Die Reisen des Ibn Battuta. Band 2 -  - E-Book

Die Reisen des Ibn Battuta. Band 2 E-Book

0,0

Beschreibung

Auf 120 000 Kilometer hat man die gesamte Reisestrecke geschätzt, die Ibn Battuta im 14. Jahrhundert zu Pferd und Kamel, zu Schiff, im Ochsenwagen und in der Sänfte zurücklegte. Siebenundzwanzig Jahre lang reiste der Marokkaner bis an die Grenzen der damals bekannten Welt. Er lernte Heilige und Wandermönche, Könige, Sultane und Despoten in den entlegensten Teilen der muslimischen Reiche kennen, während er die heiligen Stätten des Islam besuchte: Bagdad, Mekka, Kairo und Damaskus, aber auch Indien, die Malediven und China sind seine Stationen. Nach einem kurzen Besuch Spaniens und einer zweijährigen Reise nach Mali und Niger legte der rastlos Reisende den Wanderstab endgültig zur Seite. Der Bericht, den er nach seiner Rückkehr diktierte, trug ihm nicht nur in der arabischen Welt den Beinamen des größten Reisenden des Islam ein. Im zweiten Band führt die Reise von Delhi und Südindien auf die Maledivenund Ceylon, dann nach China und schließlich nach Spanien und in die Sahara. Nachwort sowie Hinweise auf die arabische Aussprache und reichhaltiges Kartenmaterial vervollständigen den Reisebericht.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 767

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Auf 120.000 Kilometer hat man die gesamte Reisestrecke geschätzt, die Ibn Battuta im 14. Jahrhundert zu Pferd und Kamel, zu Schiff, im Ochsenwagen und in der Sänfte zurücklegte. Siebenundzwanzig Jahre lang reiste der Marokkaner bis an die Grenzen der damals bekannten Welt. Er lernte Heilige und Wandermönche, Könige, Sultane und Despoten in den entlegensten Teilen der muslimischen Reiche kennen, während er die heiligen Stätten des Islam besuchte: Bagdad, Mekka, Kairo und Damaskus, aber auch Indien, die Malediven und China sind seine Stationen. Nach einem kurzen Besuch Spaniens und einer zweijährigen Reise nach Mali und Niger legte der rastlose Reisende den Wanderstab endgültig zur Seite. Der Bericht, den er nach seiner Rückkehr diktierte, trug ihm nicht nur in der arabischen Welt den Beinamen des größten Reisenden des Islam ein.

Im zweiten Band führt die Reise von Delhi und Südindien auf die Malediven und Ceylon, dann nach China und schließlich nach Spanien und in die Sahara. Nachwort sowie Hinweise auf die arabische Aussprache und reichhaltiges Kartenmaterial vervollständigen den Reisebericht.

 

HORST JÜRGEN GRÜN begann nach seiner Pensionierung im Jahre 1998 ein Studium mit dem Schwerpunkt Geschichte und Germanistik an der TU Darmstadt. Dabei gerieten schon bald die arabischen Reisenden des Mittelalters, insbesondere der Marokkaner Ibn Battuta in den Mittelpunkt seines Interesses. Dessen Reisebericht lag bislang nur in verschiedenen Fremdsprachen vor – Grund genug, den opulenten Text endlich ins Deutsche zu übertragen.

Die Reisen DesIbn Battuta

Herausgegebenund aus dem Arabischen übersetztvon Horst Jürgen Grün

Band 2

Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter:www.allitera.de

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliographie;detaillierte bibliographische Daten sind im Internetüber <http://dnb.ddb.de > abrufbar.

Januar 2007

Allitera Verlag

Ein Verlag der Buch&media GmbH, München

© 2007 Buch&media GmbH, München

Umschlaggestaltung: Kay Fretwurst, Freienbrink

Herstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Printed in Germany

ISBN 978-3-86520-230-7

Inhalt

Band 1

Vorbemerkung

Aufbruch nach Ägypten

Syrien

Nach Mekka

Persien und der Iraq

Von der Ostküste Afrikas in den Persischen Golf

Durch Kleinasien

Südrußland

Die Reise nach Konstantinopel

Von der Wolga an den Indus

Band 2

Der Weg nach Delhi

Das Sultanat von Delhi

Sultan Muammad bin Tuluq

Die Herrschaft des Muammad bin Tuluq

Im Dienste des Sultans

Durch Südindien

Auf den Malediven

Ceylon, Indiens Küsten und Bengalen

Die Reise nach China

Die Rückkehr

Spanien

In den Süden der Sahara

Nachwort Ibn uzayy

Anhang

Zur Aussprache des Arabischen

Die Monate des islamischen Mondjahres

Glossar häufig verwendeter Begriffe

Literatur

Karten

Der Weg nach Delhi

Es spricht Scheich AbAbdallh Muammad bin Abdallh bin Muammad bin Ibrhm al-Lawti--an, genannt Ibn Baa – Gott sei ihm gnädig:

Als der erste Tag des Gottesmonats Muarram des Jahres 734 gekommen war, erreichten wir den Fluß des Sind, der als Banb bekannt ist und ›Fünf Wasser‹ heißt.1 Der Fluß zählt zu den größten Strömen der Welt und tritt in der heißen Jahreszeit über die Ufer, so daß das Volk die Überschwemmung für das Einsäen der Felder nutzt, wie es das Volk Ägyptens zur Zeit der Nilschwemme ebenfalls tut. An diesem Strom liegt die erste Provinz des mächtigen Sultans Muammad Šh, des Königs von Indien und dem Sind, und als wir den Fluß erreicht hatten, kamen die mit den Nachrichten beauftragten Offiziere zu uns und schrieben dem Emir von Multn, Qub al-Malik, unsere Ankunft. Zu jener Zeit war der oberste Emir des Sind ein Mamluk des Sultans, der sich Sartaiz nannte, alle Mamluken beaufsichtigte und die Truppen des Sultans vor sich paradieren ließ. Sein Name bedeutet: ›der mit dem lebhaften Kopf‹, denn im Persischen bedeutet ›sar‹ ›Kopf‹ und ›taiz‹ heißt ›scharf, lebhaft‹. Zur Zeit unserer Ankunft hielt er sich in der Stadt Swasitn im Sind auf, die von Multn zehn Tage entfernt ist. Zwischen dem Lande Sind und der Residenz des Sultans in der Stadt Delhi liegen fünfzig Tage, aber wenn die Nachrichtenoffiziere aus dem Sind dem Sultan schreiben, so erreichen ihn die Meldungen mit der Post bereits nach fünf Tagen.

Es gibt in Indien zweierlei Arten von Post: Die Pferdepost heißt ›ulq‹ und setzt Pferde ein, die dem Sultan gehören und an Stationen stehen, die alle vier Meilen aufeinander folgen. Die Stationen der Läuferpost dagegen stehen nur eine Meile auseinander, die in je drei Abschnitte geteilt ist, die ›dwa‹2 genannt werden, denn eine ›Dwa‹ ist eine Drittelmeile, während eine Meile bei ihnen ›kurh‹3 heißt. An jeder Drittelmeile nämlich steht ein belebtes Dorf, außerhalb dessen drei Zelte stehen, in denen, bereit zum Lauf, die Männer sitzen. Sie haben ihren Gürtel geschnallt und ihre zwei Ellen lange Peitsche bereitgelegt, an deren oberem Ende kupferne Glöckchen angebracht sind. Verläßt ein Läufer nun die Stadt, so nimmt er die Post in eine Hand, die Peitsche mit den Glöckchen in die andere und läuft mit äußerster Schnelligkeit. Sobald die Männer in den Zelten den Klang der Glocken hören, machen sie sich bereit, und einer nimmt, sobald der Läufer ankommt, die Post an sich und springt mit größter Geschwindigkeit davon. Er schwingt seine Peitsche, bis er zum letzten Drittel kommt, und so geht es immer weiter, bis die Post ihr Ziel erreicht hat.

Diese Post ist sogar schneller als die Pferdepost, und mitunter wird auf diese Weise sogar Obst aus dem urn transportiert, das man in Indien besonders schätzt. Sie legen es in große Schüsseln und laufen nun damit, bis es den Sultan erreicht. So werden auch die größten Verbrecher fortgeschafft: Sie schnallen einen von ihnen auf ein Bett, heben ihn auf ihren Kopf und laufen mit ihm nun sehr rasch davon. Auch Trinkwasser wird so zum Sultan gebracht, wenn er sich in Daulat bd aufhält: Sie schöpfen es aus dem Ganges, zu dem die Hindus wallfahren und der von dieser Stadt 40 Tagesreisen weit entfernt ist.

Wenn die Nachrichtenoffiziere an den Sultan schreiben, wer ins Land gekommen ist, nehmen sie alles sehr gründlich und sorgfältig in ihren Brief auf, melden ihm, daß ein Mann von der und dieser Art und in der und jener Kleidung eingetroffen ist, mit wie vielen Gefährten, Dienern und Sklaven er gekommen ist, wie viele Reittiere er mitgebracht hat, wie er sich verhält, wenn er reist und lagert, und wie er im allgemeinen aufzutreten pflegt. Nichts von alldem übersehen sie. Wenn der Neuankömmling nun Multn erreicht, die Hauptstadt des Sind, so hält er sich dort auf, bis ein Befehl des Sultans eintrifft, der ihn an seinen Hof befiehlt und besagt, welcher Empfang für ihn dort vorgesehen ist. Denn in diesem Lande wird ein Mann nach Maßgabe seiner Werke, seines Auftretens und seines hohen Sinnes geehrt, denn sein wahrer Wert und seine Vorfahren sind ja unbekannt.

Der König von Indien, Sultan Abu-l-Muhid Muammad Šh, pflegt Fremde zu ehren, und seine Zuneigung zu ihnen zeigt sich darin, daß er ihnen Provinzen und hohe Würden überträgt. Daher stammt die Mehrzahl seiner Höflinge, Kammerherren, Wesire und Qs und Schwäger aus der Fremde. Er hat einen Befehl erlassen, demzufolge jeder Fremde in seinem Lande als ›Lieber Freund‹ anzusprechen sei, so daß diese Anrede für sie zu einem Eigennamen geworden ist. Niemand, der zu diesem König kommt, darf versäumen, ihm ein Geschenk anzubieten und vorzulegen und sich ihm auf diese Weise gefällig zu zeigen. Der Sultan vergilt es ihm mit dem Mehrfachen, und ich werde noch viel von den Geschenken sprechen, die Fremde ihm gemacht haben. Als die Menschen sich an diesen seinen Brauch gewöhnt hatten, begannen die Kaufleute im Sind und in Indien, jedem, der sich an den Hof des Sultans begab, Tausende von Dinaren als Darlehen vorzuschießen. Sie versorgten ihn mit allem, was er dem Sultan zu schenken gedachte oder für sich selbst, zum Beispiel für Reittiere, Kamele oder sonstigen Bedarf, ausgeben wollte. Die Kaufleute standen ihm mit ihrem Vermögen und mit anderen Diensten zur Verfügung, als gehörten sie zu seiner Dienerschaft. Wenn der Besucher nun vor den Sultan trat, machte dieser ihm ein ansehnliches Geschenk. Aus ihm beglich er seine Schulden und erfüllte seine Verpflichtungen. So fand der ganze Handel seinen Lohn und brachte den Kaufleuten großen Gewinn.

Als ich in den Sind kam, ging ich ebenso vor und kaufte von den Händlern Pferde und Kamele, Sklaven und anderes; von einem iraqischen Kaufmann aus Takrt namens Muammad ad-Dr hatte ich bereits in azna ungefähr dreißig Pferde und ein Kamel mit einer Ladung Pfeile erworben, alles Dinge, die dem Sultan geschenkt zu werden pflegten. Dieser Kaufmann war daraufhin in den ursn gegangen, kehrte aber dann nach Indien zurück und verlangte von mir, was ihm zustand. Er erzielte durch mich einen bedeutenden Gewinn und kehrte als reicher Mann zurück. Ich traf ihn viele Jahre später in alab4 wieder, nachdem die Ungläubigen mir alles geraubt hatten, was ich besaß, erfuhr aber keinerlei Wohltat durch ihn.

Als wir den Strom des Sind, den Banb, überquert hatten, drangen wir in einen Schilfsumpf ein und folgten einem Weg, der ihn durchschnitt. Da erschien ein Nashorn vor uns. Es ist ein Tier mit schwarzer Haut, massigem Körper, aber auch mit einem so gewaltigen Kopf, daß seinetwegen ein Sprichwort sagt: ›Das Nashorn: ein Kopf ohne Rumpf.‹ Es ist kleiner als der Elefant, aber sein Kopf ist um ein Mehrfaches größer als der eines Elefanten. Es besitzt zwischen seinen Augen nur ein einziges, etwa drei Ellen langes und zwei Spannen dickes Horn. Als es sich uns zeigte, griff einer unserer Reiter es an, aber es stieß mit seinem Horn nach dem Pferd unter ihm, durchbohrte dessen Schenkel und warf es zu Boden. Dann zog es sich in den Sumpf zurück, so daß wir ihm nicht mehr beikommen konnten. Ein zweites Nashorn sah ich auf dem gleichen Weg einmal nach dem Nachmittagsgebet, als es Pflanzen weidete. Aber es floh, als wir versuchten, ihm näherzukommen. Noch ein weiteres Mal sah ich ein Nashorn in der Gesellschaft des indischen Königs. Wir drangen in ein Rohrdickicht ein, der Sultan auf seinem Elefanten, und auch wir ritten auf Elefanten. Zu Fuß und beritten drangen Männer in das Dickicht ein, spürten es auf, töteten es und nahmen seinen Kopf ins Lager mit.

Zwei Tage, nachdem wir den Indus überquert hatten, kamen wir an die Stadt ann5, eine große und schöne Stadt am Flußufer mit gefälligen Märkten, in der der Stamm der Smira wohnt, der sich dort vor langer Zeit niederließ und dessen Vorfahren zur Zeit der Eroberung in den Tagen von a bin Ysuf dort seßhaft wurden, wie es die Geschichtsschreiber der Eroberung des Sind wiedergeben.6 Mir erzählte der gelehrte und wohltätige, der asketische und gottesfürchtige Scheich und Imm Rukn ad-Dn, Sohn des Rechtsgelehrten und frommen Scheichs Šams ad-Dn, der wiederum der Sohn des gottesfürchtigen und asketischen Scheichs und Imms Bah ad-Dn Zakary al-Quraš7 gewesen war – er war einer jener drei, die mir der heilige und fromme Burhn ad-Dn al-Ara in Alexandria genannt hatte und denen ich auf meiner Reise begegnen würde, und tatsächlich, ich habe sie, Gott sei gelobt, getroffen –, er erzählte mir also, daß der erste seiner Vorfahren Muammad bin Qsim al-Quraš8 geheißen hatte und an der Eroberung des Sind in jenem Heere teilgenommen hatte, das a bin Ysuf zu diesem Zwecke entsandt hatte, als er noch Emir im Iraq gewesen war, daß er dort geblieben war und seine Nachkommenschaft sich vermehrt hatte.

Der Stamm dieser Smira ißt nie mit jemandem zusammen, und nie darf sie jemand, wenn sie essen, anschauen. Nie verschwägern sie sich durch Heirat mit einem anderen Stamm, und nie heiratet jemand in den Stamm hinein. Ihr Emir war zu jener Zeit Wunr, dessen Geschichte ich noch erzählen werde.

Von ann reisten wir weiter nach Swasitn9, einer großen, von Wüste und Sand umgebenen Stadt, wo es außer der Umm ln10 keinerlei Bäume gibt. Außer Melonen wird an den Flußufern nichts angebaut, und die Nahrung der Menschen besteht aus Mohrenhirse und Erbsen, die sie ›mušunk‹11 nennen und für die Zubereitung von Brot verwenden. Aber es gibt viel Fisch und Büffelmilch. Sie verspeisen auch ein kleines Tierchen, das sie ›saqanqr‹ nennen und das der Eidechse ähnlich ist, welche die Maribiner die ›kleine Garteneidechse‹ nennen, obwohl sie keinen Schwanz hat. Ich beobachtete, wie sie im Sande nach ihm gruben, es herausholten, ihm den Bauch aufschnitten, die Eingeweide herausnahmen und ihn mit Kurkuma füllten, das sie ›zardašba‹12 nennen, was ›gelbes Holz‹ bedeutet und von ihnen anstelle von Safran verwendet wird. Als ich aber das kleine Tierchen sah, als sie es aßen, fand ich es schmutzig und aß nichts davon.

Wir betraten die Stadt in der größten Sommerhitze; es war so heiß, daß meine Gefährten sich nackt hinsetzten. Sie banden sich nur noch einen Schurz um die Lenden und legten sich einen in Wasser getränkten Schurz um die Schultern. Nach kurzer Zeit aber war dieses Tuch wieder trocken und wurde abermals angefeuchtet und so immer von neuem. Ich besuchte in dieser Stadt den Prediger namens Aš-Šaibn. Er zeigte mir ein Schreiben des Fürsten der Gläubigen und Kalifen Umar bin Abd al-Azz an den ersten seiner Vorfahren, mit dem er ihn als Prediger in dieser Stadt eingesetzt hatte. Sie alle erbten das Amt seit jener Zeit bis auf den heutigen Tag. Der Brief lautet: »Hier ist, was der Diener Gottes und Fürst der Gläubigen Umar bin Abd al-Azz zugunsten eines gewissen Soundso befahl …«, und das Datum war das Jahr 99.13 Und wie der Prediger mir erzählte, hatte Umar bin Abd al-Azz, der Fürst der Gläubigen, mit eigener Hand auf den Brief die Worte gesetzt: »Das Lob allein Gott!«

Ich begegnete auch dem bejahrten Scheich Muammad al-Badd, der in der Zwiya am Grab des heiligen Scheichs Umn al-Mirand lebte. Es wird davon gesprochen, daß er bereits die hundertvierzig Jahre überschritten habe und Zeuge des Meuchelmordes von Al-Mustaim Billh gewesen war, dem letzten Kalifen der Abbsiden, der von dem heidnischen Halwn bin Tankz14, dem Tataren, ermordet wurde. Der Scheich hat trotz seines hohen Alters noch einen kräftigen Körper und kann sich noch auf eigenen Füßen unbeschränkt bewegen.

In der Stadt lebten der oben erwähnte Emir Wunr as-Smir und Emir Qaiar ar-Rm, die beide im Dienste des Sultans standen und ungefähr 1.800 Reiter unter ihrem Befehl hatten. Ein ungläubiger Hindu namens Ratan, der sich gut aufs Schreiben und Rechnen verstand, reiste in Gesellschaft eines Emirs zum Sultan von Indien, der Gefallen an ihm fand und ihn zum ›Großen des Sind‹ ernannte. Er bestellte ihn zum Gouverneur des Sind, wies ihm Swasitn und das zugehörige Land als Lehen an und verlieh ihm auch als Zeichen seiner Würde die Trommeln und Standarten, wie sie den großen Emiren zustanden. Als er in sein Land zurückkehrte, litten Wunr, Qaiar und andere stark unter dem Vorrang des Ungläubigen, den er nun vor ihnen einnahm, und sie beschlossen, ihn zu töten. Als einige Tage seit seiner Rückkehr verstrichen waren, forderten sie ihn auf, in die Bannmeile der Stadt zu kommen, um die dortigen Angelegenheiten zu überprüfen. Zusammen mit ihnen verließ er die Stadt, doch als die Nacht hereinbrach, riefen sie einen Tumult im Lager hervor, indem sie vorgaben, daß ein Raubtier es überfallen hätte. Sie wandten sich zum Zelt des Ungläubigen, töteten ihn, kehrten zur Stadt zurück und nahmen alles an sich, was sie an Geld des Sultans fanden, und zwar zwölf ›lak‹; ein ›lak‹ nämlich ist 100.000 Dinar, so daß die Summe 10.000 indischen Golddinaren entsprach, und ein indischer Dinar hat den Wert von zwei und einem halben maribinischen Dinaren.15 Wunr wurde zum Anführer gewählt und fortan Malik Frz genannt. Er teilte das Geld an die Soldaten aus. Dann aber fürchtete er um sein Leben, weil er so weit von seinem Stamm entfernt war. Er verließ mit seinen Getreuen, die bei ihm waren, die Stadt und wandte sich seinem Stammesgebiet zu. Die zurückgebliebenen Soldaten wählten nun Qaiar ar-Rm zu ihrem Anführer.

Diese Nachrichten gelangten zu Imd al-Mulk Sartaiz, dem Mamluken des Sultans, der damals erster Emir des Sind war und in Multn seinen Sitz hatte. Er sammelte sein Heer und bereitete es auf den Marsch über Land und über den Strom des Sind vor. Zwischen Multn und Swasitn liegen zwölf Tagesmärsche. Qaiar marschierte ihm entgegen und es kam zur Schlacht. Qaiar und seine Getreuen wurden in schmachvoller Weise in die Flucht geschlagen und verschanzten sich in der Stadt. Sartaiz belagerte sie und stellte Steinschleudern gegen sie auf. Schließlich wurde die Umzingelung so unerträglich, daß sie vierzig Tage nach Beginn der Belagerung um Gnade baten, die er ihnen auch gewährte. Doch als sie zu ihm herauskamen, brach er sein Wort, nahm ihnen ihr Hab und Gut ab und befahl, sie alle zu töten. Jeden Tag ließ er einige enthaupten, andere mittenzwei hauen, wieder andere ließ er häuten, die Häute mit Stroh füllen und an die Mauern hängen. Der größte Teil der Mauern war mit Häuten behängt, als seien sie ans Kreuz geschlagen worden, so daß jeden, der es sah, Entsetzen packte. Die Köpfe ließ er mitten in der Stadt zu einem Hügel aufhäufen.

Ich war unmittelbar nach diesem Ereignis in Swasitn angekommen und hatte in einer großen Koranschule Unterkunft gefunden. Ich schlief auf ihrem Dach und sah, als ich in der Nacht aufwachte, die gekreuzigten Häute und schauderte. Mein Herz empfand kein Glück mehr im weiteren Aufenthalt in dieser Madrasa und ich verließ sie. Der gelehrte und gerechte Faqh Al al-Mulk al-ursn, genannt Fa ad-Dn, ehemals Q von Harh, war zum indischen König gereist, der ihm die Verwaltung der Stadt Lhar und des zugehörigen Landes übertragen hatte. Er hatte zusammen mit Imd al-Mulk Sartaiz und seinen Truppen an diesem Feldzug teilgenommen. Ich beschloß, mit ihm nach Lhar zu gehen. Er hatte fünfzehn Schiffe, mit denen er auf dem Strom des Sind gekommen war und die seine gesamte Ausrüstung trugen. Mit ihm reiste ich ab.

Faqh Al al-Mulk besaß unter seinen Schiffen eines, das als ›ahaura‹ bezeichnet wird und von der Art ist, die man bei uns ›arda‹ nennt, aber breiter und kürzer ist.16 In der Mitte steht eine hölzerne Kabine, die man über eine Treppe besteigen kann und auf der ein Sitz für den Emir angebracht ist. Vor ihn setzen sich seine Offiziere, rechts und links neben ihm nehmen die Mamluken Aufstellung. Die Besatzung, die aus etwa vierzig Männern bestand, bediente die Ruder. Rechts und links dieser Ahaura fuhren vier Schiffe, von denen zwei die Ehrenzeichen des Emirs trugen, und zwar Standarten, Trommeln, Trompeten, Fanfaren und eine Art Flöten, die ›aia‹ heißen. Auf den beiden anderen Schiffen fuhren Musikanten, die zunächst Trommeln und Trompeten hören ließen und dann Gesänge vortrugen. So ging es ohne Unterbrechung von Tagesanbruch bis zum Mittagsmahl. Als die Zeit des Mahls gekommen war, drängten sich die Schiffe zusammen und wurden durch Fallreeps miteinander verbunden, so daß die Musikanten auf die Ahaura des Emirs steigen konnten. Sie sangen, bis er sein Mahl beendet hatte. Dann aßen sie selbst, kehrten auf ihre Schiffe zurück und setzten ihre Musik von der Abfahrt bis zum Einbruch der Nacht, sich in gewohnter Weise abwechselnd, fort. Abends wird das Lager aufgeschlagen und der Emir zieht sich in sein Zelt zurück. Tische werden aufgestellt und der größte Teil seiner Truppen nimmt an dem Mahl teil. Nach dem letzten Nachtgebet ziehen die Wachen auf und wechseln einander, ständig die Stunden rufend, ab. Sobald die Männer ihre Nachtwache beendet haben und abgelöst werden, ruft ihr Ausrufer mit lauter Stimme: »O awanda und König! Von der Nacht sind soundso viele Stunden verstrichen.« Dann treten die nächsten Wachen an und wenn auch sie ihren Dienst beenden, ruft ihr Ausrufer, wie viele Stunden verstrichen sind. Ist die Nacht beendet, erschallen Trompeten und Trommeln, das Frühgebet wird gesprochen und das Essen aufgetragen. Nach dem Ende dieses Frühmahls wird abgefahren. Will der Emir auf dem Fluß reisen, so tut er es auf die geschilderte Weise. Reist er dagegen zu Lande, werden Trommeln geschlagen und Trompeten geblasen, die Kammerdiener gehen voran, gefolgt von den Fußtruppen, die unmittelbar vor dem Emir marschieren. Den Kammerdienern selbst reiten sechs Berittene voraus, von denen drei Trommeln um den Hals hängen haben, während die anderen drei Flöten mitführen. Wenn sie sich einem Orte nähern oder sich in ansteigendem Gelände befinden, lassen sie Trommelschlag und Flötenspiel hören. Dann antworten die Trommeln und Trompeten der Soldaten. Rechts und links der Kammerdiener ziehen die Musikanten mit und singen abwechselnd. Sobald die Zeit des Mittagsmahls gekommen ist, macht der ganze Zug Halt.

Ich reiste fünf Tage mit Al al-Mulk, und wir erreichten schließlich den Sitz seines Gouvernements, die Stadt Lhar, eine schöne Stadt an der Küste des großen Ozeans, wo sich der Indus ins Meer ergießt und wo sich zwei Meere begegnen.17 Die Stadt hat einen sehr großen Hafen, den auch die Leute aus dem Jemen, aus Persien und anderen Ländern anfahren. Sie hat sehr viele Einnahmen und ist sehr reich. Emir Al al-Mulk hat mir gesagt, daß sich die Einnahmen der Stadt im Jahr auf sechzig Lak belaufen. Den Wert eines Lak habe ich schon genannt. Davon behält der Emir den zwanzigsten Teil ein. Auf diese Weise vertraut der Sultan seinen Statthaltern die Provinzen an, so daß sie die Hälfte des Zehnten für sich einbehalten.

Eines Tages ritt ich mit Al al-Mulk aus, und wir gelangten sieben Meilen vor Lhar auf eine Ebene, die Trn hieß.18 Dort erblickte ich zahllose Steine in der Form von Menschen und Tieren. Viele waren schon stark verwittert und hatten ihre ursprüngliche Form verloren, so daß nur noch ein Kopf, ein Fuß oder andere Teile zu erkennen waren. Andere Steine sahen aus wie Weizenkörner, Kichererbsen, Bohnen oder Linsen, wieder andere wie Reste von Mauern und Hauswänden. Dann sahen wir Überbleibsel eines Hauses mit einer Kammer aus behauenem Stein, in deren Mitte, wie aus einem einzigen Stein herausgemeißelt, eine steinerne Bank stand, auf der eine Figur saß, die einem Menschen ähnelte, der aber einen viel zu langen Kopf, den Mund auf einer Gesichtshälfte und seine Hände wie ein Gefangener hinter dem Rücken hatte. Es gab dort entsetzlich stinkende Tümpel, und eine der Mauern trug eine Inschrift auf Hindi. Al al-Mulk erklärte mir, daß die Geschichtsschreiber behaupten, an dieser Stelle habe einst eine große Stadt mit einem Volk gestanden, das zum größten Teil ein lasterhaftes Leben führte und in Steine verwandelt wurde. Ihr König sei jener Mensch gewesen, der in dem Hause, von dem ich soeben gesprochen habe, auf der Bank saß, das Haus hieße deshalb noch heute ›Haus des Königs‹, und die Hindi-Inschrift auf einer Hauswand nenne das Datum des Untergangs dieses Volkes, der vor ungefähr tausend Jahren eingetreten sei.

Ich verbrachte in Lhar in der Gesellschaft von Al al-Mulk fünf Tage. Er versah mich mit Reiseproviant, und ich brach nach Bakkr auf, einer schönen Stadt, die ein Kanal des Indus durchfließt.19 Inmitten dieses Kanals steht eine Zwiya, in der Reisende verpflegt werden. Kišln hat sie in den Tagen seiner Statthalterschaft im Sind errichtet. Ich werde noch von ihm sprechen. Ich begegnete dort dem anafitischen Faqh und Imm adr ad-Dn, dem Q Abanfa sowie dem frommen und demütigen Scheich Šams ad-Dn Muammad aus Šrz. Er war schon sehr betagt und sagte mir, er sei älter als 120 Jahre. Von Bakkr reiste ich weiter nach ah, einer großen und gut gebauten Stadt am Indus mit schönen Märkten.20 Der Emir der Stadt war damals der vornehme und verehrte König all ad-Dn al-K, ein Held und Wohltäter. Er ist in dieser Stadt nach einem Sturz vom Pferd gestorben.

Zwischen mir und diesem verehrten König all ad-Dn war Freundschaft entstanden, eine Liebe und eine Zuneigung, die sich bewähren sollte. Wir begegneten uns in der Hauptstadt Delhi wieder. und als der König nach Daulat bd abreiste, wie ich noch schildern werde, und mir befahl, in Delhi zu bleiben, sagte all ad-Dn zu mir: »Du wirst viel Geld für deinen Unterhalt brauchen, und der König wird lange ausbleiben. Nimm also mein Dorf und ziehe seinen Ertrag bis zu meiner Rückkehr für dich ein!« Ich nahm seinen Vorschlag an und zog ungefähr 5.000 Dinar ein. Gott möge es ihm vergelten!

Ich traf in ah auch den gottesfürchtigen, demütigen und edlen Qub ad-Dn aidar, den Alden, der mir sein Ordenskleid anlegte. Er war ein heiliger Mann, und den Rock, mit dem er mich gekleidet hatte, bewahrte ich gut auf, bis ungläubige Hindus ihn mir auf See raubten.

Von ah aus reiste ich nach Multn, der Hauptstadt des Sind und dem Sitz des obersten Emirs dieser Provinz.21 Auf dem Weg dorthin kam ich zehn Meilen vor der Stadt an den Fluß usraw bd22, einen großen Strom, den man nur in Booten überqueren kann. Dort werden die Waren eines jeden Ankömmlings aufs strengste untersucht und sein Reisegepäck geprüft. Als wir dort ankamen, nahmen sie ihrer Gewohnheit gemäß ein Viertel aller Waren, die die Kaufleute mit sich führten, an sich und für jedes Pferd erhoben sie eine Gebühr von sieben Dinar. Zwei Jahre nach meinem Eintreffen in Indien, als der Sultan dem Kalifen Abu-l-Abbs den Treueid geleistet hatte, schaffte er diese Gebühr ab und ordnete an, daß nur noch die Almosensteuer und der Zehnte erhoben werden sollten.23

Als wir uns anschickten, den Fluß zu überqueren, und das Gepäck durchsucht wurde, war die Untersuchung meines Hab und Guts für mich nur schwer erträglich, denn es enthielt nichts von Wert, schien aber in den Augen dieser Menschen wertvoll zu sein. Es war mir widerwärtig, ansehen zu müssen, wie sie alles in Augenschein nahmen, aber durch die Gnade Gottes erschien einer der Offiziere von Qub al-Mulk, dem Herrn von Multn, und befahl, daß die Durchsuchung und Überprüfung meines Gepäcks unterbleiben solle. So geschah es auch, und ich lobte Gott für die Gunst, die er mir erwiesen hatte. Die Nacht verbrachten wir am Flußufer, und am Morgen kam der oberste Aufseher der Post zu uns, der Dahiqn hieß und aus Samarqand stammte. Er war es, der aus seiner Stadt und seinem Bezirk dem Sultan meldete, was vorgefallen und wer angekommen war. Er befragte mich und in seiner Gesellschaft ging ich zum Sultan von Multn.

Der Emir von Multn war Qub al-Mulk, ein großer und vornehmer Fürst. Als ich zu ihm trat, stand er vor mir auf, schüttelte mir die Hand und hieß mich, an seiner Seite Platz zu nehmen. Ich bot ihm einen Sklaven, ein Pferd sowie eine bestimmte Menge Rosinen und auch Mandeln an, denn sie sind das Wertvollste, was man ihnen schenken kann, weil sie in ihrem Lande nicht vorkommen, sondern aus dem ursn eingeführt werden müssen. Der Emir saß auf einem großen, mit Teppichen belegten Podest, neben ihm saßen der Q Slr und der Prediger, an dessen Namen ich mich nicht erinnere. Auf beiden Seiten standen seine Offiziere und hinter ihm bewaffnete Soldaten. Vor ihm paradierten seine Truppen, darunter sehr viele Bogenschützen. Wenn jemand als Bogenschütze ins Heer aufgenommen werden will, wird ihm ein Bogen gegeben, damit er ihn spannt. Diese Bögen sind von unterschiedlicher Starrheit, und der Sold eines Schützen bemißt sich nach der Kraft, mit der er seinen Bogen spannen kann. Für den Mann, der Reiter werden will, steht eine Zielscheibe bereit: Er treibt sein Pferd an und wirft seine Lanze nach der Scheibe. Ferner hängt an einer niedrigen Mauer ein Ring. Der Reiter reitet das Pferd, bis es vor dem Ring steht: Wenn er nun den Ring mit seiner Lanze abheben kann, gilt er als ausgezeichneter Reiter. Dem Mann, der berittener Lanzenwerfer werden will, wirft man eine Kugel auf die Erde. Er treibt sein Pferd an und schleudert aus dem Sattel die Lanze nach der Kugel. Sein Sold wird nach der Geschicklichkeit bemessen, mit der er die Kugel trifft.

Als wir, wie ich erzählt habe, vor den Emir traten und ihn grüßten, wies er uns ein Haus außerhalb der Stadt zur Wohnung an, das den Gefährten des frommen Scheichs Rukn ad-Dn gehörte, den ich schon genannt habe. Sie nehmen erst dann Gäste auf, wenn es der Sultan ihnen befohlen hat.

Ich traf in der Stadt eine Anzahl von Personen, die sich ebenfalls an den Hof des indischen Königs begeben wollten. Darunter befanden sich uwand Zdah Qiwm ad-Dn, der Q von Tirmi, mit Frau und Sohn; in Multn schlossen sich ihm seine Brüder Imd ad-Dn, Diy ad-Dn und Burhn ad-Dn an. Ferner kamen Mubrak Šh, ein bedeutender Mann aus Samarqand, Arn Bu, einer der Großen aus Bur, Malik Zdah, der Neffe von uwand Zdah, und Badr ad-Dn al-Fal. Jeder hatte seine Gefährten, Diener und Gefolgsleute.

Als zwei Monate seit unserer Ankunft in Multn verstrichen waren, erschienen ein Kammerherr des Sultans, Šams ad-Dn al-Bšan, und der Polizeioffizier Malik Muammad al-Haraw, um uwand Zdah zu empfangen. Mit ihnen kamen drei Eunuchen, die von ihrer Dienstherrin ihn, der Mutter des Sultans, zum Empfang der Gattin uwand Zdahs entsandt worden waren. Sie brachten Gewänder für das Ehepaar und seine Kinder und hatten für die Verpflegung der Neuankömmlinge zu sorgen. Sie alle kamen gemeinsam zu mir und fragten mich, warum ich gekommen sei. Ich erklärte ihnen, ich sei gekommen, in diesem Lande im Dienste des ›Herrn der Welt‹ meinen Aufenthalt zu nehmen, denn so nennt man den Sultan in seinen Ländern. Der Sultan hatte angeordnet, daß niemand, der aus dem ursn kam, Indien betreten dürfe, es sei denn, er wolle sich auf Dauer niederlassen. Als ich sie wissen ließ, daß ich mit der Absicht gekommen wäre, meinen dauerhaften Aufenthalt in Indien zu nehmen, riefen sie den Q und die Rechtsgehilfen, ließen eine Urkunde mit meinem Namen und den Namen meiner Gefährten aufsetzen, die ebenfalls bleiben wollten. Einige dieser Gefährten aber lehnten diese Verpflichtung ab.

Wir bereiteten uns nun auf die Abreise in die Hauptstadt vor, die von Multn vierzig Tagesreisen, die stets durch besiedeltes Land führen, entfernt ist. Der Kammerherr und der Offizier, der mit ihm abgesandt worden war, statteten Qiwm ad-Dn mit allem aus, was er brauchte, und nahmen aus Multn ungefähr zwanzig Köche mit. Der Kammerherr ritt nachts zu jeder nächsten Herberge voraus und ließ schon das Essen und auch sonst alles vorbereiten, so daß, wenn udwand Zdah eintraf, die Speisen schon zubereitet waren. Jeder der neu angekommenen Gäste, die ich genannt habe, wurde einzeln mit seiner Begleitung in seinem Zelt untergebracht. Häufig nahmen sie aber am Mahle teil, das für uwand Zdah zubereitet worden war, ich allerdings nur ein einziges Mal. Diese Mahlzeiten nahmen den folgenden Verlauf: Zunächst wird Brot vorgesetzt, das wie unsere Brotlaibe aussieht. Das geröstete Fleisch schneiden sie in große Stücke, so daß ein Schaf in vier bis sechs solcher Stücke zerlegt und jedem Mann ein solches Stück Fleisch vorgesetzt wird. Sie stellen auch ein rundes, in Butteröl zubereitetes Fladenbrot dazu, das den Brotfladen in unseren Ländern ähnlich ist und deren Mitte mit einer Süßigkeit gefüllt ist, die ›sbnya‹24 genannt wird. Über den ganzen Fladen legen sie noch einen süßen Kuchen, den sie aus Mehl, Zucker und Butteröl zubereiten und ›išt‹ nennen, was ›gebrannter Ziegel‹ heißt. Dann wird Fleisch, das in Butter mit Zwiebeln und grünem Ingwer gekocht wurde, in chinesischem Porzellan aufgetragen, danach ein Gericht, das ›samsak‹25 heißt, aus gehacktem Fleisch besteht, das mit Mandeln, Nüssen, Pistazien und mit Gewürzen gekocht und in einen in Butter gebackenen Brotkuchen gefüllt wird. Jedem Teilnehmer werden vier oder fünf Stücke von diesem Fleisch vorgesetzt. Danach werden Hühner mit Reis aufgetragen, der ebenfalls in Butter gekocht ist, es folgen kleine Q-Bissen26, die sie ›hšim‹ nennen, und schließlich die ›qhirya‹.

Vor dem Essen stellte sich der Kammerherr vor dem Tisch auf und verneigte sich in die Richtung, in der sich der Sultan befand, und mit ihm verneigte sich die gesamte Dienerschaft. Diese Verneigung besteht bei den Indern darin, daß sie den Kopf senken wie im Gebet. Sobald sie dies getan hatten, setzten sie sich zum Essen nieder. Es wurden goldene, silberne und gläserne Trinkbecher mit Obstsäften hereingetragen, die aus in Wasser verdünntem Sirup bestanden. Sie nennen diesen Saft ›šurba‹ und trinken ihn vor dem Essen. Dann sprach der Kammerherr die Worte: »Im Namen Gottes«, und nun begannen sie zu essen. Nachdem sie gegessen hatten, wurden Krüge mit Bier herbeigetragen. Als diese geleert waren, wurden Betel und Betelnüsse gebracht, von denen ich schon gesprochen habe. Nach dem Genuß von Betel und Nüssen sprach der Kammerherr: »Im Namen Gottes«, sie verbeugten sich wie vor dem Mahl und zogen sich zurück.

Von Multn aus reisten wir in der gleichen Ordnung, wie ich sie schon geschildert habe, weiter bis in die indischen Länder. Die erste Stadt, die wir dort betraten, hieß Abhar, mit der die erste indische Provinz beginnt.27 Sie ist klein, aber sehr schön, gut bevölkert und mit Flüssen und Bäumen gesegnet. Es gibt dort keinen Baum, der auch bei uns wächst, außer dem Jujuba-Strauch28, der aber in Indien sehr hoch wird und dessen Früchte so groß wie der Gallapfel, aber sehr süß werden. Die Inder haben sehr viele Bäume, die sich weder bei uns noch andernorts finden.

Zu den Bäumen Indiens zählt der Mangobaum. Er gleicht dem Orangenbaum, ist aber viel dicker und belaubter. Er wirft viel mehr Schatten als andere Bäume, aber dieser Schatten ist sehr drückend, denn wer unter ihm schläft, fühlt sich unwohl. Seine Früchte sind so groß wie dicke Birnen. Wenn sie grün sind und ihre volle Reife noch nicht erreicht haben, sammelt man die vom Baum gefallenen Früchte ein, bestreut sie mit Salz und legt sie ein wie in unserem Lande die Zitronen und Limonen. So behandeln die Inder auch den grünen Ingwer und die Pfefferbüschel. Sie essen sie mit ihren anderen Speisen zusammen und nehmen nach jedem Bissen ein wenig von diesen gesalzenen Früchten zu sich. Wenn die Mango im Herbst reif ist, wird sie gelb und kann gegessen werden wie ein Apfel. Die einen schneiden sie mit einem Messer auf, die anderen saugen sie aus. Sie ist süß, aber in den süßen Geschmack mischt sich ein wenig Säure. Sie hat einen großen Kern, der so ausgesät wird wie Orangen- und andere Kerne, aus dem die Bäume entstehen.

Weiter wachsen in Indien der ›šak‹ und der ›bark‹.29 Diese Namen gibt man dort sehr langlebigen Bäumen. Ihre Blätter gleichen denen des Nußbaums, und ihre Früchte wachsen aus dem Stamm heraus. Der ›bark‹ ist der Baum, dessen Früchte nahe am Boden wachsen, sehr süß und von bestem Geschmack sind. Was darüber wächst, wird ›šak‹ genannt: Seine Früchte gleichen einem großen Kürbis und haben eine Schale, die an Rinderhaut erinnert. Wenn die Frucht im Herbst gelb geworden ist, wird sie abgeschnitten und gespalten, und man findet in ihr hundert bis zweihundert Kerne, die wie kleine Gurken aussehen. Zwischen den Kernen liegt ein gelbes Häutchen und jeder Kern hat wieder einen Stein, der einer großen Bohne gleicht. Wird dieser Stein geröstet oder gekocht, so schmeckt er auch wie eine Bohne, die es aber in Indien nicht gibt. Diese Kerne werden in roter Erde aufbewahrt und halten bis ins nächste Jahr. ›Šak‹ und ›bark sind die besten Früchte Indiens.

Der ›tand‹ ist die Frucht des Ebenholzbaums, die so groß wird wie die Aprikose, die gleiche Farbe hat und sehr süß ist.

Der Baum, der die ›umn‹30 hervorbringt, wird sehr alt. Seine Frucht gleicht der Olive, ist schwarz und hat wie die Olive nur einen Kern.

Die süße Orange kommt im Überfluß vor, während die saure Orange sehr selten ist. Eine dritte Orange, die zwischen der süßen und der sauren die Mitte hält, ist eine Frucht, die die Größe einer Zitrone erreicht, einen sehr angenehmen Geschmack hat und mir sehr zusagte.

Auch die ›mahw‹31 ist ein langlebiger Baum mit Blättern, die zwar rötlichgelb sind, aber sonst aussehen wie die Blätter des Nußbaums. Die Frucht ähnelt einer kleinen Birne und ist sehr süß. Sie besitzt in ihrem oberen Teil einen kleinen Kern, so groß wie eine Weintraube, hohl und vom Geschmack der Weintraube, doch wer zuviel von ihr ißt, bekommt Kopfschmerzen. Erstaunlich aber ist, daß sie, wenn sie an der Sonne getrocknet worden ist, wie eine Feige schmeckt. Ich aß sie anstelle von Feigen, die man in Indien nicht findet. Sie heißen dort ›ankr‹, was in ihrer Sprache ›Weintrauben‹ bedeutet.32 Diese aber sind in ihren Ländern sehr selten, es gibt sie nur an einigen Stellen um Delhi und einigen anderen Provinzen. Die ›mahw‹ trägt zweimal im Jahr Früchte; aus den Kernen wird Öl hergestellt, das für die Beleuchtung verwendet wird.

Eine weitere ihrer Früchte nennen die Inder ›kasra‹. Sie graben sie aus der Erde; sie ist sehr süß und ähnelt der Kastanie.

Von den Früchten, die auch bei uns wachsen, findet sich in Indien der Granatapfel, der zweimal im Jahr trägt. Ich habe auf den Malediven Bäume gesehen, die immer Früchte trugen. Die Inder nennen sie ›anr‹, und ich glaube, daß aus dieser Bezeichnung das Wort ›ulnr‹ entstand, denn ›ul‹ bedeutet im Persischen ›Blume‹ und ›anr‹ ist der Granatapfel.33

Die Inder säen zweimal im Jahr. Wenn im Sommer die Regenfälle kommen, bringen sie die Herbstsaat aus und ernten nach sechzig Tagen. Zu dieser Herbstsaat gehören das ›kur‹, eine Hirseart, ihr wichtigstes Korn, ferner das ›ql‹, eine kleinkörnige Hirse.34 Das ›šm‹35 ergibt ein noch kleineres Korn als das ›ql‹ und wächst meist wild. Es ist die Speise der frommen Männer und Asketen, der Armen und Bettler. Sie sammeln, was von diesem Korn wild wächst. Einer trägt einen großen Korb in seiner Linken und eine Rute in seiner Rechten. Mit ihr schlägt er auf das Korn, das nun in den Korb fällt. So sammeln sie das ganze Jahr ein, was sie zum Leben benötigen.

Das Korn des ›šm‹ ist sehr klein. Wenn es eingesammelt ist, wird es in die Sonne gelegt und in hölzernen Mörsern zerstampft. Die Schale wird davongeweht und es bleibt ein weißes Mark zurück, aus dem ein Brei zubereitet wird, den sie mit Büffelmilch kochen. Er ist schmackhafter als Brot aus dem gleichen Korn. Ich aß es häufig und gern in Indien. Das ›mš‹ ist eine Art Erbse.36 Das ›mun‹ ist mit dem ›mš‹ verwandt37, hat aber ein längliches Korn und eine hellgrüne Farbe. Sie kochen es mit Reis, essen es mit Butter und nennen es ›kušar‹. Es ist ihr tägliches Morgenmahl und für sie, was für uns im Marib das ›arra‹38 ist. Die ›lby‹39 ist eine Bohnenart. Das ›mt‹40 ist dem ›Kur‹ ähnlich, hat aber kleineres Korn und wird als Futter für das Vieh verwendet, das davon fett wird, während ihre Gerste kraftlos ist. Ihr Viehfutter besteht deshalb nur aus diesem ›mt‹ und aus Kichererbsen, die sie zermahlen und mit Wasser verrühren. Sie füttern ihr Reitvieh statt mit Grünfutter mit ›mš‹-Blättern, nachdem es zehn Tage lang jeden Abend mit Butteröl, und zwar mit drei oder vier ›ral‹41 täglich, getränkt wurde, und reiten es während dieser Zeit nicht. Danach wirft man ihnen, wie ich gesagt habe, etwa einen Monat lang ›mš‹-Blätter vor.

Die erwähnten Kornarten sind sämtlich Herbstgetreide. Sobald sie sechzig Tage nach der Aussaat geerntet sind, wird die Saat für die Frühlingsernte ausgebracht, und zwar Weizen, Gerste, Kichererbsen und Linsen, die auf die gleichen Felder gesät werden, die auch das Herbstkorn aufgenommen haben, denn das Land ist gesegnet und hat einen fruchtbaren Boden. Reis säen sie dreimal im Jahr aus, es ist ihr meistgeerntetes Getreide. Auch Sesam und Zuckerrohr bauen sie an, und zwar gemeinsam mit ihrem Herbstkorn, das ich schon genannt habe.

Aber kehren wir auf unseren Weg zurück! Wir brachen von Abhar auf und reisten durch eine Ebene, die sich eine Tagesreise weit ausdehnte und an deren Rändern unüberwindliche Berge standen, in denen ungläubige Hindus leben, die manchmal die Wege überfallen. Die meisten Inder sind ungläubig, manche sind den Muslimen tributpflichtig und leben unter deren Schutzpflicht in ihren Dörfern. Sie leben dort unter der Herrschaft eines Muslims, der vom Gouverneur oder dem Vasallen eingesetzt wurde, dem das Lehen übertragen worden ist. Andere sind Aufständische, die sich in den Bergen verschanzen, Widerstand leisten und die Wege unsicher machen.

Als wir von Abhar aufbrechen wollten, verließ der größte Teil unserer Gruppe die Stadt am frühen Morgen, während ich mit einigen meiner Begleiter bis Mittag zurückblieb. Dann reisten auch wir ab, 22 Reiter an der Zahl, darunter Araber und andere. Da griffen uns auf der Ebene achtzig Ungläubige und zwei Reiter an, aber meine Gefährten waren mutig und standhaft. Wir bekämpften sie heftig, töteten einen ihrer Reiter und erbeuteten sein Pferd. Von den übrigen Männern töteten wir ungefähr zwölf. Einer ihrer Bogenschützen traf mich, ein zweiter Pfeil traf mein Pferd. Doch Gott wachte über meine Unversehrtheit, denn ihre Pfeile waren ohne Kraft. Aber das Pferd eines meiner Begleiter war verwundet worden. Wir ersetzten es durch das Pferd des Ungläubigen und schlachteten das verwundete Tier, das die Türken, die in unserer Gesellschaft reisten, verspeisten. Die Köpfe der Toten nahmen wir in die Festung von Ab Bakhar42 mit, wo wir sie an die Mauern hängten. In dieser Festung kamen wir mitten in der Nacht an.

Zwei Tage nach der Weiterreise kamen wir in Adahan an43, einem kleinen Ort, der dem frommen Scheich Fard ad-Dn al-Bawun gehörte44, dessen Begegnung mit mir der gottgläubige und heilige Scheich Burhn ad-Dn al-Ara mir in Alexandria vorhergesagt hatte. So geschah es gottlob auch. Er war der Lehrer des indischen Königs, der ihm dieses Städtchen zum Geschenk gemacht hatte. Der Scheich war von böser Schwermut heimgesucht – Gott bewahre uns vor ihr! Er gibt niemandem die Hand, nähert sich niemandem, und wenn sein Kleid das eines anderen Menschen streift, wäscht er es. Ich betrat seine Zwiya, fand ihn und überbrachte ihm die Grüße von Scheich Burhn ad-Dn.45 Er wunderte sich und sagte: »Dessen bin ich unwürdig.« Ich traf auch seine beiden ehrwürdigen Söhne, den älteren Muizz ad-Dn46, der nach dem Tode seines Vaters die Würde des Scheichs übernahm, und Alam ad-Dn.47 Ich besuchte das Grab seines Großvaters, Fard ad-Dn al-Bawun, des Pols des Glaubens, der aus der Stadt Bawun in der Provinz Sambal stammte. Als ich die Stadt schließlich verlassen wollte, sagte mir Alam ad-Dn: »Du mußt noch meinen Vater sehen!«, und ich sah ihn ganz oben auf dem Dach, ganz in Weiß gekleidet mit einem großen Turban, an dem ein Haarbüschel zur Seite herunterhing. Er betete für mich und schickte mir Zucker und einige Pflanzen.

Als ich den Scheich verließ, sah ich einige Männer, wie sie aus unserem Lager rannten, darunter auch einige meiner Begleiter, und ich fragte sie, was es gäbe. Sie antworteten mir, daß ein ungläubiger Hindu gestorben sei, daß ein Feuer angezündet worden sei, um ihn zu verbrennen, und daß seine Frau sich mit ihm verbrenne. Als die beiden in Flammen standen, kamen meine Begleiter und sagten, die Frau habe den Toten umarmt, bis sie selbst verbrannt war. Später habe ich in diesem Lande Frauen ungläubiger Hindus, geschmückt und beritten, gesehen, wie das Volk, ob muslimisch oder Hindu, ihnen folgte, wie sie Trommeln und Trompeten vor sich hertrugen, und wie sie von Brahmanen, den Großen der Hindus, begleitet wurden. Wenn dies im Lande des Sultans geschieht, bitten sie ihn um Erlaubnis, die Frau zu verbrennen. Er gestattet es ihnen, und dann verbrennen sie sie.

Eine gewisse Zeit später befand ich mich in einer Stadt, deren Volk in der Mehrzahl ungläubig war und die Amar hieß.48 Ihr Statthalter war ein Muslim aus dem Stamme der Smira im Sind. In der Nachbarschaft lebten aufständische Hindus, die eines Tages Raubüberfälle verübten. Der muslimische Emir trat ihnen entgegen, um sie zu bekämpfen. Mit ihm ritten seine muslimischen wie ungläubigen Untertanen, und es kam zu einem erbitterten Gefecht, in dem sieben seiner ungläubigen Männer fielen, von denen drei verheiratet waren. Ihre drei Frauen kamen überein, sich zu verbrennen. Die Verbrennung der Frau nach dem Tode des Mannes ist bei ihnen eine Regel, der sie sich unterwerfen, die aber nicht erzwungen wird. Aber wenn eine Frau sich nach dem Tode ihres Mannes verbrennt, so erlangt ihre Familie dadurch Ehre und wird für ihre Treue gerühmt. Eine Frau dagegen, die sich nicht verbrennt, trägt grobe Kleider, bleibt bei ihrer Familie und wird wegen ihres Mangels an Treue unglücklich und verachtet. Aber sie wird nicht gezwungen, sich zu verbrennen.

Als sich die drei Frauen, von denen ich sprach, geeinigt hatten, sich verbrennen zu lassen, verbrachten sie die drei vorausgehenden Tage mit Gesang, Musik sowie mit Essen und Trinken, um von der Welt Abschied zu nehmen. Von allen Seiten kamen Frauen herbei, und in der Frühe des vierten Tages brachte man jeder ein Pferd, das sie, geschmückt und in Wohlgerüche gehüllt, bestiegen. In ihrer Rechten hielten sie eine Kokosnuß, mit der sie spielten, in ihrer Linken einen Spiegel, in der sie ihr Gesicht betrachteten. Die Brahmanen umgaben sie, ihre Verwandten begleiteten sie. Vor ihnen wurden Trommeln geschlagen, Trompeten geblasen und Flöten gespielt. Jeder dieser Ungläubigen sagte zu ihnen: »Bringe meinen Gruß meinem Vater oder meinem Bruder oder meiner Mutter oder meinem Freund.« Und sie antworteten ihnen lächelnd: »Ja.«

Ich stieg mit meinen Begleitern zu Pferd, um zu beobachten, wie sich die Frauen während der Verbrennung verhielten. Wir ritten ungefähr drei Meilen weit mit ihnen und erreichten einen düsteren Platz mit viel Wasser und vielen Bäumen, der unter dichtem Schatten lag. Unter den Bäumen standen vier Pavillons mit steinernen Götzenbildern. Zwischen diesen Pavillons lag in tiefstem Schatten ein Teich, um den die Bäume so dicht standen, daß kein Sonnenstrahl hindurchdrang, so daß es schien, als sei es ein Ort der Hölle – Gott bewahre uns vor ihr! Als wir diese Pavillons erreichten, traten die Frauen an den Teich, tauchten hinein, legten ihre Kleider und ihren Schmuck ab und verschenkten sie. Man brachte ihnen ein ungenähtes Tuch aus grober Baumwolle, das sie teils um ihre Hüften, teils über ihren Kopf und ihre Schultern wickelten. Unterdessen waren an einer vertieften Stelle in der Nähe des Teiches Feuer entfacht und ›ran kunut‹49, das ist Sesamöl, hineingegossen worden, um die Flammen auflodern zu lassen. Ungefähr fünfzehn Männer hielten Bündel dünner Holzstäbchen in den Händen, zehn weitere trugen schwere Holzbretter herbei, und die Trommler und Trompeter warteten auf die Ankunft der Frauen. Der Anblick des Feuers war hinter einer Decke verborgen, die Männer in ihren Händen hielten, damit sein Anblick die Frauen nicht überwältigte. Ich sah eine Frau, die, als sie sich der Decke näherte, sie heftig den Händen der Männer entriß, zu ihnen auf Persisch sagte: »Mr mtar sn azaaš mdnam aw aš asta rah kun mr«, und lachte. Und diese Worte bedeuten: »Erschreckt ihr mich etwa mit dem Feuer? Ich weiß, daß es ein brennendes Feuer ist.« Dann legte sie ihre Hände über dem Kopf zusammen, als wolle sie dem Feuer huldigen, und stürzte sich hinein. Sofort erklangen die Trommeln, Trompeten und Flöten, die Männer warfen die Holzbündel, die sie in ihren Händen hielten, in die Flammen und die anderen legten die Bretter auf die Frau, damit sie sich nicht mehr bewegte. Stimmen erhoben sich und ein lautes Geschrei entstand. Als ich dies sah, hatte ich Mühe, nicht vom Pferd zu fallen, aber meine Gefährten waren wachsam und brachten mir Wasser, wuschen mir das Gesicht und wir ritten fort.

Ähnlich halten es die Inder mit dem Ertränken: Viele nämlich ertränken sich im Fluß Kank50, zu dem sie zu wallfahren pflegen. In ihn wird auch die Asche Verbrannter gestreut, denn sie glauben, der Fluß entspringe im Paradies. Kommt jemand an diesen Strom, um sich zu ertränken, sagt er zu den Umstehenden: »Glaubt nicht, daß ich mich ertränke, weil mir hier unten in dieser Welt etwas zugestoßen sei, oder weil ich arm bin! Vielmehr will ich mich Kus nähern«, denn Kus ist in ihrer Sprache der Name Gottes des Allgewaltigen. Danach ertränkt er sich. Sobald er gestorben ist, ziehen sie ihn heraus, äschern ihn ein und streuen die Asche in den Fluß.

Aber kehren wir zu unserer Reise zurück! Wir brachen von Adahan auf und erreichten nach vier Tagen Sarsat51, eine große Stadt, in der sehr viel Reis angebaut wird. Dieser Reis ist ausgezeichnet und wird in die Hauptstadt Delhi gebracht. Der Steuerertrag der Stadt ist sehr hoch; der Kammerherr Šams ad-Dn al-Bšan hat mir den Betrag genannt, aber ich habe ihn vergessen. Von dort reisten wir weiter nach ns52, einer schönen und gut bevölkerten Stadt mit einer mächtigen Stadtmauer, die von einem großen Sultan der Ungläubigen namens Tra errichtet worden sein soll, über den viele Geschichten erzählt werden. Aus dieser Stadt stammen Kaml ad-Dn ar al-ihn, der Oberq Indiens, sein Bruder Quln, der Lehrer des Sultans, und ihre beiden Brüder Nim ad-Dn und Šams ad-Dn, der sich ganz Gott widmete und nach Mekka ging, wo er starb. Von ns aus erreichten wir in zwei Tagen Masd bd53, das nur noch zehn Meilen von der Hauptstadt Delhi entfernt ist. ns und Masd bd gehören dem großen König Hšan, dem Sohn des Königs Kaml Kurk, was ›Wolf‹ bedeutet; von ihm werde ich noch sprechen.

Der König von Indien, dessen Residenz wir aufsuchen wollten, war abwesend und befand sich in der Gegend um die Stadt Qinau54, zehn Tage von Delhi entfernt. In der Residenz aber hielt sich seine Mutter auf, die Madma ihn genannt wurde, worin ›ihn‹ ›Welt‹ bedeutet. Auch sein Wesir a ihn, der kleinasiatischer Abstammung war und auch Amad bin Ays genannt wurde, war anwesend.55 Er sandte uns seine Beauftragten entgegen, uns zu empfangen, und entsandte für jeden von uns Männer gleichen Ranges. Für meinen Empfang hatte er Scheich Al-Bism und Šarf Al-Mzandarn, den für ausländische Gäste zuständigen Kammerherrn, bestimmt, dazu den Faqh Al ad-Dn al-Multn, genannt Qunnarah. Er schrieb dem Sultan über uns und schickte den Brief mit der ›dwa‹, jener Läuferpost, die ich schon beschrieben habe. Das Schreiben gelangte zum Sultan, und die Antwort erhielt der Faqh noch binner jener drei Tage, die wir in Masd bd zubrachten. Nach Ablauf dieser drei Tage erschienen die Qs, Faqhs und Scheichs und auch einige Emire zu unserem Empfang, die dort den Titel ›König‹ führen, denn wen die Ägypter und andere ›Emir‹ nennen, den sprechen sie dort als ›malik‹ an. Auch Scheich üahr ad-Dn az-Zann, den der Sultan mit hoher Würde bekleidet hatte, kam zu uns heraus.

Wir verließen Masd bd und machten in der Nähe eines Dorfes namens Blam Halt, das dem Herrn und Šarf Nir ad-Dn Muahhar al-Auhar, einem Vertrauten des Sultans, gehörte, in dessen höchster Gunst er stand. Am nächsten Morgen betraten wir die Residenz Delhi, die Hauptstadt Indiens, eine mächtige und bedeutende Stadt, bestehend aus Schönheit und Stärke und umringt von einer Stadtmauer, wie man sie in der ganzen Welt nicht kennt. Es ist die größte Stadt Indiens, ja aller östlichen Länder des Islam.

Delhi ist von gewaltiger Ausdehnung und sehr dicht besiedelt. Sie besteht heute aus vier benachbarten und miteinander verbundenen Städten, von denen eine, die eigentliche Trägerin des Namens Delhi, die alte, noch von den Ungläubigen erbaute Stadt ist, die im Jahre 584 erobert wurde.56 Die zweite Stadt heißt Sr, wird aber auch ›Haus des Kalifats‹ genannt57, die der Sultan dem iy ad-Dn, dem Enkel des Kalifen Al-Mustanir, dem Abbsiden, gab, als dieser ihn aufsuchte. In ihr haben Sultan Al ad-Dn und sein Sohn Qub ad-Dn, von denen ich noch sprechen werde, ihren Sitz. Die dritte Stadt heißt Tuluq bd58, so genannt nach ihrem Erbauer, Sultan Tuluq, dem Vater des indischen Sultans, an dessen Hof wir uns begaben. Der Anlaß ihrer Gründung war, daß er eines Tages vor Sultan Qub ad-Dn stand und sagte: »O Herr der Welt, du solltest hier eine Stadt errichten.« – Da erwiderte der Sultan spöttisch: »Wenn du einmal Sultan bist, dann baue sie doch!« Und mit Gottes Willen geschah es, daß er Sultan wurde, sie gründete und ihr seinen Namen gab. Die vierte Stadt heißt ›ihn Banh‹59 und ist der Residenz des Sultans und heutigen indischen Königs Muammad Šh vorbehalten, den wir aufsuchten. Er hat sie erbaut und hatte gewünscht, alle vier Städte durch eine einzige Stadtmauer miteinander zu vereinigen, baute auch einen Teil zu Ende, ließ aber dann die Arbeiten wegen des gewaltigen Aufwandes einstellen.

Die Umfassungsmauern von Delhi haben nicht ihresgleichen. Sie sind elf Ellen stark und enthalten Kammern für die Nacht- und Torwachen, Vorratsspeicher für Lebensmittel, die sie ›anbr‹ nennen, sowie Läger für Kriegsgerät, Belagerungsmaschinen und Steinschleudern. Korn kann sehr lange in ihnen aufbewahrt werden, ohne daß es sich verändert oder verdirbt. Ich habe gesehen, wie Reis aus einem dieser Speicher geholt wurde; er war ganz schwarz geworden, hatte aber noch einen angenehmen Geschmack. Ich sah auch Hirse, die aus dem Lager fortgeschafft wurde. Alle diese Vorratsspeicher waren vor neunzig Jahren von Sultan Balaban angelegt worden. Reiter und Fußsoldaten können innerhalb der Mauer von einem Ende der Stadt zum anderen marschieren, denn zur Stadtseite hin sind Bogenfenster eingelassen, durch die Licht einfällt. Der untere Teil der Mauern ist aus Stein, der obere aber aus Ziegeln erbaut; viele Türme stehen dicht hintereinander.

Die Stadt hat achtzehn Tore, die ›darwza‹ genannt werden: Das erste und größte ist das Baun-Tor60; es folgen das Mindaw-Tor61, wo sich der Kornmarkt befindet; das ul-Tor62 in der Nähe der Gärten; das Tor des Šhs, so genannt nach einem Manne, der so hieß; das Blam-Tor nach dem Dorfe, von dem ich schon gesprochen habe; das Nab-Tor, das nach einem Mann benannt ist ebenso wie das Kaml-Tor; das azna-Tor63, das seinen Namen von der Stadt azna an der Grenze zum ursn hat; außerhalb dieses Tores liegen mehrere Friedhöfe und der Gebetsplatz, auf dem das Fest des Fasten-brechens begangen wird. Außen vor dem Balia-Tor64 liegen die schönen Friedhöfe Delhis, wo die Grabkuppeln errichtet werden. Ausnahmslos jedes Grab ist mit einer Gebetsnische versehen, selbst wenn es keine Kuppel hat. Man hat dort Blumensträucher wie Narzissen, Jasmin, Jonquillen und andere angepflanzt, denn Blumen blühen in Indien zu jeder Jahreszeit.

Die Moschee von Delhi ist von großer Ausdehnung.65 Mauern, Dach und Pflaster sind ganz aus vollendet geglätteten weißen Steinen hergestellt, die kunstvoll durch Blei miteinander verbunden sind, während keinerlei Holz verwendet wurde. Sie trägt dreizehn steinerne Kuppeln, und auch ihre Kanzel ist aus Stein. Sie umschließt vier Höfe, und in ihrer Mitte steht eine ungeheure Säule, von der man nicht weiß, aus welchem Metall sie besteht. Ein indischer Weiser hat mir erzählt, sie würde ›haft š‹ heißen, was ›sieben Metalle‹ bedeutet, aus denen sie zusammengesetzt sein soll.66 Ein Teil der Säule, so lang wie ein Zeigefinger, ist poliert und erstrahlt in höchstem Glanz. Eisen hinterläßt keine Spur auf ihr, ihre Länge beträgt dreißig Ellen. Wir wickelten einen ganzen Turban um sie, und der Teil des Turbantuches, der sie umfaßte, maß acht Ellen.

In der Nähe des Osttores der Moschee liegen zwei zu Boden gestürzte, sehr hohe Götzenstatuen aus Kupfer, die von Steinen zusammengehalten werden. Jeder, der die Moschee betritt oder verläßt, tritt sie mit Füßen. Die Stelle, an der die Moschee steht, war eine ›buana‹, das heißt ein Götzentempel, aber als die Stadt erobert wurde, verwandelte man sie in eine Moschee. Im Nordhof steht ein Minarett, wie es in der ganzen islamischen Welt nicht mehr seinesgleichen findet. Es besteht im Gegensatz zur übrigen Moschee, die ganz weiß ist, aus rotem Stein, der zudem mit Steinschnitzereien versehen ist. Es ist außerordentlich hoch, seine Spitze ist aus leuchtend weißem Marmor und ihre Äpfel bestehen aus lauterem Gold.67 Ihr Aufstieg ist so breit, daß sogar Elefanten hinaufgehen können.68 Mir erzählte jemand, dem ich Vertrauen schenke, er habe während des Baues einen Elefanten, mit Steinen beladen, hinaufsteigen sehen. Es ist das Werk von Sultan Muizz ad-Dn bin Nir ad-Dn, dem Sohn von Sultan iy ad-Dn Balaban.69 Sultan Qub ad-Dn wollte auch im Westhofe ein noch höheres Minarett bauen, aber der Tod raffte ihn dahin, als erst ein Drittel errichtet war. Sultan Muammad wollte es vollenden, ließ aber wieder davon ab, da man es als böses Vorzeichen ansah. Wegen seiner Höhe und der Breite des Aufgangs gilt dieses Minarett als Wunder der Welt, denn drei Elefanten können nebeneinander hinaufsteigen.70 Aber dieses Drittel, das fertiggestellt worden ist, übertrifft die Höhe des gesamten Minaretts, das im Nordhof steht und das ich erwähnt habe. Ich stieg einmal hinauf und sah die Mehrzahl der Häuser der Stadt und trotz ihrer eigenen Höhe tief unter mir die Stadtmauern. Die Menschen am Fuße des Minaretts erschienen mir wie kleine Kinder. Wer es allerdings von unten betrachtet, hat wegen seiner Breite und seines Umfangs nicht den Eindruck, als sei es besonders hoch.

Sultan Qub ad-Dn wollte auch in Sr eine Hauptmoschee bauen und sie den ›Sitz des Kalifen‹ nennen. Aber er vollendete nur die Wand, die in Gebetsrichtung weist, und die Gebetsnische. Er setzte weißen, schwarzen, roten und grünen Marmor ein, und wäre sie vollendet worden, sie hätte nirgends auf der Welt ihresgleichen gefunden. Auch sie wollte Sultan Muammad vollenden und beauftragte erfahrene Baumeister, den Aufwand zu schätzen, und sie veranschlagten die Vollendung des Baus auf 35 Lak. Da verzichtete der Sultan, weil er die Kosten für zu hoch hielt. Ja, einer seiner Vertrauten verriet mir, der Sultan habe nicht wegen der übermäßigen Kosten abgelehnt, sondern weil er im Weiterbau ein böses Vorzeichen erblickt hätte, denn Sultan Qub ad-Dn war noch vor seiner Vollendung getötet worden.

Vor Delhi sieht man den großen Teich, der auf Sultan Šams ad-Dn Lalmiš71 zurückgeht und aus dem das Volk von Delhi sich mit Trinkwasser versorgt. Er liegt in der Nähe des Gebetsplatzes und sammelt Regenwasser. Er ist ungefähr zwei Meilen lang und halb so breit. Seine Westseite reicht an den Gebetsplatz heran und ist mit übereinander gesetzten Steinterrassen ausgebaut, über die man auf Stufen zum Wasser hinabsteigen kann. Seitlich neben jeder Terrasse steht ein steinernes Häuschen mit Sitzen darin für Müßiggänger und Beobachter, die sich zerstreuen wollen. In der Mitte des Teiches steht ein hoher zweistöckiger Pavillon aus behauenen Steinen. Wenn das Wasser im Teich steigt, kann man nur in Booten zum Pavillon fahren. Steht das Wasser niedrig, gehen die Leute zu Fuß hinüber. Im Inneren steht eine Moschee. Meistens sieht man in ihr Faqre, die sich dem Dienst an Gott geweiht und ihr Leben in seine Hand gegeben haben. Ist der Teich bis zu einem bestimmten Maße leer, werden Zukkerrohr, Kürbisse und Gurken sowie grüne und gelbe Melonen angebaut, die zwar klein, aber sehr süß sind.

Zwischen Delhi und dem ›Sitz des Kalifen‹ liegt der königliche Teich, der noch größer ist als der Teich des Sultans Šams ad-Dn und an dessen Rand etwa vierzig Pavillons stehen. Um sie herum wohnen, an einem Ort namens arb bd, die Musikanten. Ihr Markt gehört zu den größten Märkten überhaupt, sie haben eine Hauptmoschee und viele andere Moscheen. Mir wurde erzählt, daß die Sängerinnen, die dort wohnen, im Monat Raman in diesen Moscheen gemeinsam die Tarw-Gebete sprechen.72 Sie nehmen in großer Zahl und unter dem Vorsitz von Immen daran teil. So halten es auch die männlichen Sänger. Diese sah ich anläßlich der Hochzeit des Emirs Saif ad-Dn bin Muhann. Jeder hatte einen Gebetsteppich auf dem Schoß und erhob sich, sobald der Gebetsruf erklang, wusch sich und betete.

Unter den Heiligtümern Delhis ist zu nennen zunächst das Grab des frommen Scheichs Qub ad-Dn Batiyr al-Kak, das offenbare Segnungen erfuhr und sehr verehrt wird.73 Er hieß Al-Kak, weil er, als ihn völlig verschuldete Leute aufsuchten, um sich bei ihm über ihre Armut und Bedürftigkeit zu beklagen, oder Leute zu ihm kamen, die ihre Töchter zur Hochzeit nicht mit einer Mitgift ausstatten konnten, ihnen Gold oder Silber in der Form eines kleinen Gebäcks schenkte, so daß er unter dem Namen ›kleines Gebäck‹ bekannt wurde.

Ferner sind zu nennen die Gräber des ehrwürdigen Rechtsgelehrten Nr ad-Dn al-Karln und des Faqh Al ad-Dn al-Kirmn aus Kirmn. Auch dieses letztere Grab ist Gegenstand offenbarer Segnungen geworden und erstrahlt im Licht. Sein Standort zeigt die Gebetsrichtung an und hat noch viele andere Gräber heiliger Männer aufgenommen – Gott der Allerhöchste helfe uns durch sie!