hübsch bepflanzten Blumentopf vor dem Fenster.

Erstaunlich war, dass sie allesamt bewohnt zu sein schienen. Aus einigen der Kaminhäuser ragte oben der Kopf eines Mechas heraus, wobei dieser das dazugehörige Dach wie einen extravaganten Hut auf den Kopf gebunden trug. Dennoch sahen die Bewohner, die in den Gebilden eingeschlossen waren, nicht besonders unglücklich aus. Teils neugierig, teils desinteressiert, musterten sie Ninive und die sie führende Frau. Links und rechts der Kamine gab es Öffnungen für Arme, und ein Stück darunter gusseiserne Tragegriffe, um das gesamte Gebilde anzuheben. Ab und zu bewegte sich eines dieser offensichtlich recht schweren Objekte auch tatsächlich ein paar Meter über die Straße.

»Was soll das denn sein?«, wunderte sich Ninive. »Eine Strafe?«

»Oh nein, das ist die neueste Mode«, winkte die Frau ab.

»Davor trug jeder in der Stadt den letzten Schrei, aber das war den meisten irgendwann einfach zu laut. Selbst Wanderer und Tandler wurden davon so abgeschreckt, dass über die Jahre immer weniger Händler in die Stadt kamen.«

Ninive beobachtete die Mechas dabei, wie sie ihre Behausungen mühevoll anhoben, mit ihnen ein paar Schritte weit die Straßen entlang trippelten und die Gemäuer seufzend oder stöhnend wieder absetzten.

»Wohnen sie etwa in diesen Dingern?«

Die Frau sah die Wandlerin verwundert an. »Nein, sie wohnen natürlich in ihren Häusern«, erklärte sie. »Der Magistrat hat vor einigen Jahren das neue Wohnraumgesetz verabschiedet. Es sichert jedem Bürger das Recht auf eigene vier Wände und ein Dach über dem Kopf zu. Dummerweise gab es dabei ein kleines Malheur mit dem gleichzeitig verabschiedeten Mode-Reformationsgesetz, welches das Tragen des letzten Schreis offiziell verbot. Bei der Proklamation beider Gesetze geriet wohl etwas durcheinander, und das hier war das Ergebnis.« Sie machte eine entschuldigende Geste. »Na ja, Diebe sind seither wesentlich einfacher zu stellen, und leibhaftige Auseinandersetzungen gibt es so gut wie keine mehr. Die einzige Straftat, die deutlich zugenommen hat, ist Hausfriedensbruch.« Sie warf einen Blick über ihre Schulter. »Bist du an deinen eigenen vier Wänden interessiert? Es gibt preisgünstige Touristenmodelle …«

»Nein, danke.«

»Stehengeblieben!«, erscholl ein diesem Moment eine Stimme über ihnen.

Ninive duckte sich erschrocken in den Schatten eines Hauseingangs. »Jetzt haben sie uns!«, flüsterte sie.

»Unsinn!« Die Frau zog die Wandlerin am Ärmel ihres Mantels mit sich und führte sie auf einen mit mechanischen Bewohnern gefüllten Paradeplatz. »Das ist nur ein Prozessions-Proklamat. Lächle gefällig und verhalte dich so, als wäre das alles völlig normal.«

»Aber hier wimmelt es von Mechas!«, zischte Ninive und hielt sich den Saum ihres Mantels vors Gesicht.

»Die haben anderes im Fokus als uns beide.«

Die Wandlerin schüttelte die Hand der Frau ab und zog sich an den Rand des Platzes zurück. Aus dem Schatten eines Torbogens beobachtete sie den Zug stumm über den Platz wandelnder Maschinen.

»Ist das eine Trauerzeremonie?«, fragte sie, als die Fremde sich ebenfalls zu ihr gesellt hatte.

»Nein, der monatliche Altöl-Gedenkmarsch«, erklärte diese.